Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 88 II 142



88 II 142

22. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 15. März 1962
i.S. L. gegen V. Regeste

    Güterrechtliche Auseinandersetzung bei Ehescheidung (Art.  154 ZGB).

    Unter welchen Voraussetzungen sind bei der Berechnung des Vorschlags
die Gewinne auf Liegenschaften und der Mehrwert von Anteilen einer
Immobiliengenossenschaft zu berücksichtigen, die der Ehemann in die Ehe
eingebracht hat?

Auszug aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- ..... d) Hinsichtlich der Frage, wie die Wertvermehrungen
auf den vom Kläger in die Ehe eingebrachten Liegenschaften und die
Erlöse aus solchen (bzw. deren Gegenwert) bei der güterrechtlichen
Auseinandersetzung zu behandeln seien, macht der Kläger geltend,
sie seien seinem eingebrachten Gut zuzurechnen. Das Obergericht ist
demgegenüber der Ansicht, die auf Liegenschaften erzielten und im
Vermögen des Klägers noch vorhandenen Gewinne seien (mit Ausnahme des
Verkaufsgewinns aus dem frühern Wohnhaus der Parteien) als Handelsgewinne
bei der Ermittlung des Vorschlags in Rechnung zu stellen. Ob der Kläger
mit den in die Ehe eingebrachten Liegenschaften tatsächlich gewerbsmässig
Handel getrieben habe, wie die Vorinstanz dies annimmt, kann indes
dahingestellt bleiben. Als gewiss muss nämlich auf Grund der Akten
(u.a. der Berichte des Grundbuchamtes) auf jeden Fall gelten, dass die
Tätigkeit, die der Kläger mit Bezug auf seine nicht dem eigenen Gebrauch
dienenden Liegenschaften entfaltete, über eine gewöhnliche, der Erhaltung
des Vermögens dienende Verwaltung erheblich hinausging. Daher sind die
Liegenschaftengewinne bei der Vorschlagsberechnung zu berücksichtigen
(vgl. BGE 50 II 435, 75 II 273 ff.). Zwischen Gewinnen, die auf die
Tätigkeit des Klägers zurückzuführen sind, und rein konjunkturbedingten
Gewinnen ist dabei nicht zu unterscheiden (welche Frage in BGE 50 II 435
offen gelassen worden war). Was die Vorinstanz in dieser Hinsicht bezüglich
der eigentlichen Handelsgewinne ausgeführt hat, gilt im wesentlichen auch
für andere Gewinne, die im Zusammenhang mit einer über die gewöhnliche,
konservierende Verwaltung hinausgehenden Tätigkeit des Ehemannes eintreten:
abgesehen davon, dass die Ausscheidung des Konjunkturgewinns in Fällen
wie dem vorliegenden praktisch kaum durchführbar wäre, ist sie auch
sachlich nicht am Platze. Sobald die Tätigkeit des Ehemanns bei nicht
selber bewohnten oder bewirtschafteten Liegenschaften den Rahmen der
gewöhnlichen Verwaltung überschreitet, indem sie z.B. die Erschliessung,
Arrondierung oder Parzellierung umfasst, kann nicht mehr von einer blossen
Kapitalanlage des Ehemannes, ihrer Veräusserung und allenfalls ihrem
Ersatz durch eine andere die Rede sein, sondern rechtfertigt es sich,
die erzielten Wertvermehrungen bzw. Verkaufsgewinne wie das Ergebnis
einer andern gewinnstrebigen Tätigkeit des Ehemannes ganz dem ehelichen
Vermögen zugute kommen zu lassen.

    e) Die im Jahre 1929 gegründete Genossenschaft BSU muss auf Grund der
tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz als eine dem Kläger gehörende
Einmanngesellschaft gelten. Für die bei ihrem Betrieb entstandenen Gewinne
muss daher grundsätzlich das gleiche gelten wie für die Gewinne auf den
vom Kläger im eigenen Namen erworbenen Liegenschaften. Die Tätigkeit,
die der Kläger als einziges Organ der BSU ausgeübt hat, überschreitet
den Rahmen der gewöhnlichen Liegenschaftenverwaltung noch deutlicher
als die Tätigkeit, welche die auf seinen eigenen Namen eingetragenen
Liegenschaften zum Gegenstand hatte. Das Versehen, das der Vorinstanz
in diesem Zusammenhang unterlaufen ist, betrifft einen rechtlich nicht
erheblichen Punkt; denn der von der Vorinstanz übersehene Umstand, dass
die BSU einen Tennisplatz (oder Tennisplätze) und ein Klubhaus erstellt
hat, kann an der erwähnten Qualifikation der Tätigkeit des Klägers
selbstverständlich nichts ändern, sondern es liegt darin ein diese
Qualifikation bestätigendes Moment. Dem Kläger kann bei dieser Sachlage
nicht gestattet werden, seine Genossenschaftsanteile ungeachtet der
Wertsteigerung, die durch grosse nicht ausgeschüttete Gewinne und Zunahme
des Werts der noch im Besitz der BSU befindlichen (grösstenteils während
der Ehe gekauften) Liegenschaften entstanden ist, kurzerhand als Mannesgut
zu beanspruchen. Vielmehr ist diese Wertsteigerung bei der Ermittlung
des Vorschags zu berücksichtigen. Eine andere Betrachtungsweise würde,
wie die Vorinstanz zutreffend dargelegt hat, der Umgehung von Art. 154
Abs. 2 und 214 Abs. 1 ZGB Tür und Tor öffnen.