Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 88 II 116



88 II 116

18. Urteil der II. Zivilabteilung vom 15. Februar 1962 i.S. Rudolf
gegen Rudolf. Regeste

    Vorkaufsrecht nach EGG; Anspruch auf einen Anteil am Gewinn im Falle
des Weiterverkaufs der Liegenschaft vor Ablauf von 15 Jahren.

    1.  Die Vormerkung dieses Anspruchs kann auch nach der Eintragung des
Erwerbers im Grundbuch noch verlangt werden. Gilt dafür eine Frist? (Frage
offen gelassen).

    2.  Der Anspruch steht ausser dem frühern Verkäufer allen Personen zu,
die zur Zeit des frühern Verkaufs nach Art. 6 Abs. 1 EGG neben dem Erwerber
vorkaufsberechtigt waren. Sind auch die Personen gewinnanteilsberechtigt,
auf welche der betreffende Kanton das Vorkaufsrecht in Anwendung von Art. 6
Abs. 2, Art. 7 und Art. 8 EGG ausgedehnt hat? (Frage offen gelassen).

    3.  Die Frist von 15 Jahren beginnt mit der Eintragung des Erwerbers
im Grundbuch.

Sachverhalt

    A.- Im Jahre 1945 trat der Landwirt Karl Rudolf-Abt, geb. 1879, sein
landwirtschaftliches Heimwesen im Ausmass von 15 ha (Grundbuch Sitterdorf
Parz. Nr. 671) zum Anrechnungswerte von Fr. 62'000.-- an seinen Sohn Hans,
geb. 1918, das jüngste seiner elf Kinder, ab. Später starb er.

    B.- Mit öffentlich beurkundetem Kaufvertrag vom 30.  Dezember 1959
verkaufte Hans Rudolf das mit Fr. 117'000.-- belastete Heimwesen, für
das die Belastungsgrenze (Art. 84 und 5 des Bundesgesetzes über die
Entschuldung landwirtschaftlicher Heimwesen vom 12. Dezember 1940 = LEG)
im Jahre 1959 auf Fr. 118'400.-- festgesetzt worden war, zum Preise von
Fr. 275'000.-- an den Baumeister Xaver Nauer in St. Gallen. Im Kaufpreis
inbegriffen waren das lebende und tote landwirtschaftliche Inventar im
Gesamtschätzungswerte von Fr. 56'175.-- sowie der Futter-, Stroh- und
Düngervorrat bei Antritt der Liegenschaft (1. April 1960).

    Nachdem das Grundbuchamt Zihlschlacht am 16. Februar 1960
die in Art. 13 Abs. 3 des Bundesgesetzes über die Erhaltung des
bäuerlichen Grundbesitzes vom 12. Juni 1951 (EGG) vorgeschriebenen
Mitteilungen erlassen hatte, erklärte die Mutter des Verkäufers, Frau
Anna Maria Rudolf-Abt, geb. 26. November 1882, mit Schreiben an das
Grundbuchamt vom 8./15. Februar 1960, sie mache das ihr nach dem EGG
zustehende Vorkaufsrecht zum Schätzungswert, eventuell zum Betrage
der hypothekarischen Belastung geltend (Art. 12 Abs. 1 und 2 EGG). Sie
bemerkte dabei: "Ich werde die Liegenschaft selber bewirtschaften, wobei
meine Nachkommen sicher mithelfen werden."

    Am 17. Februar 1960 gab die Ehefrau des Verkäufers, Frau Frieda
Rudolf-Graf, geb. 1915, ihrerseits die Erklärung ab, dass sie das
Vorkaufsrecht nach EGG ausübe.

    Am 25. Februar 1960 schrieb der damalige Vertreter der Frau Rudolf-Abt
dem Grundbuchamt, diese beharre auf ihrem Vorkaufsrecht und bestreite,
dass Frau Rudolf-Graf das Vorkaufsrecht richtig geltend gemacht habe;
Frau Rudolf-Graf habe hinsichtlich des fraglichen Kaufs auf dieses Recht
verzichtet.

    Mit Schreiben vom 26. Februar 1960 teilte das Grundbuchamt Frau
Rudolf-Abt und ihrem Vertreter mit, Frau Rudolf-Graf habe die Anzeige vom
16. Februar 1960 laut Bestätigung der Post erst am 18. Februar erhalten
und das Vorkaufsrecht somit rechtzeitig ausgeübt; da sie gemäss Art. 11
EGG gegenüber Frau Rudolf-Abt den Vorrang besitze, werde sie im Grundbuch
eingetragen werden; sie habe dem Amte gegenüber nie eine Verzichterklärung
abgegeben.

    Der Vertreter der Frau Rudolf-Abt ersuchte das Grundbuchamt am 14. März
1960 um Zustellung der erwähnten Postbestätigung und machte neuerdings
geltend, Frau Rudolf-Graf habe gegen Zusicherung eines bestimmten Betrags
auf das Vorkaufsrecht zum voraus verzichtet.

    Am 30. März 1960 schrieb ihm das Grundbuchamt, der Kaufvertrag
zwischen Hans Rudolf und seiner Ehefrau (nämlich der Abtretungsvertrag vom
24. Februar 1960, wonach Hans Rudolf seiner Frau das streitige Heimwesen
ohne lebendes und totes Inventar zum Schätzungswerte von Fr. 118'400.--
überliess) sei nach Genehmigung durch die Vormundschaftsbehörde
Zihlschlacht und nach Eintragung im Güterrechtsregister des Kantons
Thurgau am 29. März 1960 im Grundbuch eingetragen worden. Die gewünschte
Bestätigung sei direkt bei der Post zu verlangen.

    Hierauf ersuchte der heutige Vertreter der Frau Rudolf-Abt das
Grundbuchamt mit Schreiben vom 6. April 1960, die Eintragung der Frau
Rudolf-Graf, die zu Unrecht erfolgt sei, im Einvernehmen mit den Eheleuten
Rudolf-Graf rückgängig zu machen. Er gab der Erwartung Ausdruck, dass Frau
Rudolf-Abt als vorkaufsberechtigt anerkannt und deshalb als Eigentümerin
des Heimwesens eingetragen werde. Für den Fall, dass dies nicht geschehen
sollte, stellte er das (nach seinen Angaben bereits am 4. April 1960
telefonisch geäusserte) Begehren, im Grundbuch sei der Anspruch der Frau
Rudolf-Abt auf einen verhältnismässigen Anteil am Gewinn bei einer spätern
Weiterveräusserung der Liegenschaft vorzumerken (Art. 12 Abs. 5 EGG).

    Das Grundbuchamt antwortete dem Vertreter der Frau Rudolf-Abt
am 12. April 1960, es könne an der Eintragung der Frau Rudolf-Graf
nichts ändern; bezüglich des Gewinnanteilsrechts solle er sich an Frau
Rudolf-Graf wenden; wenn diese mit einer Vormerkung gemäss Art. 12
Abs. 5 EGG einverstanden sei und auch ihr Ehemann zustimme, so stehe der
Vormerkung nichts im Wege.

    C.- Da eine Einigung nicht zustandekam, leitete Frau Rudolf-Abt gegen
ihre Schwiegertocher (die das Heimwesen auf den 1. April 1960 an Xaver
Nauer verpachtet hatte und mit ihrem Ehemann und ihren Kindern nach Uzwil
gezogen war) am 17. August/17. Oktober 1960 Klage ein mit den Begehren:

    "1. Es sei gerichtlich festzustellen, dass bezüglich der Liegenschaft
der Beklagten in Neugut-Degenau/Sitterdorf (Parzelle Nr. 671) im Grundbuch
der Anspruch der Klägerin auf einen verhältnismässigen Gewinnanteil gemäss
Art. 12 Abs. 5 EGG vorzumerken ist, für den Fall, dass die Liegenschaft
oder ein Teil derselben bis zum 29. März 1975 weiterveräussert wird.

    2. Das Grundbuchamt Zihlschlacht sei gerichtlich anzuweisen und zu
ermächtigen, diese Vormerkung im Grundbuch vorzunehmen.

    3. Eventuell seien die Beklagte und ihr sie gesetzlich
vertretender Ehemann zu verpflichten, dem Grundbuchamt Zihlschlacht
ihr Einverständnis mit der Vormerkung des Gewinnanteilsrechts der
Klägerin gemäss Art. 12 Abs. 5 EGG bezüglich der Liegenschaft in
Neugut-Degenau/Sitterdorf... schriftlich zu erklären."

    Am 26. Mai 1961 wies das Bezirksgericht Bischofszell die Klage
gemäss Antrag der Beklagten ab mit der Begründung, die Klägerin habe
die Vormerkung zwar entgegen der Auffassung der Beklagten rechtzeitig
verlangt, könne aber das Gewinnanteilsrecht im Sinne von Art. 12 Abs. 5
EGG nicht beanspruchen, weil sie wegen ihres hohen Alters nicht in der
Lage gewesen wäre, die Liegenschaft im Sinne von Art. 12 Abs. 1 EGG zur
Selbstbewirtschaftung und damit zum Schätzungswert zu übernehmen.

    Das Obergericht des Kantons Thurgau, an das die Klägerin appellierte,
hat die Klage mit Urteil vom 5. Oktober 1961 gutgeheissen in der Erwägung,
die nach Art. 6 Abs. 1 EGG vorkaufsberechtigten Personen, zu denen die
Klägerin als Mutter des Verkäufers gehöre, seien nach Art. 12 Abs. 5 EGG
ohne Rücksicht darauf gewinnanteilsberechtigt, ob sie das Vorkaufsrecht
nach Art. 12 Abs. 1 EGG zum Schätzungswert hätten ausüben können und
ob ihnen nach Art. 11 Abs. 1 EGG gegenüber andern Bewerbern der Vorrang
zugekommen wäre.

    D.- Mit ihrer Berufung an das Bundesgericht beantragt die Beklagte
(die während des kantonalen Verfahrens die Gütertrennung erwirkt hat und
heute in Scheidung steht) die Abweisung der Klage. Die Klägerin schliesst
auf Bestätigung des angefochtenen Urteils.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Art. 12 Abs. 5 EGG lautet:

    "Wird eine Liegenschaft, die Gegenstand des Vorkaufsrechts
bildete, binnen der folgenden 15 Jahre weiterveräussert, so können der
frühere Verkäufer und die damals vorkaufsberechtigten Personen einen
verhältnismässigen Anteil am Gewinn beanspruchen, sofern dieser Anspruch
bei der Ausübung des Vorkaufsrechts im Grundbuch vorgemerkt worden ist."

    Die Vorinstanzen haben mit Recht angenommen, dass der Ausdruck "bei
der Ausübung des Vorkaufsrechts" (lors de l'exercice du droit, al momento
in cui è stato esercitato) so wenig wie der in Art. 619 ZGB verwendete
Ausdruck "bei der Teilung" (vgl. hiezu BGE 86 I 123 Erw. 5) einschränkend
ausgelegt werden darf. Das Gewinnanteilsrecht im Sinne von Art. 12 Abs. 5
EGG kann wie dasjenige gemäss Art. 619 ZGB nicht vorgemerkt werden, bevor
der Erwerber der Liegenschaft, gegen den es sich richtet, als Eigentümer
im Grundbuch eingetragen ist. Art. 12 Abs. 5 EGG kann daher nicht bedeuten,
dass die Vormerkung schon im Zeitpunkt, da die Ausübungserklärung im Sinne
von Art. 14 Abs. 1 EGG gegenüber dem Grundbuchverwalter abgegeben wird,
oder doch unmittelbar, nachdem diese Erklärung den in Art. 12 Abs. 5 EGG
genannten Personen bekannt geworden ist, erfolgen müsse. Diese Bestimmung
ist aber auch nicht dahin auszulegen, dass wenigstens das Gesuch um
Vormerkung bei Gefahr der Verwirkung sogleich nach dem Bekanntwerden
der Ausübungserklärung gestellt werden müsse. Den Berechtigten ist
nicht zuzumuten, dieses Gesuch schon zu einer Zeit zu stellen, da die
Vormerkung noch nicht möglich ist. Jeder, der das Vorkaufsrecht nach
EGG geltend macht, muss darauf gefasst sein, dass Vormerkungen im Sinne
von Art. 12 Abs. 5 EGG erfolgen. Der Übernehmer hat kein rechtliches
Interesse daran, bereits im Zeitpunkt seiner Eintragung im Grundbuch
zu wissen, welche Personen eine solche Vormerkung verlangen. Dies kann
ihm vielmehr einstweilen gleichgültig sein, es wäre denn, er habe die
Liegenschaft erworben, um sie möglichst bald mit Gewinn weiterzuverkaufen,
was den Zwecken des Gesetzes (Art. 1 EGG) zuwiderliefe. Die Vormerkung
muss daher auch nach der Eintragung des Erwerbers im Grundbuch noch
verlangt werden können. Ob hiefür eine bestimmte Frist gelte (vgl. JOST,
N. 11 b dd zu Art. 12 EGG, S. 72, der die analoge Anwendung von Art. 14
Abs. 1 EGG befürwortet, aber nicht angibt, von wann an die nach seiner
Auffassung massgebende Monatsfrist laufen soll), kann dahingestellt
bleiben; denn ein Vormerkungsgesuch, das wie das vorliegende binnen einer
Woche nach Bekanntgabe der Eintragung des Erwerbers im Grundbuch gestellt
worden ist, kann keinesfalls als verspätet angesehen werden. Es kann der
Klägerin aber auch nicht schaden, dass sie nicht versucht hat, die von ihr
rechtzeitig beantragte Vormerkung auf dem Wege der Grundbuchbeschwerde zu
erreichen, nachdem das Grundbuchamt das Einverständnis der Beklagten als
erforderlich bezeichnet hatte. Selbst wenn man annehmen will, sie hätte
wie die Gesuchstellerin im Falle BGE 86 I 114 ff. auf diesem Wege zum Ziel
gelangen können, so stand es ihr doch frei, sich zunächst entsprechend
der Empfehlung des Grundbuchamtes um die Zustimmung der Beklagten zu
bemühen und dann, nachdem diese Verhandlungen gescheitert waren, an den
Richter zu gelangen. Dass sie eine für die gerichtliche Klage geltende
Frist versäumt habe, macht die Beklagte mit Recht nicht geltend.

Erwägung 2

    2.- Im Falle der Weiterveräusserung einer auf Grund des Vorkaufsrechts
erworbenen Liegenschaft innert der folgenden 15 Jahre können nach Art. 12
Abs. 5 EGG, sofern die erforderliche Vormerkung erwirkt worden ist,
der frühere Verkäufer und "die damals vorkaufsberechtigten Personen"
(les personnes alors titulaires du droit de préemption, le persone che
erano allora titolari del diritto di prelazione) einen Anteil am Gewinn
beanspruchen. Der Prozessausgang hängt davon ab, ob die Klägerin zu diesen
Personen zu rechnen sei oder nicht.

    a) Der Ausdruck: "die damals vorkaufsberechtigten Personen" umfasst
nach dem allgemeinen Sprachgebrauch alle Personen, die damals, d.h. beim
frühern Verkauf, vorkaufsberechtigt waren, also auf jeden Fall alle in
Art. 6 Abs. 1 EGG genannten Personen. Der Wortlaut von Art. 12 Abs. 5 EGG
enthält nichts, was darauf schliessen liesse, dass nur einzelne dieser
Personen, z.B. nur diejenigen, die das Vorkaufsrecht gemäss Art. 12 Abs. 1
zum Schätzungswert ausüben konnten, auf einen Gewinnanteil Anspruch hätten.

    b) Ein solcher Schluss lässt sich auch nicht aus der Stellung
von Art. 12 Abs. 5 im Gesetz ziehen, wie die Beklagte dies zu tun
versucht, indem sie geltend macht, diese Bestimmung bilde einen
Bestandteil des Art. 12 EGG; Abs. 1 handle nur von den privilegierten
Vorkaufsberechtigten, die das Vorkaufsrecht zum Schätzungswert ausüben
können, und in Abs. 2 - 4 sei nur von den Folgen dieser Privilegierung
die Rede, so dass unerklärlich sei, wieso Abs. 5 "wiederum von allen
Vorkaufsberechtigten des Art. 6 sprechen sollte". Richtig ist zwar, dass
Abs. 1 nur einem Teil der nach Art. 6 EGG vorkaufsberechtigten Personen,
nämlich den Blutsverwandten in gerader Linie, welche die Liegenschaft zur
Selbstbewirtschaftung beanspruchen, und dem Ehegatten des Verkäufers die
Befugnis verleiht, das Vorkaufsrecht zum Schätzungswert auszuüben. Dagegen
trifft nicht zu, dass auch die Absätze 2 - 4 sich nur mit den Rechten
und Pflichten dieser privilegierten Vorkaufsberechtigten befassen. Der
zweite Satz von Abs. 2, wonach die Art. 75 - 79 LEG Anwendung finden,
wenn es sich um ein entschuldetes Heimwesen handelt, muss vielmehr auch
dann gelten, wenn ein nicht privilegierter Vorkaufsberechtigter die
Liegenschaft übernimmt. Die Vorschrift von Abs. 3, die eine Erhöhung des
Übernahmepreises nach richtlichem Ermessen gestattet, falls "Verwandte,
die vom Vorkaufsrecht nicht Gebrauch machen, dem Verkäufer finanzielle
Leistungen zukommen" liessen, nimmt unzweifelhaft nicht bloss auf die
privilegierten Vorkaufsberechtigten im Sinne von Abs. 1 Rücksicht. Ebenso
gilt Abs. 4, der bestimmt, "im übrigen" (pour le surplus, per il rimanente)
habe der Vorkaufsberechtigte die Liegenschaft zu den im Kaufvertrag
festgelegten Bedingungen zu übernehmen, nicht bloss für die in Abs. 1
genannten Personen. Dass für den Vorkaufsberechtigten "im übrigen",
nämlich soweit die Vorschriften der Absätze 1 - 3 nicht eingreifen,
die im Kaufvertrag mit dem Dritten festgelegten Bedingungen massgebend
sind, ist vielmehr ein für jeden Übernehmer der Liegenschaft gültiger
Grundsatz. Daher lässt sich nicht argumentieren, Art. 12 Abs. 5 EGG
könne mit den "damals vorkaufsberechtigten Personen" nur die in Abs. 1
genannten privilegierten Vorkaufsberechtigten meinen, weil auch die übrigen
Absätze von Art. 12 ausschliesslich auf diese Personen anwendbar seien.
Abgesehen davon, dass letzteres nach dem Gesagten nicht stimmt, wäre ein
solcher Schluss auch deswegen kaum statthaft, weil das EGG eine klare
Systematik weitgehend vermissen lässt.

    c) Nach den Gesetzesmaterialien, auf welche die Vorinstanz und die
Parteien (namentlich die Klägerin) hingewiesen haben, wurde zugleich mit
den Bestimmungen über das Vorkaufsrecht (Zugrecht) auch eine solche über
das Gewinnanteilsrecht in den Gesetzestext aufgenommen. Der Entwurf von
Prof. Oswald vom Dezember 1945, der als erster ein Vorkaufsrecht, und zwar
ein solches der im Inland wohnenden, volljährigen, zahlungsfähigen und zur
Selbstbewirtschaftung gewillten Nachkommen vorsah (Art. 28), bestimmte in
Art. 29 Abs. 1, der Vorkaufsberechtigte sei befugt, das Vorkaufsrecht zum
Schätzungswert auszuüben, und erklärte in Art. 29 Abs. 2 die Art. 619 (und
621) ZGB als sinngemäss anwendbar. Der Entwurf der Expertenkommission vom
Februar 1946 lautete in den hier interessierenden Punkten gleich. Derjenige
vom November 1946 ersetzte die blosse Verweisung auf Art. 619 ZGB durch
eine Bestimmung (Art. 20 Abs. 3), die sich vom heute geltenden Art. 12
Abs. 5 EGG nur dadurch unterschied, dass der mit "so können" eingeleitete
Hauptsatz lautete: "so können die Mitberechtigten im Sinne von Art. 619
ZGB einen verhältnismässigen Anteil am Gewinn beanspruchen" (les autres
titulaires du droit peuvent réclamer leur quote-part au gain, au sens de
l'art. 619 CC). Der Entwurf vom Dezember 1947, der die Vorkaufsberechtigung
auf die Geschwister und deren Nachkommen sowie auf den Ehegatten und die
Eltern des Verkäufers sowie auf weitere Personen (u.a. auf den Pächter)
ausdehnte (Art. 8-10) und in Art. 13 Abs. 1 bestimmte, das Vorkaufsrecht
könne von den Verwandten zum Schätzungswert, von den übrigen Berechtigten
zum Verkehrswert ausgeübt werden, änderte an der Bestimmung über das
Gewinnanteilsrecht nichts (Art. 13 Abs. 4). Der bundesrätliche Entwurf
vom 30. Dezember 1947 folgte dem eben erwähnten Entwurf. Die Botschaft
bemerkte zum Gewinnanteilsrecht bloss, Art. 13 Abs. 4 übernehme "die
Bestimmung des Art. 619 ZGB über eine allfällige Gewinnbeteiligung der
übrigen Vorkaufsberechtigten bei späterm Weiterverkauf der Liegenschaft"
(BBl 1948 I 53). In den Verhandlungen der nationalrätlichen Kommission
vom 16.-18. Februar 1948 stellte Nationalrat Obrecht die Frage,
ob zu den "Mitberechtigten" im Sinne von Art. 13 Abs. 4 "alle"
gehören, "die das Vorkaufsrecht hatten, ausser demjenigen, der gezogen
hat". Als Dr. Kuhn, der Chef der Justizabteilung, darauf antwortete:
"Die Mitberechtigten im Sinne von Art. 619 ZGB", schlug Obrecht vor, den
Ausdruck "Miterben" zu verwenden, welche Anregung Bundesrat von Steiger
entgegennahm (Prot. S. 44). Der nach den grundsätzlichen Beschlüssen
der nationalrätlichen Kommission vom 16.-18. Februar 1948 abgeänderte
Entwurf vom 10. April 1948 bezeichnete (überraschenderweise) nicht mehr
die "Mitberechtigten" oder die "Miterben", sondern nur den Verkäufer
als gewinnanteilsberechtigt (Art. 13 Abs. 5). In den Anträgen der
nationalrätlichen Kommission vom 9. Juni 1948, die vorsahen, dass das
Vorkaufsrecht von den Blutsverwandten in gerader Linie und vom Ehegatten
zum Schätzungswert, von den anderen Berechtigten zum Verkehrswert ausgeübt
werden könne, wurden als gewinnanteilsberechtigt "der Verkäufer und die
vorkaufsberechtigten Miterben" genannt (Art. 13 Abs. 4). Die vorläufigen
Beschlüsse des Nationalrats vom 6. Oktober 1948 übernahmen diese
Fassung. Die neuen Anträge der Kommission vom 4. November 1948 schränkten
die Befugnis der Blutsverwandten in gerader Linie, das Vorkaufsrecht zum
Schätzungswert auszuüben, wie das heute geltende Gesetz auf den Fall ein,
dass sie die Liegenschaft zur Selbstbewirtschaftung beanspruchen (Art. 13
Abs. 1), und fügten in Art. 13 Abs. 4 nach "Miterben" die Worte: "im Sinne
von Art. 619 ZGB" ein. Am 17. Dezember 1948 nahm der Nationalrat diese
Fassung an (Sten. Bull. 1948 S. 707). Die Kommission des Ständerates,
deren Mitglieder vom Eidg. Justiz- und Polizeidepartement die Schrift von
Prof. P. LIVER über "Fragen des neuen landwirtschaftlichen Bodenrechts"
(ZSR 1949 S. 31 ff.) erhalten hatten, anerkannte als vorkaufsberechtigt
nur die Nachkommen, den Ehegatten und die Eltern (eventuell nach kantonalem
Recht die Geschwister) des Verkäufers mit Wohnsitz in der Schweiz (Art. 7),
und fasste Art. 13 Abs. 1 allgemein dahin, dass das Vorkaufsrecht zum
Schätzungswert ausgeübt werden könne. Die Bestimmung von Art. 13 Abs. 4,
die LIVER (S. 57 Anm. 31) mit beachtlichen Gründen als nicht leicht
verständlich und auch sachlich nicht zutreffend abgefasst bezeichnet hatte,
blieb dagegen unverändert (Beschlüsse vom 4. Mai 1949). In der Sitzung des
Ständerats vom 16. Juni 1949 bemerkte Ständerat Schoch zu dieser Bestimmung
(nun Art. 10 Abs. 4), es sei vom Vorkaufsrecht (gemeint offenbar:
Gewinnanteilsrecht) der "Miterben" gesprochen worden. Wenn nun ein Kauf
abgeschlossen und das Grundstück nach 15 Jahren wieder veräussert werde,
so wisse man nicht, wer die "Miterben" seien. Man wisse nie zum voraus,
wer Miterbe sein werde. Das wisse man erst, wenn ein Todesfall eingetreten
sei. Der Ausdruck "Miterbe" sollte hier nicht stehen, sondern es sollten
wohl die Vorkaufsberechtigten genannt werden. Bundesrat von Steiger nahm
diesen - von ihm wie schon vom Antragsteller als redaktionell bezeichneten
- Vorschlag zur Prüfung entgegen, worauf der Präsident feststellte, dass
Art. 10 (in der Fassung gemäss den Anträgen der ständerätlichen Kommission)
unter Vorbehalt der redaktionellen Bereinigung angenommen sei (Sten. Bull
1949 S. 339). Das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement bemerkte hierauf in
seinem Bericht vom 16. August 1949, in Art. 13 (10) Abs. 4 sei der Ausdruck
"Miterben" zu ersetzen, da es sich hier nicht um einen Erbfall handle. Es
schlug die heute geltende Fassung dieser Bestimmung vor (S. 9 und 16 des
Berichts). So beschloss am 21. September 1949 (Sten Bull. 1949 S. 434/35)
der Ständerat und am 7. Dezember 1949 (Sten. Bull. 1949 S. 879/80) auch
der Nationalrat (der indes an der von ihm am 17. Dezember 1948 gewählten
Fassung von Art. 13 Abs. 1 festhielt, worauf der Ständerat am 21. März
1950, Sten.Bull. 1950 S. 20, in diesem Punkte nachgab und auch diese
Bestimmung - nun Art. 12 Abs. 1 EGG - die heute geltende Fassung erhielt).

    Aus diesem Werdegang der in Frage stehenden Bestimmung, über die
nur wenig diskutiert wurde, ergibt sich, was schon aus dem Texte von
Art. 12 EGG und seiner Vergleichung mit demjenigen von Art. 619 ZGB
hervorgeht: dass nämlich Art. 12 Abs. 5 EGG sein Vorbild in Art. 619
ZGB hat und das Gegenstück zur Vorschrift von Art. 12 Abs. 1 EGG über
die Ausübung des Vorkaufsrechts zum Schätzungswert bildet, wie Art. 619
ZGB das Gegenstück zu den Bestimmungen des ZGB über die Anrechnung
landwirtschaftlicher Grundstücke zum Ertragswert ist (BGE 86 I 122). Es
geht dagegen kaum an, aus der bewussten Anlehnung an Art. 619 ZGB sowie
aus der Tatsache, dass die Einschränkung der Preisvergünstigung auf
einen Teil der Vorkaufsberechtigten keine engere Fassung der Bestimmung
über das Gewinnanteilsrecht nach sich zog, den Schluss zu ziehen, bei
der Ausarbeitung des EGG habe die bestimmte Vorstellung geherrscht, das
Gewinnanteilsrecht stehe den Vorkaufsberechtigten wie nach Art. 619 ZGB
den Miterben ohne Rücksicht darauf zu, ob sie die Liegenschaft zu einem
Vorzugspreis hätten übernehmen können oder nicht; die Blutsverwandten
in gerader Linie seien daher unabhängig davon gewinnanteilsberechtigt,
ob sie die Liegenschaft zur Selbstbewirtschaftung beanspruchten
bzw. beanspruchen konnten oder nicht. Die Materialien enthalten keine
greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass bei Vornahme der Textänderungen,
durch welche die Befugnis zur Ausübung des Vorkaufsrechts in Abweichung
von den ersten Entwürfen und vom Beschluss des Ständerats vom 16. Juni
1949 auf einen Teil der Vorkaufsberechtigten beschränkt wurde, die Frage
geprüft worden sei, ob gleichwohl alle Vorkaufsberechtigten im Falle
des Weiterverkaufs auf einen Gewinnanteil Anspruch haben sollen. Unter
diesen Umständen braucht im vorliegenden Falle die umstrittene Frage,
welche Bedeutung den Gesetzesmaterialien bei der Auslegung grundsätzlich
zukomme, nicht näher erörtert zu werden (vgl. hiezu aus neuester Zeit BGE
87 II 331 mit Hinweisen auf frühere Entscheide; K. LARENZ, Methodenlehre
der Rechtswissenschaft, 1960, S. 237 ff., 247 ff.; A. MEIER-HAYOZ, N. 151
ff. und N. 214 ff. zu Art. 1 ZGB).

    d) Vermag die Entstehungsgeschichte von Art. 12 EGG nicht zu
bestätigen, dass das Gewinnanteilsrecht im Sinne von Abs. 5 ausser
dem frühern Verkäufer allen Personen zustehe, die nach Art. 6 Abs. 1
EGG zur Zeit des frühern Verkaufs neben dem Übernehmer der Liegenschaft
vorkaufsberechtigt waren, so sprechen doch sachliche Gründe für diese dem
Wortlaut von Art. 12 Abs. 5 entsprechende und auch durch die Analogie zu
Art. 619 ZGB nahegelegte Auslegung. Art. 12 Abs. 5 EGG und Art. 619 ZGB
stimmen zwar in ihrem Grund und Zweck nicht vollständig überein. Wenn
bei der Erbteilung ein Erbe eine landwirtschaftliche Liegenschaft zum
Ertragswert übernimmt, so erleiden alle Miterben eine Vermögenseinbusse,
weil ihr Erbteil infolge dieser Vergünstigung geringer ausfällt, als
wenn die Liegenschaft bei der Teilung zum Verkehrswert angerechnet oder
veräussert worden wäre. Das Gewinnanteilsrecht von Art. 619 ZGB soll ihnen
erlauben, sich von dieser Einbusse zu erholen, falls der Übernehmer die
Liegenschaft innert 15 Jahren mit Gewinn verkauft (BGE 86 I 122/123). Wenn
ein Vorkaufsberechtigter eine landwirtschaftliche Liegenschaft gemäss
Art. 12 Abs. 1 EGG zum Schätzungswert an sich zieht, trifft dagegen nur den
Verkäufer, der sie zum Schätzungswert statt zu dem mit dem dritten Käufer
vereinbarten höhern Preise abtreten muss, ein entsprechender Verlust. Die
Preisvergünstigung, die der Übernehmer in diesem Falle geniesst, geht nicht
auf Kosten der Personen, die neben ihm vorkaufsberechtigt waren. Diese
werden dadurch, dass er die Liegenschaft zum Schätzungswert erhält, nur
insofern benachteiligt, dass sie die - unter Vorbehalt der Begründung
einer Gemeinderschaft (Art. 11 Abs. 2 EGG) nur für einen Berechtigten
bestehende - Möglichkeit verlieren, die Liegenschaft selber zu übernehmen
(sei es zum Schätzungswert, sei es zu dem mit dem Dritten vereinbarten
Preise). Wenn Art. 12 Abs. 5 EGG gleichwohl bestimmt, dass neben dem
frühern Verkäufer auch die damals vorkaufsberechtigten Personen im Falle
der Weiterveräusserung der Liegenschaft einen Gewinnanteil beanspruchen
können, so kann der Grund hiefür also nur im Bestreben liegen, diesen
Personen aus Billigkeit einen gewissen Ausgleich dafür zu bieten, dass sie
die Liegenschaft nicht selber übernehmen und die damit verbundenen Vorteile
geniessen konnten, und überdies dahin zu wirken, dass für den Übernehmer
der Anreiz nicht zu gross wird, die zu einem Vorzugspreis erworbene
Liegenschaft so bald als möglich mit Gewinn weiterzuveräussern und auf
diese Weise das ihm vom Gesetz eingeräumte Vorrecht zu missbrauchen. Dieser
zweite Zweck muss angesichts der Ziele, die das EGG nach seinem Titel
(Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes) und nach seinem Art. 1
verfolgt, als besonders wichtig gelten. Art. 12 Abs. 5 EGG muss daher
grundsätzlich so ausgelegt werden, dass dieser Zweck in möglichst vielen
Fällen auch wirklich erreicht wird. Diese Erwägung verbietet es, zu den
"damals vorkaufsberechtigten Personen" im Sinne von Art. 12 Abs. 5 EGG
entsprechend der Auffassung von JOST (N. 11 d zu Art. 12 EGG, S. 73) nur
die Personen zu rechnen, die nach Art. 12 Abs. 1 EGG neben dem Übernehmer
berechtigt waren, das Vorkaufsrecht zum Schätzungswert auszuüben, vor jenem
aber freiwillig zurückgetreten sind oder nach Art. 11 EGG zurücktreten
mussten, oder gar anzunehmen, gewinnanteilsberechtigt seien ausser dem
frühern Verkäufer nur die ranggleichen Mitbewerber des Übernehmers (wie
dies LIVER aaO als den mutmasslichen Sinn der ihm vorliegenden Fassung:
"die damals vorkaufsberechtigten Miterben im Sinne von Art. 619 ZGB"
bezeichnet hatte und wie dies F. E. JENNY, Das bäuerliche Vorkaufsrecht,
1955, S. 138, befürwortet). Eine solche Auslegung würde den Kreis der
Gewinnanteilsberechtigten so stark einschränken, dass Art. 12 Abs. 5 EGG in
vielen Fällen kein wirksames Hemmnis für dem Gesetzeszweck widersprechende
Spekulationen wäre. Unter dem erwähnten Ausdruck müssen daher, wie es auch
schon dem Wortlaut entspricht (vgl. lit. a hievor), wenn nicht alle nach
dem EGG und den kantonalen Einführungsgesetzen dazu, so doch auf jeden Fall
alle nach dem EGG selber (Art. 6 Abs. 1) zur Zeit des frühern Verkaufs
vorkaufsberechtigt gewesenen Personen verstanden werden (ausgenommen der
Übernehmer, gegen den der Gewinnanteilsanspruch sich richtet).

    Da die Klägerin als Mutter des Verkäufers zu diesen Personen gehört,
ist die Klage gutzuheissen, ohne dass noch zu prüfen wäre, ob im Falle,
dass der in Frage stehende Kanton das Vorkaufsrecht auf die Geschwister
des Verkäufers und auf die Nachkommen verstorbener Geschwister ausgedehnt
hat (Art. 6 Abs. 2 EGG), auch diese Personen nach Art. 12 Abs. 5 EGG
gewinnanteilsberechtigt seien, und ob das gleiche gegebenenfalls sogar
für die Pächter und die Dienstboten im Sinne von Art. 7 und 8 EGG gelten
würde. Auch ist heute nicht zu entscheiden, wie der Gewinn sich berechne,
den der Übernehmer im Falle des Weiterverkaufs innert 15 Jahren mit
dem frühern Verkäufer und den damals vorkaufsberechtigten Personen zu
teilen hat, und was unter einem "verhältnismässigen Anteil" am Gewinn zu
verstehen sei.

Erwägung 3

    3.- Als Anfangstermin der in Art. 12 Abs. 5 EGG festgesetzen Frist
von 15 Jahren hat die Vorinstanz mit Recht den Zeitpunkt betrachtet,
da die Beklagte infolge Ausübung des Vorkaufsrechts als Eigentümerin im
Grundbuch eingetragen wurde (vgl. BGE 86 I 134 Erw. 9).

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichtes des
Kantons Thurgau vom 5. Oktober 1961 bestätigt.