Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 88 III 59



88 III 59

12. Entscheid vom 14. Juni 1962 i.S. de Ry. Regeste

    Nachpfändung neu entdeckter Vermögensstücke des Schuldners auf
Begehren eines Gläubigers, dessen Forderung nach der Schätzung des Beamten
durch die bereits gepfändeten Gegenstände nicht gedeckt ist (Art. 115
Abs. 2 SchKG). Dahingehende Begehren können nur innert der Frist von
Art. 88 Abs. 2 SchKG gestellt werden. Diese Frist wird durch einen
Widerspruchsprozess mit Bezug auf die bereits gepfändeten Gegenstände
nicht verlängert. Nach ihrem Ablauf bleibt dem Gläubiger die Möglichkeit,
einen Arrest zu erwirken (Art. 115 Abs. 2 und Art. 271 Ziff. 5 SchkG)
und diesen durch eine neue Betreibung zu prosequieren.

Sachverhalt

    A.- In der Betreibung Nr. 17389 des Betreibungsamtes Bern 1, mit
welcher Zanchi gegen de Ry eine Forderung von Fr. 15'000.-- geltend macht,
wurde der Zahlungsbefehl dem Schuldner am 21. Oktober 1959 zugestellt. Der
Schuldner erhob Rechtsvorschlag und leitete, nachdem der Gerichtspräsident
II von Bern dem Gläubiger am 18. November 1959 provisorische Rechtsöffnung
erteilt hatte, Aberkennungsklage ein, zog diese aber am 30. November
1959 wieder zurück. Am 2. Dezember 1959 pfändete das Betreibungsamt auf
das Fortsetzungsbegehren des Gläubigers hin den "Anspruch des Schuldners
von Fr. 100'000.-- vom Erlös einer Michelangelo-Büste in Bronce ... sowie
das Vorkaufsrecht auf diese Bronce" im Schätzungswerte von Fr. 1000.--.
Der Schuldner erklärte bei der Pfändung, der ganze Anspruch sei an Schläfli
abgetreten; er selbst habe keinen Anspruch mehr und besitze auch sonst
kein pfändbares Vermögen. Das Betreibungsamt stellte deshalb in der
Pfändungsurkunde vom 12. Dezember 1959 fest, das pfändbare Vermögen sei
ungenügend; die Pfändungsurkunde diene dem Gläubiger als provisorischer
Verlustschein gemäss Art. 115 SchKG. Der Gläubiger reichte innert
der Frist, die ihm das Betreibungsamt gemäss Art. 109 SchKG in der
Pfändungsurkunde ansetzte, gegen Schläfli Klage auf Aberkennung des von
diesem erhobenen Anspruchs ein. Dieser Widerspruchsprozess wurde in der
Folge bis zur Erledigung eines Strafverfahrens eingestellt und ist heute
noch hängig.

    B.- Mit Eingabe vom 14. März 1962 teilte der Gläubiger dem
Betreibungsamte mit, er habe erfahren, dass der Schuldner im Konkurs über
den Nachlass von Rohr ein Etui für Statue, zwei französische Fahnen und ein
Ölgemälde zu Eigentum beanspruche und eine Forderung in erheblichem Betrage
geltend mache; er ersuche um Pfändung dieser nachträglich zum Vorschein
gekommenen Aktiven. Am 22. März 1962 entsprach das Betreibungsamt diesem
Begehren. Es schätzte die neu gepfändeten Gegenstände (zu denen eine
Forderung von ca. Fr. 22'000.-- gehört) auf insgesamt Fr. 231.--. Die
Pfändungsurkunde wurde dem Schuldner am 11. Mai 1962 zugestellt.

    Hierauf führte der Schuldner am 17.Mai 1962 Beschwerde mit dem Antrag,
die Nachpfändung vom 22. März 1962 sei aufzuheben, weil im Zeitpunkt, da
der Gläubiger sie verlangt habe, die mit der Zustellung des Zahlungsbefehls
beginnende Frist von Art. 88 Abs. 2 SchKG, die auch für Begehren auf
Nachpfändung gelte, längst abgelaufen gewesen sei.

    Am 4. Juni 1962 hat die kantonale Aufsichtsbehörde die Beschwerde
abgewiesen mit der Begründung, bei ungenügender Pfändung sei der Gläubiger
befugt, die Pfändung weiterer Gegenstände, deren Existenz ihm bekannt
geworden sei, zu verlangen. Ein solches Nachpfändungsbegehren sei an
die Jahresfrist von Art. 88 Abs. 2 SchKG gebunden. Diese Frist laufe
jedoch nicht, wenn die Betreibung aus irgendeinem Grunde eingestellt
worden sei (JAEGER N. 7 zu Art. 88 SchKG). Das sei hier der Fall. Durch
die Einreichung einer Widerspruchsklage sei die Betreibung bis zum
Austrag der Sache eingestellt worden (Art. 107 SchKG). Da der streitige
Gegenstand das einzige Pfändungsobjekt bilde, könne die Betreibung nicht
weitergeführt werden. Solange aber die Betreibung hängig sei, sei dem
Gläubiger verwehrt, eine neue Betreibung anzuheben, in welcher er die
Pfändung der ihm nachträglich zur Kenntnis gelangten Aktiven verlangen
könnte, so dass die Möglichkeit eines Zugriffs auf diese Aktiven nur
durch die Stellung eines Nachpfändungsbegehrens gegeben werde.

    C.- Diesen Entscheid hat der Schuldner an das Bundesgericht
weitergezogen mit dem Antrag, die Pfändung vom 22. März sei aufzuheben.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts hat der
betreibende Gläubiger, wenn beim Pfändungsvollzug nach der Schätzung
des Beamten nicht genügendes Vermögen vorhanden war, nicht bloss die
Möglichkeit, auf Grund der Pfändungsurkunde, die ihm in diesem Fall
als provisorischer Verlustschein dient (Art. 115 Abs. 2 SchKG), gemäss
Art. 271 Ziff. 5 SchKG einen Arrest zu erwirken. Vielmehr kann er statt
dessen, wenn er weitere Aktiven des Schuldners entdeckt, gestützt auf den
provisorischen Verlustschein beim Betreibungsamt unmittelbar das Begehren
stellen, diese Aktiven seien zu pfänden (sog. Nachpfändung auf Begehren
des Gläubigers; BGE 23 II 1944; 25 I 564, 30 I 823 = Sep. ausg. 2 S. 266,
7 S. 393; 59 III 92, 70 III 46/47). Diese Befugnis steht ihm jedoch nach
Art. 88 Abs. 2 SchKG, der ganz allgemein bestimmt, dass "dieses Recht",
d.h. das Recht zur Stellung des Pfändungsbegehrens, mit Ablauf eines Jahres
seit der Zustellung des Zahlungsbefehls erlischt, nur innerhalb dieser
Jahresfrist zu (BGE 25 I 152, 30 I 823 = Sep. ausg. 2 S. 42, 7 S. 393;
48 III 223, 59 III 92, 63 III 145, 70 III 47).

    Der zweite Satz von Art. 88 Abs. 2 SchKG bestimmt über diese Frist:
"Ist ein Rechtsvorschlag erfolgt, so fällt die Zeit zwischen der Anhebung
und der gerichtlichen Erledigung der Klage nicht in Berechnung". Nach
der neuern Rechtsprechung erfasst der Ausdruck "Klage" im Sinne dieser
Bestimmung nicht bloss die Forderungsklage im Sinne von Art. 79 SchKG,
sondern auch die Aberkennungsklage, die Klage auf Feststellung neuen
Vermögens (Art. 265 Abs. 3 SchKG) und das Rechtsöffnungsbegehren (BGE
79 III 60 ff. mit Hinweisen). Die Frist für die Stellung des Pfändungs-
und Nachpfändungsbegehrens verlängert sich also um die Dauer dieser
Verfahren. Im vorliegenden Falle nahmen das Rechtsöffnungsverfahren und
der Aberkennungsprozess zusammen höchstens 5-6 Wochen in Anspruch. Auch
wenn man diese Zeitspanne zur Frist von einem Jahre seit der Zustellung
des Zahlungsbefehls (21. Oktober 1959) hinzurechnet, war also diese
Frist am 14. März 1962, als der Gläubiger die Nachpfändung verlangte,
längst abgelaufen.

Erwägung 2

    2.- Dass sich die Frist für die Stellung eines Nachpfändungsbegehrens
nicht nur um die Dauer eines Verfahrens der in Erwägung 1 hievor
bezeichneten Art, sondern auch um die Dauer eines allfälligen
Widerspruchsprozesses verlängere, lässt sich aus Art. 88 Abs. 2 SchKG
unmöglich ableiten. Im Sinne des zweiten Satzes dieser Bestimmung, der vom
Falle spricht, dass ein Rechtsvorschlag erfolgt ist, kann unter "Klage"
nur ein gerichtliches Verfahren zur Beseitigung des Rechtsvorschlags, nicht
auch ein solches zur Durchsetzung bzw. Beseitigung eines Drittanspruchs mit
Bezug auf ein gepfändetes Vermögensstück verstanden werden (vgl. BGE 86 IV
230 Erw. 2, wo entschieden wurde, die Frist von Art. 88 Abs. 2 SchKG werde
nicht einmal durch eine staatsrechtliche Beschwerde gegen die Verweigerung
der definitiven Rechtsöffnung oder durch ein anderes gegen einen solchen
Entscheid beim Bundesgericht eingereichtes ausserordentliches Rechtsmittel
verlängert). Es kann sich daher nur noch fragen, ob aus einem ausserhalb
von Art. 88 Abs. 2 SchKG liegenden Grunde angenommen werden dürfe, die
hier genannte Frist werde durch einen Widerspruchsprozess verlängert.

Erwägung 3

    3.- JAEGER sagt in N. 7 zu Art. 88 SchKG, wenn die Betreibung
aus irgendeinem Grunde durch amtliche Verfügung eingestellt worden
sei, könne unterdessen auch die Frist von einem Jahre nicht laufen;
sie werde durch die Einstellung unterbrochen, jedoch nur in dem Sinne,
dass sie nach Beendigung der Einstellung nicht wieder von vorne beginne,
sondern weiter laufe. Die Vorinstanz nimmt (wie laut Vernehmlassung
zur Beschwerde schon das Betreibungsamt) an, hier sei ein solcher Fall
gegeben, da die Betreibung gegen den Rekurrenten nach Art. 107 SchKG
durch die Erhebung der Widerspruchsklage gegen Schläfli eingestellt
worden sei. Diese Schlussfolgerung geht jedoch schon deswegen fehl,
weil die Erhebung einer Widerspruchsklage nach Art. 107 Abs. 2 SchKG
nur "in Hinsicht auf den streitigen Gegenstand" zur Einstellung der
Betreibung führt. Im vorliegenden Fall war der Anspruch, auf den die
Klage sich bezog, allerdings der einzige Pfändungsgegenstand. Das
bedeutet aber nicht, dass durch die Anhebung der Widerspruchsklage
praktisch die ganze Betreibung eingestellt worden sei. Zwar konnte in
der Betreibung Nr. 17389 einstweilen, d.h. solange der streitige Anspruch
der einzige Pfändungsgegenstand blieb, keine Verwertung stattfinden und
war (vgl. den zweiten Satz von Art. 107 Abs. 2 SchKG) auch der Lauf
der Frist für die Stellung des Verwertungsbegehrens gehemmt. Dagegen
stand der hängige Widerspruchsprozess einer Nachpfändung auf Begehren
des Gläubigers keineswegs im Wege. Indem der Gläubiger vor Erledigung
dieses Prozesses eine Nachpfändung verlangte, stellte er sich auch selber
auf den Standpunkt, dass dieser Prozess die Fortführung der Betreibung
auf dem Wege der Pfändung und Verwertung weiterer Vermögensstücke des
Schuldners nicht hindere. Bewirkt somit die Widerspruchsklage in der
hier in Frage stehenden Hinsicht keine Einstellung der Betreibung, so
kann sich die Annahme der Vorinstanz, die Frist von Art. 88 Abs. 2 SchKG
verlängere sich um die Dauer eines Widerspruchsprozesses, auch nicht auf
den eingangs dieser Erwägung angeführten Grundsatz stützen.

    Bei dieser Sachlage kann dahingestellt bleiben, ob in Fällen, wo
anders als hier die ganze Betreibung eingestellt wird, der von JAEGER
aufgestellte Grundsatz wirklich allgemein gelte, d.h. ob in allen diesen
Fällen die Frist von Art. 88 Abs. 2 SchKG während der Dauer der Einstellung
stillstehe. Beiläufig mag hiezu immerhin bemerkt werden, dass JAEGER dies
mindestens für den Fall einer Einstellung nach Art. 85 SchKG, die auf Grund
einer vom Gläubiger bewilligten Stundung erfolgte, selber nicht annimmt
(vgl. die in N. 7 zu Art. 88 zitierte Note 10 zu Art. 85 SchKG, wo gesagt
wird, dass während einer solchen Einstellung die Fristen für die Begehren
der Gläubiger weiterlaufen; vgl. ferner N. 4 zu Art. 297 SchKG). Diese
Frage näher zu prüfen, ist indes im vorliegenden Falle nicht notwendig.

Erwägung 4

    4.- Der angefochtene Entscheid lässt sich auch nicht auf das
Argument stützen, solange die Betreibung Nr. 17389 hängig sei, könne
der Gläubiger keine neue Betreibung anheben, in welcher die von ihm neu
entdeckten Aktiven des Schuldners gepfändet werden könnten; daher biete
ihm nur die Stellung eines Nachpfändungsbegehrens die Möglichkeit, auf
diese Aktiven zu greifen. Bei dieser Erwägung übersieht die Vorinstanz,
dass der Gläubiger die neu entdeckten Aktiven gemäss Art. 115 Abs. 2 und
Art. 271 Ziff. 5 SchKG auf Grund der Pfändungsurkunde, die ihm bis zum
Abschluss der hängigen Betreibung als provisorischer Verlustschein dient,
arrestieren lassen kann.

    Der Arrest ist allerdings bloss eine Sicherungsmassnahme, die nur
auf dem Wege über eine Betreibung zur Befriedigung des Gläubigers führt
(Art. 278 SchKG). Hatte dieser nicht schon vor der Bewilligung des
Arrestes Betreibung oder Klage angehoben, so ist er nach Abs. 1 der
eben genannten Bestimmung gehalten, binnen zehn Tagen nach Zustellung
der Arresturkunde die Betreibung anzuheben, um den Hinfall des Arrestes
zu vermeiden (Art. 278 Abs. 4). Hieraus ergibt sich durch Umkehrschluss,
dass der Gläubiger nach der Zustellung der Arresturkunde eine Betreibung
nicht einzuleiten braucht, wenn er dies schon vorher getan hatte und
wenn (wie beizufügen ist) diese Betreibung noch läuft. Im vorliegenden
Falle scheint es sich so zu verhalten, weil die Betreibung Nr. 17389 noch
hängig ist. Im Falle BGE 69 III 68 ff., wo die Gläubigerin auf Grund eines
provisorischen Verlustscheins aus einer am 19. Oktober 1940 eingeleiteten,
wegen eines Widerspruchsverfahrens erst am 19. Mai 1943 abgeschlossenen
Betreibung am 25. Juli 1942 einen Arrest erwirkt und diesen mit einem
neuen Zahlungsbefehl prosequiert hatte, hat denn auch das Bundesgericht
erklärt, zur Prosequierung des Arrestes hätte es nach Art. 278 SchKG,
weil die zuerst genannte Betreibung noch hängig gewesen sei, keiner
neuen Betreibung bedurft (aaO S. 72). Diese nicht näher begründete und
für die damals getroffene Entscheidung nicht ausschlaggebende Annahme
weckt indes Bedenken, wenn man davon ausgeht, dass die Frist von Art. 88
Abs. 2 SchKG durch einen Widerspruchsprozess nicht verlängert wird. Dies
vorausgesetzt, konnte nämlich die Gläubigerin im Falle BGE 69 III 68
nach der Arrestnahme die gemäss Art. 280 SchKG erforderliche Pfändung
des Arrestgegenstandes wegen Ablaufs der erwähnten Frist nicht mehr
verlangen. Entsprechend würde es sich im vorliegenden Falle verhalten. Dass
das Betreibungsamt Gegenstände, die nach dem Vollzug der durch Ausstellung
eines provisorischen Verlustscheins abgeschlossenen Pfändung arrestiert
werden, ohne dahingehendes Begehren des Gläubigers von sich aus zu
pfänden habe, kann angesichts des im Betreibungsrecht herrschenden
Antragssystems (FRITZSCHE I S. 77) nicht wohl angenommen werden (vgl. den
zu Art. 281 SchKG ergangenen Entscheid BGE 84 III 100 ff.). Unter der
erwähnten Voraussetzung wird daher in einem Falle wie dem vorliegenden
für die Aufrechterhaltung des Arrestes eine neue Betreibung unerlässlich
sein. Daraus folgt aber entgegen der Auffassung der Vorinstanz keineswegs,
dass jene Voraussetzung falsch sei, weil vor Erledigung der ersten
Betreibung eine zweite nicht angehoben werden könne. Indem das Gesetz
dem Inhaber eines provisorischen Verlustscheins das Recht gibt, einen
Arrest zu erwirken, verleiht es ihm nämlich implicite auch die Befugnis,
eine zu dessen Prosequierung erforderliche neue Betreibung einzuleiten.

    Für eine und dieselbe Forderung zwei oder mehrere Betreibungen
nebeneinander zu führen, ist freilich im allgemeinen unzulässig. Der
Schuldner kann sich einem neuen Zahlungsbefehl für eine bereits in
Betreibung gesetzte Forderung durch Rechtsvorschlag widersetzen (JAEGER und
JAEGER/DAENIKER N. 12 zu Art. 69 SchKG; Entscheid des Bundesrates vom 30.
Dezember 1895 i.S. Dubois, Archiv für Schuldbetreibung und Konkurs 5
Nr. 130 S. 354; BGE 39 I 469 = Sep. ausg. 16 S. 171; 69 III 72). Bei
feststehender und unbestrittener Identität der Forderungen steht ihm
auch der Beschwerdeweg offen (BGE 69 III 72). Es ist jedoch seit langem
anerkannt, dass vom Verbot mehrfacher Betreibung für dieselbe Forderung
bei der Arrestprosequierung eine Ausnahme gilt: Werden für die gleiche
Forderung an verschiedenen Orten Arreste erwirkt, so ist dann, wenn für den
Schuldner in der Schweiz kein allgemeiner Betreibungsort besteht, jeder
dieser Arreste durch eine besondere, am Arrestort anzuhebende Betreibung
zu prosequieren (BGE 54 III 226 ff.); bei einem Schuldner, der in der
Schweiz wohnt, genügt nach der neuern Rechtsprechung eine am ordentlichen
Betreibungsort des Wohnsitzes angehobene Betreibung für die Prosequierung
aller Arreste (BGE 77 III 128 ff.), doch bleibt dem Gläubiger nach dieser
Praxis jedenfalls dann, wenn keiner der Arrestorte mit dem ordentlichen
Betreibungsort übereinstimmt, die Möglichkeit gewahrt, die Arreste durch
Betreibungen an den verschiedenen Arrestorten zu prosequieren (vgl. BGE
77 III 130 unten, wonach der Gläubiger zwischen dem Betreibungsort des
Wohnsitzes und demjenigen des Arrestortes wählen kann). Gilt demnach das
Verbot mehrfacher Betreibung schon nach der bisherigen Rechtsprechung im
Falle der Arrestprosequierung nicht, so kann einem Gläubiger, der gestützt
auf einen provisorischen Verlustschein neu entdeckte Vermögensstücke
des Schuldners arrestieren lässt, unbedenklich gestattet werden, zur
Aufrechterhaltung dieses Arrests für die gleiche Forderung eine zweite
Betreibung einzuleiten, sofern in der ersten die Frist von Art. 88 Abs. 2
SchKG abgelaufen ist. Der Schuldner kann sich in einem solchen Falle der
Anhebung einer neuen Betreibung nicht mit Erfolg widersetzen. Gegen die
Gefahr, mehr als den Betrag seiner Schuld zahlen zu müssen, kann er sich
nötigenfalls durch den Rechtsbehelf der Aufhebung der Betreibung (Art. 85
SchKG) schützen. Wenn beide Betreibungen am gleichen Ort geführt werden,
kann diese. Gefahr auch durch entsprechende Vorkehren des Betreibungsamtes
vermieden werden (vgl. BGE 69 III 72).

    Nach alledem ist es entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht nötig,
die Frist für die Stellung von Nachpfändungsbegehren um die Dauer eines
Widerspruchsverfahrens zu verlängern, um zu verhindern, dass neu entdeckte
Aktiven des Schuldners dem Zugriff des Gläubigers entzogen bleiben.

Erwägung 5

    5.- Eine solche Fristverlängerung lässt sich endlich auch nicht mit
der vom Betreibungsamt angestellten Billigkeitserwägung rechtfertigen,
der Gläubiger habe die Nachpfändung ohne sein Verschulden nicht früher
verlangen können. Er hatte den provisorischen Verlustschein schon am
12. Dezember 1959 (oder kurz darauf) erhalten. Also hätte er schon lange
vor Ablauf der Jahresfrist von Art. 88 Abs. 2 SchKG eine Nachpfändung
verlangen können, wenn ihm weitere Vermögensstücke des Schuldners bekannt
waren. Erhielt er aber von solchen erst später Kenntnis, so kann dies
keinen Grund dafür bilden, die erwähnte Frist zu verlängern, da ihm wie
gesagt auf jeden Fall die Möglichkeit bleibt, einen Arrest zu erwirken und
durch eine neue Betreibung zu prosequieren. Angesichts dieser Möglichkeit
geht es keineswegs an, den von der Rechtsprechung eingeführten Rechtsbehelf
der Nachpfändung aus Gründen der Billigkeit oder Zweckmässigkeit auch in
Fällen zu gewähren, wo die Frist für die Stellung eines Pfändungsbegehrens
nach dem Wortlaut von Art. 88 Abs. 2 SchKG abgelaufen ist.

    Bestehen demnach keine stichhaltigen Argumente für die von der
Vorinstanz vertretene Auffassung über die Dauer dieser Frist, so muss
das Nachpfändungsbegehren vom 14. März 1962 als verspätet gelten, so dass
die daraufhin erfolgte Pfändung aufzuheben ist.

Entscheid:

Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:

    In Gutheissung des Rekurses werden der angefochtene Entscheid und die
vom Betreibungsamt Bern 1 am 22. März 1962 in der Betreibung Nr. 17389
vollzogene Pfändung aufgehoben.