Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 88 III 125



88 III 125

18. Entscheid vom 30. November 1962 i.S. RST Revisions-, Steuerberatungs-
und Treuhand AG Regeste

    Widerspruchsverfahren (Art. 106 ff. SchKG) im Falle,
dass ein Dritter die gepfändeten Forderungen als ihm zustehend
beansprucht. Parteirollenverteilung. Massgebendes Kriterium. Die
Betreibungsbehörden haben auf Grund einer summarischen Prüfung der Akten
zu entscheiden. Stützt sich der Anspruch des Dritten auf eine Abtretung,
so ist die Klagefrist nur dann dem Gläubiger anzusetzen, wenn die
gepfändeten Forderungen nach ihrer Bezeichnung in der Pfändungsurkunde
klarerweise unter die Umschreibung der abgetretenen Ansprüche in der
Abtretungsurkunde fallen.

Sachverhalt

    In den Betreibungen Nr. 3832 und 7238 der Frau von Wogau bezw. des Dr.
Pelet gegen Frau von Grunelius pfändete das Betreibungsamt Zürich 7 ausser
dem Liquidationsanteil der Schuldnerin am unverteilten Nachlass ihres
am 29. Juli 1948 gestorbenen Ehemanns Oscar von Grunelius u.a. zwei
Forderungen, die in der Pfändungsurkunde wie folgt umschrieben wurden:

    a) "Forderung der Betriebenen auf Frau Daniela von. Wogau
... im unermittelten Betrage, herrührend aus alleiniger Übernahme der
PELA-Transaktion, ferner für Kostendeckung zwecks Vermeidung des drohenden
Séquestre bezüglich die deutsche Besitzhälfte an der Liegenschaft in
San Remo, ferner für Kostendeckung des Umzugs von San Remo nach Freiburg,
ferner für Auslagen wie Unterhaltskosten, Steuern etc. im Haus in San Remo,
vorbehalten allfällige Regressforderungen";

    b) "Forderung der Betriebenen auf Frau Daphne Deichmann ...,
herrührend aus schriftlich eingegangener Verpflichtung betreffend die
Rückerstattung der in der Zeit zwischen 1945 bis 1948 gemachten Vorbezüge,
ferner aus Pflichtteilsansprüchen am Familienvermögen der Grosseltern
und des Alfred von Grunelius in Frankfurt, ferner aus Rückerstattung des
anerkannten Darlehens (Übertragung des Bankkontos der Frau von Grunelius
bei der Bank Heinz in Berlin auf die Dresdner Bank in München im Jahre
1944 zwecks Sicherstellung des Lebensunterhaltes der Drittschuldnerin),
vorbehalten allfälliger Regressforderungen."

    Die RST Revisions-, Steurberatungs- und Treuhand AG in Basel sprach
diese Forderungen wie den gepfändeten Erbanteil unter Berufung auf die
in BGE 88 III 56 wiedergegebene Abtretungsurkunde als ihr zustehend an.

    Die Fristansetzung, mit welcher das Betreibungsamt den betreibenden
Gläubigern gemäss Art. 109 SchKG Frist zur Klage auf Aberkennung
des Anspruchs der RST auf den gepfändeten Erbtaneil setzte'wurde vom
Bundesgericht am 7. Mai 1962 bestätigt (BGE 88 III 55 ff.).

    Hinsichtlich der erwähnten Forderungen setzte das Betreibungsamt den
Gläubigern gemäss Art. 106 SchKG Frist zur Bestreitung des Anspruchs
der RST. Nachdem diese Bestreitung erfolgt war, forderte es die RST
mit Fristansetzung gemäss Art. 107 SchKG zur Klage auf Anerkennung ihres
Anspruchs auf. Die RST leitete diese Klage vorsorglich ein, führte jedoch
gegen die Fristansetzung Beschwerde mit dem Begehren, sie sei aufzuheben
und es sei gemäss Art. 109 SchKG den Gläubigern Frist zur Klage zu setzen.

    In Übereinstimmung mit den kantonalen Aufsichtsbehörden weist das
Bundesgericht diese Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Erwägungen:

    Die Verteilung der Parteirollen im Widerspruchsverfahren, welche die
Beweislast im Widerspruchsprozess nicht beeinflusst (BGE 58 III 183/84,
83 III 30 oben, 84 III 154), richtet sich dann, wenn gewöhnliche (nicht
in einem Wertpapier verkörperte) Foderungen Gegenstand der Drittansprache
sind, gemäss ständiger Rechtsprechung darnach, ob das Gläubigerrecht
des betriebenen Schuldners oder dasjenige des Drittansprechers die
grössere Wahrscheinlichkeit für sich habe: im ersten Fall ist gemäss
Art. 107 SchKG dem Dritten, im zweiten Falle gemäss Art. 109 SchKG dem
betreibenden Gläubiger Frist zur Klage zu setzen (BGE 88 III 56/57 und
dortige Hinweise; BGE 88 III 115). Bei Anwendung dieses Kriteriums haben
sich die Betreibungsbehörden, wie in BGE 88 III 57 ausgeführt, nicht in
eine nähere Untersuchung der materiellen Rechtslage einzulassen. Vielmehr
haben sie auf Grund einer summarischen Prüfung der Akten zu entscheiden.

    Bei solcher Prüfung kann, falls der Drittanspruch auf eine Abtretung
gestützt wird, dem Gläubigerrecht des Dritten nur dann die grössere
Wahrscheinlichkeit zugebilligt werden, wenn der Dritte (- im Original
oder in verlässlicher Abschrift -) eine Abtretungsurkunde vorzulegen
vermag, von deren Wortlaut die gepfändete Forderung nach Massgabe ihrer
Bezeichnung in der Pfändungsurkunde erfasst wird. Diese Voraussetzung war
mit Bezug auf den bei Frau von Grunelius gepfändeten Erbteil erfüllt;
nicht ohne weiteres liquid war dort nur die Tragweite des Vorbehalts
etwaiger Rechte betreibender Gläubiger, dem die Abtretungsurkunde die
Abtretung als solche unterstellt, der aber nicht dazu angetan ist, die
Abtretung schon auf den ersten Blick als ungültig erscheinen zu lassen. Die
Forderungen, um die es heute geht, lassen sich dagegen, wie die Vorinstanz
zutreffend dargelegt hat, nach ihrer Bezeichnung in der Pfändungsurkunde
mindestens zum grössten Teil nicht oder doch nicht ohne weiteres unter
die Umschreibung der abgetretenen Ansprüche in der Abtretungsurkunde
ziehen. Die Rekurrentin macht zu Unrecht geltend, das Betreibungsamt
hätte vor seiner Entscheidung durch Befragen der Schuldnerin die Natur
der gepfändeten Forderungen näher abklären sollen, statt sich einfach an
deren Bezeichnung in der Pfändungsurkunde zu halten. Diese Ansicht findet
an dem von ihr angerufenen Entscheide BGE 79 III 163 keine Stütze. Dort
wurde im Gegenteil festgestellt, dass blosse Behauptungen des Schuldners
oder des Dritten nicht genügen, um eine gültige Abtretung wahrscheinlich zu
machen. Entsprechendes muss auch für die Frage gelten, ob die gepfändeten
Forderungen unter die vorgelegte Abtretungsurkunde fallen.

    Hat demnach die Vorinstanz mindestens für den grössten Teil der
gepfändeten Forderungen mit Recht angenommen, die Abtretung an die
Rekurrentin sei nicht hinlänglich wahrscheinlich gemacht worden und die
Klagefrist sei demgemäss nach Art. 107 SchKG dieser anzusetzen, so war
es nicht geboten, im einzelnen zu ermitteln'ob vielleicht ein gewisser -
zahlenmässig nicht bestimmbarer - Teil der gepfändeten Forderungen bei
einlässlicher Prüfung der Akten doch zu den abgetretenen Ansprüchen
gerechnet werden könnte, und gegebenenfalls für diesen Teil eine
Klagefristsetzung nach Art. 109 SchKG zu erlassen. Bei der vorhandenen
Sachlage war es vielmehr gerechtfertigt, die Drittansprecherin die Folgen
der auf jeden Fall bestehenden Unklarheit tragen zu lassen und demgemäss
das Widerspruchsverfahren mit Bezug auf alle Forderungsposten nach Art. 107
SchKG durchzuführen.