Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 88 III 103



88 III 103

15. Entscheid vom 14. November 1962 i.S. König. Regeste

    Unpfändbarkeit von Möbeln (Art. 92 Ziff. 1 SchKG).  Beschwerde-
und Rekurslegitimation des Ehemanns der Schuldnerin. Ist das gepfändete
Möbelstück unentbehrlich? Ein zwar nicht unentbehrliches, aber doch nur
schwer zu entbehrendes Möbelstück ist unpfändbar, wenn der Überschuss
des Verwertungserlöses über die Kosten nur einen sehr geringen Teil der
Forderung des Gläubigers zu decken vermöchte.

    Von der Verwertung ist abzusehen, wenn der Erlös nicht einmal die
Kosten decken würde (Art. 127 SchKG analog).

Sachverhalt

    In der Betreibung, die Hons für eine Forderung von Fr. 3000 nebst Zins
und Kosten gegen Frau König führt, pfändete das Betreibungsamt Zürich
9 am 29. Juni 1962 ein Salontischchen im Schätzungswert von Fr. 10,
zwei alte Fauteuils im Schätzungswert von zusammen Fr. 4, einen alten
Teppich im Schätzungswert von Fr. 20 und ein "Kombibuffet mit Vitrine,
Sekretär, unten 2 Türen" im Schätzungswert von Fr. 40. Der Schuldnerin und
ihrer Familie (Ehemann und zwei Töchter im Alter von 13 bezw. 12 Jahren)
wurden an Behältnissen neben der Kommode und dem zweitürigen Kasten im
Elternschlafzimmer zwei Kombischränke als Kompetenzstücke belassen.

    Die Beschwerde, mit welcher die Schuldnerin die Freigabe des
gepfändeten Komibuffets verlangte, ist von der untern und am 24. Oktober
1962 auch von der obern kantonalen Aufsichtsbehörde abgewiesen worden.

    Mit dem vorliegenden Rekurs an das Bundesgericht erneuert der Ehemann
der Schuldnerin das Beschwerdebegehren.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Laut Pfändungsurkunde leben die Schuldnerin und ihr Ehemann unter
Gütertrennung. Der Ehemann ist also in der vorliegenden Angelegenheit nicht
von Gesetzes wegen (Art. 168 Abs. 2 ZGB) Vertreter der Schuldnerin. Es
darf jedoch angenommen werden, die Schuldnerin, die nach seinen Angaben
im Rekurs an die Vorinstanz im Spital liegt und in deren Einverständnis
er zu handeln erklärt, habe ihn zur Rekurserhebung ermächtigt. Zudem hat
er als mit der Schuldnerin zusammenlebender Angehöriger derselben ein
selbständiges Recht, die Unpfändbarkeit der Hausgeräte geltend zu machen,
die der Familie dienen (BGE 80 III 22 f. Erw. 1 und 2).

Erwägung 2

    2.- Die Vorinstanz nimmt in Übereinstimmung mit dem Betreibungsamt und
mit der untern Aufsichtsbehörde an, die Familie der Schuldnerin könne die
Kleider, die Wäsche, die übrigen persönlichen Effekten, das Geschirr, die
Lebensmittelvorräte, das Schulmaterial der Kinder usw. auch nach Wegnahme
des Kombibuffets noch unterbringen, da ihr ein zweitüriger Kasten und
zwei Kombischränke belassen worden seien und da für das Geschirr und die
Lebensmittel überdies ein eingebautes Buffet in der Küche zur Verfügung
stehe. Ob diese Annahme zutreffe, ist eine Tat- und Ermessensfrage, die das
Bundesgericht nicht überprüfen kann (Art. 63 Abs. 2 und Art. 81 OG; Art. 19
im Gegensatz zu Art. 17/18 SchKG). Reichen die der Familie verbleibenden
Behältnisse aus, um die erwähnten Gegenstände zu versorgen, so ist das
Kombibuffet im Sinne von Art. 92 Ziff. 1 SchKG nicht unentbehrlich.

Erwägung 3

    3.- Die in Art. 92 Ziff. 1 SchKG genannten Gegenstände sind indes nach
dieser Bestimmung nicht nur dann unpfändbar, wenn sie dem Schuldner und
seiner Familie unentbehrlich sind, sondern auch dann, "wenn von vornherein
anzunehmen ist, dass der Überschuss des Verwertungserlöses über die Kosten
so gering wäre, dass sich eine Wegnahme nicht rechtfertigt." Beim Entscheid
darüber, ob ein Gegenstand aus diesem letztern Grunde freizugeben sei,
ist von Bedeutung, ob es sich um einen ganz überflüssigen Gegenstand
oder aber um einen solchen handelt, der für die Familie nützlich ist
und nur zur Not entbehrt werden kann. Im ersten Falle muss die Pfändung
gestattet werden, selbst wenn der Verwertungserlös voraussichtlich nur
einen kleinen Teil der Forderung des Gläubigers zu decken vermag. Im
zweiten Falle ist dagegen nach einem strengern Masstab zu prüfen, ob die
Verwertung sich rechtfertige.

    Das streitige Kombibuffet ist, auch wenn es nicht geradezu als
unentbehrlich gelten kann, der Schuldnerin und ihrer Familie ohne Zweifel
doch sehr dienlich und könnte nur schwer entbehrt werden; denn es ist
klar, dass die drei als unpfändbar erklärten Schränke, die Kommode und
das eingebaute Küchenbuffet (- ein eingebauter Wandschrank fehlt -)
nur äusserst knapp genügen können, um die für zwei Erwachsene und zwei
Kinder von 13 bezw. 12 Jahren nötigen, der Verwahrung in einem Behältnis
bedürftigen Gegenstände unterzubringen. (Nach dem gewöhnlichen Lauf
der Dinge ist übrigens anzunehmen, dass auch für den 18-jährigen Sohn,
der auswärts in einer Lehre steht, aber jeweilen das Wochenende bei der
Familie verbringt, gewisse Gegenstände zuhause verwahrt werden.) Anderseits
handelt es sich beim gepfändeten Kombibuffet, wie die Vorinstanz selber
festgestellt hat, um ein altes Möbelstück. Sein Gebrauchswert für die
Schuldnerin und ihre Familie übersteigt den zu erwartenden Erlös,
den das Betreibungsamt auf Fr. 40.- geschätzt hat, bei weitem. Die
Betreibungskosten belaufen sich nach der Pfändungsurkunde heute schon
auf Fr. 17.90, welcher Betrag sich im Falle der Verwertung noch erhöhen
würde. Der Überschuss des Verwertungserlöses über die Kosten vermöchte
also nur einen äusserst geringfügigen Teil der Fr. 3000. - übersteigenden
Forderung des betreibenden Gläubigers zu decken. Unter diesen Umständen
ist die Wegnahme des Kombibuffets im Sinne von Art. 92 Ziff. 1 SchKG nicht
gerechtfertigt (vgl. BGE 82 III 22 Erw. 1, wo sogar für Gegenstände - eine
alte Schlafzimmereinrichtung - im Schätzungswerte von Fr. 120 angenommen
wurde, es könne sich fragen, ob die Wegnahme sich rechtfertige).

Erwägung 4

    4.- Mit Bezug auf die Gegenstände, die neben dem als unpfändbar
zu erklärenden Kombibuffet gepfändet wurden, ist die Pfändung
nicht angefochten worden und daher in Rechtskraft erwachsen. Da der
Schätzungswert dieser Gegenstände nur Fr. 34 beträgt, kann sich jedoch die
Frage stellen, ob von ihrer Verwertung deswegen abzusehen sei, weil der
Erlös nicht einmal die Kosten decken würde (vgl. BGE 83 III 134). Hierüber
ist indes im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden.

Entscheid:

       Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:

    Der Rekurs wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben
und das Kombibuffet als unpfändbar erklärt.