Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 87 I 213



87 I 213

35. Urteil vom 5. Juli 1961 i.S. Politische Gemeinde Mels gegen Gemeinde
Sargans und Regierungsrat des Kantons St. Gallen. Regeste

    Art. 88 OG. Die Neufestsetzung der Gemeindegrenzen kann von der
Gemeinde nicht mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden.

Auszug aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Die staatsrechtliche Beschwerde richtet sich gegen den Entscheid
des Regierungsrates des Kantons St. Gallen vom 10./17. Mai 1961, mit
dem dieser die Gemeindegrenze zwischen Sargans und Mels, Gebiet Hinteres
Chastels bis zum Chlifeld gemäss besonderem Plan 1: 5000 des kantonalen
Meliorations- und Vermessungsamtes vom 10. Mai 1961 neu festgesetzt hat. Es
wird beantragt, den Entscheid aufzuheben, weil er Art. 4 BV (das Verbot
der Gehörsverweigerung und der Willkür) verletze, und die Sache zu neuer
Entscheidung an die kantonalen Instanzen zurückzuweisen.

Erwägung 2

    2.- Als Rechtsmittel zum Schutze des Einzelnen gegen Übergriffe der
öffentlichen Gewalt in verfassungsmässige Rechte steht die staatsrechtliche
Beschwerde physischen und juristischen Personen zu. Die Gemeinde ist als
öffentlich-rechtlicher Verband zur Beschwerde nur befugt, wenn sie in
ihrer Autonomie verletzt ist, d.h. in einem Recht, das die Rechtsprechung
einem verfassungsmässigen Recht des Bürgers gleichstellt, oder wenn ihr
Bestand in Frage gestellt wird, schliesslich überhaupt immer dann, wenn
der angefochtene Entscheid sie in gleicher oder ähnlicher Weise trifft wie
eine Privatperson (BGE 74 I 52, 83 I 121, 268; nicht publiziertes Urteil
vom 18. Mai 1960 i.S. Gemeinde Ober-Ems; BIRCHMEIER, Über die Legitimation
des Staates, der Gemeinde und der Behörden zur staatsrechtlichen Beschwerde
an das Bundesgericht, Zentralblatt Bd. 51, 121 ff.).

    Eine Verletzung der Gemeindeautonomie wird in der Beschwerde nicht
behauptet. Der Entscheid, mit dem die Gemeindegrenzen bereinigt werden,
trifft die Gemeinde auch nicht in gleicher oder ähnlicher Weise,
wie der Private durch eine Bereinigung seiner Grundstücke betroffen
würde. Er grenzt das Gebiet von zwei koordinierten öffentlichen Gewalten
gegeneinander ab und trifft die beteiligten Gemeinwesen als Träger
herrschaftlicher Gewalt, nicht als Inhaber privater Rechte. Es ist nicht
behauptet, der Entscheid teile der Gemeinde Mels selbst gehörendes Land
der Nachbargemeinde Sargans zu. In derartigen Fällen hat daher die neuere
Praxis die Legitimation der Gemeinde zur Anfechtung einer Grenzbereinigung
verneint (Urteil vom 6. Februar 1947 i.S. Munizipalgemeinde
Tägerwilen). Von einer Verletzung der Bestandesgarantie der Gemeinde
könnte aber nur gesprochen werden, wenn entweder wesentliche Teile des
Gemeindegebietes oder der Gemeindebevölkerung ohne Ersatz abgetrennt und
einer andern Gemeinde zugeteilt würden.

    Das trifft hier nicht zu. Der Regierungsrat stellt ausdrücklich
fest, und es ist nicht bestritten, dass sogar unter dem Gesichtspunkt des
Kulturlandes ein flächenmässiger Ausgleich stattfindet. Dass ein Teil der
bisherigen Einwohner der Beschwerdeführerin nunmehr zu Sargans gehören
werde, ist nicht behauptet und träfe nach dem Plan des Meliorationsamtes
auch nicht zu. Ebenso ist nicht geltend gemacht, dass die Gemeinde durch
den Austausch überhaupt oder sogar ein nennenswertes Steuerkapital
verliere. Ist aber der Bestand der Gemeinde nicht in Frage gestellt,
sondern handelt es sich um eine ausgesprochene Grenzregulierung, so fehlt
der Gemeinde die Legitimation.