Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 87 I 157



87 I 157

26. Auszug aus dem Urteil vom 8. März 1961 i.S. Stiftung für
Personalfürsorge der Scintilla AG und der Robert Bosch AG gegen
Regierungsrat des Kantons Solothurn. Regeste

    Kantonales Steuerrecht, Willkür

    Handänderungssteuer mit progressivem Satz. Nach solothurnischem Recht
bildet das einzelne übertragene Grundstück die Berechnungsgrundlage für
den Steuersatz. Die Abgabewerte mehrerer gleichzeitig (oder annähernd
gleichzeitig) erworbener Grundstücke dürfen nur dann zusammengerechnet
werden, wenn diese zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammengewachsen sind
und sie als einheitliches Wirtschaftsgut in den Handel gebracht werden.

Sachverhalt

                       Aus dem Tatbestand:

    Nach § 1 des solothurnischen Gesetzes betreffend den Bezug von
Handänderungsgebühren beim Eigentumsübergang an Liegenschaften (HGG)
vom 23. Februar 1919 ist beim Übergang von Grundstücken auf einen neuen
Eigentümer eine Handänderungsgebühr vom wahren Wert des veräusserten
Grundstücks zu zahlen, die gemäss § 3 grundsätzlich vom Erwerber
geschuldet wird. Der Gebührensatz steigt von 1% bei Grundstücken im Wert
bis Fr. 50'000.-- auf 2% bei solchen imWertvon Fr.200'000.-- und mehr. Zu
diesen Ansätzen kommt ein Zuschlag von 10% gemäss Ziff. II lit. e des
Gesetzes betreffend Sparmassnahmen vom 12. Februar 1933.

    In einem am 31. Dezember 1959 geschlossenen privatschriftlichen Vertrag
übernahm die neu gegründete "Stiftung für Personalfürsorge der Scintilla
AG und der Robert Bosch AG" (Beschwerdeführerin) gegen Übertragung des
entsprechenden Deckungskapitals den Hauptteil des Versicherungsbestandes
der Stiftung der Scintilla AG für Personalfürsorge. In Ziff. 8 des
Vertrags erklärte die Beschwerdeführerin sich bereit, auf Anrechnung an das
Deckungskapital an Zahlungs Statt bestimmte Liegenschaften der Stiftung der
Scintilla AG für Personalfürsorge in Solothurn und Zuchwil zu übernehmen.

    Gestützt auf diesen Vertrag verkaufte die Stiftung der Scintilla AG für
Personalfürsorge der Beschwerdeführerin am 26. Januar 1960 in gesonderten
Kaufverträgen sechs Liegenschaften in Solothurn, am 24. Februar 1960
sodann eine Liegenschaft in Zuchwil. Der Kaufpreis wurde abmachungsgemäss
mit dem der Beschwerdeführerin zu übertragenden Deckungskapital verrechnet.

    Die Amtsschreibereien Solothurn und Kriegstetten gingen bei Bestimmung
des Gebührensatzes vom Gesamtabgabewert aller veräusserter Liegenschaften
und nicht vom Abgabewert der einzelnen Grundstücke aus, was zur Folge
hatte, dass sie den Höchstansatz von 2,2% zur Anwendung brachten.

    Mit Vertrag vom 2. Februar 1960 kaufte die Beschwerdeführerin von
Mauermeister C. drei Liegenschaften in Ammannsegg und zwei Liegenschaften
in Lohn. Die Amtschreiberei legte den Gebührensatz auf Grund des
Gesamtabgabewerts auf 2,2% fest.

    Die Beschwerdeführerin rekurrierte gegen die Berechnung der
drei Handänderungsgebühren an den Regierungsrat. Sie verlangte, die
Handänderungsgebühr sei für jedes Grundstück gesondert zu bestimmen und
die Gebührensätze seien entsprechend herabzusetzen. Der Regierungsrat
hat dieses Begehren mit Entscheid vom 23. Dezember 1960 abgewiesen.

    Mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4 BV (und
des Art. 62 Abs. 1 der solothurnischen Kantonsverfassung) beantragt die
Beschwerdeführerin, der Rekursentscheid sei aufzuheben und die Sache sei
zur Neubeurteilung an den Regierungsrat zurückzuweisen mit der Auflage,
die Zusammenrechnung der Abgabewerte unzulässig zu erklären.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Nach § 1 Abs. 1 HGG ist beim Übergang von Grundstücken auf einen
neuen Eigentümer "vom wahren Werte des veräusserten Grundstückes eine
Handänderungsgebühr zu bezahlen". Zu prüfen ist, ob diese Vorschrift
ohne Willkür dahin ausgelegt werden könne, dass bei gleichzeitigem (oder
annähernd gleichzeitigem) Übergang mehrerer Grundstücke auf einen neuen
Eigentümer allgemein oder unter gewissen Voraussetzungen die Werte der
einzelnen Grundstücke bei Ermittlung des Steuersatzes zusammenzurechnen
seien.

    Wie das Bundesgericht in BGE 80 I 328 erkannt hat, bietet der
Wortlaut des Gesetzes keine Handhabe für eine solche Auslegung. Nach §
1 Abs. 1 HGG bildet der Wert "des veräusserten Grundstückes" (und nicht
"der Grundstücke") die Berechnungsgrundlage; desgleichen bestimmt § 1
Abs. 4 HGG, dass die Handänderungsgebühr bei Tauschgeschäften vom Wert
"eines jeden Grundstückes" zu berechnen ist. Das Bundesgericht hat im
nämlichen Urteil festgestellt, Sinn und Zweck der Handänderungsgebühr als
einer Rechtsverkehrssteuer sprächen nicht für die Zusammenrechnung. Ein
Anhaltspunkt dafür, dass die Zusammenrechnung dem Willen des Gesetzes
trotzdem nicht ganz zuwiderlaufe, lässt sich höchstens aus der Zwecksetzung
der Steuerprogression gewinnen, die im Gesetz vorgesehen ist. Durch die
Progression soll das Steuermass der Leistungsfähigkeit des Steuersubjekts
angepasst werden. Aus technischen Gründen eignen sich nur jene Steuerarten
zur Progression, deren Objekt bei der Veranlagung zur wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen in Beziehung gebracht
werden kann. Das trifft hinsichtlich der Verkehrssteuern namentlich
bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer zu, weniger dagegen bei den
übrigen Rechtsübergangssteuern (BLUMENSTEIN, System des Steuerrechts,
2. Aufl., S. 202). Wird die Progression, wie bei der solothurnischen
Handänderungsgebühr, gleichwohl eingeführt, so dürfte dafür der Gedanke
wegleitend gewesen sein, dass der Steuerpflichtige, der ein wertvolles
Grundstück kauft, im allgemeinen wirtschaftlich leistungsfähiger sein wird
als derjenige, der bloss eine niedrig bewertete Liegenschaft erwirbt. Es
liegt aber nahe, dass der Steuerpflichtige, der gleichzeitig mehrere
niedrig bewertete Liegenschaften ersteht, in der Regel wirtschaftlich
ebenso leistungsfähig sein dürfte wie derjenige, der die selbe Summe
für eine einziges Grundstück aufwendet. Es mag daher als folgerichtig
erscheinen, die Werte gleichzeitig erworbener Grundstücke bei der
Ermittlung des Steuersatzes zusammenzurechnen. Hätte der Gesetzgeber
allgemein so weit gehen wollen, dann hätte er indes nicht in § 1 HGG das
einzelne übertragene Grundstück als Berechnungsgrundlage bezeichnet. Eine
allgemeine Zusammenrechnung der Abgabewerte verschiedener gleichzeitig
veräusserter Grundstücke findet deshalb im Gesetz keine Stütze; wird
sie gleichwohl vorgenommen, so verstösst sie gegen den Grundsatz
der gesetzmässigen Besteuerung und ist willkürlich. Anderes gilt,
wenn eine Mehrheit sachenrechtlich selbständiger Grundstücke zu einer
wirtschaftlichen Einheit verwachsen sind; lässt sich doch die Auffassung
vertreten, dass in einem solchen Falle im Grunde genommen nur ein
Grundstück im Sinne des HGG vorliege. Dementsprechend kann beispielsweise
ein landwirtschaftliches Heimwesen, ein Herrschaftsgut, ein Häuserblock,
eine kurz zuvor parzellierte Liegenschaft oder ein industrieller Betrieb
ohne Willkür abgaberechtlich als ein Grundstück behandelt werden, sofern
der Grundstückskomplex als einheitliches Wirtschaftsgut die Hand wechselt
(vgl. REINHART, Die Liegenschaften- Handänderungssteuer, N. 65 zu §
1 HGG; mit Bezug auf die zürcherische Rechtsprechung zur gleichen
Frage vgl. GRAF, Die ausserordentlichen Steuern der Stadt Zürich,
N. 3 zu Art. 34, sowie ZUPPINGER, Die zürcherische Grundstückgewinn- und
Handänderungssteuer, S. 127; vgl. ferner nicht veröffentlichtes Urteil
vom 4. Oktober 1943 i.S. Immobilien AG zum Seidenhof und Toga Verwaltungs
AG gegen Stadt Zürich und Oberrekurskommission des Kantons Zürich).

Erwägung 3

    3.- Zu untersuchen bleibt, ob die Voraussetzungen, unter denen die
Abgabewerte der Grundstücke bei der Bestimmung des Steuersatzes ohne
Willkür zusammengerechnet werden können, in den beiden hier streitigen
Fällen erfüllt seien.

    a) Die Erwägungen des angefochtenen Entscheids gehen davon aus, dass
die drei Liegenschaften in Ammannsegg und die zwei Liegenschaften in
Lohn, welche die Beschwerdeführerin am 2. Februar 1960 von Mauermeister
C. kaufte, eine wirtschaftliche Einheit bildeten. Der Regierungsrat
scheint in der Beschwerdeantwort an dieser Annahme nicht festhalten
zu wollen. Mit Recht nicht; dass der Verkäufer C. eine berufsmässige
Transaktion vornahm und es ihm darum gegangen sei, sein Grundeigentum
in Ammannsegg vollständig abzustossen, und dass die Beschwerdeführerin
die Grundstücke als Anlage für ihr Deckungskapital erwarb, betrifft
nur die Beweggründe, welche die Parteien bei Vertragsschluss leiteten,
besagt aber nicht, dass zwischen den veräusserten Liegenschaften als
solchen ein wirtschaftlicher Zusammenhang bestehe, geschweige denn, dass
sie eine wirtschaftliche Einheit im oben genannten Sinne bildeten. Die
Zusammenrechnung der Abgabewerte der fünf am 2. Februar 1960 gekauften
Liegenschaften findet demnach im Gesetz schlechthin keine Grundlage;
sie ist, weil willkürlich und demzufolge verfassungswidrig, aufzuheben.

    b) Die sieben Grundstücke, welche die Beschwerdeführerin am 26. Januar
und 24. Februar 1960 von der Stiftung der Scintilla AG für Personalfürsorge
erwarb, hatten der Verkäuferin als Deckungskapital gedient und gingen
mit gleicher Zweckbestimmung auf die Käuferin über. Zwar verbindet
die gemeinsame Zugehörigkeit zum Deckungskapital die Liegenschaften
einer Personalfürsorgestiftung nicht annähernd so stark, wie das bei den
verschiedenen Grundstücken eines landwirtschaftlichen Heimwesens oder eines
industriellen Betriebes der Fall ist; doch ist zu berücksichtigen, dass
auch die erstgenannten Grundstückskomplexe in der Regel lange beieinander
bleiben, nach einheitlichen Gesichtspunkten verwaltet werden und damit
stärker zusammenwachsen als Liegenschaften, die zum Zwecke der freien
Kapitalanlage in einer Hand vereinigt sind. Wenn der Regierungsrat die
sieben von der Stiftung der Scintilla AG für Personalfürsorge erworbenen
Grundstücke als wirtschaftliche Einheit betrachtet, so geht das nach dem
Gesagten wohl weit; geradezu willkürlich ist es jedoch nicht.

    Wie in Erw. 3 a.E. ausgeführt, setzt die abgaberechtliche
Zusammenrechnung weiter voraus, dass der eine wirtschaftliche Einheit
bildende Grundstückskomplex als einheitliches Wirtschaftsgut in den
Handel gebracht wird. Der Regierungsrat und die Beschwerdeführerin
stimmen darin übcrein, dass es dabei nicht darauf ankommen kann, ob
die Veräusserung des Grundstückskomplexes in einem einzigen Akt oder
in verschiedenen Kaufverträgen verurkundet werde; ebenso wenig fallen
geringfügige zeitliche Abstände zwischen den einzelnen Verurkundungen in
Betracht. Massgebend ist vielmehr, dass dem Geschäft ein einheitlicher
Willensentschluss zugrunde liegt und dass dieser Entschluss auf Übertragung
des Ganzen geht. Dieses Erfordernis ist im vorliegenden Falle erfüllt. Die
Beschwerdeführerin hatte sich in Ziff. 8 des Vertrags vom 31. Dezember
1959 bereit erklärt, auf Anrechnung an das Deckungskapital, das ihr von
der Stiftung der Scintilla AG für Personalfürsorge abzutreten war, an
Zahlungs Statt bestimmte Liegenschaften der Stiftung zu übernehmen. Da
der erwähnte Vertrag lediglich privatschriftlich abgefasst ist, vermochte
er keine Verpflichtung zur Übertragung der Liegenschaften zu begründen
(Art. 216 OR, Art. 657 ZGB). Das schliesst nicht aus, dass die betreffende
Vertragsbestimmung klar zum Ausdruck bringt, dass den sieben am 26. Januar
und 24. Februar 1960 geschlossenen Kaufverträgen faktisch ein einheitlicher
Willensentschluss zugrunde liegt, und dass dieser Entschluss auf Übernahme
des ganzen zum Deckungskapital gehörenden Grundstücksbestandes ging.

    Der angefochtene Entscheid hält mithin in diesem Punkt der Rüge der
Willkür stand.