Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 87 I 100



87 I 100

16. Urteil vom 3. Mai 1961 i.S. Kraftwerke Linth-Limmern AG gegen Aebli
und Glarus, Zivilgerichtspräsident und Obergericht. Regeste

    Staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4
BV. Voraussetzungen nach Art. 87 OG. Erschöpfung des kantonalen
Instanzenzuges (Erw. 1 und 3).

    Anspruch auf rechtliches Gehör. Glarnerisches Rechtbot.

    Verhältnis des bundesrechtlichen Anspruchs auf rechtliches Gehör
zu den kantonalen Verfahrensvorschriften (Erw. 4). Rechtsnatur und
Wirkungen des glarnerischen Rechtbots (Erw. 5). Verletzung des Anspruchs
auf rechtliches Gehör (und des kantonalen Zivilprozessrechts?) durch
Erlass eines Spezialrechtbots (Verbot gegen bestimmte Personen, § 288
Abs. 2 glar. ZPO) auf einseitiges Begehren einer Partei ohne Anhörung der
Gegenpartei (Erw. 6 und 7). Formelle Natur des Anspruchs auf rechtliches
Gehör (Erw. 8).

Sachverhalt

    A.- Am 30. März 1957 erteilte der Landrat des Kantons Glarus der
Nordostschweizerischen Kraftwerke AG zu Handen der noch zu gründenden
Kraftwerke Linth-Limmern AG (KLL) die Konzession für die Ausnützung
der Wasserkräfte im Quellgebiet der Linth. Art. 5 der Konzession
gibt dem Konzessionär das Recht zur Enteignung des für den Bau und
Betrieb der Kraftwerke nötigen Grund und Bodens, doch soll, sofern
eine gütliche Einigung nicht zustande kommt, vor der Einleitung des
Enteignungsverfahrens eine dreigliedrige Expertenkommission beigezogen
werden, welche Einigungsvorschläge zu machen hat.

    Die in der Folge gegründete KLL beanspruchte für vorübergehende
und dauernde Anlagen sowie für die Ablagerung von Schutt auch Land
auf der oberhalb von Tierfehd gelegenen, dem Hans Äbli gehörenden Alp
Baumgarten. Da eine Einigung hierüber nicht zustande kam, rief die KLL
die in Art. 5 der Konzession vorgesehene Expertenkommission an. Vor dieser
unterzeichneten Äbli und die KLL am 2. Februar 1959 eine Übereinkunft, in
welcher Äbli der KLL das Recht zur sofortigen Inanspruchnahme des Landes
für die Installation und den Betrieb der Baustelle im "Schwamm" einräumte
und sich bereit erklärte, der KLL eine Fläche von ca. 5740 m2 zu Eigentum
abzutreten; ferner erklärten sich beide damit einverstanden, dass alle
noch nicht durch frühere Vereinbarungen geregelten Fragen endgültig und
ohne Weiterzug durch die Expertenkommission entschieden würden. Nachdem
diese ihren Entscheid am 5. August 1959 gefällt hatte, scheint es zu
neuen Auseinandersetzungen zwischen der KLL und Äblig ekommen zu sein,
wobei letzterer die Gültigkeit der Übereinkunft vom 2. Februar 1959 und
die Verbindlichkeit des Entscheids der Expertenkommission vom 5. August
1959 bestritt.

    Am 1. November 1960 erliess der Zivilgerichtspräsident des Kantons
Glarus auf Begehren Äblis und ohne vorherige Anhörung der KLL folgendes

    "Spezialrechtbot.  Hans Aebli-Trümpy, Käserei, Bilten, als Eigentümer
der Baumgartenalp,

    verbietet hiermit den

    Kraftwerken Linth-Limmern AG, Linthal

    im Gebiet der Baumgartenalp, namentlich auch des dazu gehörenden
"Schwamm", irgendwelche Arbeiten auszuführen oder ausführen zu lassen,
Veränderungen an der Liegenschaft vorzunehmen oder vornehmen zu lassen,
überhaupt irgendwelche Servituten auszuüben, einzig vorbehalten die
im Vertrag vom 20. August 1957 über den Zugangsstollen Limmern vorgese
henen Rechte.

    Nichtbeachtung des Rechtbotes kann mit Fr. 20.- bis Fr. 500.--
gebüsst werden (§ 279 Ziff. 2 ZPO)."

    B.- Gegen dieses Rechtbot reichte die KLL gleichzietig beim
Bundesgericht eine staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des Art.
4 BV (Verweigerung des rechtlichen Gehörs) und beim Obergericht des
Kantons Glarus eine Nichtigkeitsbeschwerde gemäss § 328 glarn. ZPO ein. Mit
letzterer machte sie in erster Linie geltend, das rechtliche Gehör, auf das
sie nach § 281 ZPO und Art. 4 BV Anspruch habe, sei ihr dadurch verweigert
worden, dass der Zivilgerichtspräsident sie vor Erlass seiner Verfügung
nicht angehört und diese nicht begründet habe (§ 328 lit. a ZPO); ferner
warf sie dem Zivilgerichtspräsidenten aktenwidrige tatsächliche Annahmen
(§ 328 lit. c ZPO) sowie Verletzung klaren Rechts (§ 328 lit. d ZPO) vor.

    Durch Urteil vom 29. Dezember 1960 wies das Obergericht die
Nichtigkeitsbeschwerde ab, im wesentlichen aus folgenden Gründen: Obwohl
die ZPO von 1930 das althergebrachte Institut des Rechtbots im Abschnitt
über das neu eingeführte Befehlsverfahren ordne, sei davon auszugehen,
dass der Gesetzgeber das alte Rechtbot, wie es in der ZPO von 1895 geregelt
war, grundsätzlich habe aufrecht erhalten wollen. Auf das Rechtbot sei
daher neben und eventuell sogar im Widerspruch zur ZPO Gewohnheitsrecht
anwendbar. Das Rechtbot sei zwar eine Verfügung im Sinne von § 328 ZPO und
könne daher mit der Nichtigkeitsbeschwerde angefochten werden. Indessen
handle es sich um eine Verfügung spezieller Natur, denn es sei von jeher
ohne eigentliche richterliche Erkenntnistätigkeit auf Grund des einseitigen
Begehrens des Gesuchstellers erlassen worden. Dies entspreche auch der
heutigen Praxis, wobei die anderslautende Bestimmung des § 281 ZPO sich
nur auf die Amtsbefehle beziehe, eventuell als durch entgegenstehendes
Gewohnheitsrecht für das Rechtbotverfahren ausgeschlossen zu betrachten
sei. Dieser spezielle Charakter des Rechtbots wirke sich auch auf die
einzelnen Nichtigkeitsgründe des § 328 ZPO aus. Da das Rechtbot in einem
Verfahren ohne richterliche Kognition ergehe, sei eine Verweigerung des
rechtlichen Gehörs (§ 328 lit. a) gegenüber dem Rechtbotempfänger wie
auch eine aktenwidrige tatsächliche Annahme des Richters (§ 328 lit. c)
von vorneherein unmöglich. Eine Verletzung klaren Rechts (§ 328 lit. d)
wäre dagegen an sich denkbar. Hier könne jedoch von einer solchen
nicht die Rede sein, da die in § 277 ZPO aufgeführten Voraussetzungen
nicht für das Rechtbot gelten, während die Übereinkunft der Parteien vom
2. Februar 1959 mit der darin enthaltenen Schiedsklausel eine vertragliche
Ordnung darstelle, deren Verletzung nicht unter § 328 lit. d falle. Die
Nichtigkeitsbeschwerde sei daher vollumfänglich abzuweisen. Durch diesen
Entscheid werde die Beschwerdeführerin übrigens in ihren Rechten in keiner
Weise gekürzt oder gar unwiderruflich beschnitten. Abgesehen von der
Möglichkeit des Vorgehens auf dem ordentlichen Prozessweg (§ 288 Abs. 2
ZPO) habe die ZPO das Rechtbot mit zwei speziellen Garantien versehen,
indem sie in § 291 eine besondere Schadenersatzpflicht des Rechtbotgebers
für ein ungerechtfertigtes Rechtbot statuiere und darüber hinaus dem
Rechtbotempfänger in § 93 Ziff. 3 mit dem Institut der richterlichen
Weisung einen speziellen, nicht befristeten Rechtsbehelf zur Verfügung
stelle. Dass die Beschwerdeführerin von diesem Rechtsbehelf bis heute
keinen Gebrauch gemacht habe, dürfe "nicht den Grund bilden, über den
Umweg einer dem besondern Charakter des Rechtbotes in keiner Weise
Rechnung tragenden Nichtigkeitsbeschwerde dieses althergebrachte und
tief im Rechtsbewusstsein des Glarnervolks verwurzelte Rechtsinstitut
auszuhöhlen bezw. für die Zukunft durch das Erfordernis einer vorgängigen
richterlichen Kognition unmöglich zu machen".

    C.- Gegen diesen Entscheid des Obergerichts hat die KLL beim
Bundesgericht eine zweite staatsrechtliche Beschwerde eingereicht
mit dem Antrag, diesen Entscheid sowie das Spezialrechtbot des
Zivilgerichtspräsidenten vom 1. November 1960 aufzuheben. Sie beanstandet
in erster Linie, dass ihr der Zivilgerichtspräsident das rechtliche Gehör
verweigert habe. Ferner macht sie weitere Verletzungen von Bestimmungen
der BV und der KV geltend. Die Begründung der Beschwerde ist, soweit
wesentlich, aus den nachstehenden Erwägungen ersichtlich.

    D.- Der Beschwerdegegner Hans Äbli beantragt Nichteintreten auf beide
Beschwerden, eventuell Abweisung derselben. Der Zivilgerichtspräsident
des Kantons Glarus schliesst auf Abweisung. Auf die Ausführungen in ihren
Vernehmlassungen wird in den Erwägungen zurückgekommen. Das Obergericht
des Kantons Glarus beantragt ebenfalls die Abweisung der Beschwerden und
verzichtet auf eigene Gegenbemerkungen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des von der
Beschwerdeführerin in erster Linie angerufenen Art. 4 BV ist nach Art. 87
OG erst gegen Endentscheide zulässig, gegen Zwischenentscheide nur,
wenn sie für den Betroffenen einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil
zur Folge haben. Die Beschwerdeführerin geht davon aus, dass es sich
bei dem von ihr angefochtenen Spezialrechtbot und daher auch bei dem
dieses schützenden Beschwerdeentscheid des Obergerichts um Endentscheide
handle, während der Beschwerdegegner darin blosse Zwischenentscheide
erblickt. Wie es sich damit verhält, kann dahingestellt bleiben, da das
Rechtbot, sofern es nur ein Zwischenentscheid sein sollte, einen nicht
wiedergutzumachenden Nachteil für die Beschwerdeführerin zur Folge
hat. Der Beschwerdeführerin ist durch das Rechtbot unter Straffolge
verboten worden, die ihr durch die Vereinbarung vom 2. Februar 1959 und
den Entscheid der Expertenkommission vom 5. August 1959 eingeräumten
Rechte am Grundeigentum des Beschwerdegegners auszuüben, und zwar ist
dieses Verbot mit der Zustellung des Rechtbotes sofort wirrksam geworden
und gilt solange, als das Rechtbot nicht durch ein im ordentlichen Prozess
erwirktes Urteil (§ 288 Abs. 2 ZPO) aufgehoben oder der Beschwerdeführerin
die Ausübung ihrer Rechte durch eine richterliche Weisung gemäss § 93
Ziff. 3 ZPO bewilligt wird. Es ist klar, dass diese Behinderung in der
Weiterführung der begonnenen umfangreichen Bauarbeiten am Kraftwerk für die
Beschwerdeführerin Nachteile zur Folge hat, die auch mit der allfälligen
späteren Aufhebung des Rechtbotes oder seiner Wirkungen nicht mehr
(vollständig) behoben werden können. Das Rechtbot lässt sich in dieser
Beziehung mit einer für die Dauer eines Prozessverfahrens getroffenen
vorsorglichen Verfügung vergleichen, der gegenüber die staatsrechtliche
Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4 BV stets zugelassen worden ist
(BGE 71 I 386, 82 I 147/48).

Erwägung 2

    2.- Die Beschwerdeführerin beanstandet insbesondere, dass sie
vor dem Erlass des vom Beschwerdegegner verlangten Rechtbotes nicht
angehört und ihr dadurch das rechtliche Gehör verweigert worden
sei. Sollte sich diese Rüge als begründet erweisen und deshalb das
Rechtbot oder der obergerichtliche Beschwerdeentscheid aufzuheben sein,
so würden die übrigen Rügen gegenstandslos. Es rechtfertigt sich daher,
die von der Beschwerdeführerin in den Vordergrund gestellte Frage der
Gehörsverweigerung zuerst zu prüfen.

Erwägung 3

    3.- Die Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4 BV setzt voraus, dass
der Beschwerdeführer die kantonalen Rechtsmittel erschöpft hat, mit denen
der behauptete Verstoss gegen Art. 4 BV gerügt werden kann (Art. 86 Abs. 2
und Art. 87 OG; BGE 84 I 234 Erw. 1 mit Verweisungen). Da gegen Rechtsbote
die Nichtigkeitsbeschwerde gemäss § 328 ZPO zulässig ist und mit dieser
die Verweigerung des rechtlichen Gehörs gerügt werden kann, musste die
Beschwerdeführerin daher dieses Rechtsmittel ergreifen. Sie hat dies auch
getan, und das Obergericht ist auf die Beschwerde eingetreten, hat sie
aber als unbegründet abgewiesen. Die von der Beschwerdeführerin unmittelbar
gegen das Rechtbot erhobene staatsrechtliche Beschwerde wegen Verweigerung
des rechtlichen Gehörs war somit verfrüht und unzulässig. Einzutreten
ist nur auf die zweite Beschwerde, mit der beanstandet wird, dass das
Obergericht das Vorliegen einer Gehörsverweigerung zu Unrecht verneint
habe.

Erwägung 4

    4.- Der Umfang des Anspruchs auf rechtliches Gehör im Zivilprozess
wird zunächst grundsätzlich durch die kantonalen Normen über das Verfahren
und die Zuständigkeit umschrieben, deren Auslegung und Anwendung das
Bundesgericht, soweit es sich um kantonales Gesetzesrecht handelt, nur
unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür und rechtsungleichen
Behandlung überprüfen kann. Wo sich der kantonale Rechtsschutz als
ungenügend erweist, greifen die unmittelbar aus Art. 4 BV folgenden, also
bundesrechtlichen Verfahrensregeln zur Sicherung des rechtlichen Gehörs
Platz, die dem Bürger in der Auseinandersetzung mit andern Bürgern die
völlige Gleichstellung gewährleisten (BGE 85 I 207 Erw. 1).

Erwägung 5

    5.- Das Rechtbot ist eine aus früheren Jahrhunderten stammende
Einrichtung, die um 1900 in verschiedener Ausgestaltung noch in mehreren
Kantonen der Ost- und Innerschweiz bestand (vgl. FRITZSCHE, Das Rechtsbot,
Diss. Zürich 1905) und heute nur noch in den Kantonen Glarus und Appenzell
I. Rh. erhalten ist. Was insbesondere das glarnerische Rechtbot betrifft,
so ist seine Rechtsnatur umstritten. Während der Umstand, dass dagegen
Nichtigkeitsbeschwerde erhoben werden kann, das Rechtbot als richterliche
Verfügung erscheinen lässt, wird es vom Obergericht als eine von einer
Privatperson auf Grund einer Delegation richterlicher Gewalt erlassene
amtliche Verfügung und von HAURI (Das glarn. Rechtbot, Diss. Zürich 1944 S.
14 und 41) als eine mit richterlicher Gewalt ausgerüstete Verfügung einer
Privatperson bezeichnet. Wie es sich damit verhält, kann dahingestellt
bleiben. Fest steht jedenfalls, dass das Rechtbot erst auf Grund einer
richterlichen Anordnung Geltung erlangt. Unbestritten ist auch, dass es
mit der Eröffnung (Veröffentlichung im Amtsblatt bezw. Zustellung an den
Empfänger) sofort rechtskräftig und vollstreckbar wird, dass diese Wirkung
erst dahinfällt, wenn es auf dem Wege des ordentlichen Prozesses aufgehoben
oder wenn eine richterliche Weisung gemäss § 93 Ziff. 3 ZPO erlassen wird,
und dass derjenige, der das Rechtbot übertritt, sich selbst dann strafbar
macht, wenn es in der Folge auf Nichtigkeitsbeschwerde hin aufgehoben wird.
Und schliesslich ist nicht zweifelhaft, dass das Rechtbot dem Schutze
privater Rechte dient und die einstweilige Regelung eines Zustandes
inbezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis darstellt. Es fragt sich, ob
eine solche Massnahme auf einseitiges Begehren ohne vorherige Anhörung
des Betroffenen erlassen werden darf. Diese Frage braucht nur für das
hier streitige Spezialrechtbot oder "Verbot gegen bestimmte Personen"
(§ 279 Ziff. 2 und 288 Abs. 2 ZPO) geprüft zu werden. Das "allgemeine
Rechtbot" (§ 279 Ziff. 1 und 288 Abs. 1 ZPO), bei dem die Verhältnisse
nicht völlig gleich liegen, kann beiseite gelassen werden.

Erwägung 6

    6.- Die glarnerischen Gerichte vertreten die Auffassung, dass das
Rechtbot in einem Verfahren ohne richterliche Erkenntnistätigkeit erlassen
werde und dass deshalb die vorherige Anhörung des Betroffenen nicht
erforderlich, ja gar nicht zulässig sei. Dass der Richter jedem beliebigen
Begehren jedes beliebigen Gesuchstellers um Erlass eines beliebigen
Verbotes unbesehen zu entsprechen habe, behaupten sie allerdings mit
Recht nicht. Zunächst kann nicht zweifelhaft sein, dass der angerufene
Richter seine Zuständigkeit zu prüfen hat (§ 278 ZPO und HAURI aaO S. 46
ff.). Aus der Vernehmlassung des Zivilgerichtspräsidenten im kantonalen
Beschwerdeverfahren ergibt sich sodann, dass der Richter auch die
Legitimation des Gesuchstellers prüft und ein Rechtbot über Grundstücke
nur bewilligt, wenn das Gesuch vom Eigentümer gestellt wird (ebenso
HAURI aaO S. 21/22 und 28). Dagegen behauptet der Zivilgerichtspräsident,
der Richter habe nicht über die materielle Begründetheit und rechtliche
Zulässigkeit des Rechtbotes zu befinden. Diese Behauptung steht indessen
im Widerspruch zur gesetzlichen Ordnung. Die ZPO regelt das Rechtbot im
Abschnitt über das "Befehlsverfahren" (§§ 277 ff.). Nach § 290 sollen
zuwider bestehenden Gesetzen, rechtskräftigen verwaltungsrechtlichen
und richterlichen Verfügungen und Urteilen keine Befehle erteilt werden,
was nach der Praxis auch für Rechtbote gilt (HAURI aaO S. 19) und eine
materielle Prüfung erfordert. Sodann bestimmt § 281 ZPO:

    "Stellt sich das Gesuch sofort als unbegründet dar, so weist es der
Gerichtspräsident ab; erscheint es begründet, so erlässt er sofort die
geeignete Verfügung.

    Richtet sich das Begehren gegen eine bestimmte Person, so kann der
Gerichtspräsident eine Parteiverhandlung anordnen unter der Androhung,
dass bei unentschuldigtem Ausbleiben das Begehren geschützt würde."

    Hieraus ergibt sich vor allem, dass der Richter die Begründetheit des
Rechtbotgesuchs zu prüfen, aber auch, dass er den Betroffenen nötigenfalls
anzuhören hat. Obwohl die ZPO für das Rechtbot keine Ausnahmen von den für
das Befehlsverfahren aufgestellten Vorschriften vorsieht, hat indessen die
Praxis § 281 (und andere Bestimmungen) nicht auf das Rechtbot angewandt. Ob
diese gegen den klaren Wortlaut der ZPO verstossende Praxis willkürlich und
deshalb mit Art. 4 BV unvereinbar sei, oder ob sie, da nun 30 Jahre alt,
als auf derogierendem Gewohnheitsrecht beruhend vor Art. 4 BV standhalte,
braucht nicht entschieden zu werden. Selbst wenn keine Willkür vorliegen
sollte, könnte diese Praxis nicht geschützt werden, das sie auf eine mit
Art. 4 BV unvereinbare Verweigerung des rechtlichen Gehörs hinausläuft.

Erwägung 7

    7.- Das Rechtbot stellt eine zivilprozessuale Massnahme dar, die sich
nach ihrer Natur und nach ihren Wirkungen (vgl. oben Erw. 5) durchaus
mit den einstweiligen oder vorsorglichen Verfügungen vergleichen lässt,
wie sie wohl alle schweizerischen Zivilprozessordnungen kennen. Eine
solche Massnahme, durch welche einem behaupteten privaten Rechte
mit sofortiger Wirkung und unter Strafandrohung richterlicher Schutz
verliehen wird, darf nicht auf einseitiges Begehren des Gesuchstellers
ohne Anhörung des Betroffenen erlassen werden. Das aus Art. 4 BV
folgende Gebot für den Richter, die Parteien gleichmässig anzuhören,
gilt nicht nur für den ordentlichen Zivilprozess, in dem endgültig
über ein streitiges Privatrechtsverhältnis zu entscheiden ist, sondern
grundsätzlich auch für das Verfahren, in dem ein privates Recht mit
sofortiger Wirkung vorläufig geschützt wird; nur in Fällen besonderer
Dringlichkeit, beim Erlass sogenannter superprovisorischer, lediglich
bis zum Erlass der eigentlichen provisorischen Verfügung geltender
Massnahmen darf von der vorgängigen Anhörung des Betroffenen abgesehen
werden (GULDENER, Schweiz. Zivilprozessrecht 2. Auflage S. 388 Ziff. IV;
ZIEGLER, Die vorsorgliche Massnahme in der Zivilprozessgesetzgebung der
schweiz. Kantone, Diss. Zürich 1944 S. 67, wo zutreffend ausgeführt wird,
die mit der Beschränkung der Kognition verbundene Beeinträchtigung der
Parteirechte im Verfahren zum Erlass von vorsorglichen Massnahmen dürfe
"nicht so weit gehen, dass die vorsorgliche Massnahme Gefahr läuft,
zu einer Art staatlich autorisierter Selbsthilfe herabzusinken"). Der
Umstand, dass die glarnerische ZPO gegenüber Rechtboten verschiedene
Rechtsbehelfe, nämlich die Nichtigkeitsbeschwerde (§ 328), die Anfechtung
auf dem ordentlichen Prozessweg (§ 288 Abs. 2) und die Bewilligung
der einstweiligen Ausübung der mit dem Rechtbot belegten Rechte durch
richterliche Weisung (§ 93 Ziff. 3) vorsieht, vermag die vorherige Anhörung
des Betroffenen schon deshalb nicht zu ersetzen, weil das Rechtbot auf
jeden Fall bis zum Entscheid über diese Rechtsbehelfe wirksam bleibt
und diese zudem erst nach längerer Zeit (ordentlicher Prozess) oder
nur beim Vorliegen besonderer Gründe (Nichtigkeitsgründe gemäss § 328
bzw. Voraussetzungen nach § 93 Ziff. 3) zum Erfolg führen können.

    Die Berufung der glarnerischen Gerichte auf BGE 67 I 10 und das
dort über das Rechtbot des Kantons Appenzell A.Rh. Ausgeführte geht
fehl. Einmal ging es dort nicht um die Frage des rechtlichen Gehörs,
sodern um die vollstreckungsrechtlichen Wirkungen des unbestrittenen
Rechtbotes. Das appenzellische Rechtbot ist sodann, wie der Zahlungsbefehl
des SchKG, lediglich eine amtliche Aufforderung und kann durch blosse
Erhebung eines Rechtsvorschlags unwirksam gemacht werden (BGE 26 I 304),
während das glarnerische Rechtbot ein sofort wirksames und unter Strafe
gestelltes Verbot enthält und bis zur Aufhebung in Kraft bleibt. Angesichts
dieser Wirkungen erscheint eine Anhörung des Betroffenen vor Erlass des
Rechtbots als unerlässlich, wobei sich von selbst versteht, dass der
Richter dem Betroffenen nicht bloss Gelegenheit zu geben hat, sich zu
äussern, sondern verpflichtet ist, seine Vorbringen zu prüfen (GULDENER
aaO S. 153 Ziff. 7).

    Dass eine solche Anhörung zum Gesuch um Erlass eines Rechtbotes
zwingend geboten ist, zeigt gerade auch der vorliegende Fall. Die
Beschwerdeführerin bezeichnet das Rechtbot als unzulässig, weil ihr das
Recht zu den Handlungen, die ihr durch das Rechtbot verboten werden,
bereits durch einen rechtskräftigen Schiedsspruch eingeräumt worden sei
und weil über dieses Recht zudem im Enteignungsverfahren und nicht im
Zivilprozess zu entscheiden sei. Ob diese Einwendungen begründet sind,
ist hier nicht zu prüfen. Wesentlich ist, dass sie an sich geeignet
sind, die Zulässigkeit nicht nur des Rechtbotes, sondern auch des
damit eingeleiteten Zivilprozesses in Frage zu stellen, weshalb die
Beschwerdeführerin Gelegenheit haben muss, diese Einwendungen dem Richter
vor dem Erlass des Rechtbotes zu unterbreiten.

    Der Einwand, mit dem Erfordernis vorgängiger richterlicher
Überprüfung werde das althergebrachte und tief im Rechtsbewusstsein
des Volkes verwurzelte Institut des Rechtbotes "unmöglich" gemacht, ist
unbehelflich. Es ist nicht einzusehen, weshalb § 281 ZPO sich nicht auch
auf das Rechtbot anwenden lassen und der Richter vor Erlass desselben
nicht sollte prüfen können, ob das "Gesuch begründet erscheine", d.h. der
Gesuchsteller seine Berechtigung glaubhaft gemacht habe. Selbst wenn dies
aber auf Schwierigkeiten stossen sollte, so vermöchte es eine Verletzung
des unmittelbar aus Art. 4 BV folgenden Anspruchs auf volles rechtliches
Gehör im Zivilprozess nicht zu rechtfertigen, und eine solche Verletzung
liegt vor, wenn eine dem Schutz privater Rechte dienende zivilprozessuale
Massnahme mit so weittragenden Wirkungen, wie sie das Rechtbot hat, ohne
vorherige Anhörung des Betroffenen erlassen wird. In BGE 24 I 569 wurde
ausgeführt, dass schon eine vom Richter in amtlicher Form erteilte Warnung
oder Rüge auf blosse Beleidigungsklage hin ohne Verhör des Beschuldigten
mit Art. 4 BV unvereinbar sei. Umsomehr ist es ein richterliches Verbot,
das sofort rechtskräftig wird und dessen Übertretung Strafe nach sich
zieht.

Erwägung 8

    8.- Nach feststehender Rechtsprechung ist der Anspruch auf rechtliches
Gehör formeller Natur, d.h. dessen Verletzung hat die Aufhebung des
angefochtenen Entscheids auch dann zur Folge, wenn der Beschwerdeführer
ein materielles Interesse hieran nicht nachzuweisen vermag (BGE 85 I 202
Erw. 2 und dort angeführte frühere Urteile). Der Entscheid des Obergerichts
ist daher aufzuheben, wodurch mittelbar auch das damit geschützte Rechtbot
dahinfällt.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Soweit auf die Beschwerde eingetreten werden kann, wird sie im Sinne
der Erwägungen gutgeheissen, und der Entscheid des Obergerichts des
Kantons Glarus vom 29. Dezember 1960 wird aufgehoben.