Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 87 I 10



87 I 10

3. Urteil vom 1. März 1961 i.S. X. gegen Solothurn, Kanton und
Regierungsrat. Regeste

    Art. 4 BV und Art. 81 Lit. A Ziff. 1 solothurn. KV.

    Die rechtsanwendende Behörde darf nur dann vom klaren Wortlaut eines
Rechtssatzes abweichen, wenn triftige Gründe dafür vorliegen, dass er nicht
den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt. Anwendung dieses Grundsatzes
auf die Auslegung einer zunächst in einem Gesetz aufgestellten und dann
in die Kantonsverfassung aufgenommenen Bestimmung betreffend die Befreiung
von der Erbschaftssteuer.

Sachverhalt

    A.- Das soloth. Gesetz vom 13. Dezember 1848 über Handänderungsgebühren
von Erbschaften (GHE) bestimmt in § 1:

    "Die Übernehmer von Erbschaften, Vermächtnissen und Schenkungen auf
Todesfall - mit Ausnahme der Nachkommen in gerade absteigender Linie
und der Adoptivkinder - haben vom Betrag der ihnen zufallenden reinen
Habschaft an Handänderungsgebühr in der Regel zu bezahlen:

    a)  die Ehegatten für diejenigen Teile, wofür sie als Erben angesehen
werden, 2%;

    b)  die Eltern, Grosseltern usw., die Geschwister und deren Nachkommen
für jeden Grad der Verwandtschaft 1%, also die Eltern 1%, die Geschwister
2% usf.;

    c)  die übrigen Erben, nämlich der Eltern Geschwister 6%, im vierten
Grad 7%, in weiteren Verwandtschaftsgraden 8 %;

    d)  die durch Testament berufenen Erben und Vermächtnisnehmer 8 %.

    Wenn ein durch Testament Bedachter zugleich Intestaterbe ist, so hat
er die Gebühr von 8 % nur für jene Teile zu bezahlen, wozu er nicht durch
das Gesetz selbst als Erbberechtigt gerufen ist."

    Nach § 3 lit d GHE wird das Doppelte der in § 1 bestimmten Gebühr
bezogen, wenn der Teil eines Erben oder Vermächtnisnehmers mehr als
Fr. 28'571.-- beträgt. Einschätzungsbehörde ist der Amtsschreiber; gegen
dessen Verfügung kann an den Regierungsrat rekurriert werden.

    Am 23. Oktober 1887 ist der soloth. KV ein Art. 81 beigefügt worden,
der zur Herstellung des Gleichgewichts in der Staatsrechnung verschiedene
Gesetzesänderungen vorsieht und unter lit. A Ziff. 1 bestimmt:

    "Die Übernehmer von Erbschaften, Vermächtnissen und Schenkungen auf
Todesfall, mit Ausnahme der Nachkommen in gerade absteigender Linie und
der Adoptivkinder, haben vom Betrag der ihnen zufallenden reinen Habschaft
an Handänderungsgebühr zu den bestehenden gesetzlichen Ansätzen einen
Zuschlag von 50 % zu entrichten."

    Schliesslich hat der soloth. Regierungsrat am 26. Oktober 1894 eine an
die Amtsschreiber gerichtete Weisung über die Anwendung des GHE erlassen,
deren Ziff. 3 lautet:

    "Wenn ein Erblasser zu Gunsten einzelner Nachkommen in absteigender
Linie oder von Adoptivkindern testatorische Verfügungen trifft, so sind
die testatorischen Zuwendungen nicht steuerfrei, sondern die bedachten
Erben haben von denselben die Erbschaftsgebühr als Testamentserben (§
1 lit. d) zu bezahlen."

    B.- Die in Solothurn gestorbene Frau Y. hinterliess als gesetzliche
Erben vier Kinder. Durch Testament hatte sie ihre Tochter Frau X.
auf den Pflichtteil gesetzt und für den Rest des gesetzlichen Erbteils
derselben, d.h. für 1/16 des Nachlasses, deren drei Söhne, die heutigen
Beschwerdeführer, zu gleichen Teilen als Erben eingesetzt.

    Die Amtsschreiberei Solothurn berechnete das reine Nachlassvermögen
mit Einschluss der Vorempfänge auf Fr. 2'196,370.05 und den Anteil jedes
Beschwerdeführers auf Fr. 45'757.70 und setzte die von jedem von ihnen zu
entrichtende Testamentssteuer auf 24% = Fr. 10'981.80 fest, indem sie vom
Ansatz von 8% in § 1 lit. d GHE ausging und je 8% gemäss § 3 GHE sowie Art.
81 lit. A Ziff. 1 KV hinzuschlug.

    Gegen diese Veranlagung rekurrierten die Beschwerdeführer, indem sie
vor allem geltend machten, dass sie als Nachkommen in gerade absteigender
Linie der Erblasserin nach dem klaren Wortlaut des § 1 GHE und der
entsprechenden Vorschrift in § 81 KV sowie nach der ratio legis dieser
Bestimmungen nicht steuerpflichtig seien und der Regierungsrat mit dem
Erlass von Ziff. 3 der Weisung vom 26. Oktober 1894 die ihm nach Art. 38
Ziff. 1 KV zustehenden Befugnisse überschritten habe; ferner fochten sie
die Berechnung des Nachlassvermögens und der Steuerbeträge an.

    Der Regierungsrat hiess den Rekurs mit Beschluss vom 2. Dezember
1960 dahin teilweise gut, dass er das reine Nachlassvermögen auf
Fr. 1'977,540.05 und die Vermächtnisse der drei Beschwerdeführer auf
je Fr. 41'198.75 berechnete und demgemäss die jedem Beschwerdeführer
auferlegte Testamentssteuer von 24% auf Fr. 9'887.70 herabsetzte. Zur
Frage, ob die Beschwerdeführer als Enkelkinder der Erblasserin
steuerpflichtig seien, führen die Erwägungen aus: Die beanstandete
Besteuerung beruhe auf einer jahrzehntealten Praxis, die in einer Weisung
des Regierungsrates vom 26. Oktober 1894 letztmals schriftlich fixiert
und vom Bundesgericht im Urteil vom 12. Oktober 1929 i.S. Weber als
nicht willkürlich bezeichnet worden sei. Ähnliche Erwägungen habe das
Bundesgericht im Urteil vom 31. Oktober 1946 i.S. Pfluger angestellt. Da
die Erwägungen des Urteils Weber den Beschwerdeführern bekannt seien,
könne auf deren Wiedergabe verzichtet werden.

    C.- Gegen diesen Beschluss führen die Brüder X staatsrechtliche
Beschwerde mit dem Antrag, ihn aufzuheben. Sie berufen sich auf Art. 4 BV
und auf Art. 81 lit. A Ziff. 1 KV sowie auf Art. 62 Abs. 1 in Verbindung
mit Art. 17 Ziff. 1, 31 Ziff. 1 und 38 Ziff. 1 KV und machen zur
Begründung im wesentlichen geltend: Nach § 1 GHE und Art. 81 KV seien
die Nachkommen in gerade absteigender Linie von der Erbschaftssteuer
befreit. Die gegenteilige Auslegung dieser Bestimmungen durch den
Regierungsrat verstosse gegen den absolut klaren Wortlaut und sei deshalb
willkürrlich. Da die Bestimmungen keine Lücke enthielten, sei für eine
Interpretation kein Raum. Der Regierungsrat habe mit der Weisung vom
26. Oktober 1894 die ihm nach Art. 38 Ziff. 1 KV zustehenden Befugnisse
überschritten; überdies habe er damit Art. 62 KV verletzt, indem er,
ohne den in Art. 17 Ziff. 1 und 31 Ziff. 1 KV vorgezeichneten Weg der
Gesetzgebung einzuschlagen, eine direkte Steuer eingeführt bzw. die
Bestimmungen eines Steuergesetzes auf bisher von diesem privilegierte
Personen ausgedehnt habe. Der Hinweis auf seine jahrzehntealte Praxis
helfe ihm nichts, da die Voraussetzungen für die Entstehung eines
Gewohnheitsrechts fehlten.

    D.- Der Regierungsrat des Kantons Solothurn beantragt die Abweisung
der Beschwerde und führt aus: Die Beschwerde sei trölerisch, da die
aufgeworfenen Fragen vom Bundesgericht in den Urteilen Weber und Pfluger
bereits entschieden und die dagegen erhobenen Einwände dort eindeutig
widerlegt worden seien. Ein Gewohnheitsrecht nehme der Regierungsrat nicht
für sich in Anspruch; die Berufung auf die jahrzehntealte Praxis habe nur
auf die Dauer der von den Beschwerdeführern angefochtenen Gesetzesauslegung
hinweisen wollen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Beschwerdeführer werfen dem Regierungsrat eine mit dem klaren
Wortlaut unvereinbare und deshalb willkürrliche Auslegung des § 1 GHE vor.
Ausserdem behaupten sie, der Regierungsrat habe Art. 81 lit. A Ziff. 1 KV
sowie Art. 62 Abs. 1 in Verbindung mit den Ziff. 1 der Art. 17, 31 und
38 KV verletzt. Art. 81 KV bestimmt nicht nur, dass zu den Steuersätzen
des GHE ein Zuschlag von 50% zu entrichten ist, sondern hat auch die in
§ 1 GHE enthaltene Umschreibung der Steuersubjekte und Steuerobjekte
wörtlich übernommen. Durch diese Aufnahme in die Verfassung ist die
gesetzliche Steuerbefreiung für Nachkommen in gerade absteigender Linie
zu einem Verfassungsgrundsatz geworden, dessen Auslegung und Anwendung
das Bundesgericht grundsätzlich frei zu überprüfen hat. Die Berufung der
Beschwerdeführer auf die andern Bestimmungen der KV hat dagegen keine
Erweiterung der Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts zur Folge. Art. 62
Abs. 1 KV, wonach die Bestimmungen über direkte und indirekte Steuern
und Abgaben "Sache der Gesetzgebung" sind, bedeutet, dass Steuern und
Abgaben nur beim Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen und nur in
dem vom Gesetz festgelegten Umfange erhoben werden dürfen (BGE 80 I 327;
85 I 84, 278). Der vorliegend angefochtene Entscheid stützt sich auf
eine gesetzliche Grundlage, den § 1 GHE. Ob die streitige Steuer auf
Grund dieser Bestimmung erhoben werden darf, ist eine Frage, welche die
Auslegung und Anwendung kantonalen Gesetzesrechtes betrifft und daher
vom Bundesgericht nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel des Art. 4
BV überprüft werden kann. Daran ändert auch die vom Regierungsrat am 26.
Oktober 1894 erlassene Weisung an die Amtsschreibereien nichts. Einmal
stellt diese Weisung keine allgemein verbindliche Verordnung dar, sondern
lediglich eine Dienstanweisung, mit der der Regierungsrat seine Auffassung
über die Auslegung des GHE bekannt gegeben und die ihm unterstellten
Amtsschreiber angewiesen hat, bei der Steuererhebung von dieser Auslegung
auszugehen. Selbst wenn es sich übrigens um eine Vollziehungsverordnung
handelte, hätte das Bundesgericht die Frage, ob diese sich innerhalb der
Schranken des Gesetzes gehalten habe, wiederum nur unter dem Gesichtswinkel
von Art. 4 BV zu prüfen (vgl. BGE 70 I 8, 85 I 85 Erw. 1 a. E.).

Erwägung 2

    2.- Art. 81 lit. A Ziff. 1 KV und § 1 GHE sehen für Nachkommen in
gerade absteigender Linie eine Befreiung von der (im folgenden kurz
"Erbschaftssteuer" genannten) Handänderungsgebühr auf Erbschaften
vor. Der Regierungsrat hat in ständiger Praxis angenommen, diese
Steuerbefreiung gelte für Nachlassvermögen, welches Nachkommen auf
Grund einer letztwilligen Verfügung zufalle, nur insoweit, als es ihrem
gesetzlichen Erbteil entspreche; für das, was ihnen der Erblasser darüber
hinaus zuwende, hätten auch Nachkommen die Testamentssteuer von 8% gemäss
§ 1 lit. d GHE (nebst Zuschlägen) zu entrichten. Das Bundesgericht hat
im Urteil vom 12. Oktober 1929 i.S. Weber den gegen diese Auslegung
erhobenen Vorwurf der Willkür als unbegründet bezeichnet. Den gleichen
Standpunkt hat es im Urteil vom 31. Oktober 1946 i.S. Pfluger (Erw. 2 e)
unter Hinweis auf jenen Entscheid eingenommen. Eine nochmalige Überprüfung
der Frage ergibt, dass an dieser Auffassung nicht festgehalten werden kann.

Erwägung 3

    3.- Ausgangspunkt und in erster Linie massgebend für die Bestimmung
des Sinnes eines Rechtssatzes ist dessen Wortlaut, der entweder klar ist
oder der Auslegung bedarf (vgl. Art. 1 Abs. 1 ZGB). Auch der zunächst
klar scheinende Wortlaut ist freilich auslegungsbedürftig, soweit er
Ausdrücke verwendet, die nicht völlig eindeutig und unmissverständlich
sind. Der Regierungsrat hat mit Recht weder in den früheren Fällen noch
vorliegend behauptet, der Wortlaut von Art. 81 lit. A Ziff. 1 KV und §
1 GHE sei unklar oder verwende zweideutige Ausdrücke. Mit den Ausdrücken
"Übernehmer von Erbschaften, Vermächtnissen und Schenkungen auf Todesfall"
in Verbindung mit der Aufzählung in § 1 lit. a-d GHE wird der Kreis der
Steuerpflichtigen klar umschrieben. Ebenso ist die Bezeichnung "Nachkommen
in gerade absteigender Linie" für die (neben den Adoptivkindern) von der
Steuer befreiten Personen völlig klar. Dafür, dass diese Befreiung nur
im Umfang des gesetzlichen Erbteils gelten soll, bietet der Wortlaut
keinen Anhaltspunkt. Wenn Art. 81 lit. A Ziff. 1 KV und § 1 GHE die
"Übernehmer von Erbschaften, Vermächtnissen und Schenkungen auf Todesfall"
als Steuerpflichtige nennen und unmittelbar anschliessend die "Nachkommen
in gerade absteigender Linie" ohne jede Einschränkung von der Steuerpflicht
ausnehmen, so kann das nichts anderes heissen, als dass sie als gesetzliche
oder eingesetzte Erben, als Vermächtnisnehmer oder als Beschenkte auf
den Todesfall keine Erbschaftssteuer zu entrichten haben. Nachdem im
Eingang von Art. 81 lit. A Ziff. 1 KV sowie des § 1 GHE von Erbschaften,
Vermächtnissen und Schenkungen auf Todesfall die Rede ist, müsste, sofern
die im eingeschalteten Satz für Nachkommen angeordnete Ausnahme nur für
die gesetzliche Erbfolge oder im Umfange derselben gelten sollte, dies
im Wortlaut irgendwie zum Ausdruck kommen. Da das nicht der Fall ist,
sind nach dem klaren Wortlaut von Art. 81 lit. A Ziff. 1 KV und § 1 GHE
Nachkommen in gerade absteigender Linie in jedem Falle steuerfrei.

    Die Auslegung eines Rechtssatzes gegen den ihm vom Gesetzgeber
verliehenen klaren Wortlaut ist der rechtsanwendenden Behörde
grundsätzlich verwehrt. Sie darf - von dem hier nicht in Betracht
kommenden Redaktionsversehen abgesehen (Urteil vom 20. September 1950
i.S. Wackernagel) - vom klaren Wortlaut nur dann ohne Verletzung von
Art. 4 BV abweichen, wenn triftige Gründe dafür vorliegen, dass er nicht
den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt. Solche Gründe können sich
aus ihrer Entstehungsgeschichte, aus ihrem Grund und Zweck oder aus dem
Zusammenhang mit andern Gesetzesbestimmungen ergeben (vgl. BGE 80 II 316).

    a) Das Bundesgericht hat im Urteil Weber ausgeführt, auf Grund
der Gesetzesberatung im Kantonsrat könne man "sehr wohl" annehmen, die
Steuerfreiheit für Nachkommen gelte bloss für den Erbschaftserwerb, den das
(Zivil-) Gesetz für den Fall, dass der Erblasser nicht anders verfügt habe,
selbst vorsehe. Diese Annahme erweist sich indes als unzutreffend. Der
regierungsrätliche Entwurf vom März 1848 hatte für Nachkommen eine
Erbschaftssteuer von 1/2% vorgesehen. Diese bereits von der Kommission
abgelehnte Besteuerung wurde im Kantonsrat als "Belästigung" und als
"grober Eingriff in die heiligsten Familienrechte" bezeichnet. Diese
Einstellung gegenüber einer auch nur geringfügigen Belastung der Nachkommen
mit einer Erbschaftssteuer spricht durchaus dafür, dass der Gesetzgeber
jede Besteuerung der Nachkommen als unbillig ablehnte und nicht etwa
eine den gesetzlichen Erbteil übersteigende Zuwendung an Nachkommen
mit dem höchsten Steuersatz von 8% (mit Zuschlag gemäss § 3 GHE bis 16%
und gemäss Art. 81 KV bis 24%) belasten wollte.

    b) Dass nur die gänzliche Befreiung der Nachkommen dem wirklichen Sinn
von § 1 GHE (und Art. 81 lit. A Ziff. 1 KV) entspricht, ergibt sich auch
abgesehen von der Entstehungsgeschichte aus dem Grundgedanken und Zweck
der Regelung. § 1 GHE sieht Steuersätze von 1 bis 8% vor, wobei der Satz
mit dem Verwandtschaftsgrad steigt und für die entferntesten Verwandten
sowie für Nichtverwandte 8% beträgt. Es ist nicht einzusehen, wieso
Nachkommen in gerade absteigender Linie, die das Gesetz ausdrücklich
von der Steuerpflicht befreit, den für entfernteste Verwandte und
Nichtverwandte vorgesehenen höchsten Steuersatz von 8% (mit Zuschlägen
16 bzw. 24%) zu entrichten haben sollten für Nachlassvermögen, das ihnen
nicht auch kraft Gesetzes zufällt, wie es der Fall ist, wenn Grosseltern
den verfügbaren Teil ihres Vermögens testamentarisch ganz oder teilweise
direkt ihren Enkeln zuwenden. Die Annahme, dass Nachkommen in diesen und
ähnlichen Fällen gerade den höchsten, für Nichtverwandte vorgesehenen
Steuersatz zu entrichten haben, widerspricht dem Grundgedanken der
Regelung: Steuerbefreiung für Nachkommen und Abstufung der Steuersätze
nach dem Verwandtschaftsgrade, so sehr, dass sie sich ohne eine Stütze
im Wortlaut des Gesetzes nicht halten lässt. An einer solchen fehlt es
aber. Der im Urteil Weber enthaltene Hinweis auf § 1 Abs. 2 GHE ist
keineswegs schlüssig. Nach dieser Bestimmung hat ein durch Testament
Bedachter, sofern er zugleich gesetzlicher Erbe ist, die Gebühr von 8%
nur für das zu bezahlen, wozu er nicht schon durch das Gesetz selbst
als erbberechtigt gerufen ist. Diese Bestimmung setzt voraus, dass der
Betroffene überhaupt steuerpflichtig ist, und regelt die Konkurrenz
zweier als anwendbar in Frage kommender Steuersätze; dagegen erlaubt sie
keinesfalls den Schluss, dass ein nach dem klaren Wortlaut von Abs. 1
von der Steuerpflicht befreiter Nachkomme gegebenenfalls den Höchstsatz
der Steuer zu entrichten habe.

    c) Dem im Urteil Weber noch erwähnten Umstand, dass die Auslegung des
Regierungsrates einer seit Jahrzehnten feststehenden Praxis entspricht,
käme nur Bedeutung zu, wenn sich dadurch ein Gewohnheitsrecht entwickelt
hätte (vgl. BGE 84 I 97, 85 I 88). Der Regierungsrat behauptet jedoch kein
solches, sondern erklärt in der Beschwerdeantwort vielmehr ausdrücklich,
er nehme kein Gewohnheitsrecht für sich in Anspruch.

Erwägung 4

    4.- Nach dem Gesagten bestehen keine, geschweige denn triftige Gründe,
die es erlauben würden, vom klaren Wortlaut des § 1 Abs. 1 GHE und des Art.
81 lit. A Ziff. 1 KV abzugehen und von den Beschwerdeführern für das ihnen
von ihrer Grossmutter letztwillig zugewendete Vermögen Erbschaftssteuern zu
erheben. Der angefochtene Entscheid ist demnach offensichtlich unhaltbar
und deshalb wegen Verletzung von Art. 81 lit. A Ziff. 1 KV und Art. 4
BV aufzuheben.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Regierungsrates
des Kantons Solothurn vom 2. Dezember 1960 aufgehoben.