Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 87 IV 9



87 IV 9

3. Urteil des Kassationshofes vom 20. Februar 1961 i.S. Staatsanwaltschaft
des Kantons Aargau gegen Gloor. Regeste

    Art. 148 Abs. 1 StGB. Geschädigt ist der gutgläubige Käufer einer
gestohlenen Sache auch dann, wenn er sie dem Bestohlenen nur gegen
Vergütung des bezahlten Preises herauszugeben hat. Ist er Wiederverkäufer,
fällt auch entgangener Gewinn als Schaden in Betracht.

Sachverhalt

    A.- Gloor stahl in der Zeit vom Dezember 1958 bis Ende August 1959
aus dem Areal des Unterwerkes der SBB in Brugg zu wiederholten Malen
alten Hartkupfer-Fahrdraht im Gesamtgewicht von mindestens 320 kg. Er
verkaufte den Draht unter Verschweigung seiner Herkunft für Fr. 1.50 das
Kilogramm dem Altstoffhändler B., der ihn gutgläubig an Zwischenhändler
weiterverkaufte und dafür Fr. 2.20 bis 2.50 löste. Als der Diebstahl
an den Tag kam, hatte B. noch 174 kg der gestohlenen Ware am Lager,
die er der SBB zurückerstattete; diese vergütete ihm als Belohnung für
seine Mitwirkung bei der Aufdeckung des Diebstahls freiwillig den Preis,
den er Gloor dafür bezahlt hatte.

    B.- Das Kriminalgericht des Kantons Aargau verurteilte am 30. Oktober
1959 Gloor wegen fortgesetzten Diebstahls zu 12 Monaten Gefängnis,
sprach ihn dagegen von der Anklage des Betruges frei. Zur Begründung des
Freispruches führte es aus, es sei zweifelhaft, ob Gloor als Kaufmann im
Sinne des Art. 934 Abs. 2 ZGB zu betrachten sei und demzufolge die SBB das
Diebsgut entschädigungslos vom Käufer hätte herausverlangen können; auf
jeden Fall sei aber B. nicht im Sinne von Art. 148 Abs. 1 StGB geschädigt
worden, nachdem ihm die SBB den ausgelegten Kaufpreis vergütet habe.

    C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau führt
Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Kriminalgerichts
sei aufzuheben und die Sache zur Verurteilung des Angeklagten wegen
fortgesetzten Betruges und zur Neubemessung der Strafe an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

    D.- Gloor beantragt Abweisung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

              Der Kassationshof zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der Dieb, der die gestohlene Sache verkauft, kann entgegen der
durch den Kaufvertrag übernommenen Verpflichtung (Art. 184 Abs. 1 OR)
dem Käufer nicht das Eigentum an der Sache verschaffen, weil er selber
nicht Eigentümer ist (BGE 72 IV 10). Erhält der Käufer aber für den
vereinbarten Kaufpreis anstelle des versprochenen Eigentumsrechts nur
die tatsächliche Gewalt über die Sache, so entspricht seine eigene
Leistung nicht dem Gegenwert, auf den er vertraglich Anspruch hat (BGE
72 IV 130). Denn der Kaufpreis, den er erlegt, ist Gegenleistung für die
Übertragung des vollen Rechtes an der Sache, während diese in Wirklichkeit
mit dem Herausgabeanspruch des rechtmässigen Eigentümers belastet ist. Um
diesen Minderwert ist der Käufer geschädigt. Das ist er auch, wenn der
rechtmässige Eigentümer das gestohlene Gut im Sinne von Art. 934 Abs. 2
ZGB nur gegen Vergütung des bezahlten Preises zurückfordern kann (Urteil
des Kassationshofes vom 4. Oktober 1957 i.S. Waldis). Denn solange der
Bestohlene von diesem Rückforderungsrecht Gebrauch machen kann, ist die
Sache für den Käufer den geleisteten Kaufpreis nicht wert; wird ihm aber
bei der Herausgabe der Preis ersetzt, so liegt darin bestenfalls eine
Wiedergutmachung des früher eingetretenen Schadens. B. war daher auf alle
Fälle mindestens vorübergehend geschädigt. Es kann deshalb dahingestellt
bleiben, ob Gloor als Kaufmann anzusehen ist oder nicht.

    B. ist ausserdem noch unter einem anderen Gesichtspunkt geschädigt. Er
kaufte, was Gloor wusste, das Kupfer nicht zum Eigengebrauch, sondern
um es mit Gewinn weiterzuverkaufen. Tatsächlich war nach der Marktlage
mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass er die
günstig erworbene Ware gewinnbringend werde absetzen können. Eine derart
reale Gewinnaussicht hat als Bestandteil des Vermögens zu gelten (HAFTER,
Bes. T. I S. 267, LOGOZ, Bes. T. I S. 156 lit. c, GERMANN, Das Verbrechen
S. 278). B. erlitt daher auch insoweit einen Vermögensschaden im Sinne
von Art. 148 Abs. 1 StGB, als ihn das Fehlen des Eigentums gehindert
hat, den beabsichtigten Weiterverkauf der Ware und die damit verbundene
Gewinnerzielung zu verwirklichen. Bei vollständiger Entwehrung, die der
Verkäufer verschuldet hat, wird entgangener Gewinn auch zivilrechtlich als
Schaden behandelt, der dem Käufer gemäss Art. 195 Abs. 2 OR zu ersetzen
ist (BGE 79 II 381).

Erwägung 2

    2.- Das Merkmal der Arglist ist von der Vorinstanz entgegen der
Auffassung des Beschwerdegegners zu Recht bejaht worden. Wer beim
Abschluss eines Kaufes verschweigt, dass er über die angebotene Ware
nicht verfügungsberechtigt ist und daher kein Eigentum übertragen kann,
obschon er nach Treu und Glauben verpflichtet wäre, den Käufer über
eine so wesentliche Tatsache aufzuklären, handelt arglistig (BGE 76 IV
105). Dass sich B. ohne weiteres der Verdacht hätte aufdrängen müssen,
die alten Kupferdrähte, die von der SBB im Freien gelagert worden waren,
könnten schon ihrer äussern Beschaffenheit wegen nicht aus Abfallgruben
stammen, behauptet der Beschwerdegegner selber nicht und ist auch aus
den Akten nicht zu ersehen. B. hat zudem erklärt, dass ihm die Drähte
in kurzen Stücken angeboten worden seien, und überdies steht fest, dass
ihm Gloor schon früher wiederholt Altmetalle verkauft hat, die dieser in
Schuttablagerungen zusammengesucht hatte. Unter diesen Umständen bestand
für B. kein Anlass, die Herkunft der Kupferdrähte zu überprüfen, was
übrigens nicht ohne erhebliche Mühe möglich gewesen wäre.

Erwägung 3

    3.- Gloor ist somit auch wegen Betruges zu bestrafen. Die Vorinstanz
hat dementsprechend die wegen Diebstahls ausgefällte Freiheitsstrafe
gemäss Art. 68 Ziff. 1 StGB zu erhöhen.

Entscheid:

Demnach erkennt der Kassationshof:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen.