Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 87 IV 25



87 IV 25

8. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 24. Februar 1961
i.S. Schweizerische Bundesanwaltschaft gegen Gehrig. Regeste

    Art. 29 Abs. 1, 31, 35 und 74 Ziff. 6 ZG.

    1.  Verantwortung des Zolldeklaranten für die Richtigkeit der
Deklaration; Pflicht zur Untersuchung der unter Zollkontrolle gestellten
Ware (Erw. 3).

    2.  Der berufsmässige Zolldeklarant hat sich mit den zur Erfüllung
seiner Aufgabe erforderlichen technischen Hilfsmitteln auszurüsten. -
Arbeitsüberlastung entschuldigt nicht von der Pflicht zur richtigen
Zolldeklaration (Erw. 4).

Sachverhalt

    A.- Der als Zolldeklarant bei der Air Transport Service AG in Diensten
stehende Gehrig meldete am 16. Mai 1960 beim Zollamt Zürich Flughafen
einen an die Firma Gebr. Dierauer adressierten, 73,5 kg schweren Ballen
Wollgewebe englischer Herkunft zur Zollabfertigung an. Seine Deklaration
lautete auf "Wollgewebe am Stück, buntgewebt, unter 300 gr. per m2,
mit höchstens 20 Fäden in 5 mm Geviert". Danach wäre die Ware gemäss
Zolltarifnummer 5311.34 zu einem Ansatz von Fr. 350.-- per 100 kg zu
verzollen gewesen. Bei der zollamtlichen Revision stellte sich indessen
heraus, dass das Wollgewebe auf 5 mm im Geviert 42 Fäden aufwies und
nach der Zolltarifnummer 5311.36 zu Fr. 550.-- per 100 kg zu verzollen
war. Durch die Falschdeklaration hatte Gehrig einen Zollbetrag von
Fr. 155.-- gefährdet.

    B.- Mit Verfügung vom 10. Juni 1960 büsste die Eidgenössische
Oberzolldirektion Gehrig wegen Übertretung von Art. 74 Ziff. 6 des BG
vom 1. Oktober 1925 über das Zollwesen (ZG) mit Fr. 116.25.

    Der Gebüsste verlangte gerichtliche Beurteilung.

    Am 6. Dezember 1960 sprach ihn das Bezirksgericht Bülach von Schuld
und Strafe frei. Es hielt Gehrig zugute, den genannten Zollbetrag
nicht schuldhaft gefährdet zu haben; denn es sei einem Zolldeklaranten
auf dem Flugplatz Kloten aus betrieblichen Gründen nicht möglich,
in sämtlichen Fällen eine auch nur stichprobeweise Prüfung der Ware
vorzunehmen. Bezüglich des am 16. Mai 1960 deklarierten Wollgewebes habe
Gehrig von der englischen Lieferantin und vom schweizerischen Importeur
übereinstimmende Angaben über die Grundlagen der Zolldeklaration erhalten,
worauf er habe abstellen dürfen, zumal ihm die Firma Gebr. Dierauer als
zuverlässig bekannt gewesen sei und die Feststellung der Anzahl Fäden
auf 5 mm im Geviert nicht ganz einfach gewesen wäre.

    C.- Die Schweizerische Bundesanwaltschaft führt gegen dieses Urteil
Nichtigkeitsbeschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

Der Kassationshof zieht in Erwägung:

Erwägung 3

    3.- Nach Art. 29 Abs. 1 ZG hat der Zollmeldepflichtige alle
Massnahmen zu treffen, die nach Gesetz und Verordnung zur Durchführung
der Zollkontrolle und Feststellung der Zollzahlungspflicht erforderlich
sind. Er ist namentlich gehalten, eine Zolldeklaration abzugeben
(Art. 31 ZG), für deren Richtigkeit er einzustehen hat (Art. 35 Abs. 3
ZG, Art. 47 Abs. 2 der Vollziehungsverordnung zum ZG); denn es gehört
zum Wesen der Zollordnung, dass der Zollkontrollpflichtige unter eigener
Verantwortlichkeit bei der Veranlagung mitwirkt (Botschaft des Bundesrates
vom 4. Januar 1924 betreffend die Revision des ZG, BBl 1924 S. 36). Um
der genannten Verpflichtung nachkommen zu können, muss er sich über den
Inhalt der Gepäckstücke vergewissern, und zwar selbst dann, wenn Absender
und Adressat der Sendung ihm hierüber übereinstimmende Angaben gemacht
haben. Zu diesem Zwecke räumt ihm Art. 32 ZG auch das Recht ein, die unter
Zollkontrolle gestellte Ware vor der Abfertigung zu untersuchen. Tut er
das nicht und stellt er einzig auf die Angaben Dritter ab, so verletzt er
nach der Rechtsprechung seine Sorgfaltspflicht (BGE 68 IV 169). Das gilt
insbesondere auch für den Fall, dass er in seiner Erklärung ohne vorherige
Prüfung der Sendung einfach wiederholt, was in den Begleitpapieren
angegeben ist. Denn da nach schweizerischem Recht grundsätzlich auf die
Deklaration abgestellt wird (Art. 31 ff. ZG, vgl. auch Art. 36 Abs. 1
ZG) und praktisch nur ein Bruchteil aller Sendungen revidiert werden
kann, müssen an die Deklaration hohe Anforderungen gestellt werden
(Verwaltungsentscheide der Bundesbehörden 1955 Nr. 122).

Erwägung 4

    4.- Diesen Anforderungen hat der Beschwerdegegner nicht genügt. Er
hat die Ware unbesehen deklariert, indem er sich auf die Begleitpapiere
und die telephonischen Auskünfte der Firma Gebr. Dierauer stützte. Dass er
gute Gründe hatte, die genannte Firma für zuverlässig zu halten, entband
ihn nicht der Pflicht, die Sendung selber zu untersuchen. Denn auch eine
seriöse Firma kann eine ihrer Bestellung nicht entsprechende Ware zugesandt
erhalten und deshalb dem Zolldeklaranten in guten Treuen falsche Angaben
machen. Stellt dieser dann ohne Überprüfung der Sendung auf solche Angaben
ab, so tut er das auf eigene Gefahr. Daran ändert der Umstand nichts,
dass gegebenenfalls die Fadenzahl eines Gewebes nur mit Hilfe einer
Lupe festgestellt werden kann. Wer den Beruf eines Zolldeklaranten
ausübt, hat sich mit denjenigen technischen Hilfsmitteln auszurüsten,
die zur pflichtgemässen Erfüllung seiner Aufgabe erforderlich sind. Der
Beschwerdegegner behauptet übrigens selber nicht, dass er ausserstande
gewesen wäre, die Fadenzahl des fraglichen Stoffes zu bestimmen. Abgesehen
davon drängte sich eine Prüfung der Sendung geradezu auf, weil der
englische Lieferant bereits eine Fadenzahl von 20 pro 5 mm im Geviert
angegeben hatte, es sich also tarifmässig um einen Grenzfall handelte,
indem der Zollansatz bei nur einem Faden mehr pro 5 mm im Geviert von
Fr. 350.-- auf Fr. 550.-- wechselte.

    Die Vorinstanz stellt allerdings fest, es sei einem Zolldeklaranten
aus betrieblichen Gründen nicht möglich, bei jeder Sendung auch eine nur
stichprobeweise Prüfung der Ware vorzunehmen; Zeugen hätten bestätigt,
dass die Zolldeklaranten aus Platz- und Zeitmangel auf ein Öffnen jedes
einzelnen Gepäckstückes verzichten müssten.

    Damit lässt sich jedoch das Verhalten des Beschwerdegegners nicht
entschuldigen. Überbindet das Gesetz die Verantwortung für die Richtigkeit
der Deklaration dem Deklaranten, so liegt es auch an diesem, nur so
viele Deklarationen abzugeben, als er sachgemäss behandeln kann. Ist
er dermassen überlastet, dass er bei pflichtgemässer Erledigung seiner
Aufgabe die Arbeit nicht zu bewältigen vermag, dann hat er bei seinem
Arbeitgeber um zusätzliche Hilfskräfte nachzusuchen. Arbeitsüberlastung
entschuldigt nicht von der Pflicht zur richtigen Zolldeklaration.

    Im übrigen spielt die Vorinstanz mit dem Hinweis darauf, dass es den
Zolldeklaranten aus betrieblichen Gründen nicht möglich sei, auch nur
stichprobeweise alle Sendungen zu untersuchen, auf die Verhältnisse an,
wie sie im allgemeinen im Flughafen von Kloten herrschen. Sie sagt jedoch
nicht, wie es sich damit am 16. Mai 1960 verhielt. Insbesondere stellt
sie nicht fest - und auch der Beschwerdegegner behauptet das nicht -,
dass es an diesem Tage aus irgendwelchen Gründen praktisch ausgeschlossen
gewesen sei, die für die Firma Gebr. Dierauer bestimmte Ware zu prüfen.