Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 87 IV 120



87 IV 120

28. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 22. September 1961
i.S. Eheleute Koch gegen Frau Übelhart und Staatsanwaltschaft des Kantons
Thurgau. Regeste

    Art. 186, Art. 28 Abs. 1 StGB. Beim Hausfriedensbruch in Mietwohnungen
steht das Strafantragsrecht einzig dem Mieter zu, nicht auch Personen, die
bloss zur Ausübung des Hausrechtes befugt sind (Erw. 1). Hausfriedensbruch
kann schon dadurch begangen werden, dass der Täter durch Einklemmen seines
Schuhs zwischen Türe und Schwelle den Berechtigten am Schliessen der Türe
verhindert (Erw. 2).

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Hausfriedensbruch wird gemäss Art. 186 StGB nur auf Antrag
verfolgt, und antragsberechtigt ist nach Art. 28 Abs. 1 StGB der
durch die Tat Verletzte. Verletzt im Sinne dieser Bestimmung ist nach
ständiger Rechtsprechung nur, wer Träger des unmittelbar angegriffenen
Rechtsgutes ist (BGE 86 IV 82 mit Verweis auf frühere Urteile). Art. 186
StGB schützt das Hausrecht, nämlich die Befugnis, über einen bestimmten
Raum ungestört zu herrschen und in ihm seinen eigenen Willen frei zu
betätigen. Träger dieses Rechts ist derjenige, dem die Verfügungsgewalt
über den Raum zusteht, im Falle einer Mietwohnung der Wohnungsmieter
(BGE 83 IV 156). Er allein ist daher durch den Hausfriedensbruch, der in
den gemieteten Räumen begangen wird, unmittelbar verletzt. Seine mit ihm
in der Wohnung zusammenlebenden Angehörigen oder Familiengenossen und
dergleichen sind zwar befugt, für den Mieter das Hausrecht auszuüben,
d.h. dem Eindringling das Betreten der geschützten Räume zu verbieten
und ihn zur Entfernung aufzufordern; sie handeln aber in Vertretung des
Berechtigten und sind als nicht direkt Verletzte nicht selbständig zum
Strafantrag berechtigt (HAFTER, Bes. T. S. 110, 114; THORMANN/OVERBECK,
Bd. II S. 188 N. 21). Sie sind demzufolge nicht Antragsteller im Sinne
von Art. 270 Abs. 1 BStP und damit auch nicht zur Nichtigkeitsbeschwerde
legitimiert.. ....

Erwägung 2

    2.- In der Sache selber erklärt die Anklagekammer, es sei nicht
bewiesen, dass Frau Übelhart den Gang der Wohnung betreten und sich darin
aufgehalten habe. Diese Feststellung beruht entgegen der Behauptung der
Beschwerdeführer nicht auf einem offensichtlichen Versehen, sondern ist von
der Vorinstanz bewusst auf Grund der Beweiswürdigung getroffen worden. Sie
bindet daher den Kassationshof und kann mit der Nichtigkeitsbeschwerde
nicht angefochten werden (Art. 273 Abs. 1 lit. b und Art. 277 bis Abs. 1
BStP).

    Die Anklagekammer stellt aber im weitern fest, Frau Übelhart sei unter
der geöffneten Wohnungstüre stehen geblieben und habe "verschiedentlich das
Schliessen der Wohnungstüre durch die Strafklägerin verhindert". Daraus
ergibt sich, dass Frau Koch, wenn nicht ausdrücklich, so doch deutlich
erkennbar Frau Übelhart aufgefordert hat, den Eingang zur Wohnung zu
verlassen, und dass Frau Übelhart diesen Willen rechtswidrig missachtete,
indem sie der Aufforderung nicht sofort Folge leistete, sondern das
Schliessen der Türe, ohne dazu befugt zu sein, wiederholt und somit
während einer gewissen längeren Dauer verhinderte. Der Tatbestand des
Hausfriedensbruches, begangen durch unrechtmässiges Verweilen, ist daher
objektiv erfüllt (vgl. BGE 83 IV 70). Dass Frau Übelhart nicht mit ihrem
ganzen Körper in den Gang der Wohnung getreten, sondern unter der Türe
stehen geblieben ist und, wie sie in der Beschwerdeantwort geltend
macht, nur mit ihrem zwischen Türe und Schwelle eingeklemmten Schuh
sich dem Willen des Berechtigten widersetzt hat, ist unerheblich. Sie
hat dadurch nichtsdestoweniger den Anspruch des Wohnungsinhabers auf
Freiheit von fremder Störung verletzt (HAFTER, Bes. T. S. 112; LOGoz,
N. 4 a zu Art. 186 StGB; Leipziger Kommentar, 8. Aufl. Anm. III Ziff. 1
zu § 123 DStGB; SCHÖNKE-SCHRÖDER, 8. Aufl. S. 527).