Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 87 II 376



87 II 376

50. Urteil der II. Zivilabteilung vom 26. Oktober 1961 i.S. Witwe X. gegen
"Helvetia"-Unfall. Regeste

    Kollektiv-Unfallversicherung.

    1.  Begriff des Unfalls. Merkmal der "Unfreiwilligkeit des
Ereignisses": erforderlich ist, dass die Körperschädigung unfreiwillig,
d.h. gegen den Willen des Betroffenen eingetreten sei.

    2.

    a)  Die grobe Fahrlässigkeit des verunfallten Versicherten kann dessen
Witwe entgegengehalten werden, da nicht diese, sondern der Verunfallte
primär Anspruchsberechtigter im Sinne des Art. 14 Abs. 2 VVG ist (Art. 87,
76 VVG).

    b)   c) Grobe Fahrlässigkeit; Höhe des daherigen Abzugs.

Sachverhalt

    A.- Gemäss einem Kollektivversicherungsvertrag zwischen der Firma
U. und der "Helvetia"-Unfall war der Angestellte der erstern X.
(geb. 1922) gegen Betriebsund Nichtbetriebsunfall versichert. Die
Todesfallentschädigung beträgt den 500-fachen Taglohn. § 1 Abs. 4 der
Allgemeinen Versicherungsbedingungen definiert den Unfall als "direkte
körperverletzende Einwirkung eines von aussen kommenden gewaltsamen
Ereignisses, von welchem der Versicherte unfreiwillig und plötzlich
betroffen wird". § 5 bestimmt:

    "Hat der Versicherungsnehmer oder Anspruchsberechtigte das Ereignis
grobfahrlässig herbeigeführt, so ist die "Helvetia" berechtigt, ihre
Leistung in einem dem Grade des Verschuldens entsprechenden Verhältnis
zu kürzen."

    Nach § 13 lit. A. 1 zahlt die "Helvetia" bei Todesfall

    1. "wenn ein Ehegatte oder minderjährige Kinder des Getöteten vorhanden
sind, die volle ... Versicherungssumme ...

    2. wenn kein bezugsberechtigter Ehegatte und keine bezugsberechtigten
Kinder vorhanden sind, die Hälfte der genannten Summe an die Eltern ..."

    Am 16. Januar 1958 fand die von ihrer Arbeit gegen Mitternacht
heimkehrende Ehefrau X. in der Stube ihrer Wohnung den Mann auf dem
Fenstersims sitzend mit einer an der Vorhangkonsole befestigten Schnur
erhängt vor; er hatte den Hosenschlitz geöffnet und die Geschlechtsteile
entblösst. Das Gutachten des gerichtlich-medizinischen Instituts der
Universität Zürich lautete dahin, die Frage, ob es sich um Suicid
oder unfreiwilligen Erhängungstod im Zusammenhang mit autoerotischen
Manipulationen (dosierte Strangulation bei gleichzeitiger Masturbation)
handle, sei gerichtsmedizinisch nicht mit Sicherheit zu entscheiden; die
zweite These sei aber wahrscheinlicher. Die Erfahrung lehre, dass gewisse
Menschen bei Strangulation des Halses Wollustgefühle empfinden und sie
sich absichtlich in solche Situationen begeben. Es bestehe dann die grosse
Gefahr, dass durch Überdosierung der Strangulation (z.B. beim Orgasmus)
eine Bewusstseinstrübung eintrete, der Körper bei entsprechender Stellung
(z.B. beim Sitzen auf einem Gesimse) zu stark in den Strick falle und eine
Selbstrettung wegen sofortiger Bewusstlosigkeit nicht mehr möglich sei.

    B.- Die Witwe machte Unfalltod geltend und klagte gegen die "Helvetia"
die ganze Versicherungssumme von Fr. 17'671.25 ein. Die "Helvetia"
beantragte Abweisung der Klage, weil es sich um Selbstmord handle; wenn
aber die zweite These zutreffe, so sei X. von dem tödlichen Ereignis nicht
unfreiwillig betroffen worden, denn er habe die Strangulationssituation
absichtlich herbeigeführt.

    C.- Das Bezirksgericht Zürich pflichtete dem Standpunkt der Beklagten
bei und wies die Klage ab. Es führte aus, unter "Ereignis" im Sinne des §
1 Abs. 4 AVB sei nicht das Erhängen, d.h. der Tod zu verstehen, vielmehr
stelle dieser lediglich eine Folge der Strangulation dar, eine Folge,
die ohne Dazwischentreten eines weiteren Ereignisses eingetreten sei.
Als Ereignis im Sinne der AVB könne somit nur die Strangulation als
solche verstanden werden. Diese aber habe X. selber und zwar freiwillig
bewirkt. Selbst wenn mit der Klägerin angenommen werde, das Übermass
der Strangulation sei nicht gewollt gewesen, so fehle es an einem
"unfreiwilligen und plötzlichen Ereignis" im Sinne der AVB; es sei zu
den Handlungen des X. nichts neues hinzugetreten. Müsse mithin die Klage
schon aus diesem Grunde abgewiesen werden, so erübrige sich die Prüfung
der Frage des Selbstmordes.

    D.- In teilweiser Gutheissung der Berufung der Witwe hat das
Obergericht des Kantons Zürich die Klage im Betrage eines Drittels der
Versicherungssumme gutgeheissen. Es untersuchte eingehend die Frage, ob X.
Selbstmord begangen habe oder nicht, und gelangte zu ihrer Verneinung. Mit
der Auffassung des Bezirksgerichts, wonach es am Unfallmerkmal der
Unfreiwilligkeit des Ereignisses fehlt, setzte sich die Vorinstanz nicht
auseinander, kam aber zum Schluss, X. habe mit der Veranstaltung des
autoerotischen Experimentes seinen Tod grobfahrlässig herbeigeführt,
weshalb gemäss Art. 14 Abs. 2 VVG und dem gleichlautenden § 5 AVB die
Leistung der Beklagten um 2/3 zu kürzen sei.

    E.- Mit der vorliegenden Berufung beantragt die Witwe Zusprechung der
vollen Versicherungssumme. Mit Anschlussberufung verlangt die "Helvetia"
gegenteils gänzliche Abweisung der Klage.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die beklagte "Helvetia" hält in ihrer Anschlussberufung die
Einwendung des Selbstmordes nicht mehr aufrecht. Mit Recht; denn bei
der auf Beweiswürdigung beruhenden Schlussfolgerung der Vorinstanz,
X. habe sich nicht vorsätzlich das Leben genommen, handelt es sich
um eine tatsächliche Feststellung, die gemäss Art. 63 Abs. 2 OG das
Bundesgericht bindet. Dagegen hält die Beklagte auch unter Zugrundelegung
des nicht gewollten Todes an der vom Bezirksgericht geteilten Auffassung
fest, es liege kein Unfall im Sinne von § 1 Abs. 4 AVB vor, weil es am
Unfallmerkmal der Unfreiwilligkeit fehle. Die Unfreiwilligkeit beziehe
sich nach der vertraglichen Unfalldefinition ganz unzweideutig auf das
Ereignis und nicht etwa auf dessen körperverletzende Einwirkung. Wenn das
Ereignis, das die Körperverletzung bewirkte, vom Versicherten gewollt sei,
liege kein Unfall vor. Es sei unbestritten, dass X. sich der zum Tode
führenden Strangulation nicht nur freiwillig unterworfen, sondern sie
sogar selbst ins Werk gesetzt habe. Ein Unfall im Sinne von § 1 Abs. 4 AVB
liege deshalb nicht vor. Auch nach der Doktrin sei es immer das Ereignis,
das unfreiwillig sein müsse, nicht die Körperschädigung.

    Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden. Es rechtfertigt
sich nicht, mit Bezug auf das Merkmal der Unfreiwilligkeit zwischen dem von
aussen kommenden "Ereignis" und der durch dieses bewirkten Körperschädigung
zu unterscheiden. In der vorliegenden Unfalldefinition selbst gehört
übrigens das Wort "unfreiwillig" nicht als Adjektiv zum "Ereignis",
sondern als Adverb zur passiven Verbalform "betroffen wird". Indessen kann
es auf diese stilistischen Finessen der Formulierung nicht entscheidend
ankommen. Nach der vom Bundesgericht schon früh angenommenen, heute in
Doktrin und Praxis herrschenden Auffassung ist für das Vorliegen eines
Unfalles irrelevant, ob die zu der schädigenden Einwirkung führende
Handlung freiwillig oder unfreiwillig war; erforderlich ist, dass die
Körperschädigung eine unfreiwillige, d.h. gegen den Willen des Betroffenen
eingetreten sei (SCHOCH, Der Unfallbegriff in der schweizerischen
privaten Einzel-Unfallversicherung [1930] S. 65; H. FARNER, Unfall-
und Haftpflichtversicherung [1951] S. 4; MAURER, Recht und Praxis
der schweizerischen obligatorischen Unfallversicherung [1954] S. 88,
109). Wenn sogut wie alle vertraglichen Unfalldefinitionen das Merkmal
der Unfreiwilligkeit enthalten, so bezieht es sich bei den meisten nach
dem Wortlaut nicht auf das die Körperschädigung bewirkende "Ereignis",
sondern direkt auf dessen Folge selbst: "jede ... Körperschädigung,
die der Versicherte ...

    unfreiwillig erleidet" oder von der er "unfreiwillig betroffen
wird". Dementsprechend wird denn auch in einer Spezialuntersuchung
über den Unfallbegriff die Vielheit der vorkommenden Unfalldefinitionen,
worunter auch die in casu streitige figuriert, in folgende, bereinigte
Begriffsumschreibung zusammengefasst: "Unfall ist eine Körperschädigung,
die der Versicherte durch ein plötzlich von aussen gewaltsam auf ihn
einwirkendes Ereignis unfreiwillig erleidet", und weiter präzisiert,
das Requisit der Unfreiwilligkeit beziehe sich auf den Schadenserfolg
(H. ROSENSTIEL, SJK, Karte Nr. 717, Der Unfallbegriff, S. 2 u. 5). Es
wird hier mit Recht angenommen, dass der Unfallbegriff jedenfalls in der
Privatversicherung ein einheitlicher ist ohne Rücksicht auf Nuancen eher
stilistischer Art in den Definitionsversuchen der verschiedenen Policen.

    Selbst wenn man indessen der Beklagten in diesem Punkte beipflichten
und verlangen wollte, dass nicht nur die Körperschädigung, sondern schon
das schädigende "Ereignis" unfreiwillig sei, würde dieses Merkmal in
casu nicht entfallen. "Ereignis" kann nicht mit Handlung des Betroffenen
gleichgesetzt werden. Im ganzen Ablauf können u.U. einzelne Phasen
unterschieden werden; schliesst sich an eine freiwillige Anfangsphase
eine unfreiwillige, die Schädigung bewirkende an, so stellt eben diese
letztere Phase das entscheidende Ereignis dar. Im vorliegenden Falle hat
X. sich wohl vorsätzlich stranguliert und dazu eine Vorrichtung verwendet,
die sich auch zu vorsätzlichem Selbsterhängen eignete. Er wollte jedoch
nach der Feststellung der Vorinstanz weder eine Bewusstlosigkeit, noch gar
den Tod herbeiführen. Das Ereignis, das zunächst die eine und dann die
andere Wirkung zeitigte, trat unabhängig von seinem Willen ein, weil er
aus irgend welchen Ursachen die "Dosierung" der gewollten Strangulation
nicht mehr beherrschte, sodass sich die um den Hals gelegte Schlinge mit
tödlicher Wirkung zusammenzog. Es verhält sich vorliegend nicht anders als
in zahlreichen andern Fällen, in denen sich jemand in eine gefährliche Lage
begibt und dabei verunglückt. Der Fallschirmabspringer, der nach freiem
Fall den Fallschirm nicht öffnen kann, der Felskletterer, der auf einem
Eisband ausgleitet, der Rennfahrer, dessen Wagen sich überschlägt: sie alle
haben den Sprung, den Tritt, die Geschwindigkeit gewollt; die gewollte
Handlung ist aber derart gefährlich, dass es nur noch des Dazutritts
eines kleinen Anstosses von aussen, eben des "Ereignisses" bedarf, um den
Unfall zu bewirken. Das Moment der Unfreiwilligkeit darf infolgedessen
in casu nicht deshalb verneint werden, weil sich der Versicherte mit
einer Vorrichtung strangulierte, die er nicht sicher beherrschte, denn
das "dosierte" Strangulieren hätte an und für sich keine Körperverletzung
verursacht, wenn nicht ein vom Willen des Versicherten unabhängiger Umstand
hinzugetreten wäre und das Zusammenziehen der Schlinge bewirkt hätte. An
dieser Betrachtung ändert auch der Umstand nichts, dass X., um sich die
mit Halskompression verbundenen erotischen Wollustgefühle zu verschaffen,
auch deren physiologische Ursache, die Blutstauung, gewollt hat, mit der
auch bereits der Beginn der Bewusstseinstrübung verbunden ist, die ihn
dann in einer weitern Phase die Herrschaft über die Situation verlieren
liess; offenbar kannte er die Untrennbarkeit der beiden Phänomene nicht,
jedenfalls wollte er nur das eine und glaubte den Eintritt des andern
vermeiden zu können. Dass ihm dies misslang, bildet eben das "Ereignis",
von dem er unfreiwillig betroffen wurde. Liegt mithin Unfalltod vor,
so ist die Anschlussberufung der Beklagten unbegründet.

Erwägung 2

    2.- Die Klägerin hält aus mehreren Gründen ihren Anspruch auf
Auszahlung der vollen Versicherungssumme - deren Höhe nicht streitig ist
- aufrecht.

    a) Gemäss § 5 AVB kann die "Helvetia", wenn der Versicherungsnehmer
oder der Anspruchsberechtigte das Ereignis grobfahrlässig herbeigeführt
hat, ihre Leistung entsprechend kürzen. Die Klägerin macht - im
Berufungsverfahren neu - geltend, X. sei weder Versicherungsnehmer noch
Anspruchsberechtigter; deshalb dürfe die Beklagte ihre Leistung selbst
dann nicht kürzen, wenn den Verunfallten ein grobes Verschulden im Sinne
des § 5 AVB treffe. Versicherungsnehmer sei die Arbeitgeberfirma gewesen;
Anspruchsberechtigte sei die Witwe, die auf keinen Fall ein Verschulden
treffe.

    Bei diesen erstmals im Berufungsverfahren vorgebrachten Argumenten
handelt es sich nicht um unzulässige neue Vorbringen oder Einreden im
Sinne von Art. 55 Abs. 1 lit. c OG, sondern um einen neuen rechtlichen
Gesichtspunkt, dessen Begründetheit zu prüfen ist.

    Richtig ist, dass in § 5 AVB und dem wörtlich gleichlautenden
Art. 14 Abs. 2 VVG nur vom Verschulden des Versicherungsnehmers oder des
Anspruchsberechtigten, nicht aber des Versicherten die Rede ist. Daraus
folgert die Klägerin, dass das Verhalten des Versicherten, der weder
Versicherungsnehmer noch Anspruchsberechtigter ist, wie es bei der
Versicherung auf fremdes Leben gemäss Art. 74 VVG zutreffen kann, unter
dem Gesichtspunkt des Art. 14 VVG irrelevant sei und bleibe, abweichende
Vereinbarung im Versicherungsvertrag vorbehalten (vgl. Komm. ROELLI S. 208;
OSTERTAG-HIESTAND zu Art. 14 N. 2). Dies entspricht sowohl dem Wortlaut
als der ratio des Art. 14 VVG. Der Hinweis der Beklagten auf die Voten
des Berichterstatters Scherrer bei der Beratung des damaligen Art. 15 des
Entwurfs zum VVG im Ständerat überzeugt nicht vom Gegenteil; denn Scherrer
verwendete meistens nur den Ausdruck "der Versicherte", wenn er von den
Personen sprach, die das befürchtete Ereignis schuldhaft herbeigeführt
haben können, obwohl schon damals der Entwurf vom "Versicherungsnehmer
oder Anspruchsberechtigten" sprach. Es scheint sich demnach eher um eine
ungenaue, vereinfachende Ausdrucksweise des Berichterstatters gehandelt
zu haben, der für die Auslegung des anders lautenden Gesetzestextes keine
Bedeutung zukommt.

    Damit ist jedoch in casu die Einrede der "Helvetia" aus Art. 14
Abs. 2 VVG nicht erledigt. Es kommt darauf an, wer bei der vorliegenden
Versicherung "Anspruchsberechtigter" ist. Gemäss Art. 87 VVG steht aus
der kollektiven Unfallversicherung demjenigen, zu dessen Gunsten die
Versicherung abgeschlossen ist, mit dem Eintritt des Unfalls ein eigenes
Forderungsrecht gegen den Versicherer zu. Dabei handelt es sich, entgegen
dem irreführenden Marginale zu Art. 87, nicht um eine Begünstigung im
technischen Sinne des Art. 76 ff.; sondern der versicherte Dritte erwirbt
mit dem Eintritt des Versicherungsfalles ipso iure einen eigenen, direkten
Anspruch gegen den Versicherer, er wird damit Anspruchsberechtigter (vgl.
JAEGER-ROELLI N. 31 und 33, OSTERTAG-HIESTAND N. 2 zu Art. 87 VVG; ferner
CAFLISCH, Die Anspruchsberechtigung in der Kollektiv-Unfallversicherung
[Diss. Bern 1947], S. 33 ff.). Diese Stellung des Versicherten als eines
Anspruchsberechtigten wird dadurch nicht aufgehoben, dass der Unfall -
der ihm diese Stellung verschafft - zugleich auch seinen Tod bewirkt. An
seine Stelle treten im Todesfall kraft Erbrechts der Nachlass oder
die im Versicherungsvertrag als bezugsberechtigt bezeichneten Personen
(JAEGER-ROELLI N. 33; CAFLISCH S. 42). Deren Anspruchsberechtigung ist
sekundärer, abgeleiteter Natur, was an und für sich nicht ausschliesst,
sie im übrigen nach den Regeln über die Begünstigung (Art. 76 ff. VVG)
zu behandeln. Es wäre indessen widersinnig, den Versicherten nur dann
als Anspruchsberechtigten im Sinne der Art. 87 und 14 VVG zu betrachten
und seine eigene grobe Fahrlässigkeit in Anrechnung zu bringen, wenn er
den Unfall überlebt, dagegen dann nicht, wenn er an dessen Folgen stirbt,
sodass je nach den Unfallfolgen Art. 14 Abs. 2 VVG anzuwenden wäre oder
nicht, obschon alle übrigen tatbeständlichen Elemente in beiden Fällen
die gleichen sind. Ganz unannehmbar wäre die Konsequenz, dass, wenn der
grobfahrlässig Verunfallte zunächst den Unfall eine Zeitlang überlebt,
ihm selber während dieser Zeit die Leistungen für Heilungskosten und
Lohnausfall gekürzt werden könnten, dann aber, wenn er nachträglich stirbt,
seinen Rechtsnachfolgern die Todesfallentschädigung nicht - und das für den
gleichen Unfall. Gälte das für den grobfahrrlässigen Unfalltod, so könnte
- angesichts der gleichen Umschreibung der schuldhaften Verursacher in
Art. 14 Abs. 1 VVG - die absichtliche Herbeiführung des Todes durch den
Verunfallten seinen Rechtsnachfolgern bzw. Hinterbliebenen auch nicht
entgegengehalten werden, - sofern dann überhaupt Unfall vorläge.

    Die in der Berufungsbegründung wiedergegebenen Zitate aus JAEGER-ROELLI
(zu Art. 76 N. 27, zu Art. 78 N. 25) und KÖNIG (Schweiz. Privatversicherung
[Bern 1951], S. 358, 361) vermögen an dieser Auslegung nichts zu ändern;
denn sie beziehen sich samt und sonders auf eine primäre, von Anfang an
unter Ausschluss eines andern Anspruchsberechtigten bestehende Begünstigung
im technischen Sinne des Art. 76 VVG. Es besteht auch kein Anlass,
sich mit dem von der Klägerin angerufenen Urteil des Bezirksgerichts
Hinwil vom 7. Oktober 1954 (Entscheidungen schweizerischer Gerichte in
privaten Versicherungsstreitigkeiten, Bd. XI Nr. 87 S. 513 ff.) näher
auseinanderzusetzen; denn einmal handelte es sich bei dem dort beurteilten
Fall um eine Einzel-Unfallversicherung, und zweitens ging das Gericht
davon aus, Art. 87 VVG sei nicht - auch nicht analog - anwendbar, weil
der tödlich Verunfallte nur Versicherter, seine Eltern dagegen primär
Begünstigte seien. Es verhält sich im vorliegenden Falle auch nicht
etwa so, dass beide Berechtigungen (des Verunfallten und der Witwe)
gleichwertig nebeneinander ständen, sodass ein Verschulden des einen den
Anspruch des andern nicht zu beeinträchtigen vermöchte; wie ausgeführt,
ist die Anspruchsberechtigung der Klägerin sekundärer, abgeleiteter
Natur, die Witwe ist Rechtsnachfolgerin des anspruchsberechtigten
Versicherten. Bezeichnenderweise redet denn auch § 13 lit. A 1 AVB von
"bezugsberechtigten" und nicht von anspruchsberechtigten Ehegatten und
Kindern. Die Beklagte kann daher der Klägerin die grobe Fahrlässigkeit
des Verunfallten entgegenhalten.

    b) Zu Unrecht bestreitet die Klägerin, dass dem Verunfallten ein
grobes Verschulden an seinem Tode zur Last falle. Es kann hiefür auf
die zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden. Was der
Verunfallte getrieben hat, war ein Spiel mit dem Leben, von dem jeder
vernünftige Mensch die Hände lassen würde. Selbst wenn ein gewisser
pathologischer Trieb zu autoerotischer Betätigung und eine insoweit
leicht verminderte Urteilsfähigkeit in Rechnung gestellt würde, so
bildete das vom Verunfallten zu verantwortende Verhalten immer noch
eine grobe Fahrlässigkeit, weil diese nach objektiven Massstäben zu
bewerten ist. Dabei spielt die Immoralität der Handlung keine Rolle,
sondern lediglich das evidente Unfallrisiko des Vorgehens.

    c) Endlich beanstandet die Klägerin die Kürzung der
Todesfallentschädigung um 2/3 als ungerechtfertigt hoch. Es handelt sich
indessen hiebei im Wesentlichen um eine Frage des Ermessens. Von einer
Überschreitung desselben in einem Masse, welches Bundesrecht verletzen
würde, kann nicht gesprochen werden. Es kann keine Rede davon sein,
dass beim Vorliegen grober Fahrlässigkeit in der Regel nur Kürzungen von
5-10% vorgenommen werden, sofern nicht eine geradezu "ungeheuerliche"
Fahrlässigkeit vorliegt, wie die Klägerin meint. Grobe Fahrlässigkeit wäre
nach allgemeinem Schuldrecht an und für sich ein Grund gewesen, überhaupt
jede Versicherungsleistung zu versagen (wie es z.B. im Haftpflichtrecht
geschieht, Art. 37 Abs. 2 MFG, Art. 1, 6, 7 EHG, Art. 27 ElG, usw.); wenn
der Gesetzgeber - und ihm folgend der Versicherungsvertrag - aus sozialen
Gründen davon abgesehen und nur Kürzung zugelassen hat, so bedeutet
das nicht, dass nun innerhalb der groben Fahrlässigkeit wieder subtile
Gradunterschiede von 1-99% gemacht werden sollen. Grobes Verschulden
rechtfertigt auf jeden Fall zum vornherein einen kräftigen Abzug
(vgl. z.B. BGE 85 II 248, 255 Erw. 4). Wurde aaO wegen Autofahrens in
übermüdetem und angetrunkenem Zustande und mit übersetzter Geschwindigkeit
ein Abzug von mindestens 50% als angemessen erachtet, so erscheint im
vorliegenden Falle, wo die grobe Fahrlässigkeit in einem Manipulieren
mit einer eigentlichen Selbstmordvorrichtung besteht und daher von einem
höchst gefährlichen Spiel mit dem Leben gesprochen werden muss, ein Abzug
von 2/3 nicht als offensichtlich übersetzt.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Sowohl die Haupt- als die Anschlussberufung werden abgewiesen und das
Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 18. Mai
1961 bestätigt.