Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 87 II 364



87 II 364

49. Urteil der H. Zivilabteilung vom 12. Dezember 1961 i.S. X. gegen P.
Regeste

    Haftung des (Armen-)Anwalts (Art. 398 OR) für die Folgen der Versäumung
der Frist für die Vaterschaftsklage (Art. 308 ZGB). Pflichten des Anwalts
im Falle, dass Zweifel darüber bestehen können, ob die Frist durch ein vor
seiner Beauftragung gestelltes Gesuch um Ladung zu einem Aussöhnungsversuch
gewahrt sei. Schaden infolge Verletzung dieser Pflichten. Nachweis, dass
die Vaterschaftsklage bei Einhaltung der Frist geschützt worden wäre. Ist
die Ersatzpflicht wegen nur leichter Fahrlässigkeit des Anwalts (Art. 43
Abs. 1 OR) oder wegen Mitverschuldens seiner Klienten (Art. 44 Abs. 1 OR)
zu ermässigen?

Sachverhalt

    A.- Frl. P., geb. 13. November 1937, gebar am 15.  November 1956
einen Knaben. Als Vater bezeichnete sie den ledigen G., geb. 1930. Am 23.
Januar 1957 stellten ihr Vater und der zum Beistand des Kindes ernannte
Amtsvormund beim zuständigen bernischen Richteramt das Gesuch um
Abhaltung eines Aussöhnungsversuchs und um Gewährung der unentgeltlichen
Prozessführung. Am 26. Februar 1957 fanden der Aussöhnungsversuch und
(nachdem Vater P. und der Beistand des Kindes die Verhandlungen verlassen
hatten) das Parteiverhör im Armenrechtsverfahren statt. G. gab zu, die
Mutter zweimal abends in seiner Wohnung empfangen zu haben, bestritt
aber den von der Mutter behaupteten Geschlechtsverkehr. Am Schluss des
Protokolls dieser Verhandlung steht der Vermerk:

    "Verfügung Der Sühnversuch wird fruchtlos erklärt, und den Klägern
wird die Klagebewilligung erteilt.

    Eröffnet."

    Der Gerichtspräsident ordnete hierauf im Armenrechtsverfahren eine
Blutuntersuchung an. Der Experte kam in seinem Gutachten vom 9. Juli
1957 zum Schluss, G. könne auf Grund der Bestimmung der klassischen
Blutgruppen, der Blutfaktoren M und N, der Rhesusfaktoren C, D, E,
c, e und der Faktoren Kell und Duffya unter der Voraussetzung einer
sicher erwiesenen Mutterschaft von Frl. P. als Vater des Kindes nicht
ausgeschlossen werden; seine Vaterschaft sei nach den Erbgesetzen der
erwähnten fünf Blutgruppensysteme möglich. Nachdem der Gerichtspräsident
noch einen Lohnausweis der Mutter eingefordert hatte, gewährte er
den Klägern mit Verfügung vom 26. September 1957 die unentgeltliche
Prozessführung in dem Sinne, dass er ihnen in der Person von Fürsprecher
Dr. X einen Armenanwalt beiordnete. Diese Verfügung wurde Dr. X (sowie den
gesetzlichen Vertretern der Kläger und dem Anwalt G.s) am 3. Oktober 1957
eröffnet. Tags darauf wurden ihm die Armenrechtsakten "zur Einsichtnahme
und Einleitung des Prozesses" zugestellt.

    B.- Am 28./29. November 1957 reichte Dr. X beim Amtsgericht im Namen
von Mutter und Kind gegen G. Vaterschaftsklage ein mit dem Begehren, G. sei
zur Schadloshaltung der Mutter und zur Zahlung von Unterhaltsbeiträgen
für das Kind zu verurteilen. In Art. 10 der Klageschrift bemerkte er unter
Hinweis auf die Armenrechtsakten, er sei durch Entscheid vom 26. September
1957, zugestellt 3. Oktober 1957, zum Armenanwalt der Kläger ernannt
worden; die Klagebewilligung sei den Klägern erteilt worden.

    Vom Gerichtspräsidenten darauf hingewiesen, dass nach dessen Auffassung
die Wirkung der Klagebewilligung vor Einleitung der Klage dahingefallen
und die Klagefrist von Art. 308 ZGB verpasst sei, machte Dr. X im
wesentlichen geltend, er sei nach Einsichtnahme in die Armenrechtsakten
davon ausgegangen, "dass das Armenrechtsverfahren und damit der
Aussöhnungsversuch soeben erst zum Abschluss gekommen seien, bzw. vor
dem Abschluss standen" und dass die sechsmonatige Klagefrist im Sinne von
Art. 153 der bernischen ZPO daher erst von seiner Ernennung zum Armenanwalt
an laufe; die Klagebewilligung, von der in den Armenrechtsakten die Rede
sei, sei nicht datiert, so dass er bestreiten müsse, dass diese Bewilligung
schon am 26. Februar 1957 erteilt worden sei; übrigens hätten die Kläger
mit einer vor Ernennung des Armenanwalts erteilten Klagebewilligung
nichts anfangen können; um so mehr sei er davon ausgegangen, dass die
sechsmonatige Klagefrist "noch lange nicht abgelaufen sei."

    Das Amtsgericht erklärte die Klage am 25. März 1958 entsprechend dem
Antrag G.s für verspätet, weil Dr. X die Klageschrift erst nach Ablauf
der Frist von Art. 308 ZGB eingereicht habe, ohne vor deren Ablauf ein
neues Gesuch um Ladung zum Aussöhnungsversuch gestellt zu haben, obwohl
die Frist von sechs Monaten seit der am 26. Februar 1957 ordnungsgemäss
erteilten und eröffneten Klagebewilligung längst abgelaufen gewesen sei.

    Dr. X erklärte namens der Kläger die Appellation, zog diese aber
am 26. Juli 1958 zurück, nachdem der Appellationshof des Kantons Bern
(II. Zivilkammer) den Klägern mit Entscheid vom 21. Juni 1958 wegen
Aussichtslosigkeit ihres Begehrens das Armenrecht entzogen hatte.

    C.- Am 4. April 1960 leiteten Mutter und Kind gegen Dr.  X Klage ein
mit dem Begehren, er sei zu verurteilen, der Erstklägerin Fr. 1189.95
nebst 5% Zins seit 10. Juni 1959 und dem Zweitkläger Fr. 23'100.--,
eventuell einen Fr. 8000.-- übersteigenden, richterlich zu bestimmenden
Betrag zu bezahlen. Sie machten geltend, der Beklagte habe die
Verspätung der Vaterschaftsklage verschuldet. Zu welchem Ergebnis
der Vaterschaftsprozess geführt hätte, könne nicht mit Sicherheit
festgestellt werden, doch sei anzunehmen, dass das Gericht die Vaterschaft
G.s bejaht hätte. Der Beklagte sei verpflichtet, ihnen den Kapitalbetrag
der Vermögensleistungen zu ersetzen, zu denen G. verurteilt worden wäre.

    Der Beklagte bestritt, eine ihm obliegende Sorgfaltspflicht verletzt
zu haben, da er in guten Treuen habe annehmen dürfen, die Klagefrist sei
noch nicht abgelaufen. Er machte ausserdem geltend, ein Schaden könnte
nur angenommen werden, wenn mit Sicherheit nachgewiesen wäre, dass die
Kläger den Vaterschaftsprozess gewonnen hätten, was von den Klägern nicht
einmal behauptet werde. Überdies würde die Kläger ein Selbstverschulden
treffen. Die Klage sei daher unbegründet.

    Der als einzige kantonale Instanz urteilende Appellationshof des
Kantons Bern (II. Zivilkammer) nahm an, der Beklagte hafte den Klägern als
Beauftragter gemäss Art. 398 OR für getreue und sorgfältige Ausführung
des ihm übertragenen Geschäfts. Indem er vor Ablauf der Klagefrist
von Art. 308 ZGB weder die Klage eingereicht noch ein neues Gesuch
um Abhaltung eines Aussöhnungsversuchs gestellt habe, habe er die
ihm obliegende Sorgfaltspflicht verletzt. Er könne die Verantwortung
für die Versäumung der Klagefrist nicht auf die Erstklägerin (die ihm
gewisse Belege nicht rechtzeitig übergab) oder auf den Beistand des
Zweitklägers (der ihn nicht auf den drohenden Fristablauf hinwies)
abschieben. Ohne seine Säumnis hätten die Kläger begründete Aussicht
gehabt, den Vaterschaftsprozess zu gewinnen. Obwohl G. auch als Zeuge im
vorliegenden Prozess jeden intimen Verkehr mit der Erstklägerin bestritten
habe, müsse auf Grund der glaubhaften, durch Indizien gestützten Aussagen
der Erstklägerin in dem im vorliegenden Prozess durchgeführten Parteiverhör
"die hohe Wahrscheinlichkeit der sexuellen Beziehungen der Erstklägerin mit
G. in der kritischen Zeit als genügend dargetan gewertet werden", womit
(da Mehrverkehr in der kritischen Zeit nicht nachgewiesen sei) "auch die
Vaterschaft als nachgewiesen zu gelten" habe. Unzüchtiger Lebenswandel
um die Zeit der Empfängnis (Art. 315 ZGB) könne der Erstklägerin nicht
vorgeworfen werden. Der Beklagte sei daher grundsätzlich verpflichtet,
die Kläger für den Verlust der Ansprüche aus Art. 317 und 319 ZGB zu
entschädigen. Die Erstklägerin hätte im Vaterschaftsprozess Fr. 710.95
fordern können, und es dürfe angenommen werden,dass für den Zweitkläger
monatliche Unterhaltsbeiträge von Fr. 100.-- festgesetzt worden wären,
deren Kapitalwert Fr. 17'940.-- ausmache. Dieser Schaden sei den
Klägern voll zu ersetzen, da ein Selbstverschulden nicht nachgewiesen
sei. Demgemäss hat der Appellationshof den Beklagten am 14. Juni 1961
verurteilt, der Erstklägerin Fr. 710.95 nebst 5% Zins seit 10. Juni 1959
und dem Zweitkläger Fr. 17'940.-- zu bezahlen.

    D.- Gegen dieses Urteil hat der Beklagte die Berufung an das
Bundesgericht erklärt mit dem Antrag auf Abweisung der Klage.

    Die staatsrechtliche Beschwerde, mit der er das Urteil des
Appellationshofes wegen Verletzung von Art. 4 BV (nämlich wegen
willkürlicher Beweiswürdigung) anfocht, ist heute abgewiesen worden.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der Beklagte bestreitet mit Recht nicht mehr, dass er den Klägern
als ihr Armenanwalt nach den Vorschriften über den Auftrag (Art. 398 OR)
haftet (vgl. GAUTSCHI N. 30 b a.E. zu Art. 394 OR).

    Als er den Auftrag erhielt, die Kläger im Vaterschaftsprozess gegen
G. zu vertreten, war die Klage noch nicht beim Gericht hängig. Er hatte
also in erster Linie für die Wahrung der Klagefrist von Art. 308 ZGB zu
sorgen, die bis zum 15. November 1957 lief.

    Eine bundesrechtliche Klagefrist ist auf jeden Fall gewahrt, wenn
die Klage vor Ablauf der Frist unter Beobachtung der dafür geltenden
prozessualen Vorschriften bei dem für ihre Beurteilung zuständigen Gericht
eingereicht wird. Es genügt dafür aber auch die innert Frist erfolgte,
vom kantonalen Prozessrecht als erste Prozesshandlung obligatorisch
oder fakultativ vorgesehene Anrufung des Sühnbeamten, wenn dieser
die Streitsache mangels Aussöhnung der Parteien von Amtes wegen an das
erkennende Gericht weiterzuleiten hat oder wenn die klagende Partei dies
zur Vermeidung von Rechtsnachteilen binnen einer bestimmten Frist nach der
erfolglosen Beendigung des Sühnverfahrens selber tun muss, wie es nach
Art. 153/155 der bernischen ZPO zutrifft, und wenn die klagende Partei
diese kantonale Frist dann auch wirklich einhält (BGE 74 II 16 ff., 85 II
536 Erw. 3 mit Hinweisen). Der Beklagte hatte also bis zum 15. November
1957 die Vaterschaftsklage beim Amtsgericht einzureichen oder wenigstens
beim Gerichtspräsidenten ein Gesuch um Ladung zu einem Aussöhnungsversuch
zu stellen (und dann binnen sechs Monaten von der Klagebewilligung an
die gerichtliche Klage zu erheben), es sei denn, dass die den Klägern
nach dem Misslingen des Aussöhnungsversuchs vom 26. Februar 1957 erteilte
Klagebewilligung über den 15. November 1957 hinaus wirksam war, m.a.W. dass
die durch diese Bewilligung in Gang gesetzte Frist von sechs Monaten zur
Einreichung der Klage beim Gericht erst nach diesem Zeitpunkt ablief.

    Der Beklagte macht geltend, er habe dies in guten Treuen annehmen
dürfen. Die Gründe, die er dafür anführt, mögen zum Teil erwägenswert
sein. Die Armenrechtsakten, insbesondere der Umstand, dass die Erteilung
der Klagebewilligung erst am Schluss des Protokolls der Verhandlung
vom 26. Februar 1957 beurkundet worden war, konnten jemanden, der jener
Verhandlung nicht beigewohnt hatte, auf den (nach den Feststellungen im
Amtsgerichtsurteil vom 25. März 1958 freilich irrigen) Gedanken bringen,
die Klagebewilligung sei damals erst nach dem Weggang der gesetzlichen
Vertreter der Kläger und daher nicht gültig eröffnet worden; diesen Mangel
habe erst die Zustellung der - die Klagebewilligung erwähnenden - Verfügung
vom 26. September 1957 über die Ernennung des Beklagten zum Armenanwalt
behoben. Auch hat die Ansicht etwas für sich, es dürfe, ganz abgesehen vom
Zeitpunkt der Eröffnung, nicht angenommen werden, dass die einer armen
Partei erteilte Klagebewilligung schon vor der Gewährung des im Gesuch
um Ladung zum Aussöhnungsversuch verlangten Armenrechts in Kraft trete,
d.h. dass die Klagefrist des Art. 153 ZPO zu laufen beginne und sogar
ablaufen könne, bevor die arme Partei in der Lage ist, von ihr Gebrauch zu
machen; denn man kann mit beachtlichen Gründen die Meinung vertreten, dass
die arme Partei hiedurch in einer gegen die Rechtsgleichheit verstossenden
und daher unzulässigen Weise benachteiligt würde.

    Durch solche Überlegungen durfte sich jedoch der Beklagte (wenn
er sie überhaupt schon zu jener Zeit anstellte, was die Vorinstanz
bezweifelt) nicht davon abhalten lassen, bis zum 15. November 1957
die Klage einzureichen oder ein neues Sühnbegehren zu stellen. Bei
sorgfältiger Prüfung der Lage, wie sie ihm zuzumuten war, durfte er nämlich
keineswegs für sicher halten, dass die Gerichte seine Auffassung teilen
würden. Angesichts des Datums des die Klagebewilligung beurkundenden
Protokolls und des Wortlauts von Art. 153 ZPO musste er vielmehr
ernstlich mit einer gegenteiligen Entscheidung rechnen, wie sie dann
wirklich erfolgt ist. Unter diesen Umständen war es seine klare Pflicht,
so zu handeln, dass über die Rechtzeitigkeit der Klage keine Diskussion
entstehen konnte, d.h. innert der bis zum 15. November 1957 laufenden
Frist von Art. 308 ZGB eine der beiden erwähnten Massnahmen zu ergreifen
(vgl. STAUDINGER, 11. Aufl., N. 201 der Vorbemerkungen vor § 611 BGB,
S. 1152, wo unter Hinweis auf die deutsche Rechtsprechung gesagt wird,
der Anwalt müsse in zweifelhaften Fällen "die sichere und zweifelsfreiere
Massnahme wählen").

    So vorzugehen, war ihm um so eher zuzumuten, als er sich nicht etwa in
Zeitnot befand. Von der Eröffnung des Armenrechtsentscheides (3. Oktober
1957) bis zum Ablauf der bundesrechtlichen Klagefrist (15. November 1957)
standen ihm volle sechs Wochen zur Verfügung. Dass die Erstklägerin ihm
gewisse Belege (Quittungen) nicht rechtzeitig zur Verfügung stellte, konnte
ihn, wie die Vorinstanz in Auslegung des in diesem Punkte massgebenden
kantonalen Prozessrechts verbindlich festgestellt hat, nicht hindern,
die Klage innert Frist einzureichen. Im übrigen hatte er, wenn er die
Klageschrift aus irgendeinem Grunde bis zum 15. November 1957 nicht
fertigstellen konnte, auf jeden Fall die Möglichkeit, innert der Frist
ein neues Sühnbegehren zu stellen, was nur eine geringfügige Mühewaltung
erforderte. Indem er weder das eine noch das andere tat, verletzte er
ein elementares Gebot der Vorsicht.

    Hieran kann nichts ändern, dass das Richteramt und der Beistand des
Kindes es unterliessen, ihn bei bzw. gleich nach seiner Ernennung zum
Armenanwalt darauf aufmerksam zu machen, dass nach ihrer Auffassung die
Frist von Art. 153 ZPO, auf die er sich verliess, schon am 26. Februar
1957 begonnen habe und folglich bereits abgelaufen sei; denn er konnte sich
auf Grund der Akten ohne weiteres selber davon Rechenschaft geben, dass
das Gericht zu dieser Ansicht kommen und deshalb die Klage als verspätet
erklären könnte, wenn er über den 15. November 1957 hinaus untätig
blieb. - Den Versuch, seiner abweichenden Auffassung über den Beginn
der Klagefrist von Art. 153 ZPO durch eine staatsrechtliche Beschwerde
gegen die Entziehung des Armenrechts zum Durchbruch zu verhelfen, hat er
nicht unternommen.

    Nach alledem muss er sich den Vorwurf gefallen lassen, die Abweisung
der Vaterschaftsklage wegen Verspätung durch ein grob fahrlässiges
Verhalten verschuldet zu haben. Seine Haftung für den durch diesen
Prozessausgang verursachten Schaden ist deshalb auch dann begründet, wenn
man mit ihm annimmt, der Anwalt haffte nicht für leichtes Verschulden,
sondern nur für grobe und offenkundige Fehler, wie das Bundesgericht
dies in dem von ihm angerufenen Entscheide BGE 79 II 438 unter Hinweis
auf Entscheidungen über die Arzthaftpflicht beiläufig erklärt hatte. Es
braucht daher nicht entschieden zu werden, ob dies wirklich als allgemeine
Regel gelten könne oder ob unter Umständen eine weitergehende Haftung
Platz greifen müsse (vgl. hiezu GAUTSCHI, der in N. 34 c zu Art. 398
OR u.a. sagt, es bestehe eine "strenge Haftung" des Anwalts für
prozessrechtliche Fehler wie z.B. Fristversäumnis).

Erwägung 2

    2.- Die Kläger fordern als Schadenersatz den Kapitalbetrag
der Vermögensleistungen, zu denen G. im Falle der Gutheissung ihrer
Vaterschaftsklage verurteilt worden wäre. Für diesen Betrag haftet ihnen
der Beklagte nur, wenn angenommen werden darf, die Kläger hätten den
Vaterschaftsprozess gewonnen, falls er die Klage rechtzeitig eingereicht
hätte.

    Wie ein wegen Versäumung der Klagefrist nicht durchgeführter Prozess
bei Einhaltung dieser Frist ausgegangen wäre, lässt sich nicht mit
absoluter Sicherheit feststellen. Es sind darüber vielmehr nur Vermutungen
möglich. Das gilt sowohl hinsichtlich der Tatsachen, die im fraglichen
Prozess festgestellt worden wären, als auch hinsichtlich der rechtlichen
Beurteilung, welche diese Tatsachen erfahren hätten. Dies schliesst
jedoch die Leistung des Beweises, dass die klagende Partei den Prozess
bei Einhaltung der Klagefrist gewonnen hätte und dass der ihr durch die
Versäumung der Frist zugefügte Schaden folglich dem Betrag entspreche,
der ihr im Falle ihres Obsiegens als Prozessgewinn zugekommen wäre, nicht
von vornherein aus. Auf Grund der im Schadenersatzprozess nachgeholten
Abklärung der Verhältnisse, die für die materielle Beurteilung der
verwirkten Klage erheblich gewesen wären, kann sich die Annahme, dass
diese Klage geschützt worden wäre, so stark aufdrängen, dass der Beweis
hiefür als erbracht angesehen werden darf. Im Schadenersatzprozess in
dieser Weise die Aussichten des nicht durchgeführten Vorprozesses zu
prüfen, ist der französischen wie der deutschen Rechtsprechung geläufig
(vgl. MAZEAUD & TUNC, Traité théorique et pratique de la responsabilité
civile délictuelle et contractuelle, 1. Band, 5. Aufl. 1957, no 219
S. 280: "... les juges examinent ce que valait au fond ce procès
...", und STAUDINGER aaO S. 1153 vor N. 202, wo unter Anführung von
Präjudizien ausgeführt wird, bei Beurteilung der Frage, ob der Kläger in
einem Rechtsstreit infolge Pflichtverletzung des Anwalts einen Schaden
erlitten habe, sei "davon auszugehen, dass bei Erfüllung der Pflicht die
richtige, d.h. die Entscheidung von dem Vorgericht gefällt worden wäre,
die das jetzt über den Ersatzanspruch entscheidende Gericht für richtig
hält"). Dass das Urteil im Vorprozess so ausgefallen wäre, wie dies
der Richter im Schadenersatzprozess annimmt, kann namentlich in solchen
Fällen als praktisch sicher erscheinen, wo über die Schadenersatzklage
das Gericht befindet, das den Vorprozess zu beurteilen gehabt hätte.

    Das Bundesgericht kann im Schadenersatzprozess die Auffassung des
als letzte (oder einzige) kantonale Instanz urteilenden Gerichts über die
vermutlichen Aussichten des nicht durchgeführten Vorprozesses jedenfalls
insoweit überprüfen, als sie sich auf Erwägungen über vom Bundesrecht
beherrschte Fragen stützt. Ob seiner Überprüfung auch die Vermutungen
der Vorinstanz darüber unterliegen, welche Tatsachen im Vorprozess
festgestellt worden wären, oder ob diese Vermutungen wie gemäss Art. 63
Abs. 2 OG die eigentlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz
für es verbindlich seien, braucht heute nicht grundsätzlich abgeklärt
zu werden (vgl. zur Frage der Überprüfbarkeit von Hypothesen darüber,
was in einem nicht eingetretenen Falle geschehen wäre, einerseits BGE
76 II 15 und 279, 80 III 57, anderseits BGE 80 II 333, 85 II 39 und
86 II 187, wo infolge eines Druckfehlers BGE 83 II 39 statt 85 II 39
zitiert ist). Solche Vermutungen dürfen nämlich, wenn überhaupt, nur mit
Zurückhaltung überprüft werden, da sie naturgemäss weitgehend durch die
der Vorinstanz zustehende Würdigung der im Schadenersatzprozess erhobenen
Beweise präjudiziert sind. Das Bundesgericht darf also von derartigen
Vermutungen höchstens dann abweichen, wenn schwerwiegende Gründe gegen
sie sprechen, insbesondere wenn sie mit einer Erfahrungsregel unvereinbar
sind, und dies trifft hier nicht zu.

    Der bernische Appellationshof hat auf Grund eines einlässlichen
Beweisverfahrens gründlich geprüft, wie der Vaterschaftsprozess
der Kläger gegen G. vermutlich ausgegangen wäre, wenn der Beklagte
die Klage rechtzeitig eingereicht hätte. Er hat dabei mit Recht
die Beweisvorschriften berücksichtigt, die für Vaterschaftssachen
gelten. Die Ansicht des Beklagten, im Haftpflichtprozess seien an den
Beweis des Geschlechtsverkehrs strengere Anforderungen zu stellen als
im Vaterschaftsprozess, geht fehl; denn im Haftpflichtprozess kommt es
u.a. eben gerade darauf an, ob die Beiwohnung in der kritischen Zeit
im Vaterschaftsprozess als bewiesen betrachtet worden wäre. Dass die
Kläger im Haftpflichtprozess (zutreffend) erklärt haben, das Ergebnis
des abgebrochenen Vaterschaftsprozesses lasse sich nicht mit Sicherheit
feststellen, kann ihnen entgegen der Meinung des Beklagten nicht zum
Nachteil gereichen, da für den Schadensbeweis im Haftpflichtprozess
nach dem Gesagten genügen muss, dass angenommen werden darf, die Kläger
hätten den Vaterschaftsprozess höchst wahrscheinlich gewonnen. Die
Annahme, dass in diesem Prozess die Beiwohnung in der kritischen Zeit
als hinlänglich bewiesen erachtet worden wäre, die dem angefochtenen
Urteil zugrundeliegt, lässt sich angesichts des vom Appellationshof
festgestellten Ergebnisses des im Haftpflichtprozess durchgeführten
Beweisverfahrens nicht beanstanden. Sie entspricht durchaus der Art,
wie die bernischen Gerichte in Vaterschaftssachen auf Grund der
kantonalen ZPO erfahrungsgemäss solche Beweisfragen zu beurteilen
pflegen, und hat eine um so grössere Wahrscheinlichkeit für sich, als
der Vaterschaftsprozess im Falle seiner materiellen Beurteilung aller
Voraussicht nach an den Appellationshof weitergezogen worden wäre, so dass
die vom Appellationshof im vorliegenden Prozess geäusserte Ansicht über
das mutmassliche Ergebnis des Vaterschaftsprozesses als die Ansicht der
Instanz gelten kann, die in diesem Prozess die tatsächlichen Verhältnisse
abschliessend festzustellen gehabt hätte. Der Versuch des Beklagten, die
Beweiswürdigung des Appellationshofs mit staatsrechtlicher Beschwerde
als willkürlich anzufechten, ist misslungen. Gegen die Annahme der
Vorinstanz, dass G. mit den Einreden aus Art. 314 Abs. 2 und Art. 315 ZGB
nicht durchgedrungen wäre, wendet der Beklagte mit Recht nichts ein. Bei
der Schlussfolgerung des Appellationshofes, es dürfe mit hinlänglicher
Sicherheit angenommen werden, dass die Kläger den Vaterschaftsprozess
gewonnen hätten, muss es daher sein Bewenden haben, was zur Folge hat, dass
die Schadenersatzansprüche der Kläger gegen den Beklagten grundsätzlich
zu schützen sind.

Erwägung 3

    3.- Die Bemessung der Leistungen, die den Klägern bei Gutheissung
der Vaterschaftsklage zugesprochen worden wären, die Zusprechung
eines Kapitalbetrags als Ersatz der dem Zweitkläger entgangenen
Unterhaltsbeiträge und die Berechnung dieses Kapitalbetrags sind nicht
angefochten.

    Die Würdigung der Grösse des Verschuldens des Beklagten (Art. 43
Abs. 1 OR; BGE 82 II 31) kann nicht zu einer Ermässigung der Ersatzpflicht
führen, da dem Beklagten entgegen seiner Ansicht nicht bloss ein leichtes
Verschulden vorzuwerfen ist (vgl. Erw. 1 hievor).

    Ebensowenig kommt eine Ermässigung gemäss Art. 44 Abs. 1 OR in Frage.
Darin, dass die Erstklägerin dem Beklagten gewisse Belege mit Verspätung
zustellte, kann nicht ein für den Schaden kausales Mitverschulden erblickt
werden, weil der Beklagte diese Belege für die rechtzeitige Einleitung
der Klage nicht benötigte (Erw. 1 hievor) und weil er zudem selber nicht
behauptet, dass er die Erstklägerin bei Einforderung dieser Belege auf
den drohenden Fristablauf hingewiesen habe. Dem Beklagten kann aber auch
nicht gefolgt werden, wenn er geltend macht, es bedeute ein für den
Schaden mitursächliches, dem Zweitkläger anzurechnendes Verschulden,
dass dessen Beistand ihn nicht auf den Fristenlauf aufmerksam machte;
denn der Beistand durfte sich darauf verlassen, dass der Kläger selber
in der Lage sei, die Fristberechnung vorzunehmen.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Appellationshofes
des Kantons Bern, II. Zivilkammer, vom 14. Juni 1961 bestätigt.