Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 87 II 349



87 II 349

47. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 2. November 1961
i.S. "Einfach"-Reinigung A.-G. gegen Wetex A.-G. Regeste

    Art. 1 Abs. 2 lit. d UWG. Unter welchen Voraussetzungen stellt die
Verwendung einer bereits von einem Konkurrenten gebrauchten gemeinfreien
Sachbezeichnung in der Werbung unlauteren Wettbewerb dar?

Sachverhalt

                       Aus dem Tatbestand:

    Die Klägerin, die "Einfach"-Reinigung A.-G., Zürich, ist ein
Unternehmen für die chemische Reinigung von Kleidern. Die Beklagte, die
Wetex A.-G. in St. Gallen, betreibt ebenfalls ein Kleiderreinigungsgeschäft
mit Filialen in Winterthur und Zürich. Die beiden Unternehmen wurden im
November 1958 im Handelsregister eingetragen.

    Die Klägerin machte in Zürich und Umgebung lebhafte Reklame unter dem
Schlagwort "einfach" bzw. "einfach-Reinigung". Die Beklagte empfahl sich in
Winterthur und Zürich durch Inserate, Prospekte und Schaufensteranschläge
ebenfalls für die "Einfachreinigung", bzw. die "Einfach-Reinigung"
von Kleidern.

    Die deswegen von der Klägerin erhobene Klage aus unlauterem Wettbewerb
wurde vom Handelsgericht des Kantons Zürich abgewiesen. Das Bundesgericht
bestätigt.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Wie aus der Klageschrift ersichtlich ist, stützt sich die Klage
in erster Linie auf Art. 1 Abs. 2 lit. d UWG. Danach begeht unlauteren
Wettbewerb, wer Massnahmen trifft, die bestimmt oder geeignet sind,
Verwechslungen mit den Waren, Werken, Leistungen oder dem Geschäftsbetrieb
eines andern herbeizuführen.

    Die Beklagte verwendet nun zwar in ihrer Werbung ebenfalls die
Bezeichnung "Einfach-Reinigung", die im Firmennamen der Klägerin
enthalten ist und von dieser auch in der Reklame gebraucht wird. Ein
unlauterer Wettbewerb kann in diesem Vorgehen der Beklagten indessen
gleichwohl nicht gesehen werden, weil es sich bei der in Frage stehenden
Wortverbindung nach den zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz um eine
Sachbezeichnung handelt, die auch im Bereiche des Wettbewerbsrechts
dem allgemeinen Gebrauch freigehalten werden muss (BGE 80 II 173 f.,
81 II 468). Dass der Ausdruck "Einfach-Reinigung" eine Sachbezeichnung
darstellt, kann entgegen der Behauptung der Klägerin nicht zweifelhaft
sein. Aus dem klaren Wortsinn ergibt sich, dass damit, im Gegensatz
zur sog. Vollreinigung, ein weniger gründlicher, eben ein einfacherer
Reinigungsvorgang umschrieben werden soll. Die Ausführungen, mit denen
die Berufung dies widerlegen will, sind unbehelflich.. ..

    c) Die Berufung bezeichnet die Meinung des Handelsgerichts, jedermann
wisse, was unter "Einfach-Reinigung" zu verstehen sei, als irrig,
da eine grosse Zahl von Reinigungsverfahren bestünden; der Ausdruck
"Einfach-Reinigung" sei vorerst für das Publikum wie für den Fachmann
inhaltsleer gewesen.

    Wie in BGE 80 II 176, Erw. 3, ausgeführt worden ist, können
auch neue, bisher ungebräuchliche Ausdrücke im Gemeingut stehende
Beschaffenheitsangaben darstellen, sofern sie nur die Ware in allgemein
verständlicher Weise beschreiben. Massgebend ist, ob das betreffende Wort,
sobald es im Geschäftsverkehr gebraucht wird, nach dem Sprachgebrauch
oder den Regeln der Sprachbildung von den beteiligten Kreisen als
Beschaffenheitshinweis aufgefasst werden kann.

    Das trifft auf die hier in Frage stehende Bezeichnung zu. Nach den
Feststellungen der Vorinstanz ist der Begriff der einfachen Reinigung im
Geschäftszweig der chemischen Reinigung erst in den letzten Jahren (in der
Schweiz 1958/59) aufgekommen. Gemäss den Ausführungen der Vorinstanz "hängt
dies nur damit zusammen, dass die chemische Reinigung, die hauptsächlich
für stark verschmutzte oder verfleckte Kleider in Anspruch genommen wurde,
eine gründliche Reinigung zur Beseitigung aller Flecken anstrebte, was eine
Vor-, Haupt- und Nachbehandlung erforderte, längere Zeit beanspruchte und
auch verhältnismässig kostspielig war. Neue Apparaturen und das Bedürfnis
einer bestimmten Kundschaft, nicht zu stark verschmutzte Kleider in
kürzerer Zeit und mit wenig Kosten wieder einigermassen instandstellen
zu lassen, haben dann zum abgekürzten Verfahren geführt, das in einem
"einfachen" Arbeitsgang ohne Vor- und Nachbehandlung besteht und deshalb
auch als "Kleiderbad" bezeichnet worden ist."

    Unter diesen Umständen kann nicht zweifelhaft sein, dass die
beteiligten Kreise, und zwar sowohl die Fachleute wie die Kundschaft,
den Ausdruck "Einfach-Reinigung" von Anfang an und ohne weiteres als
Bezeichnung einer neuen Reinigungsart aufgefasst haben, welche gegenüber
den bisher üblichen Verfahren eine Vereinfachung aufweist. Das genügt
für die Annahme einer Sachbezeichnung. Nicht erforderlich ist, dass das
angesprochene Publikum über Einzelheiten der Vereinfachung und deren
Auswirkung auf Preis und Zeitdauer der Reinigung orientiert war.

Erwägung 3

    3.- Die Verwendung einer gleichen Sachbezeichnung durch einen
Konkurrenten kann unlauteren Wettbewerb darstellen, wenn sie infolge langen
Gebrauchs durch den ersten Verwender zum Individualzeichen geworden ist,
d.h. wenn es in dem Sinne Verkehrsgeltung erlangt hat, dass es von den
beteiligten Verkehrskreisen allgemein als Hinweis auf den betreffenden
Verwender empfunden wird.

    Die Vorinstanz hat dies für den vorliegenden Fall mit der Begründung
verneint, zur Erreichung einer solchen Wirkung sei eine Zeitspanne von nur
zwei Jahren ungenügend. Die Klägerin bestreitet die Richtigkeit dieser
Überlegung. Sie macht geltend, dank geschickter Werbung habe sich die
in Frage stehende Bezeichnung beim Publikum in Zürich und Winterthur
als Hinweis auf die Klägerin und die Qualität der von ihr angebotenen
Dienstleistung durchgesetzt.

    a) Das Bundesgericht hat als Rechtsfrage frei zu prüfen, ob der
kantonale Richter den Begriff der Verkehrsgeltung, auf die es entscheidend
ankommt, zutreffend aufgefasst und angewendet habe. Tatfrage und darum
der Nachprüfung des Bundesgerichts entzogen ist dagegen, ob sich bei
den massgebenden Abnehmerkreisen die Vorstellung eines bestimmten
Herkunftshinweises gebildet hat oder nicht.

    Die Voraussetzungen der vom Recht anzuerkennenden Entwicklung einer
gemeinfreien Sachbezeichnung zum Individualzeichen können nicht allgemein
und abschliessend festgelegt werden. Es lassen sich lediglich Richtlinien
aufstellen, deren Handhabung im Einzelfall dem Ermessen des Richters
erheblichen Raum lässt.

    Nach Rechtsprechung und Lehre sind an die Wandlung
zum Individualzeichen mit Einräumung des entsprechenden
Ausschliesslichkeitsrechts desto höhere Anforderungen zu stellen, je
stärker das Freihaltebedürfnis für eine Sachbezeichnung ist (VON BÜREN,
Komm. zum UWG S. 121, N. 54).

    b) Im vorliegenden Fall besteht ein ausgesprochen starkes
Freihaltebedürfnis. Wie nicht streitig ist, wird von zahlreichen
Reinigungsinstituten eine vereinfachte Reinigung angeboten, die derjenigen
der Klägerin ähnlich ist. Diese vereinfachte Art der Reinigung kommt einem
weit verbreiteten Wunsche des Publikums entgegen. Das allgemeine Interesse
verlangt daher, dass die weitaus klarste und zweckmässigste Bezeichnung
"Einfach-Reinigung" für den allgemeinen Gebrauch freigehalten wird; die
Monopolisierung dieses Ausdrucks zugunsten eines einzelnen Wettbewerbers
kann deshalb nur in Betracht kommen, wenn er sich bei den Kundenkreisen
allgemein als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen so durchgesetzt hat,
dass der Sachcharakter der Bezeichnung verblasst oder in Vergessenheit
geraten ist.

    Hievon kann hier nicht die Rede sein. Das Handelsgericht stellt fest,
dass eine Individualisierung der umstrittenen Bezeichnung unter den
gegebenen Umständen innerhalb der zwei Jahre, während denen die Klägerin
ihre Reklame entfaltete, nicht möglich war. Diese Feststellung ist
für das Bundesgericht verbindlich. Die Vorinstanz ist zu ihr zwar ohne
Beweiserhebung gestützt auf die Würdigung der gegebenen Verhältnisse
gelangt. Darin liegt eine vorweggenommene Beweiswürdigung, die dem
kantonalen Richter von Bundesrechts wegen nicht verwehrt ist. Das
Handelsgericht war daher nicht verpflichtet, die von der Klägerin
angetragenen Beweise abzunehmen, wenn es bereits auf Grund vorweggenommener
Beweiswürdigung zur Überzeugung gelangte, eine Individualisierung der
Bezeichnung "Einfach-Reinigung" zugunsten der Klägerin sei nicht erfolgt.

    Wird vom Sachverhalt ausgegangen, den die Vorinstanz ihrem Entscheid zu
Grunde gelegt hat, so verstösst dieser hinsichtlich der Verkehrsgeltung der
Bezeichnung "Einfach-Reinigung" nicht gegen Bundesrecht. Insbesondere kann
nicht gesagt werden, das Handelsgericht habe die Grenze seines Ermessens
überschritten. Sein Entscheid entspricht durchaus den Grundgedanken des
schweizerischen Wettbewerbsrechts. Mit diesen wäre unvereinbar, eine für
das tägliche Leben wichtige Sachbezeichnung im Interesse eines einzelnen
zu monopolisieren.