Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 87 II 320



87 II 320

45. Urteil der I. Zivilabteilung vom 19. Dezember 1961 i.S. Turicaphon
A.-G. und Mitbeteiligte gegen Novomat A.-G. und Piano-Eckenstein A.-G.
Regeste

    Aufführungsrecht an Schallplatten, Art. 12 Ziff. 3 URG.
Dem Schallplattenfabrikanten steht kein ausschliessliches Recht zur
öffentlichen Aufführung der von ihm hergestellten Schallplatten zu.

    Der dem Schallplattenfabrikanten durch Art. 4 Abs. 2 URG gewährte
Schutz ist nicht urheberrechtlicher, sondern wettbewerbsrechtlicher Art
(Erw. 1, 2).

    Ablehnung einer grammatikalischen Auslegung des Art. 4 Abs. 2 URG
(Erw. 3).

    Einfluss der Aufhebung des Art. 21 URG durch die Revision von 1955
(Erw. 4).

    Der Schallplattenfabrikant schafft kein Kunstwerk i.S. des
Urheberrechts (Erw. 5).

    Das Wettbewerbsrecht verschafft dem Schallplattenfabrikanten kein
ausschliessliches Aufführungsrecht (Erw. 6, 7).

    Einfluss des BG vom 25. September 1940 betr. die Verwertung von
Urheberrechten (Erw. 8).

    Rechtssicherheit und Billigkeit erfordern kein Aufführungsrecht des
Schallplattenfabrikanten (Erw. 9).

Sachverhalt

    A.- Die acht klägerischen Firmen stellen Schallplatten her; eine
von ihnen, die Turicaphon A.-G., hat ihren Sitz in der Schweiz; bei den
übrigen sieben Klägerinnen handelt es sich um ausländische Unternehmen.

    Die beiden in Basel ansässigen Beklagten, die Novomat A.-G. und die
Piano-Eckenstein A.-G., lassen Musikautomaten, welche von den Klägerinnen
stammende Platten enthalten, in öffentlichen Gaststätten aufstellen.

    Im Anschluss an die mit der Revision des URG vom 24. Juni 1955
erfolgte Aufhebung des Art. 21 URG, wonach die öffentliche Aufführung an
sich geschützter Musikwerke mit mechanischen Instrumenten ohne Entrichtung
einer Urheberrechtsentschädigung zulässig war, versuchten die Klägerinnen
erfolglos, die ihnen nach ihrer Ansicht zustehenden Aufführungsrechte an
den von ihnen hergestellten Schallplatten gegenüber den Beklagten geltend
zu machen.

    B.- Mit Klage vom 14. März 1959 stellten die Klägerinnen unter Berufung
auf Art. 4 Abs. 2 URG das Begehren, es sei den Beklagten gerichtlich zu
untersagen, von den Klägerinnen hergestellte Schallplatten öffentlich
aufzuführen oder aufführen zu lassen.

    Die Beklagten beantragten Abweisung der Klage.

    C.- Das Zivilgericht von Basel-Stadt wies mit Urteil vom 26. Mai 1961
die Klage ab.

    D.- Mit der vorliegenden Berufung halten die Klägerinnen an ihrem
vor der kantonalen Instanz gestellten Begehren fest.

    Die Beklagten beantragen Abweisung der Berufung und Bestätigung des
angefochtenen Entscheides.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Mit seinem Urteil vom 8. Dezember 1959 i.S. Torre c. Philips A.-G.
(BGE 85 II 431 ff.) hat das Bundesgericht entschieden, dass nach dem
schweizerischen URG der ausübende Künstler für die von ihm erbrachte
Leistung keinen Urheberrechtsschutz beanspruchen könne. Art. 4 Abs. 2
URG, aus welchem die frühere Rechtsprechung (BGE 62 II 243 ff.) ein
solches Urheberrecht abgeleitet hatte, bezweckt gemäss dem Urteil
Torre lediglich den Schutz des Herstellers der Schallplatte gegen deren
unerlaubte Nachpressung und gegen die Inverkehrsetzung des so hergestellten
Erzeugnisses. Dabei handle es sich um einen Schutz wettbewerbsrechtlicher
Art, aus der keine urheberrechtlichen Befugnisse abgeleitet werden können;
Art. 4 Abs. 2 URG, der die mechanische Übertragung einer unter den Schutz
des Gesetzes fallenden Wiedergabe gleichstellt, beruhe auf einer Fiktion,
die an der wirklichen Natur der dem Plattenfabrikanten eingeräumten Rechte
nichts zu ändern vermöge.

    Mit diesem Entscheid hat das Bundesgericht sich in eindeutiger Weise
über die Rechtsnatur der durch Art. 4 Abs. 2 URG verliehenen Schutzrechte
ausgesprochen und ferner festgestellt, dass Träger dieser Rechte nicht der
ausübende Künstler, sondern der Schallplattenhersteller ist. Dagegen wurde
nicht Stellung genommen zu der weiteren Frage nach der Tragweite und dem
Umfang dieses Schutzrechtes. Dazu bestand kein Anlass; denn die damals
zu entscheidende Frage ging dahin, ob der Plattenfabrikant mit Rücksicht
auf eine von ihm aufgestellte Einschränkung des räumlichen Absatzgebietes
gestützt auf Art. 58 Abs. 3 URG dem beklagten Händler verbieten könne,
in der Schweiz die im Ausland erworbenen, vom Kläger stammenden
Schallplatten zu vertreiben. Nachdem aber einmal festgestellt war,
dass der Plattenfabrikant nicht "Inhaber des Urheberrechts" im Sinne von
Art. 58 Abs. 1 URG sei, blieb für die Anwendung der für mechanische Musik
vorgesehenen Ausnahmebestimmung von Art. 58 Abs. 3 URG kein Raum. Die
damals streitige Frage wurde durch Art. 58 URG erschöpfend geregelt,
ohne Rücksicht darauf, welche Tragweite und welcher Umfang im übrigen den
dem Plattenfabrikanten durch Art. 4 Abs. 2 URG eingeräumten Schutzrechten
zukomme.

    Dieses Problem bildet Gegenstand des vorliegenden Prozesses. Die zu
entscheidende Frage geht dahin, ob infolge der durch die Teilrevision
vom 24. Juni 1955 vorgenommenen Ausmerzung des Art. 21 URG der
Plattenfabrikant das ausschliessliche Recht im Sinne des Art. 12 Ziff. 3
URG beanspruchen könne, die von ihm hergestellten Schallplatten für
öffentliche Aufführungen zu verwenden.

Erwägung 2

    2.- Die Klägerinnen vertreten die Auffassung, der Entscheid i.S. Torre
stehe der Gutheissung der vorliegenden Klage nicht entgegen; denn es komme
ihm entgegen der Meinung der Vorinstanz keine präjudizielle Bedeutung
zu für die Entscheidung der im vorliegenden Falle streitigen Frage nach
dem Bestehen eines aus Art. 4 Abs. 2 URG fliessenden Aufführungsrechts
des Plattenfabrikanten. Gegenstand des Streites habe im Fall Torre nicht
dieses Aufführungsrecht gemäss Art. 12 Ziff. 3 URG gebildet, sondern das
Verbreitungsrecht gemäss Ziff. 2 dieses Artikels; der darüber getroffene
Entscheid sei ausschliesslich aus Art. 58 URG gewonnen worden, der
allein die "ratio decidendi" gebildet habe. Die Ausführungen darüber,
ob das Recht aus Art. 4 Abs. 2 URG beim ausübenden Künstler oder
beim Plattenhersteller entstehe, hätten lediglich den Charakter von
"obiter dicta", von beiläufigen Ausführungen ohne tragende Bedeutung
für das gefällte Urteil. Für die Frage nach Umfang und Tragweite des dem
Plattenfabrikanten nach Art. 4 Abs. 2 URG zustehenden Rechtes sei nach wie
vor das Urteil BGE 62 II 243 ff. massgebend, das dem Plattenhersteller
das Aufführungsrecht zu Sendezwecken zuerkannt habe; was für dieses
gelte, müsse auch für die öffentliche Aufführung von Schallplatten in
Gaststätten gelten, da an eine unterschiedliche Behandlung dieser beiden
Aufführungsarten im Ernste nicht zu denken sei.

    Die Auffassung der Berufung über die Tragweite des Urteils i.S. Torre
ist jedoch irrtümlich. Gewiss hätte das Bundesgericht seinen damaligen
Entscheid auf die blosse Auslegung der in Art. 58 Abs. 1 URG enthaltenen
Wendung "der Inhaber des Urheberrechtes" stützen und erklären können,
darunter seien nur der Schöpfer des wiedergegebenen Werkes und seine
Rechtsnachfolger zu verstehen, nicht dagegen auch die Träger eines
sonstigen dem Urheberrecht gleichgestellten Rechtes. Diesen Weg hat das
Bundesgericht im genannten Entscheid nun aber gerade nicht eingeschlagen,
da eine so getroffene Lösung auf einer allzu schmalen Grundlage beruht
hätte. Das Bundesgericht hat es vielmehr als geboten erachtet, die
Rechtsnatur der dem Plattenhersteller zustehenden Rechte abzuklären, und
wenn es die Anwendbarkeit des Art. 58 Abs. 3 URG auf den Plattenhersteller
verneint hat, so hatte das seinen Grund darin, dass dem durch Art. 4 Abs. 2
URG gewährten Schutzrecht der Charakter eines Urheberrechtes abgesprochen
wurde. Die Erwägungen des Urteils Torre zur Frage der Rechtsnatur der
aus Art. 4 Abs. 2 URG fliessenden Rechte stellen daher keineswegs nur
beiläufige Ausführungen dar, sondern bilden ein tragendes Element des
Entscheides.

    An der im genannten Entscheid vorgenommenen Auslegung des Art. 4
Abs. 2 URG, wonach diese Bestimmung dem Plattenfabrikanten keine
urheberrechtlichen Befugnisse einräumt, ist unter Hinweis auf die
dortigen Erwägungen festzuhalten. Es besteht kein Anlass, auf diese Frage
zurückzukommen, wie dies von den Klägerinnen beantragt wird.

Erwägung 3

    3.- a) Für die Ermittlung der heute zu bestimmenden Tragweite des
dem Plattenfabrikanten durch Art. 4 Abs. 2 eingeräumten Schutzes ist
zunächst der Wortlaut der Bestimmung ins Auge zu fassen. Danach ist die
Übertragung eines Musikwerkes auf mechanische Instrumente "als eine unter
den Schutz des Gesetzes fallende Wiedergabe anzusehen". Damit verweist
die Bestimmung auf den einleitenden Satz des Art. 4 Abs. 1 URG, welcher
lautet: "Den Schutz dieses Gesetzes geniessen gleich Originalwerken...".

    Die grammatikalische Auslegung des Art. 4 URG könnte somit dazu führen,
die Übertragung auf mechanische Instrumente den in Abs. 1 aufgezählten
"Wiedergaben" gleichzusetzen und ihnen infolgedessen den gleichen Schutz
wie den Originalwerken zuteil werden zu lassen.

    Diesen Standpunkt vertreten die Klägerinnen; sie machen geltend,
das Gesetz stelle auf Grund einer juristischen Fiktion die Schallplatte
einem Originalwerk gleich; an diese Fiktion habe sich auch der Richter
zu halten und müsse daher den Übertragungen auf mechanische Instrumente
den umfassenden, der Behandlung von Originalwerken angeglichenen Schutz
zuerkennen, den ihnen der Gesetzgeber zu gewähren beabsichtigt habe.

    Im wesentlichen auf Grund von Erwägungen dieser Art hat der deutsche
Bundesgerichtshof in vier Urteilen vom 31. Mai 1960 für das deutsche
Recht ein Urheberrecht des Schallplattenherstellers bejaht; vgl. BGHZ 33
S. 1 ff., 20 ff., 38 ff., 48 ff. und Archiv für Urheber-, Film-, Funk-
und Theaterrecht (UFITA) 32 S. 200 ff., 223 ff., 243 ff., 236 ff.

    b) Der Hinweis der Klägerinnen auf diese deutsche Rechtsprechung
ist jedoch unbehelflich. Der BGH gewährt dem Plattenfabrikanten
Urheberrechtsschutz, weil er dem ausübenden Künstler gleichgestellt sei,
der nach § 2 Abs. 2 des deutschen Gesetzes ausdrücklich als Bearbeiter zu
gelten habe. Art. 4 Abs. 2 URG enthält jedoch im Gegensatz zum deutschen
Gesetz keine solche Präzisierung. Die vom BGH gezogene Schlussfolgerung,
das der Übertragung auf die Schallplatte gewährte Schutzrecht habe
urheberrechtlichen Charakter, findet daher im Wortlaut des schweizerischen
URG keine Stütze.

    Vor allem aber ist diese Betrachtungsweise, die auf einem gesetzlich
anerkannten Urheberrecht zweiter Hand des Interpreten beruht, für das
schweizerische Recht durch das Urteil Torre ausdrücklich abgelehnt
worden; es wurde dort eindeutig festgestellt, dass die Zuerkennung der
Urhebereigenschaft an den ausübenden Künstler mit den Grundanschauungen
des Urheberrechtes unvereinbar sei; im weiteren wurde dargelegt, dass
Art. 4 Abs. 2 URG nicht bezwecke, dem Interpreten ein solches Recht, noch
einen sonstwie gearteten Rechtsschutz zu gewähren, sondern dass durch die
Bestimmung vielmehr der Schallplattenhersteller als der originäre Träger
der in ihr vorgesehenen Rechte gegen unlautere Wettbewerbshandlungen
geschützt werden sollte (BGE 85 II S. 439 ff., Erw. 2 b - d).

    Endlich ist auch noch hervorzuheben, dass zwischen den
Auslegungsgrundsätzen, auf denen der Entscheid des BGH beruht, und
denjenigen, auf welche das Bundesgericht im Urteil Torre abgestellt hat,
ein grundlegender Unterschied besteht. Der deutsche Entscheid folgt der
vom Gesetzgeber gewählten Gesetzestechnik und löst das Problem auf dem
Wege einer Auslegung, die der Methode der formalen Logik verpflichtet
bleibt. Das Bundesgericht dagegen hat sich, der von ihm im allgemeinen
befolgten Gepflogenheit entsprechend, bei seinem Entscheid von der ratio
legis, vom Sinn und Zweck der anzuwendenden Bestimmung, leiten lassen
und den vom Gesetzgeber verwendeten Behelfen rein gesetzestechnischer
Art nur untergeordnete Bedeutung zuerkannt. Das Bundesgericht hat es
deshalb abgelehnt, sich bei der Auslegung des Art. 4 Abs. 2 URG an das
auf einer blossen Fiktion beruhende, gekünstelte System zu klammern, das
der Bestimmung zugrunde liege; es hat vielmehr bei der Ermittlung von
deren Sinn und Tragweite auf den angestrebten Zweck abgestellt und das
Interesse, das sie in Wirklichkeit schützen will, als massgebend erklärt
(BGE 85 II 439).

    Die von den Klägerinnen verfochtene Auffassung, die sich auf eine
rein logisch-gesetzestechnische Auslegung beschränkt, läuft daher den
im Entscheid Torre aufgestellten und aufrecht zu erhaltenden Grundsätzen
zuwider.

Erwägung 4

    4.- Eine Erstreckung des dem Urheber als solchem gewährten Schutzes auf
den Plattenhersteller liesse sich allenfalls in Erwägung ziehen, wenn das
URG überhaupt nie eine Bestimmung des Inhalts von Art. 21 enthalten hätte;
dann hätte es für den Gesetzgeber auf der Hand gelegen, dass die in Art. 4
Abs. 2 URG ausgesprochene Gleichstellung der Schallplattenaufnahme mit der
Bearbeitung auch das ausschliessliche Recht zur öffentlichen Aufführung
(Art. 12 Ziff. 3 URG) mitumfasse, und alsdann liesse sich vielleicht die
Auffassung vertreten, der "klare Wortlaut des Gesetzes" zwinge zu einer
solchen Auslegung.

    So verhält es sich indessen nicht. Wie im Urteil Torre (S. 438)
dargetan wurde, sollte der Schutz, den der Gesetzgeber von 1922
dem Plattenhersteller gewährte, sich lediglich gegen die unerlaubte
Nachpressung der Schallplatte und deren Inverkehrsetzung richten;
ein weiter reichender Schutz kam damals angesichts des Art. 21 URG
überhaupt nicht in Frage. Mit Rücksicht darauf, dass das Gesetz erst
später, durch die Neufassung des Art. 12 und die Streichung des Art. 21,
abgeändert wurde, kann daher Art. 4 Abs. 2 im Rahmen des Gesetzestextes,
wie er heute lautet, nicht als der Ausdruck eines klaren und eindeutigen
Willens des Gesetzgebers betrachtet werden. Es fragt sich vielmehr -
und das ist der entscheidende Punkt des heute zu beurteilenden Falles -,
welche Auswirkungen die Gesetzesrevision von 1955 auf den Umfang der Rechte
des Schallplattenherstellers hinsichtlich der öffentlichen Aufführung im
Gefolge gehabt habe.

    a) Unter Berufung auf die Vorarbeiten der Gesetzesrevision von
1955, insbesondere auf das Protokoll der Expertenkommission, machen die
Klägerinnen geltend, nach der Auffassung jener Kommissionsmitglieder,
die sich zu dieser Frage äusserten, sei mit dem Wegfall des Art. 21
URG, wonach die öffentliche Aufführung mittels mechanischer Instrumente
ohne weiteres frei war, dem Plattenhersteller automatisch das Recht zur
öffentlichen Aufführung vollumfänglich, d.h. über den bisherigen Umfang
hinaus, zugefallen. Man habe bei der Revision zwar die Vorstösse auf
Abänderung oder Ergänzung des Art. 4 Abs. 2 URG abgelehnt, aber alle
diese Anträge hätten nur das Ziel verfolgt, zu verhindern, dass nach
der Streichung des Art. 21 URG die aus Art. 4 Abs. 2 Berechtigten in
Zukunft Aufführungsrechte geltend machen könnten; insbesondere habe man
eine kumulative Geltendmachung derartiger Ansprüche durch die ausübenden
Künstler und die Plattenhersteller ausschliessen wollen. Diese Vorstösse
seien aber erfolglos geblieben, weil einerseits der Gesetzgeber bewusst
das aus Art. 4 Abs. 2 URG fliessende Aufführungsrecht für mechanische
Musik nicht beseitigen wollte und anderseits die damalige Auslegung dieser
Vorschrift durch das Bundesgericht die Gefahr kumulativer Geltendmachung
von Aufführungsrechten ausgeschlossen habe.

    b) Es trifft zu, dass im Schosse der Expertenkommission von Vertretern
der wirtschaftlich interessierten Kreise des Kino- und Gastgewerbes,
sowie des Rundspruchs Anträge auf Abänderung des Art. 4 Abs. 2 URG
gestellt wurden (vgl. Protokoll der Expertenkommission S. 56 ff.) Aus
diesem Protokoll ist aber ersichtlich, dass diese Vorstösse abgelehnt
wurden, weil sie über den Rahmen hinausgingen, welcher der vorzunehmenden
Gesetzesrevision zugewiesen war; denn mit dieser sollte ausschliesslich
die interne schweizerische Gesetzgebung dem 1948 in Brüssel revidierten
Text der Berner Übereinkunft zum Schutze der Literatur und Kunst von
1886 (RBUe) angepasst werden (Protokoll S. 8 f. Ziff. 11-19, S. 56
ff. Ziff. 167-189). Das wird auch bestätigt durch die Botschaft des
Bundesrates vom 12. Oktober 1954 zu der Revisionsvorlage (BBl 1954 II,
deutsche Ausgabe S. 639 ff., französische Ausgabe p. 632 ss.). Darin wird
(S. 643 und 647, bezw. p. 636 und 640) darauf hingewiesen, dass Entwürfe
für ein internationales Abkommen über die Rechte der ausübenden Künstler
und der Plattenhersteller bestünden, weshalb es nicht zweckmässig wäre,
ohne zwingende Gründe dieser internationalen Regelung vorzugreifen auf
die Gefahr hin, das Gesetz schon rasch wieder ändern zu müssen, um einem
internationalen Abkommen beitreten zu können, das diese Probleme anders
löse; daher seien zunächst nur diejenigen Änderungen am URG vorzunehmen,
die nötig seien, um dieses in Übereinstimmung mit dem Text von Brüssel
zu bringen.

    Danach steht ausser Zweifel, dass Art. 21 URG einzig und allein
mit Rücksicht auf den durch die RBUe in Art. 13 vorgeschriebenen
Minimalschutz des Urhebers gestrichen wurde; hiezu war die Schweiz
gezwungen, um die RBUe ratifizieren zu können. Die RBUe sieht jedoch
weder zugunsten des ausübenden Künstlers, noch des Plattenherstellers
ein Urheberrecht oder ein diesem entsprechendes anderes Schutzrecht
vor. Daraus ist zu schliessen, dass die Änderung des URG nicht über
das Mass des nach Art. 13 RBUe unbedingt Notwendigen hinausgegangen
sei und dass somit die Aufhebung des Art. 21 URG einzig den Urhebern im
Sinne der RBUe das ausschliessliche Recht zur öffentlichen Aufführung
mechanischer Musik verschafft habe. Diese Schlussfolgerung beruht auf den
gleichen Überlegungen, wie sie das Bundesgericht im Fall Torre bezüglich
der Tragweite des Art. 58 Abs. 3 URG angestellt hat, der ebenfalls mit
Rücksicht auf die Brüsseler Fassung des Art. 13 RBUe in das Urheberrecht
eingefügt werden musste. Auch die Botschaft des Bundesrates (S. 656 f.,
p. 649) führt zur Rechtfertigung der neuen Regelung nur die durch Art. 13
RBUe bedingte Zwangslage an und bemerkt dazu, dass die Umstellung, die in
der Ersetzung direkter Aufführungen von Musikkapellen und Orchestern durch
Schallplattenaufführungen namentlich im Gastgewerbebetrieb eingetreten sei,
nicht auf Kosten der Urheber vor sich gehen dürfe.

    Auch in den parlamentarischen Beratungen wurde die Aufhebung des
Art. 21 URG einzig mit dem Hinweis auf die Revision des Art. 13 RBUe
begründet, ohne dass irgendwie angedeutet worden wäre, dass der Wegfall
der genannten Bestimmung sich zugunsten der ausübenden Künstler oder der
Plattenfabrikanten auswirken werde (Sten. Bull 1955, NR S. 94, StR S. 80).

    c) Anlässlich der Ausarbeitung und Behandlung der Revisionsvorlage
von 1955 wurde nun allerdings die in BGE 62 II 243 dem Art. 4 Abs. 2 URG
gegebene, seither als irrtümlich erkannte Auslegung von keiner Seite in
Zweifel gezogen. Auf Grund des genannten Entscheides ging man allgemein
davon aus, dass dem Plattenhersteller als dem Rechtsnachfolger des
ausübenden Künstlers ein Urheberrecht zustehe, das lediglich durch den
in Art. 21 URG für die öffentliche Aufführung aufgestellten Vorbehalt
eingeschränkt sei; demgemäss ging die allgemein herrschende Ansicht
dahin, dass mit der Aufhebung des Art. 21 URG das einzige Hindernis für
einen weiterreichenden Schutz des Plattenherstellers weggefallen sei und
dieser infolgedessen auch - gestützt auf ein abgeleitetes Urheberrecht
- das ausschliessliche Recht zur öffentlichen Aufführung der von ihm
hergestellten Schallplatten beanspruchen könne.

    Damit erhebt sich die Frage, ob die dem erwähnten Urteil zugrunde
liegende Gesetzesauslegung vom Gesetzgeber übernommen und so zum
Gesetzesinhalt erhoben worden sei, was zur Folge hätte, dass eine
Änderung der Rechtsprechung in diesem Punkt ausgeschlossen wäre. Das ist
zu verneinen. Es war für alle Beteiligten klar, dass es sich bei der vom
Bundesgericht vertretenen Auffassung um eine blosse Gesetzesauslegung
handelte, die eine spätere abweichende Beurteilung nicht unter allen
Umständen ausschloss.

    d) Vor allem aber kommt der Gesetzesauslegung nach der
sogenannten historischen Methode kein entscheidendes Gewicht
zu. Gemäss ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts ist das,
was die an der Gesetzesvorbereitung Beteiligten dachten und sagten,
für die Gesetzesauslegung durch den Richter nicht massgeblich, wenn es
nicht im Gesetzestext selbst Ausdruck gefunden hat (BGE 84 II 103 und
dort erwähnte Entscheide; 86 IV 94). Die Ansicht gewisser Mitglieder
der Expertenkommission, dass eine Änderung der Rechtsprechung nicht
zu erwarten sei, kann daher für die Bestimmung der Tragweite, die
der Aufhebung des Art. 21 URG beizumessen ist, nicht massgebend
sein. Aus dem Gesetzestext selber aber geht nicht hervor, dass die in
der vorausgegangenen Rechtsprechung vertretene Gesetzesauslegung zum
Gesetzesinhalt erhoben worden wäre. In der unveränderten Beibehaltung des
Art. 4 Abs. 2 URG kam gegenteils zum Ausdruck, dass die Umschreibung der
durch diese Vorschrift gewährten Rechte wie bis anhin der Rechtsprechung
überlassen bleiben sollte.

    e) Die Klägerinnen behaupten, weil die Beteiligten, d.h.  die
Schweiz. Rundspruchgesellschaft und die Schallplattenindustrie, seit
1936 in ihren vertraglichen Vereinbarungen von der in BGE 62 II 243 ff.
umschriebenen Rechtslage ausgegangen seien, habe sich ein Gewohnheitsrecht
in diesem Sinne herausgebildet. Davon kann nicht die Rede sein.

    Abgesehen davon, dass die angeblich gewohnheitsrechtliche Ordnung
sich auf die Verbreitung durch Rundspruch, nicht aber auf die öffentliche
Aufführung bezöge, vermöchte die Tatsache allein, dass sich die Parteien
eines Prozesses während langer Jahre an eine bestimmte gerichtliche
Gesetzesauslegung gehalten haben, eine Änderung der Rechtsprechung nicht
auszuschliessen, wenn eine ähnlich geartete Rechtsfrage in einem Prozess
zwischen andern Parteien erneut zu gerichtlichem Austrag gelangt. Inwieweit
im vorliegenden Falle die Voraussetzungen für die Bildung eines
Gewohnheitsrechtes überhaupt gegeben wären, kann dahingestellt bleiben;
es genügt der Hinweis darauf, dass gemäss Art. 1 ZGB der Richter auf ein
Gewohnheitsrecht nur zurückgreifen kann, wenn dem Gesetz keine Vorschrift
zu entnehmen ist. Hier besteht aber eine gesetzliche Vorschrift, nämlich
der Art. 4 Abs. 2 URG, und es handelt sich lediglich darum, dessen Sinn
und Tragweite zu ermitteln; das ist nicht eine Frage der Lückenausfüllung,
sondern lediglich eine Auslegungsfrage.

Erwägung 5

    5.- Zur Ermittlung der heutigen Tragweite des Art. 4 Abs. 2 URG ist
abzustellen auf den Gesetzeswortlaut, auf die innere Logik der genannten
Vorschrift und insbesondere auf den Zweck, dessen Verfolgung ihr zugewiesen
wurde, sowie auf die Interessen, deren Schutz mit ihr beabsichtigt war.

    a) Seit dem Entscheid i.S. Torre steht fest, dass Art. 4 Abs. 2 URG, so
wenig wie irgendeine andere Vorschrift des Urheberrechts, dem ausübenden
Künstler keinerlei Rechte verschafft. Art. 4 Abs. 2 URG bezieht sich
ausschliesslich auf den Plattenhersteller. Die künstlerische Leistung des
ausübenden Künstlers, die nach gewissen Lehrmeinungen es rechtfertigen
soll, diesem einen dem Urheberrecht angenäherten Schutz zu gewähren,
ist daher bei der Ermittlung der Tragweite des Art. 4 Abs. 2 URG aus
dem Spiele zu lassen. Der Konstruktion eines dem ausübenden Künstler
zustehenden Urheberrechtes oder urheberrechtsähnlichen Rechtes, dessen
Übergang auf den Plattenhersteller zu präsumieren wäre, ist damit der Boden
entzogen. Eine solche Konstruktion führt auf dem Boden des Urheberrechts
zu nichts, da nach dem positiven schweizerischen Recht dem ausübenden
Künstler kein derartiges Recht zusteht.

    b) Die Tätigkeit des Plattenherstellers aber ermangelt, für sich allein
betrachtet, jedes schöpferischen Beitrages auf künstlerischem Gebiete;
sie stellt eine rein technische Massnahme, eine gewerbliche Tätigkeit
dar. Sie weist weder die Merkmale eines "Werkes der Literatur und Kunst"
im Sinne des Art. 1 URG auf, noch auch nur diejenige einer "Wiedergabe"
im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Ziff. 2 URG. Der Plattenhersteller schafft kein
Kunstwerk, er stellt eine Ware her. Damit soll der Wert der Leistungen
der Schallplattenindustrie keineswegs herabgesetzt werden. Die von ihr
erreichte technische Vervollkommnung ermöglicht eine ausserordentlich
hohe Treue der Werkwiedergabe. Es ist daher durchaus anzuerkennen,
dass die Schallplatte heute das Ergebnis einer auf hoher intellektueller
Stufe stehenden Tätigkeit darstellt (BOLLA, Protokoll der Konferenz von
Rom 1951, zitiert bei MOLL, in Schweiz. Mitteilungen über gewerblichen
Rechtsschutz und Urheberrecht, 1953, S. 43). Aber wie hoch auch die
Qualität dieses Beitrags des Plattenherstellers sein mag, so kann
er doch nicht anders denn als eine Leistung technischer Art angesehen
werden. Die Herstellung einer guten Schallplatte erfordert wohl auch ein
grosses Mass von geistiger Tätigkeit, sowie künstlerisches Verständnis
und Empfinden (RGZ 153 S. 21; Droit d'auteur 1946 S. 28). Aber mit der
überwiegenden Mehrheit der Rechtslehre muss doch festgestellt werden,
dass auch diese Seite der Tätigkeit des Plattenherstellers nicht zur
Schöpfung eines neuen, originellen Werkes führt, sondern zu einer blossen
Wiedergabe, einer möglichst getreuen Fixierung eines aufgeführten Werkes
(MOLL, op.cit. S. 21-26 und dort zitierte Literatur). Das hat auch das
Bundesgericht in seinem Urteil von 1936 anerkannt und aus diesem Grunde
dem Plattenhersteller ein originäres Urheberrecht abgesprochen. Wie nun
im Urteil Torre festgestellt wurde, gewährt das positive schweizerische
Recht ein Urheberrecht nur für eine originelle Schöpfung. Wurde aber aus
diesem Grunde der Leistung des ausübenden Künstlers die Eigenschaft einer
urheberrechtsfähigen Schöpfung abgesprochen, so kann sie um so weniger der
Leistung des Plattenherstellers zugebilligt werden; diese ist vielmehr,
im Einklang mit dem Entscheid von 1936 und der herrschenden Lehre, als
Leistung technischer Natur zu betrachten.

    c) Mit Rücksicht hierauf kann der Plattenhersteller keinerlei
urheberrechtlichen Schutz beanspruchen, also insbesondere auch nicht
das ausschliessliche Recht der öffentlichen Aufführung, das Art. 12
Ziff. 3 URG dem Urheber einräumt. Dieses Aufführungsrecht, das eines der
vom Gesetz dem Urheber verliehenen Nutzungsrechte darstellt, hat seine
Grundlage in der künstlerischen Schöpfung, also in der Erbringung eines
ästhetischen Wertes. Gerade weil das Werk, sobald es einmal veröffentlicht
ist, der Aneignung durch Dritte ausgesetzt ist, und weil die Aufführung
die häufigste, ja bisweilen sogar die einzig mögliche Art der Mitteilung
darstellt, ist die Gewährung eines Ausschliesslichkeitsrechtes für die
öffentliche Aufführung, wie das positive Urheberrecht es vorsieht, nicht
zu entbehren. Der Urheber muss sein Werk veröffentlichen können, ohne
dass damit das ihm zustehende Recht erschöpft ist; er muss entweder eine
weitergehende Verwendung verhindern oder aber aus einer solchen Nutzen
ziehen können ("L'Union internationale au seuil de 1939", Droit d'Auteur,
1939 S. 8). Dieses ausschliessliche Recht zur öffentlichen Aufführung,
das einen Ausfluss des Urheberrechtes (und nur des Urheberrechtes)
darstellt, ist dem Urheber mit Rücksicht auf die besonderen Merkmale
der künstlerischen Schöpfung und deren Mitteilungsarten eingeräumt
worden. Dieses Recht erweist sich deshalb als eine spezifische Befugnis
des Urhebers. Dem Plattenfabrikanten eine Befugnis dieses Inhalts zu
gewähren, kann nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden, weil seine
Leistung "nicht wie das Werk des Urhebers und seine Interpretation durch
den ausübenden Künstler dem Zuhörer geistig-künstlerische höchstpersönliche
Werte ihres Erbringers vermittelt, sondern lediglich das mehr oder weniger
gut gelungene technische Hilfsmittel darstellt, womit das Werk und seine
Interpretation ... wiederholt akustisch wahrnehmbar wiedergegeben werden
können" (MOLL, op.cit. S. 43).

Erwägung 6

    6.- Wie im Entscheid Torre dargelegt wurde, ist der
dem Plattenhersteller durch Art. 4 Abs. 2 URG gewährte Schutz
wettbewerbsrechtlicher Natur. Der Plattenhersteller kann sich unter
Berufung auf die genannte Bestimmung gegen die unbefugte Nachpressung
seiner Schallplatten und die Inverkehrsetzung der so hergestellten
Erzeugnisse zur Wehr setzen (TROLLER, Jurisprudenz auf dem Holzweg,
S. 59; MOLL, op.cit. S. 39 f.). Das Wettbewerbsrecht bezweckt aber
ausschliesslich, den Missbrauch des freien wirtschaftlichen Wettbewerbs
durch täuschende oder andere gegen Treu und Glauben verstossende Mittel
zu bekämpfen. Ein über diesen Rahmen hinausgehender Schutz kann daher
vom Plattenhersteller auf keinen Fall beansprucht werden.

    a) Erste Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Wettbewerbsrechts
ist das Vorliegen einer Wettbewerbshandlung (BGE 86 II 110). Es
fragt sich daher, ob die öffentliche Aufführung einer Schallplatte
überhaupt als Wettbewerbshandlung angesehen werden könne. Das liesse
sich allenfalls in Erwägung ziehen, wenn man die Frage aus dem
Gesichtswinkel des Berufsstandes der ausübenden Künstler betrachtet,
da die Schallplattenaufführung die weitere Heranziehung von Musikern
zum persönlichen Vortrag überflüssig macht und somit die Existenz des
Berufsstandes der Musiker bedroht. In Bezug auf den Plattenfabrikanten
ist dagegen nicht ersichtlich, wieso in der öffentlichen Aufführung
einer Schallplatte eine Wettbewerbshandlung liegen könnte. Es liesse
sich sogar im Gegenteil die Auffassung vertreten, eine solche Aufführung
beeinflusse den Plattenverkauf in günstigem Sinne. Auf jeden Fall wird
durch die öffentliche Aufführung keine Verwechslungsgefahr geschaffen; es
ist nicht zu befürchten, dass ihretwegen die Plattenkopie als Erzeugnis
des Herstellers der Originalplatte angesehen werde. Die öffentliche
Aufführung bedeutet aber auch nicht etwa, im Gegensatz zu der Herstellung
der Kopie, eine missbräuchliche und darum unlautere Ausnützung der
Leistung des Plattenherstellers. Wohl kann die Benützung fremder Arbeit
unter Umständen als Element einer unlauteren Wettbewerbshandlung in
Betracht kommen, aber für sich allein reicht sie für die Annahme eines
unlauteren Wettbewerbs nicht aus. (BGE 64 II 118 ff.). Im gleichen Sinne
lautet die Rechtsprechung zu der Frage der Nachahmung der technischen
Konstruktion eines patentrechtlich ungeschützten Erzeugnisses, bei
welcher der Nachahmer ebenfalls das Ergebnis fremder Arbeit ausnützt;
ein solches Vorgehen stellt nur dann einen unlauteren Wettbewerb dar,
wenn die Wahl einer anderen Gestaltung ohne Änderung der technischen
Konstruktion und ohne Beeinträchtigung der Brauchbarkeit möglich und
auch zumutbar gewesen wäre, aber vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen
wurde (BGE 87 II 58 Erw. 3, 84 II 582 Erw. 2, 83 II 158 Erw. 3, 79 II 319
ff.). Aus dieser Rechtsprechung erhellt, dass die Benützung fremder Arbeit
nur widerrechtlich ist, wenn sie eine Verwechslungsgefahr zur Folge hat,
deren Vermeidung möglich und zumutbar war (vgl. hiezu VON BÜREN, UWG
S. 29; im gleichen Sinne für das deutsche Recht: REIMER, Wettbewerbs-
und Warenzeichenrecht, 3. Aufl., S. 523 ff.).

    b) Im vorliegenden Fall gebraucht der Eigentümer die von ihm
erworbenen Schallplatten in durchaus zulässiger Weise, indem er sie zur
Aufführung bringt; handelt es sich doch dabei gerade um den Gebrauch,
für den die Ware bestimmt ist. Ob dieser Gebrauch ein öffentlicher ist
und dem Eigentümer der Schallplatte einen finanziellen Nutzen einträgt,
oder ob es sich um eine Verwendung zu rein privaten Zwecken handelt,
ist belanglos und vermag keine unterschiedliche Behandlung hinsichtlich
der Rechte des Verkäufers zu rechtfertigen. Wer eine Ware einmal verkauft
hat, kann sich auf kein gesetzliches und absolutes Recht berufen, durch
welches das Eigentumsrecht des Erwerbers in dem Sinne beschränkt würde,
dass ihm eine bestimmte Art des bestimmungsgemässen Gebrauches der Sache
untersagt wäre, und ebensowenig kann er eine Vergütung für jeden Fall
des Gebrauches beanspruchen (BGE 64 II 118 f.).

    Auch die Spezialliteratur, die sich mit der Frage des Schutzes
der ausübenden Künstler und der Schallplattenfabrikanten befasst,
verneint eine Befugnis des Plattenherstellers, sich gestützt auf das
Wettbewerbsrecht der öffentlichen Aufführung einer von ihm stammenden
Platte zu widersetzen oder dafür eine besondere Vergütung zu fordern
(vgl. STREULI, Gelegenheitsschriften zu den sog. Nachbarrechten, S. 31,
44; ferner TROLLER, Jurisprudenz auf dem Holzweg, S. 60, der ein auf das
Wettbewerbsrecht gestütztes Aufführungsrecht des Plattenfabrikanten mit der
zutreffenden Begründung ablehnt, es finde sich im gesamten Rechtssystem
kein Beispiel dafür, dass ein Industrieller nebst dem Kaufpreis für
sein Produkt noch eine Benutzungsgebühr verlangen dürfe, ausser wenn ihm
das Patent- oder Urheberrecht einen solchen Anspruch verschaffe. Selbst
MOLL, der einen wettbewerbsrechtlichen Schutzanspruch für die unerlaubte
Herstellung der Plattenkopie annimmt, erklärt, dass bei der Verwendung
dieses Erzeugnisses für die öffentliche Aufführung das Wettbewerbsmoment
vollständig fehle; op.cit. S. 43 f.).

    Nirgends im Schrifttum ist je in Erwägung gezogen worden,
ein originäres Aufführungsrecht des Plattenfabrikanten aus dem
Wettbewerbsrecht abzuleiten. Alle auf einen Schutz dieses Fabrikanten
abzielenden Vorschläge beruhen entweder auf der Annahme eines primär dem
ausübenden Künstler zustehenden und nachträglich auf den Plattenhersteller
übertragenen Schutzrechtes (d.h. auf der durch das Urteil Torre abgelehnten
Konstruktion), oder dann auf der Postulierung eines Schutzrechtes sui
generis auf spezialgesetzlicher Grundlage, die im geltenden schweizerischen
Recht indessen fehlt.

Erwägung 7

    7.- a) Zwischen dem ausschliesslichen Recht auf öffentliche Aufführung,
das die Klägerinnen für sich beanspruchen, und dem durch Art. 4 URG dem
Plattenfabrikanten eingeräumten Recht besteht also eine in der Natur
der beiden Rechte begründete Wesensverschiedenheit. Die Art des dem
Plattenfabrikanten gewährten Schutzes, der im Wettbewerbsrecht verwurzelt
ist, schliesst seine Erstreckung in dem von den Klägerinnen beantragten
Sinne aus. Denn eine solche Erstreckung würde ein auf den Fabrikanten
übergegangenes Urheberrecht des ausübenden Künstlers oder mindestens ein
sogenanntes Nachbarrecht zu einem solchen voraussetzen. Zu diesem Resultat
könnte man nur unter Übernahme der Fiktion gelangen, zu der der Gesetzgeber
bei der Aufstellung des Art. 4 Abs. 2 URG Zuflucht genommen hat. Aber ein
derartiges Vorgehen ist, wie bereits dargelegt wurde, mit Rücksicht auf
das Urteil Torre abzulehnen. Dass der Gesetzgeber mit der Aufstellung der
erwähnten Fiktion (die OSTERTAG, SJZ 37 S. 24, mit Recht als "juristischen
Missgriff" bezeichnet), über die angestrebte Zielsetzung, nämlich den
Schutz des Plattenherstellers gegen das Nachpressen, hinausgegangen
ist (ULMER, UFITA 33 S. 6 f.), kann nicht dazu Anlass geben, ihm auf
diesem Wege zu folgen. Es ist vielmehr immer der von der Vorschrift
angestrebte Zweck im Auge zu behalten. Dieser schliesst es aber aus, dem
Plattenhersteller, der sich weder auf ein originäres noch ein abgeleitetes
Urheberrecht berufen kann, das Ausschliesslichkeitsrecht der öffentlichen
Aufführung zu gewähren, das ein dem Urheber um der von ihm geschaffenen
ästhetischen Werte willen verliehenes Sonderrecht darstellt. Fasst man die
Schallplatte nicht in ihrer Eigenschaft als Träger der vom Komponisten oder
vom ausübenden Künstler erbrachten geistigen Leistung ins Auge, sondern
als Sachgegenstand, als Ware - und das muss man richtigerweise tun,
soweit die Rechte des Plattenherstellers in Frage stehen -, so bleibt
kein Raum für die Zuerkennung eines Rechts, das seinem Wesen nach nur
ein Urheberrecht sein kann.

    b) An diesem Ergebnis vermag auch die Revision des Urheberrechts von
1955 nichts zu ändern. Mit dieser sollte, wie ausgeführt wurde, lediglich
die interne schweizerische Urheberrechtsgesetzgebung dem Brüsseler Text
der RBUe angepasst werden, während von einer darüber hinaus reichenden
Änderung des URG bewusst abgesehen wurde (vgl. oben Erw. 4 b). Da Art. 13
RBUe nur dem Urheber, nicht auch dem Plattenhersteller Schutz gewährt
(BAPPERT-WAGNER, Internationales Urheberrecht, RBUe Art. 13 N. 20), konnte
die seinetwegen erfolgte Aufhebung von Art. 21 URG nicht eine Änderung der
Rechtsnatur des dem Plattenhersteller durch Art. 4 Abs. 2 URG eingeräumten
Schutzes bewirken und zu seinen Gunsten ein Urheberrecht zur Entstehung
bringen, kraft dessen ihm das ausschliessliche Recht auf öffentliche
Aufführung zustehen würde. Denn da nach dem Entscheid i.S. Torre der
Plattenfabrikant nur Anspruch auf einen bestimmt abgegrenzten Schutz
wettbewerbsrechtlicher Art hat, so würde bei Gutheissung der von den
Klägerinnen gestellten Begehren die Aufhebung des Art. 21 URG nicht bloss
den Wegfall der auf einer Ausnahmebestimmung beruhenden Beschränkung
der Rechte des Urhebers bewirrken, sondern es läge darin vielmehr die
Anerkennung eines neuen, seinem Wesen nach anders gearteten Rechts des
Plattenherstellers, nämlich eines eigentlichen Urheberrechts. Es steht aber
ausser Frage, dass der Aufhebung des Art. 21 URG keine derartige Tragweite
zukommen kann, die sich rechtstheoretisch nicht rechtfertigen liesse.

    c) Das vom Gesetzgeber bei der Aufstellung des Art. 4 Abs. 2 URG
gewählte gesetzestechnische Vorgehen könnte zu der Auffassung verleiten,
Art. 21 URG habe auf eine Beschränkung der Fabrikantenrechte aus
Art. 4 Abs. 2 URG abgezielt. Das war jedoch keineswegs der Zweck dieser
Bestimmung. Diese wurde, gleich wie die entsprechende Vorschrift des
deutschen Rechts (§ 22 a LUG) auf Betreiben der Instrumenten-Industrie in
das Gesetz aufgenommen, weil sich diese damals hievon eine Förderung ihres
Absatzes versprach (BLAU, Die Schallplatte im schweiz. Urheberrecht usw.,
1936, S. 14 Anm. 28, S. 63 ff.). Dieses Aufführungsrecht stand primär dem
Fabrikanten des mechanischen Instruments zu und ging von diesem mit dem
Kauf der Schallplatte auf den Erwerber über, ohne dass sich der Urheber
des Werkes dagegen zur Wehr setzen konnte (BGE 59 II 334). Art. 21 URG
bezweckte also nicht eine Beschränkung der Rechte des Plattenherstellers,
sondern dieser sollte gegenteils begünstigt werden auf Kosten des Urhebers,
dessen Nutzungsrechte eingeschränkt wurden (BUSER, ZSR 1932, S. 200 a;
BOLLA, ebenda S. 651 a). Die Aufhebung dieser Vorschrift konnte daher
nicht die Entstehung eines Rechtes des Plattenherstellers zur Folge haben,
das diesem bisher noch nicht zugestanden hatte. Die im Urteil i.S. Torre
(BGE 85 II 439) enhaltene beiläufige Bemerkung, die Gesetzesrevision von
1955 "confère aussi des droits au seul fabricant" ist zu kurz gefasst und
daher missverständlich; gemeint war "que, dans la mesure où l'art. 12
conférerait des droits aux personnes visées à l'art. 4 al. 2, ce ne
pouvait être qu'au fabricant".

    d) Sofern man der Auffassung der Klägerin folgen würde, stünde
das ausschliessliche, also gegen jeden Dritten wirkende Recht zur
öffentlichen Aufführung für ein und dasselbe Werk gleichzeitig zwei
verschiedenen, rechtlich voneinander unabhängigen Trägern zu, nämlich
einerseits dem Komponisten und anderseits dem Plattenfabrikanten. Eine
derartige Regelung widerspräche aber an sich schon dem Wesen des
absoluten Rechts. Sie erweist sich als völlig unhaltbar, wenn man ihre
praktischen Folgen in Betracht zieht: Kraft seines absoluten Rechtes
vermöchte der Plattenfabrikant jede öffentliche Aufführung, selbst
wenn sie vom Urheber erlaubt worden sein sollte, zu dessen Schaden zu
hintertreiben. Da er nicht dem Verwertungsgesetz untersteht, könnte er
überdies auf den Schallplattenkäufer einen Druck ausüben. Eine solche
Blockierungsbefugnis, die von den Verfechtern eines Aufführungsrechtes
des Plattenfabrikanten ausdrücklich zugegeben wird (ULMER, Urheber- und
Verlagsrecht, 3. Aufl. S. 439; ders. in UFITA 33 S. 13), muss jedoch als
übermässig abgelehnt werden. Das allgemeine Verbot des Rechtsmissbrauchs,
das als Korrektiv ins Feld geführt wird, vermöchte keinen ausreichenden
Schutz zu gewähren.

    Aus allen diesen Gründen kann daher nicht anerkannt werden, dass
die Aufhebung des Art. 21 URG irgendwelchen Einfluss gehabt hat auf
die Rechtsstellung, die dem Plattenfabrikanten eingeräumt wird durch
die Ausnahmebestimmung des Art. 4 Abs. 2 URG, die einen eigentlichen
Fremdkörper im System des Urheberrechts darstellt.

Erwägung 8

    8.- Die Klägerinnen glauben, das von ihnen beanspruchte
Aufführungsrecht weiter auf die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom
25. September 1940 über die Verwertung von Urheberrechten stützen zu
können. Dieses Gesetz ordnet die Erhebung von Urheberrechtsentschädigungen
für die öffentliche Aufführung musikalischer Werke. Es findet gemäss
Art. 1 Abs. 2 Ziff. 1 keine Anwendung "auf die Verwertung der dem
Hersteller mechanischer Instrumente (Art. 4 Abs. 2 URG) zustehenden
Aufführungsrechte". In dieser Bestimmung erblicken die Klägerinnen eine
authentische, für den Richter verbindliche Auslegung des Art. 4 Abs. 2
URG. Diese Auffassung, die wiederum auf einer formaljuristischen, heute
überholten Auslegungsmethode beruht, kann nicht geteilt werden.

    Das Verwertungsgesetz bezweckt nicht, die Rechte zu bestimmen,
welche dem Komponisten, dem Bearbeiter und dem Schallplattenhersteller
zustehen; diese Aufgabe fällt ausschliesslich dem URG zu. Das
Verwertungsgesetz regelt lediglich die Art und Weise, in der die Erhebung
von Urheberrechtsentschädigungen erfolgen kann, soweit nach dem URG ein
Anspruch auf solche besteht. Beim Erlass des Verwertungsgesetzes musste
also der Gesetzgeber vom Rechtszustand ausgehen, der sich auf Grund des
URG ergab; dabei musste er alle Fälle in Betracht ziehen, in denen nach dem
URG, wie es damals ausgelegt wurde, ein Entschädigungsanspruch gegeben sein
konnte. Mit Rücksicht darauf, dass nach der damaligen bundesgerichtlichen
Rechtsprechung ein (abgeleitetes) Urheberrecht des Plattenfabrikanten
anzunehmen war, musste der Gesetzgeber sich darüber aussprechen, ob auch
die Verwertung dieses Aufführungsrechts vom Verwertungsgesetz erfasst werde
(Botschaft zum Verwertungsgesetz, BBl 1940 I S. 317). Eine Stellungnahme
zu der bundesgerichtlichen Rechtsprechung liegt dagegen in der Erwähnung
eines Aufführungsrechts des Plattenherstellers nicht. Noch weniger
kann darin eine Willensbekundung des Gesetzgebers (im objektiven Sinn)
erblickt werden, über den Bestand eines solchen Rechtes zu befinden oder
auch nur der von der Rechtsprechung vertretenen Auslegung Gesetzeskraft
zuzuerkennen. Es handelte sich vielmehr einzig und allein darum,
die Verwertung des Aufführungsrechts nach Massgabe des geltenden
Rechtszustandes, der durch das Verwertungsgesetz weder geändert noch
bestätigt werden konnte und sollte, zu organisieren. Die Berufung der
Klägerinnen auf das Verwertungsgesetz ist daher unbehelflich.

Erwägung 9

    9.- Die Klägerinnen glauben schliesslich, für ihre Auffassung die
Gesichtspunkte der Rechtssicherheit und der Billigkeit ins Feld führen
zu können. Hinsichtlich der Rechtssicherheit weisen sie darauf hin,
dass man seit dem Bundesgerichtsentscheid vom Jahre 1936 allgemein davon
ausgegangen sei, dem Plattenfabrikanten stehe ein ausschliessliches
Aufführungsrecht zu; ein Abgehen von dieser Rechtsprechung müsste daher
zu einer schwerwiegenden Erschütterung der Rechtssicherheit führen. Allein
Erwägungen der Rechtssicherheit können einer Änderung der Rechtsprechung,
die sich auf Grund neuer Erkenntnisse über die rechtlichen Zusammenhänge
aufdrängt, nicht im Wege stehen, zumal wenn es sich um ein Gebiet
handelt, auf dem, wie hier, noch alles in voller Entwicklung begriffen
ist. Abgesehen hievon betraf die angerufene Rechtsprechung das Senderecht,
nicht das hier in Frage stehende Recht zur öffentlichen Aufführung von
Schallplatten, für welche die gesetzlichen Grundlagen im Jahre 1955
geändert worden sind. Anderseits ist die Rechtsprechung durch das Urteil
Torre im Jahre 1959 bereits geändert worden. Die Rechtssicherheit würde
also gerade durch das von den Klägerinnen geforderte Zurückkommen auf
jenen Entscheid in Mitleidenschaft gezogen.

    Unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit endlich machen die Klägerinnen
geltend, wenn einerseits die Urheber und anderseits die Veranstalter von
öffentlichen Aufführungen aus diesen einen finanziellen Nutzen zögen,
so müsse billigerweise auch der Plattenfabrikant durch Gewährung einer
Aufführungsentschädigung am Erfolg beteiligt werden.

    Überlegungen dieser Art liegen den Bestrebungen interessierter Kreise
zu Grunde, dem ausübenden Künstler wie auch dem Plattenfabrikanten ein dem
Urheberrecht verwandtes "Nachbarrecht" einzuräumen, wie dies im Entwurf
eines internationalen Abkommens zur Regelung dieser Fragen vorgeschlagen
wird, der an der Konferenz im Haag am 20. Juni 1960 aufgestellt worden
ist (vgl. den französischen Text in "Droit d'Auteur", 1960, S. 161, den
deutschen Text in UFITA 32 S. 320). Das geltende schweizerische Recht lässt
jedoch für derartige Billigkeitserwägungen keinen Raum. Im übrigen gibt die
in Aussicht genommene Schaffung solcher Rechte zu Gunsten der ausübenden
Künstler und der Plattenfabrikanten aus Gründen der Rechtssystematik
zu schweren Bedenken Anlass. Solche Rechte liessen sich letzten Endes
eben doch nur im Urheberrecht verwurzeln, wofür nach dem Gesagten alle
Voraussetzungen fehlen. Die schweizerische Rechtslehre steht denn auch
einer solchen Ausdehnung der Rechte jedenfalls der Plattenfabrikanten
mehrheitlich ablehnend gegenüber (TROLLER, Jurisprudenz auf dem Holzweg,
S. 60; MOLL, op.cit. S. 40; STREULI, Examen du "Projet de Convention
internationale concernant la protection des artistes interprètes
ou exécutants, des producteurs de phonogrammes et des organismes de
radiodiffusion", S. 36 ff.). Schutzwürdige Interessen der Interpreten
lassen sich auf Grund der Bestimmungen über das Persönlichkeitsrecht sowie
im Rahmen des Vertragsrechts ausreichend wahren. Die Plattenfabrikanten
sodann haben die Möglichkeit, bei der Preisgestaltung ihrer Erzeugnisse
die in Frage stehenden Gesichtspunkte einzubeziehen.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Zivilgerichts
Basel-Stadt vom 26. Mai 1961 wird bestätigt.