Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 87 II 281



87 II 281

40. Urteil der II. Zivilabteilung vom 7. Dezember 1961 i.S. Probst
gegen Probst. Regeste

    Klage auf Anfechtung der Ehelichkeit. Ausschluss der Vaterschaft des
Ehemannes auf Grund der Bestimmung des Blutfaktors S.

Sachverhalt

    A.- Mit Urteil vom 9. März 1960, das am 14. März 1960 rechtskräftig
wurde, wurden die seit dem Jahre 1952 verheirateten Eheleute Probst
u.a. wegen beidseitigen Ehebruchs geschieden. Die Ehefrau hatte vor
Gericht zugegeben, dass sie ein Kind erwarte, dessen Vater nicht der
Ehemann sei. Am 12. April 1960 gebar sie einen Knaben.

    B.- Am 12. Mai 1960 leitete Probst gegen seine geschiedene Frau und
das Kind Klage auf Anfechtung der Ehelichkeit dieses letztern ein. Während
die Mutter die Klage nicht beantwortete, erklärte der Beistand des Kindes
in seiner Klageantwort u.a., die Mutter gebe zu, dass dieses nicht vom
Ehemann gezeugt worden sei und dass sie im Sommer 1959 mehrmals mit
R. Geschlechtsverkehr gehabt habe. R. bestätigte dies als Zeuge.

    Das Gerichtlich-medizinische Institut der Universität Basel
(Dr. med. A. Christe) kam in seinem Gutachten vom 18. November 1960
zum Schluss, der Kläger könne auf Grund der Bestimmung der klassischen
Blutgruppen, der M- und N-Faktoren, der Rhesusfaktoren und der Faktoren
Kell und Duffya als Vater des Kindes nicht ausgeschlossen werden,
fügte aber bei, das von ihm mit einer Paralleluntersuchung beauftragte
Zentrallaboratorium des Blutspendedienstes des Schweiz. Roten Kreuzes (SRK)
in Bern habe die ihm eingesandten Blutproben auch mit einem Anti-S-Serum
geprüft; dabei habe sich ergeben, dass das Blut der Mutter und des Klägers
mit diesem Serum negativ reagiere, das Blut des Kindes dagegen positiv;
gestützt hierauf wäre der Kläger als Vater auszuschliessen; bevor dieser
S-Ausschluss forensisch verwertet werde, sollte er jedoch gemäss Mitteilung
von Dr. A. Hässig (Direktor des genannten Laboratoriums) an einer frischen
Blutprobe überprüft und durch einen weitern Experten bestätigt werden.

    Nachdem die Untersuchung neuer Blutproben durch das Zentrallaboratorium
des Blutspendedienstes des SRK in Bern und durch den über ein Anti-S-Serum
anderer Herkunft verfügenden Leiter des Blutspendezentrums des SRK in
Zürich, Dr. M. Metaxas, den frühern Befund bestätigt (und die zusätzlich
durchgeführte Bestimmung der Haptoglobingruppen Hp1 und Hp2 kein die
Vaterschaft des Klägers ausschliessendes Ergebnis gezeitigt) hatte,
erstattete Dr. A. Hässig am 19. Januar 1961 ein Gutachten, worin er mit
einlässlicher Begründung erklärte, nach seiner Auffassung werde das (1947
entdeckte) Merkmal S des MNS-Blutgruppensystems mit praktischer Sicherheit
entsprechend den Mende l'schen Erbgesetzen dominant von den Eltern auf
die Kinder vererbt; die Sicherheit einer forensischen S-Bestimmung sei bei
kunstgerecht vorgenommener Untersuchung und bei Bestätigung des Befundes
durch einen zweiten Experten derjenigen einer forensischen Bestimmung
z.B. der Faktoren M und N oder der Rhesusfaktoren gleichzustellen;
nach dem heutigen Stande des Wissens über den Erbgang und die Serologie
des Merkmals S sei einem S-Ausschluss unter der Voraussetzung einer
kunstgerecht durchgeführten Untersuchung derselbe Beweiswert beizumessen
wie einem Rhesus-Ausschluss in den Jahren 1951-1954; da bereits damals
einem solchen Ausschluss das Prädikat der "an Sicherheit grenzenden
Wahrscheinlichkeit" erteilt worden sei (BGE 79 II 17 ff., 80 II 10 ff.),
erscheine es dem Sachverständigen als gegeben, dieses Prädikat heute auch
einem S-Ausschluss zu erteilen; für den vorliegenden Fall folge hieraus,
dass der Kläger auf Grund der Bestimmung des Blutfaktors S unter der
Voraussetzung einer sicher erwiesenen Mutterschaft der Erstbeklagten mit
an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als Vater des Zweitbeklagten
auszuschliessen sei; seine Vaterschaft stünde im Widerspruch zu den
Erbgesetzen des MNS-Blutgruppensystems.

    In der Hauptverhandlung vor Amtsgericht erklärte die Mutter, sie
anerkenne die Klage, wogegen der Beistand des Kindes auf Abweisung der
Klage schloss.

    Mit Urteil vom 21. Februar 1961 stellte das Amtsgericht in
Gutheissung der Klage fest, dass der Zweitbeklagte ausserehelicher Sohn
der Erstbeklagten sei.

    C.- Das Obergericht des Kantons Solothurn, an das der Beistand des
Kindes die Sache weiterzog, hat am 29. September 1961 das erstinstanzliche
Urteil bestätigt.

    D.- Mit seiner Berufung an das Bundesgericht beantragt der Beistand
des Kindes in dessen Namen, die Klage sei abzuweisen. Der Kläger beantragt
Abweisung der Berufung.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Obwohl zwischen Mutter und Kind gemäss Art. 253 Abs. 2 ZGB eine
notwendige passive Streitgenossenschaft besteht, ist auf die vom Kind
allein erklärte Berufung einzutreten. Die Mutter, die schon vor Obergericht
nicht mehr am Prozess teilgenommen hat, ist im bundesgerichtlichen
Verfahren nicht als Partei zu behandeln, doch wird das Urteil des
Bundesgerichts für sie in gleicher Weise wie für den Kläger und das Kind
massgebend sein (vgl. zu alledem BGE 82 II 1 ff.).

Erwägung 2

    2.- Da der Zweitbeklagte innerhalb einer Frist von dreihundert Tagen
nach Auflösung der Ehe geboren wurde, ist seine Ehelichkeit gemäss Art. 252
Abs. 1 ZGB zu vermuten. Der Kläger vermag seine Klage auf Anfechtung
der Ehelichkeit dieses Kindes, das nicht etwa vor dem hundertachtzigsten
Tage nach Abschluss der Ehe, sondern erst mehrere Jahre nach der Heirat
zur Welt kam, gemäss Art. 254 ZGB nur durch den Nachweis zu begründen,
dass er unmöglich dessen Vater sein könne.

    Nach der Rechtsprechung, die das Bundesgericht seit 1945 ständig
befolgt, kann die Blutprobe zu diesem Nachweis dienen; die Unmöglichkeit
der Vaterschaft des Ehemannes ist als erwiesen zu betrachten,
wenn das Ergebnis einer fachgerecht durchgeführten Blutuntersuchung
seine Vaterschaft mit Sicherheit oder mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit ausschliesst und bereits durch andere Beweismittel
Tatsachen dargetan sind, die eine aussereheliche Erzeugung des Kindes
als möglich erscheinen lassen (BGE 87 II 15 mit Hinweisen).

    Diese letzte Voraussetzung ist im vorliegenden Falle zweifellos
erfüllt. Die Vorinstanz hat festgestellt, durch das Zeugnis des
R. und das von ihr als glaubwürdig erachtete Zugeständnis der Mutter
sei nachgewiesen, dass diese in der Empfängniszeit ausserehelichen
Geschlechtsverkehr pflog. Diese Feststellung ist gemäss Art. 63 Abs. 2
OG für das Bundesgericht verbindlich.

    Die Blutuntersuchung ist, wie die Vorinstanz ebenfalls in verbindlicher
Weise festgestellt hat, von einem ihr (wie übrigens auch dem Bundesgericht)
als zuverlässig und fachkundig bekannten Sachverständigen einwandfrei
durchgeführt worden. Eine von einem andern Fachmann mit einem Serum
anderer Herkunft durchgeführte Kontrolluntersuchung hat den Befund des
gerichtlichen Sachverständigen bestätigt. Indem die Vorinstanz die
auf diesen Befund gestützte Schlussfolgerung des Sachverständigen,
dass der Kläger mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als
Vater auszuschliessen sei, als überzeugend würdigte, hat sie keine
Vorschrift des Bundesrechts verletzt. Es kann keine Rede davon sein,
dass der Sachverständige den Begriff der an Sicherheit grenzenden
Wahrscheinlichkeit und damit die gesetzlichen Anforderungen an den vom
Kläger zu leistenden Beweis verkannt habe. Der Beistand des Kindes macht
dies denn auch nicht geltend, sondern beschränkt sich darauf, ohne nähere
Begründung zu behaupten, das vorliegende Gutachten, das sich auf die
Bestimmung des Blutfaktors S stützt, reiche zum Nachweis der Unmöglichkeit
der Vaterschaft des Klägers im Sinne von Art. 254 ZGB nicht aus. Damit
vermag er nicht darzutun, dass die gegenteilige Auffassung der Vorinstanz
bundesrechtswidrig sei.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichtes des
Kantons Solothurn vom 29. September 1961 bestätigt.