Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 87 II 270



87 II 270

38. Urteil der I. Zivilabteilung vom 21. September 1961 i.S. Scheiber
gegen Rosenberg Colorni. Regeste

    Internationales Privatrecht

    a)  Die erst im kantonalen Kassationsverfahren oder im eidgenössischen
Berufungsverfahren zustande kommende Einigung über das anzuwendende Recht
ist nicht zu beachten (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG).

    b)  Welchem Recht untersteht der Auftrag?

    c)  Nach welchem Recht beurteilt sich, ob von mehreren Personen
einzelne durch Abrede mit den andern als Auftraggeber ausgeschieden sind?

    d)  Die Rückweisung an den kantonalen Richter zur Anwendung
ausländischen Rechts (Art. 65 OG) unterbleibt, wenn sie nicht zu einem
anderen Urteil führen könnte.

Sachverhalt

    A. - Ignazio Rosenberg Colorni, Graf Mazzotti, die Società
Commerciale Latina und Marcello Treves bedienten sich der im Jahre 1924
gegründeten und in Mailand niedergelassenen Società Anonima Bavaria,
um Vermögen in Münchner Grundbesitz anzulegen. Sie beauftragten den
in Zürich niedergelassenen Luigi Scheiber mit der Abwicklung der damit
verbundenen Geschäfte. Scheiber erhielt im Jahre 1925 Vollmacht der SA
Bavaria. Er erwarb die Liegenschaften im Namen verschiedener deutscher
Aktiengesellschaften und liess sich als deren Geschäftsführer einsetzen.

    Die Società Commerciale Latina und Treves schieden in der Folge aus
dem Konsortium aus. Ignazio Rosenberg Colorni und Graf Mazzotti gaben
Scheiber davon im Jahre 1929 Kenntnis.

    Im Jahre 1930 starb Ignazio Rosenberg Colorni. An seine Stelle traten
seine Söhne Roberto und Eugenio. Sie erwarben schenkungsweise auch den
Anteil, den Mazzotti am Vermögen des Konsortiums hatte.

    Die SA Bavaria wurde am 14. Dezember 1927 aufgelöst und in der Folge
von Scheiber liquidiert. Die Liquidationsbilanz trägt das Datum des
17. November 1937.

    Scheiber besass fortan noch die Aktien der in München niedergelassenen
Grundbesitz-Aktiengesellschaft Trautenwolfstrasse. Am 13. November
1953 wandelte er diese Gesellschaft in die Grundbesitz-Gesellschaft
Trautenwolfstrasse G.m.b.H. um. Von deren Stammkapital von DM 150 000
liess er sich selbst DM 97 500 und dem Zürcher Rechtsanwalt Dr. Otto
Graemiger DM 52 500 zuschreiben.

    B. - Mit Klage vom 16. Mai 1958 beantragten Roberto und Eugenio
Rosenberg Colorni dem Bezirksgericht Zürich, Scheiber zu verpflichten,
die Anteile an der Grundbesitz-Gesellschaft Trautenwolfstrasse G.m.b.H. auf
die Banca Solari SA in Lugano, eventuell den Anteil Scheibers auf Roberto
Rosenberg Colorni und den Anteil Graemigers auf Eugenio Rosenberg Colorni
zu übertragen und über seine Geschäftsführung als Beauftragter der
Kläger hinsichtlich aller Anteile an der erwähnten G.m.b.H. Rechenschaft
abzulegen.

    Der Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Er anerkannte, dass er
die Anteile an der Grundbesitz-Gesellschaft Trautenwolfstrasse G.m.b.H. nur
zu treuen Handen besitze, machte jedoch unter anderem geltend, die Kläger
seien nicht legitimiert, die Klagebegehren zu stellen, weil sie sich
nicht darüber ausgewiesen hätten, dass sie die einzigen Auftraggeber seien.

    Das Bezirksgericht Zürich bejahte am 25. Mai 1960 die Aktivlegitimation
der Kläger, und auf Berufung des Beklagten bestätigte das Obergericht
des Kantons Zürich am 18. November 1960 diesen Vorentscheid. Der Beklagte
führte kantonale Nichtigkeitsbeschwerde. Das Kassationsgericht des Kantons
Zürich hiess sie am 8. Mai 1961 in dem Sinne teilweise gut, dass es eine
Hilfsbegründung des obergerichtlichen Urteils strich. Im übrigen wies es
die Beschwerde ab, soweit es auf sie eintrat.

    C. - Der Beklagte hat gegen das Urteil des Obergerichts die Berufung
erklärt. Er beantragt dem Bundesgericht, den angefochtenen Entscheid
aufzuheben und die Einwendung der fehlenden Aktivlegitimation gutzuheissen.

    Die Kläger beantragen, die Berufung abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Sollten die Kläger nicht legitimiert sein, die eingeklagten
Ansprüche geltend zu machen, so würde sich ein weitläufiges Beweisverfahren
über deren Begründetheit erübrigen. Unter dem Gesichtspunkt des Art. 50
OG ist daher die Berufung gegen den angefochtenen Vorentscheid zulässig.

Erwägung 2

    2.- Nach dem internationalen Privatrecht der Schweiz ist auf den
Schuldvertrag jene Rechtsordnung anzuwenden, der die Parteien sich durch
Vereinbarung unterwerfen, und mangels einer Vereinbarung das Recht jenes
Staates, mit dem der Vertrag räumlich am engsten zusammenhängt (BGE 78 II
77 f., 79 II 297 f., 81 II 393). Die übereinstimmende Unterwerfung unter
ein bestimmtes Recht kann auch noch im Prozess erfolgen (BGE 79 II 295 ff.,
80 II 46, 50, 180, 81 II 176, 82 II 129).

    Die Parteien haben nicht vereinbart, welches Recht anzuwenden
sei. Eine Einigung wurde auch im Prozess nicht erzielt. Im Gegensatz
zu den Klägern, die schweizerisches Recht für anwendbar hielten,
berief der Beklagte sich vor dem Bezirksgericht auf italienisches und
deutsches Recht, und vor dem Obergericht änderte er seine Stellungnahme
nicht. Im kantonalen Kassationsverfahren warf er dem Obergericht dann
unter anderem die Verletzung der Art. 8 ZGB und 530 f. OR vor, und auch
in der Berufungsschrift erachtet er jene Bestimmung als verletzt. Das
sind jedoch Standpunkte, die neu sind und daher gemäss Art. 55 Abs. 1
lit. c OG nicht berücksichtigt werden dürfen.

    Der Beklagte ist Beauftragter. Das Rechtsverhältnis, aus dem ihn die
Kläger belangen, hängt am engsten mit der Schweiz zusammen, in der er
während der ganzen Dauer des Auftrages wohnte und noch heute Wohnsitz
hat und daher Rechenschaft ablegen muss (BGE 67 II 181, 77 II 93;
SCHÖNENBERGER/JÄGGI, Komm. zum OR, 3. Aufl., allg. Einl. N. 291).

    Das Obergericht hat jedoch noch nicht über die Rechte und Pflichten
der Parteien aus dem Auftrag geurteilt, sondern nur entschieden, dass
die Rechte des Konsortiums, das ursprünglich Auftraggeber war, heute
ausschliesslich den Klägern zustehen. Ob das zutrifft, beurteilt sich
nicht nach der auf den Auftrag anwendbaren Rechtsordnung, denn die Parteien
streiten nicht darüber, ob die Rechte des Auftraggebers in einer auch für
den Beklagten gültigen Weise abgetreten worden seien, sondern sind uneins,
ob diese auf Grund interner Vorgänge im Konsortium heute allein Anspruch
auf Übergabe des Treugutes und Ablegung von Rechenschaft haben. Das kommt
darin zum Ausdruck, dass der Beklagte in materiellrechtlicher Hinsicht nur
geltend macht, der angefochtene Entscheid verletze gesellschaftsrechtliche
Bestimmungen. Es geht nur um das dem Übergang der Rechte zugrunde liegende
Rechtsgeschäft. Dieses untersteht seinem eigenen Recht (SCHÖNENBERGER/JÄGGI
aaO N. 377), nämlich entweder dem italienischen, weil die Glieder des
Konsortiums anscheinend alle in Italien niedergelassen waren, oder dem
deutschen, weil sich die entscheidenden Handlungen zur Erreichung des
Gesellschaftszweckes in Deutschland abgewickelt haben, jedenfalls nicht
dem vom Obergericht für anwendbar gehaltenen schweizerischen Recht.

    Da ausländisches Recht auf die Streitfrage ausschliesslich zutrifft,
kommt seine Anwendung durch das Bundesgericht gemäss Art. 65 OG nicht in
Frage. Anderseits erübrigt es sich, die Sache nach Art. 60 Abs. 1 lit. c OG
zur Fällung eines neuen Vorentscheides an das Obergericht zurückzuweisen,
denn er würde nicht anders ausfallen als der angefochtene (vgl. BGE 49 II
236 Erw. 2). Das Obergericht schliesst aus Briefen des Beklagten an die
Kläger und deren Anwalt, der Beklagte habe schon im Jahre 1929 gewusst,
dass von den ursprünglichen Gesellschaftern alle ausser dem Vater der
Kläger und dem Grafen Mazzotti aus dem Konsortium ausgeschieden waren,
und es sei ihm auch bekannt geworden, dass Graf Mazzotti später seinen
Anteil den Klägern schenkte. Auch aus dem Umstande, dass der Beklagte den
Erlös aus dem liquidierten Vermögen den Klägern überwies und mit ihnen
über die Vergütung für seine Dienste einig geworden sein will, leitet
es ab, dass nur noch sie Auftraggeber seien. Er hält dem Beklagten vor,
er müsse sich darüber im klaren sein, dass durch den Brief der Dresdener
Bank vom 8. Dezember 1937, in dem neben den Klägern auch von Mazzotti,
von der Società Commerciale Latina und Treves die Rede sei, sowie durch
die Vollmachten der beiden letzteren aus devisenrechtlichen Gründen eine
unveränderte Fortdauer eines früheren Zustandes nur habe vorgetäuscht
werden wollen. Alle diese Überlegungen sind Beweiswürdigung, und das
Ergebnis, zu dem sie führt, nämlich dass Dritte auf das Treugut keinen
Anspruch mehr haben, ist eine tatsächliche Feststellung. Bei dieser hätte
es selbst dann sein Bewenden, wenn die Sache zur Anwendung ausländischen
Rechts an das Obergericht zurückgewiesen würde. Sie schlösse die Verneinung
der Aktivlegitimation der Kläger selbst dann aus, wenn das Obergericht
die Rechtsgeschäfte über das Ausscheiden der andern Gesellschafter im
Lichte des italienischen oder deutschen Rechts betrachten würde. Nicht
seine Auffassung, dass schweizerisches Recht anwendbar sei, sondern
die Überzeugung, dass irgendwelche nicht näher bekannte Vorgänge die
andern Gesellschafter zur Aufgabe ihrer Rechte am Gesellschaftsvermögen
veranlasst haben, hat das Obergericht zur Bejahung der Aktivlegitimation
bestimmt. Auch seine Ausführungen über die Beweislast, die seines Erachtens
der Beklagte trägt, waren nicht entscheidend und können es nicht sein. Von
der Beweislast hinge der Entscheid über die Aktivlegitimation nur ab,
wenn über das Ausscheiden der Società Commerciale Latina des Treves und
des Grafen Mazzotti Zweifel beständen.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Auf die Berufung wird nicht eingetreten.