Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 87 II 218



87 II 218

32. Urteil der II. Zivilabteilung vom 6. Jull 1961 i.S. Bank Y. gegen X.
Regeste

    Abtretung (bezw. Verpfändung) eines angefallenen Erbanteils an
einen Dritten (Art. 635 Abs. 2 ZGB). Rechtsstellung des Erwerbers
(Pfandgläubigers). Anzeige an die Miterben des Abtretenden (Verpfänders)
oder an den Willensvollstrecker. Entsprechende Anwendung von
Art. 167 OR bezw. Art. 906 Abs. 2 ZGB? Wird der Willensvollstrecker
gegenüber dem Erwerber (Pfandgläubiger) schadenersatzpflichtig,
wenn er Erbschaftsgegenstände ohne Rücksicht auf die ihm angezeigte
Abtretung (Verpfändung) des Erbanteils dem Abtretenden (Verpfänder)
abliefert?Adäquater Kausalzusammenhang zwischen der dem Willensvollstrecker
vorgeworfenen Pflichtverletzung und dem behaupteten Schaden?

    Die Vorauswürdigung von Beweisen verstösst nicht gegen bundesrechtliche
Beweisvorschriften im Sinne von Art. 63 Abs. 2 OG. Offensichtliches
Versehen? (Art. 55 lit. d und Art. 63 Abs. 2 OG).

Sachverhalt

    A.- Der am 5. März 1954 in Luzern verstorbene Jean Gustave R.,
der als gesetzliche Erben seine Ehefrau und drei erwachsene Kinder
hinterliess und dessen reiner Nachlass Fr. 1'200,000.-- ausmachte, hatte
seiner Ehefrau testamentarisch die lebenslängliche Nutzniessung an seinem
gesamten Nachlass zugewendet (Art. 473 ZGB) und Rechtsanwalt X. in Luzern
zum Willensvollstrecker ernannt. Am 28. Oktober 1954 teilte die Bank
Y. diesem brieflich mit, der Erbe Paul R. (damals Verwaltungsratspräsident
und Direktor der R. AG in Luzern) habe seinen mit dem Nutzniessungsrecht
seiner Mutter belasteten Erbanspruch, der sich nach Abzug von Vorempfängen
auf rund Fr. 200'000.-- belaufe, an sie abgetreten. X. bestätigte am
29. Oktober 1954 den Empfang dieses Schreibens, teilte der Bank mit,
er habe in seiner Eigenschaft als Willensvollstrecker die Abtretung
vorgemerkt, und fragte die Bank, ob sie an den Erbenverhandlungen
teilzunehmen und von ihm regelmässig über das ganze Geschehen orientiert
zu werden wünsche. Die Bank antwortete am 30. Oktober 1954, dass sie
hierauf keinen Wert lege und die Vertretung des Erbanspruchs gegenüber
dem Willensvollstrecker und den Miterben Paul R. überlasse; nötigenfalls
werde sie wieder an den Willensvollstrecker gelangen.

    B.- Im Dezember 1954 räumte die Bank der R. AG zum schon bestehenden,
von Paul R. solidarisch verbürgten Kredit von Fr. 150'000.-- hinzu einen
neuen Kredit von Fr. 120'000 ein, zu dessen Sicherstellung die erwähnte
Abtretung dienen sollte. Am 26. Januar 1955 schrieb sie Paul R., es habe
sich herausgestellt, dass aus rechtlichen Gründen nicht eine Abtretung,
sondern eine Pfandverschreibung vorzunehmen sei, und stellte ihm ein
entsprechendes Formular zu. Gemäss dieser Aufforderung unterzeichnete
R. eine auf den 27. Oktober 1954 zurückdatierte Urkunde über die
Verpfändung seines Erbanteils. Hievon gab die Bank dem Willensvollstrecker
keine Kenntnis.

    C.- Auf Anmeldung des Willensvollstreckers hin wurden am 17. April
1955 Paul R. als Eigentümer und Frau Witwe R. als Nutzniesserin der zum
Nachlass gehörenden Liegenschaft in Vallorbe im Grundbuch eingetragen.

    Am 10. August 1955 bat die Bank den Willensvollstrecker unter
Anspielung auf veränderte Verhältnisse, sie über den Stand des Nachlasses
und der Erbenverhandlungen zu unterrichten, was auch mündlich gegenüber
Direktor Z. geschehen könne. Hierauf suchte X. diesen am 11. oder
12. August 1955 auf. Was dabei gesprochen wurde, ist streitig und nicht
abgeklärt.

    In der Folge versuchte die Bank vergeblich, Paul R. zum Verkauf der
Liegenschaft in Vallorbe zu bewegen.

    Nach dem am 31. Oktober 1955 unter Mitwirkung des Willensvollstreckers
abgeschlossenen endgültigen Erbteilungsvertrag wurde Paul R., dem die
Liegenschaft in Vallorbe zu Fr. 188'000.-- angerechnet wurde, seinen
Schwestern eine Ausgleichungssumme von rund Fr. 33'000.-- schuldig. Zur
Sicherstellung dieses Guthabens der Miterbinnen wurde auf der erwähnten
Liegenschaft das gesetzliche Grundpfandrecht im Sinne von Art. 837 Ziff. 2
ZGB eingetragen.

    D.- Am 2. November 1955 erwirkte die R. AG eine Nachlassstundung, die
am 16. Mai 1956 zu einem Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung führte. In
der Folge zeigte sich, dass auch Paul R. um Stundung werde nachsuchen
müssen. Bevor ihm diese am 31. Oktober 1956 gewährt wurde, suchte ihn die
Bank zu bestimmen, zur Sicherstellung ihrer Ansprüche einen Schuldbrief
auf der Liegenschaft in Vallorbe errichten zu lassen. Auf Rat seines
Anwalts verweigerte jedoch R. seine Einwilligung mit der Begründung, die
Pfandbestellung könnte ihm im Nachlassverfahren als unredliche oder sehr
leichtfertige Handlung ausgelegt werden. Die Bank gab X. am 13. September
1956 hievon Kenntnis und ersuchte ihn im Hinblick auf Regressansprüche,
die sie gegen ihn geltend machen könnte, um Stellungnahme. X. bezeichnete
in seiner Antwort vom 15. September 1956 die Auffassung R.s unter Hinweis
auf Entscheidungen des Bundesgerichts als unzutreffend und lehnte die
angemeldeten Regressansprüche ab. Am 26. März 1957 wurde der von Paul
R. vorgeschlagene Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung gerichtlich
bestätigt.

    E.- Im anschliessenden Nachlassliquidationsverfahren kollozierte
der Liquidator die von der Bank angemeldeten Forderungen von insgesamt
Fr. 277'260.55 in 5. Klasse. Das "Generalpfandrecht", das die Bank dafür
beanspruchte, anerkannte er nicht. Die Kollokationsklage, mit welcher
die Bank ihren Pfandanspruch durchzusetzen suchte, wurde vom Amtsgericht
Luzern-Stadt mit Urteil vom 22. Mai 1959 (das rechtskräftig wurde)
abgewiesen. X., dem die Bank den Streit verkündet hatte, lehnte es ab,
am Prozess teilzunehmen.

    F.- Am 28. März 1960 reichte die Bank gegen X. Klage ein mit dem
Begehren, der Beklagte habe ihr Fr. 150'000.-- nebst 5% Zins seit 1.
Januar 1960 zu bezahlen. Zur Begründung machte sie im wesentlichen
geltend, die Verpfändung des Erbanteils sei dem Beklagten angezeigt
worden. Dieser sei deshalb verpflichtet gewesen, entweder der Klägerin
von der beabsichtigten Übertragung der Liegenschaft ins Alleineigentum
R.s Kenntnis zu geben und ihre Weisungen einzuholen oder mit der
Eigentumsübertragung ein Pfandrecht zu ihren Gunsten zur Eintragung im
Grundbuch anzumelden. Der Beklagte habe es auch unterlassen, die Klägerin
nach ihrer brieflichen Erkundigung vom 10. August 1955 über die erfolgte
Eigentumsübertragung und den bevorstehenden Abschluss der Erbteilung zu
unterrichten. Deswegen habe sie einen Verlust von rund Fr. 150'000.--
erlitten, den ihr der Beklagte zu ersetzen habe.

    Der Beklagte bestritt seine Haftung mit der Begründung, ein Schaden sei
nicht bewiesen und liesse sich auch nicht auf ein ihm zur Last fallendes
rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten zurückführen. Ihm sei eine
Abtretung, nicht eine Verpfändung angezeigt worden. Die Klägerin habe auf
eine Orientierung über den Gang der Erbteilung ausdrücklich verzichtet. Für
ihn habe daher kein Grund bestanden, ihr von der bevorstehenden Übertragung
der Liegenschaft an R. Kenntnis zu geben. Bei diesem Grundbuchgeschäft habe
er keine Vorkehren zu ihren Gunsten treffen können. Auf das Schreiben vom
10. August 1955 hin habe er ihr über den Stand der Erbschaftsangelegenheit
und die erfolgte Übertragung der Liegenschaft Auskunft gegeben. Die
Klägerin habe es unterlassen, die gegebenen Schritte zur Sicherung ihres
Pfandrechts zu unternehmen. Sie habe daher einen allfälligen Schaden
ihrem eigenen Verhalten zuzuschreiben. Der Schadenersatzanspruch wäre
übrigens verjährt, da die Klägerin schon im Herbst 1955 gewusst habe,
dass ihre Forderung ungedeckt sei.

    In Übereinstimmung mit dem Amtsgerichte Luzern-Stadt hat das
Obergericht des Kantons Luzern (I. Kammer) mit Urteil vom 5. Dezember
1960 die Klage abgewiesen.

    G.- Gegen dieses Urteil hat die Klägerin die Berufung an das
Bundesgericht erklärt mit den Anträgen, die Beklagte sei zu verurteilen,
ihr Fr. 150'000.-- nebst 5% Zins seit 1. Januar 1960 zu bezahlen;
eventuell sei die Sache zur Aktenergänzung (Einvernahme der Zeugen Z.,
F. und B.) und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    Der Beklagte schliesst auf Bestätigung des angefochtenen Urteils.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Klägerin macht geltend, der Beklagte habe ihr gegenüber
eine Vertragsverletzung und zugleich eine unerlaubte Handlung begangen,
indem er die zum Nachlass von Jean Gustave R. gehörende Liegenschaft in
Vallorbe an ihren Schuldner Paul R. übertragen habe, ohne ihre Zustimmung
einzuholen oder für die Deckung ihrer Forderungen zu sorgen, obwohl sie
ihm die Verpfändung bzw. Abtretung des Erbanspruchs von Paul R. an sie
angezeigt und er diese Abtretung vorgemerkt habe. Weder der eine noch der
andere der von der Klägerin angerufenen Haftungsgründe ist jedoch gegeben.

    a) Während nach deutschem Recht der Erwerber eines Erbteils anstelle
des Veräusserers in das unter den Erben bestehende Gesamthandsverhältnis
eintritt (vgl. §§ 2033 ff. BGB und STAUDINGER, 11. Aufl., Bem. zu § 2033,
insbesondere N. 16 und 19), bestimmt Art. 635 Abs. 2 ZGB, dass Verträge
über die Abtretung angefallener Erbanteile, die ein Erbe mit einem
Dritten abschliesst, diesem kein Recht auf Mitwirkung bei der Teilung,
sondern nur einen Anspruch auf den Anteil geben, der dem Erben aus der
Teilung zugewiesen wird. Zur Teilung gehört auch dann, wenn keine
Realteilung (Art. 634 Abs. 1 ZGB, erster Fall) stattfindet, sondern
ein Teilungsvertrag abgeschlossen wird, nicht bloss die Feststellung,
welche Gegenstände die einzelnen Erben als ihr Betreffnis erhalten sollen,
sondern auch die Übertragung dieser Gegenstände an sie. Der Dritte, der
sich von einem Erben den diesem angefallenen Erbanteil "abtreten" lässt,
kann also nicht verlangen, dass die Miterben seines Vertragspartners
diese Gegenstände ihm aushändigen, da dies auf eine Einmischung in die
Teilung hinausliefe. Vielmehr verleiht ihm Art 635 Abs 2 ZGB nur einen
obligatorischen Anspruch gegen den Veräusserer, dahingehend, dass dieser
die Gegenstände, die er bei der Teilung erhalten wird, an ihn übertrage
(so auch die einhellige Lehre; vgl. TUOR N. 22-25 und ESCHER, 3. Aufl.,
N. 18, 19 und 24 zu Art. 635 ZGB, sowie BECK, Schweiz. Jur. Kartothek
Nr. 790 lit. A Ziff. 2). Es kann keine Rede davon sein, dass die fraglichen
Gegenstände, sobald der Veräusserer sie entgegengenommen hat, von selbst
ins Eigentum des Erwerbers des Erbanteils übergehen.

    b) Der Erwerber kann die Gefahren, denen er infolge dieser prekären
Rechtsstellung ausgesetzt ist, wenigstens zum Teil abwenden, indem er sich
vom Veräusserer ermächtigen lässt, diesen bei der Erbteilung zu vertreten
(vgl. hiezu TUOR N. 19 und 24, und ESCHER, 3. Aufl., N. 20 zu Art.
635 ZGB), oder indem er auf Grund von Art. 609 Abs. 1 ZGB verlangt,
dass anstelle des Veräusserers die zuständige Behörde bei der Teilung
mitwirke. Im ersten Falle wird das Erbbetreffnis des Veräusserers ihm
ausgehändigt; im zweiten nimmt es die Behörde für ihn entgegen (TUOR N. 15,
und ESCHER, 3 Aufl., N. 13 zu Art. 609 ZGB; vgl. auch BGE 85 II 606,
wo die Aufgaben der Behörde bei der Auseinandersetzung mit den Miterben
des von ihr vertretenen Erben umschrieben sind und festgestellt wird,
dass als "Gläubiger", der nach Art. 609 ZGB die behördliche Mitwirkung
bei der Teilung verlangen kann, auch der Zessionar eines Erbanteils zu
gelten hat). Der Erwerber kann sich auf diese Weise gegen die Gefahr
schützen, dass der Veräusserer bei der Teilung seine Interessen verletzt
oder die aus der Teilung empfangenen Gegenstände nicht an ihn überträgt,
sondern darüber anderweitig verfügt (wogegen freilich wegen der bloss
obligatorischen Wirkung der "Abtretung" eines Erbanteils, an der durch
die rechtsgeschäftliche Ermächtigung des Erwerbers zur Vertretung des
Veräusserers oder durch die Mitwirkung der Behörde bei der Teilung
nichts geändert wird, ein Zugriff der Gläubiger des Veräusserers auf
dessen Erbanteil bezw. die ihm zugewiesenen Gegenstände möglich bleibt,
solange diese nicht an den Erwerber übertragen worden sind).

    c) Im Unterschied zu den eben erwähnten Rechtsbehelfen bildet die
Anzeige der Abtretung an die Miterben des Veräusserers kein taugliches
Mittel, um dafür zu sorgen, dass der Erwerber das ihm gebührende
Betreffnis erhalte. Da die Abtretung eines Erbanteils an einen Dritten
ausser der in Art. 609 ZGB vorgesehenen Befugnis nur einen obligatorischen
Anspruch des Erwerbers gegen den Veräusserer auf Übertragung der diesem
zugewiesenen Gegenstände begründet, den Anspruch des Veräusserers auf
Aushändigung dieser Gegenstände durch die Erbengemeinschaft dagegen nicht
auf den Erwerber übergehen lässt, stellt sie keine Abtretung im üblichen
Sinne dar, durch welche ein Recht des Abtretenden gegen einen Dritten
auf den Erwerber übertragen würde und auf welche die Bestimmungen von
Art. 164 ff. OR entsprechend angewendet werden könnten. Die Miterben
des Abtretenden haben entgegen der Auffassung der Klägerin und der
Vorinstanz nicht die Stellung eines Drittschuldners, der sich, nachdem
ihm die Abtretung angezeigt worden ist, von seiner Verbindlichkeit nur
noch durch Leistungen an den - durch die Abtretung zu seinem Gläubiger
gewordenen - Erwerber gültig befreien könnte (Art. 167 OR). Die Abtretung
eines Erbanteils an einen Dritten lässt vielmehr zwischen diesem und den
Miterben des Veräusserers überhaupt keine rechtlichen Beziehungen entstehen
(vgl. TUOR, N. 23, und ESCHER, 3. Aufl., N. 24 zu Art. 635 ZGB). Die
Anzeige an die Miterben kann demzufolge höchstens die Wirkung haben, diese
davon abzuhalten, vom Veräusserer eine Abtretung im Sinne von Art. 635
Abs. 1 ZGB entgegenzunehmen (vgl. über die - umstrittenen - Rechtsfolgen
der mehrfachen Abtretung eines Erbanteils TUOR N. 30 und ESCHER, 3. Aufl.,
N. 23 zu Art. 635 ZGB). Dagegen kann eine solche Anzeige, auch wenn die
Miterben bestätigen, sie zur Kenntnis genommen zu haben, nichts daran
ändern, dass die Erbengemeinschaft das Erbbetreffnis des Veräusserers
diesem selber auszuhändigen hat, sofern nicht ein rechtsgeschäftlich
bestellter Vertreter oder gemäss Art. 609 ZGB die zuständige Behörde für
ihn handelt.

    d) Die Anzeige der Abtretung an den Willensvollstrecker kann
keine weitergehenden Folgen haben als die Anzeige an die Miterben des
Veräusserers. Da sich die Wirkungen der Abtretung eines Erbanteils an einen
Dritten gemäss Art. 635 Abs. 2 ZGB auf das Verhältnis zwischen diesem
und dem Veräusserer beschränken, ist der zur Ausführung der Erbteilung
berufene Willensvollstrecker auch dann, wenn er von dieser Abtretung
Kenntnis erhalten hat, so wenig wie die über die Abtretung unterrichtete
Erbengemeinschaft befugt, geschweige denn verpflichtet, das Erbbetreffnis
des Veräusserers dem Erwerber auszufolgen, es sei denn, dieser habe sich
vom Veräusserer ermächtigen lassen, ihn bei der Erbteilung zu vertreten.

    e) Eine solche Vollmacht hat die Klägerin nicht eingeholt. Sie hat
es auch unterlassen, gemäss Art. 609 Abs. 1 ZGB die zuständige Behörde
um Mitwirkung bei der Teilung zu ersuchen, woran das Vorhandensein eines
Willensvollstreckers sie nicht gehindert hätte, da es nicht dessen Aufgabe
sein kann, bei der Erbteilung anstelle der Behörde die Interessen der in
Art. 609 Abs. 1 ZGB genannten Erbengläubiger wahrzunehmen. (Wenn in BGE 51
II 494/95 unentschieden gelassen wurde, ob ungeachtet der Bezeichnung eines
Willensvollstreckers die amtliche Teilung Platz greifen könne, so stand
dabei nicht die Mitwirkung der Behörde gemäss Art. 609 Abs. 1, sondern die
vom kantonalen Recht auf Grund von Art. 609 Abs. 2 ZGB vorgeschriebene,
über die Vertretung eines Erben hinausgehende Mitwirkung einer Behörde
bei der Teilung in Frage). Statt einen der genannten Rechtsbehelfe
zu ergreifen, hat die Klägerin sich damit begnügt, die Abtretung dem
Beklagten anzuzeigen, was diesen nach dem Gesagten nicht dazu veranlassen
konnte, das Erbbetreffnis Paul R.s ihr abzuliefern. Indem der Beklagte
die Liegenschaft in Vallorbe, die nach den Anordnungen des Erblassers
Paul R. zukommen sollte, ohne Rücksicht auf die ihm angezeigte Abtretung
an diesen Erben übertrug, hat er also gegenüber der Klägerin weder eine
Vertragsverletzung noch eine unerlaubte Handlung begangen.

    Es könnte sich höchstens noch fragen, ob er sich dadurch, dass er die
Abtretungsanzeige vorbehaltlos entgegennahm und der Klägerin bestätigte,
die Abtretung vorgemerkt zu haben, wenigstens dazu verpflichtet habe, die
Klägerin zu gegebener Zeit über die Ablieferung von Erbschaftsgegenständen
an Paul R. zu unterrichten und sie so in den Stand zu setzen, diesem
gegenüber ihren obligatorischen Anspruch auf Übertragung dieser Gegenstände
unverzüglich geltend zu machen. Eine Vereinbarung, durch welche sich der
Beklagte zu einer solchen Mitteilung verpflichtet hätte, ist jedoch nicht
zustande gekommen. Der Beklagte hat die Klägerin in seinem Schreiben
vom 29. Oktober 1954, mit dem er den Empfang der Abtretungsanzeige
bestätigte, ausdrücklich angefragt, ob sie von ihm regelmässig über "das
ganze Geschehen" orientiert zu werden wünsche. Dies hat die Klägerin in
ihrer Antwort vom 30. Oktober 1954 klar verneint. Indem der Beklagte die
Liegenschaft in Vallorbe an Paul R. übertrug, ohne die Klägerin hievon
sofort zu verständigen, hat er also auch nicht etwa eine vertraglich
übernommene Orientierungspflicht verletzt.

    f) Der Abtretungsvertrag ist im übrigen nachträglich durch einen
Verpfändungsvertrag ersetzt worden, ohne dass dies dem Beklagten mitgeteilt
worden wäre. Es kann dahingestellt bleiben, ob und allenfalls wieweit die
Anzeige der Abtretung eines Rechts fortwirke, wenn die Abtretung aufgehoben
und an ihrer Stelle am betreffenden Recht ohne neue Benachrichtigung des
Drittverpflichteten ein Pfandrecht bestellt wird. Selbst wenn man nämlich
annehmen wollte, die Anzeige der Abtretung bleibe in solchen Fällen als
Anzeige der Verpfändung im Sinne von Art. 906 Abs. 2 ZGB wirksam, so wäre
damit für die Klägerin nichts gewonnen; denn es ist auf jeden Fall klar,
dass die Anzeige der Verpfändung eines Erbanteils keine stärkern Wirkungen
haben kann als die Anzeige der Abtretung eines solchen. Dürfen und müssen
die Erbengemeinschaft und der Willensvollstrecker das Betreffnis eines
Erben, der seinen Anteil an einen Dritten abgetreten hat, diesem Erben
ausfolgen, auch wenn ihnen die Abtretung angezeigt worden ist, so muss
Entsprechendes auch im Falle der Verpfändung gelten. Der Pfandgläubiger
kann unter Vorbehalt des Falles, dass der verpfändende Erbe ihn hiezu
ermächtigt hat, so wenig wie der Dritte, dem ein Erbanteil abgetreten
wurde, berechtigt sein, bei der Teilung mitzuwirken. Da zur Erbteilung,
wie unter lit. a hievor ausgeführt, auch noch die Ausrichtung der
Erbbetreffnisse gehört, darf also die Übertragung der dem Verpfänder
zugeteilten Gegenstände an diesen nicht von der Zustimmung des
Pfandgläubigers abhängig gemacht werden, m.a.W. die Bestimmung von
Art. 906 Abs. 2 ZGB, wonach der von der Verpfändung einer Forderung oder
eines andern Rechts benachrichtigte Schuldner an den Verpfänder nur mit
Einwilligung des Pfandgläubigers zahlen darf (und umgekehrt), ist auf die
Verpfändung eines Erbanteils weder direkt noch analog anwendbar. Wie die
Abtretung eines Erbanteils dem Dritten nur einen obligatorischen Anspruch
auf Übertragung der Gegenstände verschafft, die dem Veräusserer bei
der Erbteilung zugewiesen werden, erlangt auch der Pfandgläubiger durch
die Verpfändung nur einen persönlichen Anspruch gegen den Verpfänder auf
Bestellung eines Pfandrechts an diesen Gegenständen (in diesem Sinne auch
TUOR N. 7 und ESCHER 3. Aufl., N. 32 zu Art. 635 ZGB). Auf einen solchen
Anspruch haben die Miterben des Verpfänders und der Willensvollstrecker
beim Vollzug der Teilung nicht Rücksicht zu nehmen.

    Die Klägerin beruft sich demgegenüber freilich auf OFTINGER (N. 21
zu Art. 906 und N. 56 zu Art. 899 ZGB). Diesem Autor ist beizustimmen,
wenn er an der zuerst angeführten Stelle und in N. 68 zu Art. 900 ZGB
erklärt, die Anzeige im Sinne von Art. 906 Abs. 2 ZGB erziele ihre
Wirkungen nicht nur bei der Verpfändung von Forderungen im eigentlichen
Sinne, sondern auch bei der Verpfändung "anderer Rechte" im Sinne von
Art. 900 Abs. 3 ZGB, die zu Leistungen eines Dritten führen, welche -
wie z.B. Dividendenzahlungen - den Zahlungen eines Forderungsschuldners
gleichzuachten sind. Bei der Verpfändung eines Erbanteils handelt es
sich aber wegen der besondern Regelung, der dieses - als solches nicht
übertragbare - Anteilsrecht nach dem Gesagten unterliegt, nicht um eine
Verpfändung im gewöhnlichen Sinne, wie auch die "Abtretung" eines solchen
Anteils keine eigentliche Abtretung darstellt (oben lit. c), sondern es
wird dadurch, wie dargelegt, eben nur ein obligatorischer Anspruch gegen
den Verpfänder auf Bestellung eines Pfandrechts an den diesem zuzuteilenden
Gegenständen begründet, für dessen Durchsetzung zu sorgen keinesfalls
Sache der Miterben des Verpfänders oder des Willensvollstreckers sein
kann. Daher kann OFTINGER nicht gefolgt werden, wenn er in N. 56 zu Art.
899 ZGB sagt, dem Gläubiger sei "jedenfalls zu empfehlen, den Miterben und
sonstigen Beteiligten die Verpfändung anzuzeigen, um die Aushändigung von
Erbschaftsgegenständen an den Verpfänder zu verhüten (Art. 906 II analog)."

    g) Müssen die Schadenersatzansprüche, die darauf gestützt werden,
dass die Liegenschaft in Vallorbe nicht ohne Zustimmung der Klägerin
an Paul R. hätte übertragen werden dürfen, schon aus den angegebenen
Gründen abgewiesen werden, so kann dahingestellt bleiben, ob der
Verpfändungsvertrag, der den Abtretungsvertrag ersetzte, wie dieser
(vgl. Art. 635 Abs. 1 ZGB) in der von den Vertragsparteien gewählten
einfachen Schriftform gültig war, obwohl der Nachlass Liegenschaften
umfasste (so das von der Klägerin eingeholte Gutachten Scherrer), oder ob
er wegen dieses Umstandes entsprechend der Auffassung von TUOR (N. 7 am
Ende zu Art. 635 ZGB), ESCHER (3. Aufl., N. 33 zu Art. 635 ZGB) und BECK
(Schweiz. jur. Kart. Nr. 790 lit. A Ziff. 3) zu seiner Gültigkeit der
öffentlichen Beurkundung bedurft hätte.

    Ebensowenig braucht geprüft zu werden, ob die Klägerin als
Pfandgläubigerin befugt gewesen wäre, zu ihrem Schutz die Mitwirkung
der zuständigen Behörde bei der Erbteilung zu verlangen, obwohl Art. 609
Abs. 1 ZGB diese Befugnis nach seinem Wortlaut nur einem Gläubiger gibt,
der den Anspruch eines Erben auf eine angefallene Erbschaft erworben oder
gepfändet hat, oder der gegen ihn Verlustscheine besitzt.

Erwägung 2

    2.- Soweit die Schadenersatzansprüche der Klägerin damit begründet
werden, dass der Beklagte ihren Organen bei der Besprechung vom 11. oder
12. August 1955 über den Stand der Erbteilung nicht richtig Auskunft
gegeben und ihnen insbesondere die im April 1955 erfolgte Übertragung
der Liegenschaft in Vallorbe an Paul R. verschwiegen habe, scheitern
sie daran, dass gemäss Feststellung der Vorinstanz nicht abgeklärt ist,
was bei jener Gelegenheit gesprochen wurde.

    Zwischen dem von der I ägerin behaupteten Schaden und den verschiedenen
Pflichtverletzungen, die sie dem Beklagten vorwirft, besteht im
übrigen auch kein adäquater Kausalzusammenhang. Nach den tatsächlichen
Feststellungen der Vorinstanz wusste die Klägerin spätestens im September
1955 um die Übertragung der Liegenschaft an Paul R. Sie hatte daher
(die Gültigkeit der Pfandverschreibung vorausgesetzt) die Möglichkeit,
gegenüber Paul R. ihren obligatorischen Anspruch auf Einräumung eines
Pfandrechts prozessual durchzusetzen oder ihn wenigstens durch eine
Verfügungsbeschränkung im Sinne von Art. 960 Ziff. 1 ZGB sichern zu
lassen, bevor R. am 31. Oktober 1956 eine Nachlassstundung erwirkte. Diese
Massnahmen drängten sich auf, wenn R. zu einer Pfandbestellung nicht
freiwillig Hand bieten wollte, was er angesichts der von ihm schon
früher übernommenen Verpflichtung hiezu hätte tun können, ohne sich
dem Vorwurf einer unredlichen oder sehr leichtfertigen Handlung zum
Nachteil seiner Gläubiger im Sinne von Art. 306 Abs. 1 SchKG auszusetzen
oder einen Grund für die paulianische Anfechtung der Pfandbestellung
zu schaffen. Da die Klägerin diese Vorkehren unterliess, für die sie
genügend Zeit gehabt hätte, und ihre Ansprüche aus der Pfandverschreibung
erst in dem auf die Bestätigung des Liquidationsvergleichs folgenden
Kollokationsverfahren zur Geltung zu bringen suchte, was wegen der bloss
obligatorischen Natur dieser Ansprüche nicht gelingen konnte, hätte sie
sich den von ihr behaupteten Schaden selbst dann selber zuzuschreiben,
wenn der Beklagte durch sein Verhalten im August 1955 ihr gegenüber eine
Pflichtverletzung begangen hätte. Das gleiche gälte im übrigen sogar dann,
wenn die Pfandverschreibung nicht bloss einen obligatorischen Anspruch
auf Pfandbestellung an den dem Verpfänder zugewiesenen Gegenständen,
sondern ein vom Beklagten zu beachtendes dingliches Recht der Klägerin am
unausgeschiedenen Erbanteil R.s begründet hätte, das mit dem Abschluss
der Erbteilung gegenstandslos geworden wäre; denn auch in diesem Falle
wäre R. auf Grund der Pfandverschreibung verpflichtet geblieben, die
Klägerin für ihre Forderung sicherzustellen, wozu ihn die Klägerin hätte
anhalten können. Auch bei Zugrundelegung der für sie günstigsten Annahme
wäre daher der Schaden, den die Klägerin geltend macht, auf ihre eigene
Versäumnis zurückzuführen.

    Vergeblich macht die Klägerin geltend, die Vorinstanz habe gegen
Art. 8 ZGB verstossen, indem sie es unterliess, die Zeugen Z., F. und
B. zu verhören, die zum Beweis dafür angerufen worden waren, dass die
Klägerin erst am 27. August 1956 von der Übertragung der Liegenschaft
in Vallorbe an Paul R. Kenntnis erhalten habe. Die Vorinstanz hat dieses
Beweisangebot der Klägerin nicht einfach übergangen, worin eine Verletzung
von Art. 8 ZGB liegen könnte (vgl. BGE 62 II 326, 68 II 139). Vielmehr
hat sie es mit der Begründung abgelehnt, auf die Aussagen von Direktor
Z. dürfte ohnehin nicht abgestellt werden, weil er offenkundig daran
interessiert sei, dass der Beklagte für den der Bank entstandenen Schaden
verantwortlich erklärt werde; die Einvernahme der beiden andern Zeugen
sei überflüssig; aus den vorliegenden Akten (insbesondere aus einer
Aktennotiz des Z. vom 1. Oktober 1955) gehe nämlich hervor, dass die
Klägerin spätestens im September 1955 über die Zuweisung der Liegenschaft
an R. orientiert gewesen sei. Die Ablehnung der Einvernahme des Zeugen
Z. beruht demnach auf einer vorweggenommenen Beweiswürdigung, die keine
Bundesrechtsverletzung im Sinne von Art. 43 OG in sich schliesst und daher
mit der Berufung an das Bundesgericht nicht angefochten werden kann (BGE
56 II 203 oben, 74 II 206/207, 77 II 223, 78 II 103 oben, 84 II 143). Die
beiden andern Zeugen wurden nicht verhört, weil die Vorinstanz fand,
die Darstellung der Klägerin werde bereits durch die vorliegenden Akten
widerlegt. Auch hierin liegt eine Beweiswürdigung, die das Bundesgericht
im Berufungsverfahren nicht überprüfen kann. Wenn die Klägerin glaubt,
sie könne den von der Vorinstanz aus der erwähnten Aktennotiz gezogenen
Schluss als eine offensichtlich auf Versehen beruhende Feststellung
(Art. 55 lit. d und Art. 63 Abs. 2 OG) anfechten, so verkennt sie das
Wesen der Versehensrüge. Eine tatsächliche Feststellung lässt sich nach
der Rechtsprechung des Bundesgerichts nur dann als offensichtlich auf
Versehen beruhend bezeichnen, wenn sie darauf zurückzuführen ist, dass die
Vorinstanz eine bestimmte Aktenstelle übersehen oder unrichtig (nicht in
ihrer wahren Gestalt, insbesondere nicht mit ihrem wirklichen Wortlaut)
wahrgenommen hat (BGE 81 II 86, 83 II 341). Ein solches Versehen ist der
Vorinstanz im vorliegenden Falle nicht unterlaufen. Ihre Feststellung,
dass die Klägerin spätestens im September 1955 von der Übertragung der
Liegenschaft an R. Kenntnis erhalten habe, ist also gemäss Art. 63 Abs. 2
OG für das Bundesgericht verbindlich.

    Aus allen diesen Gründen ist die Klage abzuweisen, ohne dass noch auf
die (kaum stichhaltige) Verjährungseinrede des Beklagten einzutreten wäre.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichtes des
Kantons Luzern, I. Kammer, vom 5. Dezember 1960 bestätigt.