Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 87 II 190



87 II 190

27. Urteil der I. Zivilabteilung vom 4. Juli 1961 i.S. Steiger gegen
Basler. Regeste

    Art. 36 Abs. 1, 46 OG. Wovon hängt der Streitwert ab, wenn über
das Vermögen des Schuldners während des Forderungsprozesses der Konkurs
eröffnet wird und ein Konkursgläubiger in den Prozess eintritt?

Sachverhalt

    A.- Anselm Basler vermietete Räume, die er von der Terminus Immobilien
AG gemietet hatte, an Frau Elisabeth Steiger weiter, die darin eine
Gastwirtschaft betreiben wollte. Er verpflichtete sich, sie umzubauen
und "diesen Umbau auf die Mieterin zum Pauschalpreis von Fr. 200'000.--
zu übertragen". Die Hälfte dieses Betrages war sofort, die andere Hälfte
ratenweise zu zahlen und bis zur Tilgung zu verzinsen.

    In einem Rechtsstreit der Frau Steiger gegen Basler um Mietzinse erhob
Basler Widerklage auf Zahlung von Fr. 6030.-- an die Vergütung für den
Umbau und Fr. 6487.15 rückständiger Kapitalzinse, zusammen Fr. 12'517.15,
alles nebst Verzugszins. Das Handelsgericht des Kantons Zürich behandelte
die Widerklage in einem besonderen Verfahren und stellte dieses ein, bis
das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement entschieden habe, ob die
Vergütung für den Umbau sich mit den öffentlichrechtlichen Bestimmungen
über die Beschränkung der Mietzinse vertrage.

    Am 29. März 1957 wurde über das Vermögen der Frau Steiger der Konkurs
eröffnet. Die Konkursverwaltung merkte die Forderung Baslers von Fr.
12'517.15 im Kollokationsplan gemäss Art. 63 Abs. 1 KV ohne Verfügung vor.
Die zweite Gläubigerversammmlung verzichtete darauf, den Rechtsstreit
durch die Konkursverwaltung fortführen zu lassen. Dr. Alfred Steiger,
Gläubiger der Frau Steiger, trat gemäss Art. 260 SchKG in ihn ein.

    Das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement bestimmte am 14. März
1959, in welchem Umfange die Vergütung für den Umbau vor dem öffentlichen
Recht standhalte. Auf Beschwerde Baslers stellte der Bundesrat am
22. April 1960 fest, das sei eine unverbindliche Meinungsäusserung; zum
verbindlichen Entscheid über die von Basler verlangte Vergütung sei der
Zivilrichter zuständig.

    Das Verfahren vor dem Handelsgericht wurde hierauf fortgesetzt. In
der Verhandlung vor diesem vom 6. Dezember 1960 erklärte der Vertreter
Steigers: "Ich beantrage, als Parteibezeichnung zu wählen: Konkursmasse
der Frau Elisabeth Steiger, vertreten durch den Abtretungsgläubiger
Dr. Alfred Steiger. Herr Dr. Steiger führt für sie den Prozess, auf sein
Kostenrisiko. Die Masse bleibt Schuldnerin. Es ist ein vorweggenommener
Kollokationsprozess." Der Vertreter Baslers pflichtete dieser Erklärung
bei.

    B.- Am 6. Dezember 1960 entschied das Handelsgericht, der Kläger Basler
sei im Konkurs der Frau Steiger mit den geltend gemachten Forderungen
von zusammen Fr. 12'517.15 nebst Verzugszins definitiv zu kollozieren.

    C.- Der Beklagte Dr. Steiger hat die Berufung erklärt.  Er beantragt
dem Bundesgericht, das Urteil des Handelsgerichtes aufzuheben und die
Klage abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

    Der geltend gemachte Anspruch ist vermögensrechtlich, ohne zu den
in Art. 45 OG aufgezählten zu gehören. Die Berufung ist daher nur
zulässig, wenn der Streitwert nach Massgabe der Rechtsbegehren, wie sie
vor dem Handelsgericht noch streitig waren, wenigstens Fr. 8000.-- beträgt
(Art. 46 OG).

    Der Wert des Streitgegenstandes wird durch das klägerische
Rechtsbegehren bestimmt (Art. 36 Abs. 1 OG), und zwar ist massgebend
der Wert, den der Gegenstand dieses Begehrens zur Zeit der Anhebung der
Klage hat (BGE 48 II 412, 59 II 341, 79 II 334, 85 II 366). Im Laufe
des Rechtsstreites eintretende Tatsachen, die bei gleichbleibendem
Begehren nur den Wert des Streitgegenstandes beeinflussen, sind nicht zu
berücksichtigen, z.B. Kursveränderungen herausverlangter Wertpapiere
oder die Werteinbusse eines Unterhaltsanspruches durch den Tod des
Unterhaltspflichtigen. Änderungen des klägerischen Rechtsbegehrens können
dagegen auch den Streitwert beeinflussen. Das ergibt sich aus Art. 46
OG, wonach die Berufungsfähigkeit von den Rechtsbegehren abhängt, "wie
sie vor der letzten kantonalen Instanz noch streitig waren".

    Die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Frau Steiger hat
vor dem Handelsgericht im Ergebnis zu einer Änderung des Rechtsbegehrens
des Klägers geführt. Dieser streitet nicht mehr um die Zahlung von
Fr. 12'517.15 durch Frau Steiger, sondern nur noch um die Kollokation
dieser Forderung im Konkurse, mit der Folge, dass sie nach den
Bestimmungen des Konkursrechtes in der fünften Klasse aus dem Erlöse des
vom Konkurs erfassten Vermögens zu befriedigen sei. Nur für die Abweisung
dieser Forderung im Kollokationsplan und die Nichtbefriedigung aus der
Konkursmasse kann sich anderseits der an Stelle der Konkursverwaltung
in den Prozess eingetretene Dr. Steiger bemühen, was er denn auch
dadurch anerkannte, dass er erklärte, es liege ein "vorweggenommener
Kollokationsprozess" vor. Diesen Schluss zog auch das Handelsgericht aus
der Konkurseröffnung, dem Wechsel der beklagten Partei und den von beiden
Seiten abgegebenen Erklärungen. Sein Urteil lautet nicht auf Zahlung,
sondern auf Kollokation der Forderung im Konkurs.

    Daher ist der Streitwert nach den Grundsätzen über die Bewertung
von Kollokationsbegehren zu bestimmen. Sie erfolgt nicht nach der Höhe
der zu kollozierenden Forderung, sondern nach dem Anteil am Erlös aus
der Konkursmasse, der dem Gläubiger im Falle der Kollokation höchstens
zufallen wird (BGE 65 III 28 ff., 65 II 41 ff., 79 III 173, 81 II 474,
81 III 76). Im vorliegenden Falle wird laut Mitteilung des Konkursamtes
Zürich-Altstadt auf die Forderungen der fünften Klasse, zu denen auch
die des Klägers gehört, voraussichtlich keine Dividende ausbezahlt werden
können oder im günstigsten Falle nur eine solche von 1%. Der Kläger wird
also aus der Konkursmasse höchstens Fr. 125.-- erhalten. Das ist der
Streitwert. Er schliesst die Berufung aus.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Auf die Berufung wird nicht eingetreten.