Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 87 II 18



87 II 18

4. Urteil der I. Zivilabteilung vom 7. Februar 1961 i.S. Heer gegen
Goldstein. Regeste

    Art. 41, 62 Abs. 1 OR. Wer jemandem auf Betrug hin Geld leiht, das der
Borger als Gegenleistung für ein Darlehen an einen Dritten weitergibt, hat
gegen diesen keinen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung (Erw. 1
und 2). Kann er den Dritten aus unerlaubter Handlung belangen? (Erw. 3).

Sachverhalt

    A.- Maria Oschwald geb. Potocnik oblag von 1956 bis im Herbst 1957
gewerbsmässig dem Betruge. In den meisten Fällen ersuchte sie ihre Opfer
unter Zusicherung hoher Gewinnanteile um Darlehen, die sie benötige, um
Arzneien einkaufen und mit grossem Gewinn nach Jugoslavien weiterverkaufen
zu können. Sie erschwindelte rund 3,1 Millionen Franken. In weiteren
Fällen misslang der Betrug.

    Zu den Geschädigten gehört der Arzt Dr. Fritz Heer. Er übergab
der Betrügerin zunächst im April 1957 Fr. 70'000.--. Ungefähr sechs
Wochen später zahlte sie ihm den Betrag unter Beifügung eines mindestens
gleich hohen "Gewinnanteils" zurück. Heer lieh ihr auf das hin in vier
Teilbeträgen weitere Fr. 700'000.--, wovon die ersten Fr. 400'000.--
angeblich am 25. und 27. Juni 1957. Sie blieb ihm die Fr. 700'000.--
schuldig.

    Rechtsanwalt Dr. Robert Goldstein, der ebenfalls als Opfer
ausersehen wurde, kam besser weg. Er lieh Frau Oschwald anfangs Juni 1957
Fr. 200'000.--. Zwischen dem 17. und dem 27. Juni 1957 zahlte sie ihm
zur Rückerstattung des Darlehens und als "Gewinnanteil" in verschiedenen
Teilbeträgen Fr. 370'000.-- aus. Auf weitere gleichartige Darlehensgesuche
der Betrügerin ging er nicht ein.

    Über das Vermögen der Frau Oschwald wurde in der Folge der Konkurs
eröffnet, worauf die Konkursverwaltung Dr. Goldstein auf Rückerstattung
von Fr. 170'000.-- nebst Zins betrieb und den behaupteten Anspruch gemäss
Art. 260 SchKG an Dr. Heer und zwei weitere Gläubiger abtrat. Unter
Berufung auf die Abtretung klagten Dr. Heer und einer der beiden andern
gegen Dr. Goldstein auf Zahlung von Fr. 170'000.-- nebst Zins an die
Konkursmasse. Der Prozess ist noch hängig.

    B.- Am 11. März 1959 reichte Dr. Heer gegen Dr.  Goldstein beim
Bezirksgericht Meilen ausserdem eine Klage ein, mit der er unter Berufung
auf die Bestimmungen über ungerechtfertigte Bereicherung und unerlaubte
Handlungen die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von Fr. 170'000.--
nebst 5% Zins seit 27. Juni 1957 an den Kläger persönlich beantragt.

    Das Bezirksgericht und auf Berufung des Klägers auch das Obergericht
des Kantons Zürich, dieses mit Urteil vom 4. November 1960, wiesen diese
Klage entsprechend dem Antrage des Beklagten ab.

    C.- Der Kläger hat die Berufung erklärt. Er beantragt dem
Bundesgericht, das Urteil des Obergerichtes aufzuheben und den Beklagten zu
verpflichten, ihm Fr. 170'000.-- nebst 5% Zins ab 27. Juni 1957 zu zahlen,
eventuell die Sache zu neuer Beurteilung an das Obergericht zurückzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

               Das Bundegericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Wer in ungerechtfertigter Weise aus dem Vermögen eines andern
bereichert worden ist, hat gemäss Art. 62 Abs. 1 OR die Bereicherung
zurückzuerstatten. Forderungsberechtigt ist der "andere", d.h. jener,
aus dessen Vermögen der Verpflichtete bereichert worden ist. Das liegt
im Begriff der Rückerstattung.

Erwägung 2

    2.- Der Kläger macht geltend, er habe gegen den Beklagten einen
Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung, weil Frau Oschwald als
"Zwischenträgerin" Fr. 170'000.-- aus seinem Vermögen in jenes des
Beklagten übergeführt habe. Sie habe diese Verschiebung ohne Ermächtigung
sowohl als Vertreterin des Klägers als auch als solche des Beklagten
vorgenommen. Sie sei "für beide gegenüber dem vermeintlichen Dr. Röder"
Vertreterin gewesen.

    Dem ist nicht beizupflichten. Frau Oschwald vertrat weder den Kläger
gegenüber dem Beklagten, noch diesen gegenüber jenem, noch beide gegenüber
Dr. Röder, den sie gegenüber ihren Opfern als Lieferanten der Arzneien
ausgab. Sie handelte weder als bevollmächtigte noch als vollmachtlose
Stellvertreterin, sondern im eigenen Namen, als sie die Darlehensverträge
mit dem Kläger und dem Beklagten abschloss, das Geld des Klägers annahm
und dem Beklagten als Gewinnanteil Fr. 170'000.-- auszahlte. Sie tat das
alles auch auf eigene Rechnung. Es lag ihr fern, dem Kläger gehörende Werte
aus dessen Vermögen in jenes des Beklagten zu verschieben, mag sie auch -
was offen bleiben kann - die vom Kläger erhaltenen Zahlungsmittel verwendet
haben, um ihre Verpflichtung gegenüber dem Beklagten zu erfüllen. Auch der
Kläger und der Beklagte sahen in Frau Oschwald nicht eine Vertreterin. Sie
wollten die Rechtsgeschäfte, die den Kläger ärmer gemacht bzw. den
Beklagten bereichert haben sollen, weder miteinander noch mit Dr. Röder,
sondern mit Frau Oschwald persönlich abschliessen. Namentlich lag dem
Kläger nach verbindlicher Feststellung des Obergerichtes fern, durch Frau
Oschwald deren Schuld gegenüber dem Beklagten erfüllen zu lassen.

    Die Stellung, die Frau Oschwald nach dem Willen aller Beteiligten
innehatte, steht der Auffassung im Wege, die Fr. 170'000.-- seien aus
dem Vermögen des Klägers in jenes des Beklagten verschoben worden. Der
Kläger wendete Fr. 700'000.-- dem Vermögen der Frau Oschwald zu. Der
Beklagte anderseits erhielt zulasten dieses Vermögens Fr. 170'000.--,
nicht zulasten des Vermögens des Klägers. Sollte diese Verschiebung
in ungerechtfertigter Weise erfolgt sein, so wären die Fr. 170'000.--
daher nicht an den Kläger herauszugeben, sondern in das Vermögen der
Frau Oschwald, über das der Konkurs schwebt. Dabei kann offen bleiben,
ob der Beklagte persönlich belangt werden könnte oder ob der Anspruch
sich gegen ungenannte Auftraggeber richten würde, auf deren Rechnung er
gehandelt haben will.

    Es ändert nichts daran, dass der Kläger meint, Frau Oschwald hätte
ihn nicht betrogen, wenn sie nicht dem Beklagten hätte das Darlehen von
Fr. 200'000.-- zurückzahlen und einen Gewinnanteil von Fr. 170'000.--
ausrichten wollen. Dieser Zusammenhang beträfe nur den Beweggrund der
Betrügerin. Sollte er bestanden haben, so bliebe es dennoch dabei, dass
der Beklagte nicht aus dem Vermögen des Klägers, sondern aus dem der Frau
Oschwald bereichert wurde.

    Dem Kläger helfen auch die Einwände nicht, ein Anspruch aus
ungerechtfertigter Bereicherung könne auch zwischen Personen entstehen,
die zueinander in keinem Vertragsverhältnis ständen, die ungerechtfertigte
Vermögensverschiebung brauche nicht rechtsgeschäftlich zu erfolgen,
sie könne durch einen Dritten vollzogen werden und es genüge, wenn die
Bereicherung des einen Vermögens nur mittelbar mit der Verminderung
des andern zusammenhänge. Es ist nur der vorliegende Sachverhalt zu
beurteilen, nicht auch zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen
in anderen Fällen ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung
entstehe. Im vorliegenden Falle erfolgten Verschiebungen durch
Rechtsgeschäfte. Darüber kann nicht, wie der Kläger es tut, hinweggesehen
werden, als ob die Fr. 170'000.-- z.B. durch Zufall aus der Tasche des
Klägers in jene des Beklagten gelangt wären oder der Kläger Frau Oschwald
beauftragt hätte, in seinem Namen oder auf seine Rechnung dem Beklagten
soviel auszuzahlen.

    Der Kläger wähnt ferner, gegen den Beklagten einen Anspruch aus
ungerechtfertigter Bereicherung zu haben, weil Frau Oschwald sein Geld
nicht zum Zwecke der Weitergabe an den Beklagten, sondern zum Bezahlen
von Arzneien erhielt. Er ist der Auffassung, seine Zuwendung an sie sei
grundlos erfolgt und er komme gegen Frau Oschwald zu Verlust, weil sie
einen Teil seines Geldes dem Beklagten überwiesen habe; hätte sie das
nicht getan, so hätte er einen Rückforderungsanspruch gegen sie. Auch
diese Ausführungen ändern nichts daran, dass der Kläger die Fr. 700'000.--
dem Vermögen der Frau Oschwald zuführte und der Beklagte Fr. 170'000.--
aus diesem, nicht aus dem Vermögen des Klägers erhielt. Es trifft nicht
zu, dass die Weitergabe dieser Summe an den Beklagten den Kläger um
seinen Rückforderungsanspruch gegen Frau Oschwald gebracht habe. Der
Kläger braucht den Darlehensvertrag nicht wegen Täuschung als für ihn
unverbindlich zu erklären, sondern kann von der Borgerin die Rückgabe des
Darlehens verlangen. Statt dessen kann er von ihr auch Schadenersatz aus
unerlaubter Handlung fordern. Dass er wegen Konkurses der Schuldnerin mit
seinen Ansprüchen zu Verlust kommen mag, berechtigt ihn nicht, sich an den
Beklagten zu halten. Ob dieser - was der Kläger verneint - Gefahr liefe,
auch noch an die Konkursmasse zahlen zu müssen, ist unerheblich. Ein
Konkursgläubiger kann nicht mit der Begründung, der Gemeinschuldner
habe von seinen Mitteln ungerechtfertigterweise Auszahlungen an einen
Dritten gemacht, sich unter Berufung auf Art. 62 Abs. 1 OR unmittelbar
an diesen halten und damit der Konkursmasse in der Geltendmachung ihres
allfälligen Anspruches gegen den Dritten zuvorkommen. Indem der Kläger
das zu tun versucht, will er sich darüber hinwegsetzen, dass im Konkurse
alle Gläubiger der gleichen Klasse Anspruch haben, aus dem Vermögen des
Gemeinschuldners gleichmässig befriedigt zu werden. Seine Auffassung,
nicht das Vermögen der Frau Oschwald, sondern das seine sei vermindert,
hilft nicht. Er unterdrückt damit wiederum den Anspruch, den er gegen die
Konkursmasse hat, und die Schuld des Beklagten, die, wenn sie überhaupt
besteht, eine solche gegenüber der Konkursmasse ist.

Erwägung 3

    3.- Der Kläger fordert vom Beklagten Fr. 170'000.-- auch als
Schadenersatz aus unerlaubter Handlung. Er wirft dem Beklagten vor,
dieser habe Frau Oschwald gezwungen, ihm Fr. 370'000.-- zu zahlen, und
sie dadurch veranlasst, sich diesen Betrag durch Betrug beim Kläger zu
verschaffen. Der Beklagte als geschäftserfahrener und gewandter Anwalt
habe ganz andere Möglichkeiten gehabt, das Lügengebäude der Frau Oschwald
zu durchschauen, als der unerfahrene und leichtgläubige Kläger.

    Eine Schadenersatzpflicht des Beklagten aus unerlaubter Handlung könnte
nur in Betracht kommen, wenn der Beklagte den von Frau Oschwald gegenüber
dem Kläger begangenen Betrug absichtlich oder fahrlässig gefördert
hätte, sei es als Anstifter, Mittäter oder Gehilfe. Absicht ist nicht
behauptet worden. Auch von Fahrlässigkeit kann keine Rede sein. Über
einen Zwang, den der Beklagte auf Frau Oschwald ausgeübt hätte, ist
nichts festgestellt. Blosses Drängen auf Rückzahlung des Darlehens und auf
Ausrichtung des versprochenen Gewinnanteils war nicht pflichtwidrig. Der
Beklagte war berechtigt, sein Darlehen zurückzuverlangen, und er durfte
auch den Gewinnanteil fordern, da er guten Glaubens war, Frau Oschwald
habe das Geschäft durchgeführt, zu dessen Abwicklung er ihr Geld geliehen
hatte. Der Kläger nennt keine Tatsachen, aus denen der Beklagte hätte
schliessen müssen, Frau Oschwald werde jemanden betrügen, um ihre
Verpflichtung erfüllen zu können. Die blosse Behauptung, der Beklagte
sei erfahrener als der Kläger, genügt nicht. Der Kläger hätte ausführen
müssen, welche Anzeichen einem Manne von der Erfahrung des Beklagten als
Warnung hätten dienen sollen.

    Zudem stellt das Obergericht verbindlich fest, dass der Kläger
sein Geld auch dann verloren hätte, wenn der Beklagte bei Frau Oschwald
nicht auf Rückzahlung des Darlehens und Entrichtung des Gewinnanteils
gedrängt hätte. Das heisst, dass Frau Oschwald nicht durch das Drängen
des Beklagten bewogen wurde, den Kläger zu betrügen. Es fehlt somit auch
am ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Verhalten des Beklagten und
dem Schaden, dessen Ersatz der Kläger verlangt.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichtes des
Kantons Zürich vom 4. November 1960 bestätigt.