Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 87 II 137



87 II 137

20. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 14. März 1961
i.S. Felder gegen Bangerter. Regeste

    Grundlagenirrtum. Ungerechtfertigte Bereicherung, Art. 24 Ziff. 4,
Art. 62, 64 OR.

    Unverbindlichkeit eines Kaufvertrages über Bauland, weil die
Bodenbeschaffenheit eine Überbauung praktisch unmöglich macht (Erw. 2, 3).

    Rückerstattung der gegenseitigen Leistungen nach
Bereicherungsgrundsätzen. Verminderung der Bereicherung des Verkäufers
um den von diesem ausgelegten Mäklerlohn? (Erw. 7).

Auszug aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Ob eine Partei beim Vertragsschluss in einem Irrtum befangen
gewesen sei, ist entgegen der Meinung des Beklagten gemäss ständiger
Rechtsprechung Tatfrage (BGE 81 II 52), weshalb die hierüber vom kantonalen
Richter getroffenen Feststellungen das Bundesgericht nach Art. 63 Abs. 2
OG binden.

    Das Bundesgericht hat somit davon auszugehen, dass der Kläger das
streitige Grundstück als Bauland erwerben wollte, wobei er der Meinung war,
der Baugrund sei von mindestens durchschnittlicher Qualität und gestatte
die Erstellung von 21/2-3-geschossigen Wohnhäusern ohne weiteres. Diese
Meinung war irrtümlich; denn wie die Vorinstanz gestützt auf das Gutachten
des Bauingenieurs Oberhänsli und des Geologen Dr. Tschachtli verbindlich
festgestellt hat, ziehen sich unter der Oberfläche des Grundstücks bis
auf die Tiefe von 15-17 m nicht tragfähige Torf-, Lehm- und Sandschichten
hin, die für eine Bebauung mit mehrgeschossigen Miethäusern oder auch nur
mit Einfamilienhäusern die Erstellung von Ortsbetonpfählen bis auf eine
Tiefe von 16-18 m unerlässlich machen. Die Kosten hiefür würden sich auf
ca. Fr. 17.- pro m2 belaufen, so dass sich bei dem im Vertrag vorgesehenen
Kaufpreis von ungefähr Fr. 23.- zusammen mit den Erschliessungskosten
von Fr. 2.- pro m2 ein Gesamtbodenpreis von Fr. 42.- ergäbe. Bei diesem
Preis käme aber die Erstellung von Ein- oder Mehrfamilienhäusern so
teuer zu stehen, dass zur Zeit kaum an eine vernünftige Realisierung
gedacht werden kann; insbesondere wären Wohnungen in dreistöckigen
Mehrfamilienhäusern wegen des durch die Fundationskosten bedingten hohen
Mietzinses sehr schwer vermietbar.

Erwägung 3

    3.- Vom Bundesgericht zu prüfende Rechtsfrage ist dagegen, ob der
geschilderte Irrtum des Klägers einen rechtserheblichen Grundlagenirrtum
im Sinne des Art. 24 Ziff. 4 OR darstelle. Hiefür ist erforderlich, dass
die Voraussetzung, über die sich der Käufer geirrt hat, nicht nur für ihn
subjektiv, sondern auch von objektiven Gesichtspunkten aus betrachtet,
nach den Regeln von Treu und Glauben im Geschäftsverkehr eine unerlässliche
Grundlage des abgeschlossenen Kaufvertrages gebildet hat (BGE 83 II 23
und dort erwähnte Entscheide). Das trifft hier zu. Gemäss verbindlicher
Feststellung der Vorinstanz stellt die Pfählung des Baugrundes eine
Massnahme dar, die in der fraglichen Gegend (ausser bei Seeufer) bloss
bei eigentlichen Hochbauten, dagegen nicht auch bei 21/2-3-geschossigen
Wohnbauten oder gar Einfamilienhäusern ergriffen werden muss. Der Käufer
einer Baulandparzelle in jener Gegend darf also normalerweise voraussetzen,
dass er Land erwerbe, das eine Pfählung mindestens für Einfamilienhäuser
und kleinere Mehrfamilienhäuser nicht erfordert. Der Irrtum bezüglich
dieser Voraussetzung betrifft somit eine in der fraglichen Gegend allgemein
als unerlässliches Element eines Kaufvertrages über Bauland betrachtete
Vorbedingung; er ist daher auch objektiv gesehen wesentlich. Aber auch in
seinen Auswirkungen erweist sich der Irrtum des Klägers von so gewichtiger
Art, dass er nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr als wesentlich
erscheint. Denn es steht fest, dass die schlechte Baugrundqualität des
streitigen Grundstücks mit der sich daraus ergebenden Notwendigkeit
der Pfählung beim Bau von gewöhnlichen Mehr- und Einfamilienhäusern
eine vernünftige Realisierung, d.h. eine wirtschaftlich gewinnbringende
Überbauung praktisch unmöglich macht. Es widerspräche aber selbst bei der
heutigen schwunghaften Bodenspekulation jeder Lebenserfahrung, wenn man
annehmen wollte, ein Käufer hätte für ein Grundstück von 18'756 m2 Halt
einen Betrag von Fr. 430'000.-- ausgelegt, auch wenn ihm bekannt gewesen
wäre, dass dieses Land wegen seiner schlechten Baugrundqualität und der
dadurch bedingten hohen Fundierungskosten nicht in gewinnversprechender
Weise überbaut werden könne. Die Möglichkeit einer solchen Überbaubarkeit
musste daher nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr auch für den
Verkäufer eine unerlässliche Grundlage für das abgeschlossene Geschäft
bilden. ....

Erwägung 7

    7.- a) Die Unverbindlichkeit des Kaufvertrages hat zur Folge,
dass die von den Parteien in dessen Erfüllung vorgenommenen Leistungen
zurückzuerstatten sind. Das Begehren des Klägers auf Verpflichtung des
Beklagten zur Rückgabe der erhaltenen Anzahlung von Fr. 50'000.-- ist
daher grundsätzlich berechtigt.

    Die Rückleistung hat nach den Bestimmungen über die ungerechtfertigte
Bereicherung zu erfolgen (BGE 83 II 24 Erw. 7, 82 II 428); denn die
Zahlung des Klägers beruht auf einem nachträglich weggefallenen Grunde,
so dass der Beklagte durch den Empfang der Anzahlung von Fr. 50'000.--
ungerechtfertigt bereichert wurde.

    b) Von dieser zutreffenden Überlegung ist auch die Vorinstanz
a;usgegangen. Sie hat dann aber angenommen, die Bereicherung des
Beklagten habe dadurch eine Verminderung erfahren, dass er im Vertrauen
auf die Gültigkeit des Kaufvertrages von der erhaltenen Anzahlung einen
Teilbetrag von Fr. 20'000.-- zur Ausrichtung einer Mäklerprovision an Eder
verwendet habe; wegen der Unverbindlichkeit des vermittelten Kaufgeschäfts
stehe zwar dem Beklagten gegenüber Eder ein Rückforderungsrecht zu.
Angesichts der Vermögensverhältnisse Eders, gegen den in den Jahren
1952-1957 insgesamt 26 Verlustscheine im Betrage von rund Fr. 20'000.--
ausgestellt wurden, bestehe jedoch erhebliche Unsicherheit darüber,
ob die ausbezahlte Provision eingetrieben werden kÖnne. Im Hinblick
auf diese Unsicherheit hat die Vorinstanz ex aequo et bono den Wert
des Rückforderungsanspruches des Beklagten gegen Eder auf Fr. 10 000.--
geschätzt und demgemäss angenommen, die Bereicherung des Beklagten habe
sich um Fr. 10'000.-- vermindert, so dass der Rückerstattungsanspruch des
Klägers in Anwendung von Art. 64 OR auf Fr. 40'000.-- herabzusetzen sei.

    c) Mit der Anschlussberufung ficht der Kläger diese Herabsetzung an
und fordert die Verurteilung des Beklagten zur Rückerstattung des vollen
Betrages von Fr. 50'000.--.

    Zur Begründung dieses Begehrens weist der Kläger vorab darauf hin,
dass der Beklagte im kantonalen Verfahren weder das Begehren um eine
solche Herabsetzung seiner allfälligen Rückerstattungspflicht gestellt,
noch auch die Tatsachen behauptet hat, die eine Verminderung seiner
Bereicherung zu begründen vermöchten. Mit Rücksicht hierauf vertritt der
Kläger die Ansicht, durch die von Amtes wegen vorgenommene Prüfung dieser
Frage habe die Vorinstanz Art. 64 OR, sowie Art. 8 ZGB verletzt.

    Diese Rüge ist unbegründet. Ob die Vorinstanz befugt war, trotz
fehlenden Tatsachenbehauptungen und Beweisanträgen des Beklagten von
Amtes wegen die Frage eines Bereicherungswegfalls zu prüfen, beurteilt
sich nach dem kantonalen Prozessrecht, in dessen Handhabung sich das
Bundesgericht nicht einzumischen hat. Eine Verletzung von Art. 8 ZGB ist
in diesem Vorgehen der Vorinstanz entgegen der Meinung des Beklagten nicht
zu erblicken; denn diese Bestimmung betrifft lediglich die Beweislast,
während sie, wie das Bundesgericht in BGE 78 II 97 f. in Abweichung von
seiner früheren Rechtsprechung entschieden hat, nicht auch die Pflicht
zur Behauptung der anspruchsbegründenden Tatsachen aufstellt.

    Hat aber das Bundesgericht die von Amtes wegen vorgenommene
Einbeziehung der Frage des Wegfalls einer Bereicherung hinzunehmen,
so kann darin, dass der Beklagte in der Berufung den Einwand des
Bereicherungswegfalls übernommen hat, kein unzulässiges neues Vorbringen
im Sinne von Art. 55 Abs. 1 lit. c OG erblickt werden.

    d) Die Annahme der Vorinstanz, die Bereicherung des Beklagten habe sich
um Fr. 10'000.-- vermindert, erweist sich jedoch aus materiellrechtlichen
Gründen als unzutreffend.

    Die Unverbindlichkeit des Kaufvertrages über die Liegenschaft hat
zur Folge, dass Eder für seine Vermittlertätigkeit keinen Mäklerlohn
beanspruchen kann. Denn der Anspruch auf Mäklerlohn setzt die
Rechtsgültigkeit des vermittelten Geschäftes voraus. Eine dem Mäkler
bereits ausgerichtete Provision ist von diesem zurückzuerstatten, da
er sie aus einem nachträglich weggefallenen Grunde empfangen hat und
darum ungerechtfertigt bereichert ist (OSER/SCHÖNENBERGER OR Art. 413
N. 9 f.). Wenn daher der Beklagte die grundlos empfangene Anzahlung
von Fr. 50'000.-- nicht mehr im vollen Umfang besitzt, weil er davon
Fr. 20'000.-- zur Ausrichtung des Mäklerlohnes an Eder verwendet hat,
so liegt gleichwohl keine Verminderung seiner Bereicherung vor. Es steht
ihm seinerseits gegenüber Eder ein Bereicherungsanspruch in der Höhe
von Fr. 20'000.-- zu. Die Bereicherung braucht nicht notwendigerweise in
Bargeld zu bestehen; sie kann vielmehr auch in der Befreiung von einer
Schuld liegen (OSER/SCHÖNENBERGER OR Art. 64 N. 5; VON TUHR/SIEGWART OR
I S. 422 bei N. 20); denn massgebend ist der Vermögensstand, und dieser
wird nicht nur durch die Vermehrung von Aktiven, sondern auch durch eine
Verminderung der Passiven beeinflusst. Daraus folgt aber weiter, dass die
Bereicherung auch in einer Forderung bestehen kann, die dem Bereicherten
an Stelle des erhaltenen Bargeldes zugekommen ist. Massgebend ist, dass
sein durch den Empfang der grundlos erhaltenen Zahlung herbeigeführter
Vermögensstand trotz der Geldausgabe derselbe geblieben ist.

    Ob der Beklagte seine Forderung gegenüber Eder wieder einbringen kann,
ist entgegen der Meinung der Vorinstanz unerheblich. Denn nach Art. 64
OR kommt es auf den Vermögensstand des Bereicherten (des Beklagten)
im Zeitpunkt der Rückforderung an, d.h. im vorliegenden Fall auf den
Vermögensstand des Beklagten zur Zeit der Einreichung der Klage, mit
welcher der Kläger die Unverbindlichkeit des Vertrags geltend machte. Ob
und wie weit der dem Beklagten gegen Eder zustehende Bereicherungsanspruch
realisierbar sei, wird sich erst beim Vorgehen des Beklagten gegen Eder
erweisen und kann deshalb im massgebenden Zeitpunkt der Rückforderung
nicht in Betracht gezogen werden.

    Indem die Vorinstanz bei der Prüfung des Vorliegens der Bereicherung
des Beklagten die Frage der Einbringlichkeit des Rückforderungsanspruches
gegenüber Eder in ihre Erwägungen einbezog, hat sie deshalb Art. 64
OR in unzutreffender Weise angewendet. Der Beklagte ist vielmehr zur
Rückerstattung der vollen Fr. 50'000.-- verpflichtet, wie der Kläger dies
mit der Anschlussberufung beantragt.

    Da auf die Einbringlichkeit der Forderung gegenüber Eder nichts
ankommt, ist sodann auch kein Raum für das vom Beklagten mit der Berufung
gestellte Eventualbegehren, der Rückerstattungsanspruch des Klägers sei auf
Fr. 30'000.-- herabzusetzen, weil bei Eder überhaupt nichts zu holen sei.

    e) Selbst wenn übrigens die Einbringlichkeit der Forderung gegenüber
Eder grundsätzlich eine Rolle zu spielen vermöchte, käme man zu keinem
anderen Ergebnis. Nach Art. 64 OR entfällt die Rückerstattungspflicht
insoweit, als der Empfänger nachweisbar zur Zeit der Rückforderung
nicht mehr bereichert ist. Ein Nachweis dafür, dass und inwieweit die
Rückerstattungsforderung des Beklagten gegenüber Eder uneinbringlich ist,
fehlt hier indessen. Die Annahme der Vorinstanz, der Anspruch gegenüber
Eder sei bloss zur Hälfte realisierbar, stützt sich nicht auf sichere
Beweisergebnisse und Tatsachen, sondern auf blosse Vermutungen, auf eine
Schätzung ex aequo et bono. Damit ist den Anforderungen des Art. 64 OR
nicht genügt. Insbesondere ist das Bestehen von Verlustscheinen für
rund Fr. 20'000.-- aus den Jahren 1952/57 für die Frage der heutigen
Zahlungsfähigkeit Eders, auf die es selbstverständlich ankommt, nicht ohne
weiteres schlüssig. Eder kann seit 1957 wieder zu Vermögen gekommen sein,
was bei einem Liegenschaftenmäkler angesichts der heutigen Konjunktur im
Liegenschaftenhandel keineswegs ausgeschlossen wäre.

    Mangels des gemäss Art. 64 OR erforderlichen Nachweises des Wegfalls
der Bereicherung müsste daher der Beklagte auch zur Erstattung der
vollen Fr. 50'000.-- verpflichtet werden, wenn auf die Einbringlichkeit
der Forderung gegen Eder etwas ankäme.