Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 87 II 117



87 II 117

17. Urteil der I. Zivilabteilung vom 21. Februar 1961 i.S. Schweizerische
Bundesbahnen gegen Brenzikofer. Regeste

    Haftung der Bahn beim Transport lebender Tiere, ETrG Art.  48 Abs. 3,
TrRegl Art. 122.

    Beschränkung der Haftung wegen der besonderen Gefahren des
Tiertransports. Beweislast. (Erw. 3).

    Begriff der besonderen Gefahr (Erw. 4).

    Wegfall der Haftungsbeschränkung beim Nachweis einer andern
Schadensursache (Erw. 5).

    Frage des adäquaten Kausalzusammenhanges zwischen der Verletzung
eines Pferdes und nachheriger Notschlachtung wegen Tetanus (Erw. 6).

Sachverhalt

    A.- Der Kläger Brenzikofer liess am 22. Juni 1958 durch die
SBB zwei Springpferde, die von zwei Wärtern begleitet waren, von La
Chaux-de-Fonds nach Biel befördern. Beim Rangieren des Wagens im Bahnhof
Biel versagten die Bremsen, weil, wie sich nachträglich herausstellte,
ein Bremsgestängebolzen herausgefallen war. Der auf dem Güterwagen
befindliche Rangierarbeiter verlor die Herrschaft über diesen und sprang
ab. Der Führer der bereitstehenden Rangierlokomotive versuchte den Wagen
fahrend aufzufangen. Dies gelang ihm, doch prallte der Güterwagen heftig
gegen die Lokomotive. Die beiden Pferde wurden gegeneinander und gegen die
Wagenwand geworfen, kamen zu Fall und erlitten leichte Verletzungen. In
der Folge stellte sich beim einen von ihnen, dem Springpferd "Alpenperle",
akuter Starrkrampf ein, und es musste am 30. Juni 1958 abgetan werden.

    B.- Der Eigentümer Brenzikofer belangte die SBB auf Schadenersatz. Die
Beklagten bestritten ihre Haftpflicht.

    C.- Der Appellationshof des Kantons Bern, III.  Zivilkammer, schützte
mit Urteil vom 23. Mai 1960 die Klage im Betrage von Fr. 29 785.80 nebst 5%
Zins seit 1. Juli 1958.

    D.- Mit der vorliegenden Berufung beantragen die Beklagten die
Abweisung der Klage.

    Der Kläger stellt den Antrag auf Abweisung der Berufung und Bestätigung
des angefochtenen Urteils.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Für die Beurteilung des vorliegenden Rechtsstreites sind die
Bestimmungen des Bundesgesetzes über den Transport auf Eisenbahnen und
Schiffen (ETrG) vom 11. März 1948 (AS 1949 I S. 563 ff.), sowie des
in Ausführung des genannten Gesetzes erlassenen Transportreglements
(Tr-Regl) vom 24. Juni 1949 (AS 1949 I S. 581 ff.) massgebend. Da die
in diesen Erlassen getroffene Haftungsregelung im wesentlichen mit der
im internationalen Abkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr (CIM) vom
25. Oktober 1952 (AS 1952 S. 200 ff.) vorgesehenen Ordnung übereinstimmt,
können für die Beurteilung auch das Schrifttum und die Rechtsprechung zu
diesem Abkommen herangezogen werden.

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 34 ETrG gelten für die Beförderung von lebenden
Tieren die Bestimmungen über die Beförderung von Gütern, soweit das
Transportreglement dafür keine besonderen Bestimmungen enthält.

    Bei der Beförderung von Gütern haftet gemäss Art. 48 Abs. 1 ETrG die
Eisenbahn "für den Schaden, der durch gänzlichen oder teilweisen Verlust
oder durch Beschädigung des Gutes... entsteht, wenn sie nicht beweist,
dass der Schaden durch ein Verschulden oder durch eine nicht von ihr
verschuldete Anweisung des Verfügungsberechtigten, durch besondere Mängel
des Gutes (innerer Verderb, Schwinden, gewöhnlicher Rinnverlust usw.) oder
durch Umstände herbeigeführt worden ist, die sie nicht abzuwenden und
denen sie auch nicht abzuhelfen vermochte".

    Bei dieser Haftung der Bahn handelt es sich nach allgemein anerkannter
Auffassung um eine Kausalhaftung, von der sich die Bahn nur durch den in
der genannten Vorschrift vorbehaltenen Entlastungsbeweis befreien kann.

    Art. 48 Abs. 3 ETrG sodann bestimmt, dass im Transportreglement bei
besonderen Gefahren eine Einschränkung der Haftung der Bahn angeordnet
werden soll.

    Für den Gütertransport im allgemeinen wird die Haftung der Bahn in Art.
174 ff. TrRegl geordnet, und in Art. 178 wird insbesondere in Ausführung
von Art. 48 Abs. 3 ETrG die Einschränkung der Haftung bei besonderen
Gefahren umschrieben.

    In den Sondervorschriften des Transportreglements über die Beförderung
lebender Tiere (Art. 102 ff.) wird bezüglich der Haftung der Bahn in
Art. 122 Abs. 1 zunächst auf die oben genannten allgemeinen Vorschriften
der Art. 174 ff. hingewiesen und sodann in Abs. 2 bestimmt:

    "Die Eisenbahn haftet nicht für Schäden, die aus der einen oder der
beiden nachgenannten Ursachen entstehen:

    a) aus der für lebende Tiere mit ihrer Beförderung verbundenen
besonderen Gefahr;

    b) aus der Gefahr, deren Abwendung durch die Begleitung bezweckt wird,
wenn die Tiere nach den Bestimmungen dieses Reglements oder des Tarifs
oder nach einer in den Frachtbrief aufgenommenen Vereinbarung begleitet
werden müssen."

    Art 122 Abs. 3 TrRegl. endlich lautet:

    "Konnte nach den Umständen des Falles ein Schaden aus einer oder
beiden der in Abs. 2 erwähnten Ursachen entstehen, so wird bis zum Nachweis
des Gegenteils durch den Berechtigten vermutet, dass der Schaden hieraus
entstanden ist."

Erwägung 3

    3.- Da es sich im vorliegenden Falle um den Transport lebender Tiere
handelte, haben die Beklagten auf Grund der zu ihren Gunsten in Art. 122
Abs. 3 TrRegl aufgestellten Vermutung lediglich zu beweisen, dass der
eingetretene Schaden durch die besondere Gefahr, die für lebende Tiere
mit der Beförderung verbunden ist, verursacht worden sein konnte. Dass ein
solcher Kausalzusammenhang tatsächlich besteht oder auch nur wahrscheinlich
ist, braucht die Bahn dagegen nicht darzutun; es genügt der Nachweis der
blossen Möglichkeit, dass nach den Umständen des Falles die besondere
Transportgefahr als Schadenursache in Betracht kommt (NANASSY, Das
internationale Eisenbahnfrachtrecht, 1956, Art. 28 § 2, S. 569 f.). Gelingt
der Bahn dieser Nachweis, so ist sie von der Haftung befreit, soweit
der Ansprecher nicht seinerseits zu beweisen vermag, dass der Schaden
in Wirklichkeit auf eine andere Ursache zurückzuführen ist, also nicht
auf der Verwirklichung einer mit dem Transport lebender Tiere verbundenen
besonderen Gefahr beruht (NANASSY, S. 570 Ziff. 3). Erbringt der Ansprecher
den Beweis für eine solche anderweitige Schadensverursachung, so fällt
die zu Gunsten der Bahn aufgestellte Vermutung dahin und es greift ihre
grundsätzliche Kausalhaftung uneingeschränkt Platz.

Erwägung 4

    4.- Die Voraussetzung, dass nach den Umständen die mit der Beförderung
lebender Tiere verbundene besondere Gefahr als Schadensursache in Betracht
kommen könnte, ist im vorliegenden Fall erfüllt.

    Die in Art. 122 Abs. 2 TrRegl vorgesehene Haftungsbeschränkung beruht
auf dem Gedanken, dass Tiere wegen ihrer Natur als Lebewesen bei der
Beförderung von besonderen Gefahren bedroht werden, denen leblose Güter
nicht ausgesetzt sind. Die Tiere müssen, um am Leben zu bleiben, atmen
können, ernährt und gewartet werden, und bedürfen auch einer gewissen
Bewegungsmöglichkeit. Diese elementaren Lebenssbedingungen müssen
ihnen auch während der Beförderung mit der Bahn gesichert sein. Wegen
der Möglichkeit, dass die hierfür notwendigen Vorkehren unterbleiben
könnten, besteht die Gefahr, dass die Tiere durch Erkrankung, Ersticken,
Verhungern oder Verdursten zu Grunde gehen. Sodann machen die ungewohnten
Eindrücke des Transportes die Tiere scheu und unruhig, was sich für
sie selbst und für andere mitbeförderte Tiere verhängnisvoll auswirken
kann; es besteht die Gefahr, dass sie sich losreissen und entspringen,
oder durch Beissen, Stossen, Ausschlagen, Zertreten sich selbst oder
einander verletzen können. Endlich verfügen lebende Tiere über eine
geringere Standfestigkeit als leblose Güter, die entsprechend gesichert
werden können; die Tiere sind daher in vermehrtem Masse als andere Güter
der Gefahr ausgesetzt, durch Erschütterungen, die sich beim Bahnbetrieb
allgemein und insbesondere beim Rangieren nicht vermeiden lassen, zu Fall
zu kommen, wobei sie Verletzungen erleiden oder gar getötet werden können
(NANASSY, Art. 27 § 3 S. 560 f.). Vor allem Pferde können wegen ihres
schlechten Stehvermögens schon durch einen verhältnismässig leichten
Stoss zum Umfallen gebracht werden (Zeitschrift für den internationalen
Eisenbahnverkehr [ZIE] Bd. 51 [1943] S. 271).

    Da im vorliegenden Falle der streitige Schaden im Zusammenhang mit
einem Rangiermanöver eingetreten ist, können die Beklagten zunächst
für sich die Vermutung in Anspruch nehmen, die in der mangelnden
Standfestigkeit im allgemeinen bestehende besondere Tiergefahr habe die
Schadensursache gebildet.

Erwägung 5

    5.- Die zu Gunsten der Beklagten bestehende Vermutung, die, bliebe
sie aufrecht, zur Haftbefreiung führen würde, fällt hier jedoch dahin,
weil feststeht, dass der Schaden auf eine andere Ursache als eine der im
Wesen der beförderten Tiere liegende besondere Gefahr zurückzuführen ist.

    a) Beim Anprall, der zum Sturze der im Güterwagen befindlichen beiden
Pferde führte, handelte es sich nicht um einen blossen Rangierstoss,
wie er auch beim normalen Rangierverkehr häufig vorkommt, sondern um
einen eigentlichen Rangierunfall. Ausgangspunkt der Kausalreihe, die
schliesslich zum Schadenseintritt führte, bildete nämlich, wie nicht
streitig ist, die Tatsache, dass am Güterwagen, in welchem die Pferde
befördert wurden, ein Bremsgestängebolzen herausfiel. Dieser technische
Defekt hatte zur Folge, dass die Bremsen, die bei der vor dem Abstossen
des Wagens vorgenommenen Bremskontrolle noch einwandfrei funktioniert
hatten, versagten, als der Rangierarbeiter sie bei der Annäherung an
die bereitstehende Rangierlokomotive betätigen wollte. Der Arbeiter
verlor daher nach den Feststellungen der Vorinstanz die Herrschaft
über den Wagen und sprang ab, um sich vor dem drohenden Zusammenstoss
in Sicherheit zu bringen. Dessen Heftigkeit konnte nun zwar durch das
geistesgegenwärtige Eingreifen anderer Bahnbeamter einigermassen gemildert
werden. Der Sous-Chef Staub, der das Rangiermanöver beaufsichtigte,
vermutete ein Versagen der Bremsen, als er den Wagen mit unverminderter
Geschwindigkeit, d.h. mit ca. 10-15 km, auf die Rangierlokomotive zufahren
sah; er gab deshalb dem Führer der Lokomotive den Befehl, wegzufahren und
den entlaufenen Wagen fahrend aufzufangen. Dieses Manöver gelang an sich;
aber nach den Feststellungen der Vorinstanz prallte der Wagen gleichwohl
"sehr brüsk", also mit grosser Wucht, auf die Lokomotive auf.

    b) Der eingetretene Schaden ist somit letzten Endes auf
den geschilderten Bremsdefekt zurückzuführen. Das lässt die
Berufungsschrift der Beklagten völlig ausser acht, indem sie von
einer blossen "Rangierunregelmässigkeit", einem "sog. Rangierstoss"
spricht. Im weiteren setzt sich die Berufungsschrift mit dem durch die
Vorinstanz verbindlich festgestellten Sachverhalt in Widerspruch, wenn sie
ausführt, die "Alpenperle" sei nicht das Opfer eines besonders heftigen
Rangierstosses, sondern nur eines leichteren Aufpralls geworden. Nach den
Feststellungen der Vorinstanz prallte der Güterwagen "sehr brüsk" mit der
Lokomotive zusammen. Die Beklagten berufen sich für ihre Darstellung,
wonach es sich lediglich um einen "leichteren Anprall" gehandelt hätte,
auf die Geringfügigkeit der Verletzungen der Tiere, auf den Umstand, dass
keine Entgleisung erfolgte und auf das Fehlen von Schäden am Güterwagen
und an der ihn auffangenden Lokomotive. Diese Ausführungen bedeuten
jedoch eine nach Art. 55 Abs. 1 lit. c OG unzulässige Diskussion
des Sachverhalts. Welche Schlussfolgerungen aus den von den Beklagten
genannten Umständen hinsichtlich der Stärke des Zusammenstosses zu ziehen
seien, hatte der kantonale Richter auf dem Wege der ihm vorbehaltenen
Beweiswürdigung zu entscheiden, und seine Feststellung, es habe sich
um einen "sehr brüsken", d.h. wuchtigen Zusammenstoss gehandelt, ist
daher für das Bundesgericht verbindlich und muss auch von den Beklagten
hingenommen werden.

    c) Da der geschilderte Bremsdefekt die massgebende Ursache für
den heftigen Zusammenstoss und den dadurch herbeigeführten Sturz der
beförderten Pferde bildete, ist den Beklagten jede Berufung auf die
besondere Gefahr des Transportgutes verwehrt; denn für Materialfehler
und deren Folgen hat die Bahn nach den Grundsätzen der Kausalhaft
uneingeschränkt einzustehen, da sie in den von ihr zu vertretenden
Gefahrenbereich fallen.

    Mit dieser Betrachtungsweise steht auch die ausländische Rechtsprechung
im Einklang. So hat das Kammergericht Berlin mit Urteil vom 14. März 1940
(veröffentlicht in ZIE Bd. 53 [1945] S. 262 ff.) eine Haftung der Bahn
verneint, weil der Kläger (im Gegensatz zum vorliegenden Fall) nicht
beweisen konnte, dass der durch einen Rangierstoss herbeigeführte Schaden
aufeine andere Ursache als die besondere Transportgefahr von lebenden
Tieren zurückzuführen war. Besonders instruktiv ist sodann das Urteil
des Landgerichts Karlsruhe vom 10. Februar 1942 (ZIE Bd. 50 [1942] S.
418 ff.). In dem dort zu beurteilenden Falle waren zwei Pferde je mit
einem Hinterfuss durch die Bodendiele des Güterwagens durchgebrochen. Das
Gericht bezeichnete die Frage nach der Ursache des Durchbrechens der
Diele als ausschlaggebend. Auf Grund des Beweisergebnisses stellte das
Gericht fest, es sei nicht dargetan, dass die Dielen morsch, zu dünn oder
an sich untauglich gewesen seien. Dagegen bezeichnete es das Gericht als
naheliegend, dass die durch den Bahntransport aufgeregten Pferde heftig
gestampft haben könnten; die Wucht eines solchen ein- oder mehrmaligen
Aufstampfens sei ausserordentlich stark und vermöge unter Umständen auch
ein dickes Brett zu durchbrechen. Wegen der Möglichkeit einer solchen
Verwirklichung der besonderen Transportgefahr von Pferden wurde die
Schadenersatzklage des Pferdeeigentümers abgewiesen. Aus der dargelegten
Begründung erhellt, dass die Bahn beim Vorliegen technischer Mängel des
Wagens (Morschheit oder ungenügende Dicke der Diele) ohne Rücksicht auf die
nach der Natur des Transportgutes bestehende Möglichkeit des Durchschlagens
auch einer mängelfreien Diele ersatzpflichtig erklärt worden wäre.

    d) Da wegen des Nachweises einer anderen Ursache (Bremsdefekt)
eine Haftbefreiung der Beklagten aus dem Gesichtspunkt der besonderen
Transportgefahr lebender Tiere grundsätzlich ausscheidet, können die
Beklagten auch nicht einwenden, der von ihnen zu vertretende Zusammenstoss
sei nicht heftiger gewesen als ein gewöhnlicher Rangierstoss, für dessen
Folgen sie nach Lehre und Rechtsprechung nicht einzustehen hätten. Ebenso
kann bei dieser Rechtslage die in Schrifttum und Rechtsprechung nicht
einheitlich beantwortete Frage dahingestellt bleiben, ob die Bahn sich nur
bei Schäden aus gewöhnlichen Rangierstössen auf den Haftbefreiungsgrund der
besonderen Tiergefahr berufen könne, oder ob dies selbst bei Rangierstössen
von aussergewöhnlicher Stärke zulässig sei.

    e) Der Entscheid der Vorinstanz, dass die Beklagten dem Kläger
grundsätzlich haften, verstösst somit entgegen der Meinung der Berufung
nicht gegen Bundesrecht.

Erwägung 6

    6.- Die Beklagten machen weiter geltend, die Vorinstanz habe
Bundesrecht dadurch verletzt, dass sie das Bestehen eines adäquaten
Kausalzusammenhangs zwischen den vom Unfall vom 22. Juni 1958 herrührenden
Verletzungen des Pferdes "Alpenperle" und dessen Eingehen bejahte.

    a) Die Vorinstanz nahm auf Grund des von ihr bei Prof.  Leemann,
Zürich, eingeholten Gutachtens und der vom Experten dazu gemachten
mündlichen Ergänzungen an, dass sich das Pferd "Alpenperle" anlässlich
des Sturzes beim Manövrierunfall eine Ballenhornverletzung zuzog. Vom
Ballenhornabriss sei dann eine Tetanusinfektion ausgegangen. Die
Tetanuserkrankung hätte trotz sorgfältiger kunstgerechter Behandlung
und Pflege des Pferdes seit der Verletzung bis zur Einlieferung
in das Tierspital nicht erkannt oder durch Impfung in ihrem Verlauf
gehindert werden können. Der Tetanus habe dann unbestrittenermassen zur
Notschlachtung des Pferdes geführt; sie sei die gegebene Massnahme gewesen,
weil das Tier nicht mehr hätte gerettet werden können.

    Gestützt auf die Erklärungen des Sachverständigen hat die
Vorinstanz entschieden, dass die adäquate Kausalitätskette zwischen
dem Manövrierunfall und der Abschlachtung des Pferdes als lückenlos und
geschlossen betrachtet werden müsse.

    b) Die dieser Schlussfolgerung der Vorinstanz notwendigerweise zu
Grunde liegende Annahme des natürlichen Kausalzusammenhangs ist, weil es
sich dabei um eine Tatfrage handelt, für das Bundesgericht verbindlich. Vom
Bundesgericht überprüfbare Rechtsfrage ist dagegen, ob die Notschlachtung
des Pferdes zu dem von der Beklagten zu vertretenden Rangierunfall in
einem adäquaten Verhältnis stehe und darum auch rechtserheblich sei
(BGE 83 II 410 f., 80 II 342).

    Die Beklagten bestreiten dies. Sie führen aus, von verschiedenen
Unfallursachen seien Ursachen, welche nach dem gewöhnlichen Lauf der
Dinge neben anderen wichtigeren Ursachen in den Hintergrund träten,
nicht mehr adäquat. Vorliegend trete die Betriebsgefahr der Eisenbahn
als Schadenursache im Vergleich zur Schadensselbstzufügung des Tieres
(Ballenriss) und der sich daraus entwickelnden Krankheit (Tetanus) derart
in den Hintergrund, dass der adäquate Kausalzusammenhang nicht mehr als
gegeben erscheine.

    Es handelt sich jedoch nicht darum, zwischen "verschiedenen
Unfallursachen" zu unterscheiden und zu wählen. Unfallursache war das durch
einen technischen Defekt bedingte Versagen der Bremsen; dieser Mangel des
Materials hat zum Unfall und der dadurch bewirkten Körperverletzung des
Pferdes "Alpenperle" geführt. Bei Unfällen, welche Leebewesen betreffen,
bilden sodann Körperverletzung und Tötung regelmässige Unfallfolgen und
sind in der Regel auch adäquat.

    Vorliegend ist zur Frage der Adäquanz zu bemerken, dass die
Tetanusinfektion eine bekannte Komplikation der Gelegenheitswunde bildet
(DUBOIS/ZOLLINGER, Unfallmedizin, S. 400 ff.); auch beim Tier verhält
es sich nicht anders. Damit erscheint die Tetanusinfektion, generell
besehen, als adäquate Unfallfolge. Der Entscheid darüber, ob sie es auch
im Einzelfall war, hängt von der medizinischen Beurteilung der Kausalität
ab. Der Gerichtsexperte, auf den die Vorinstanz für das Bundesgericht
verbindlich abstellt, hat die Kausalität bejaht. Mit der medizinischen
Frage aber ist hier (weil mit ihr untrennbar verbunden) wegen der generell
gegebenen Adäquanz auch diejenige für den konkreten Einzelfall beantwortet.

    c) Die Beklagten wenden ein, auch bei an und für sich tetanusanfälligen
Pferden seien Tetanusinfektionen äusserst selten, weshalb die Adäquanz
ohne weiteres entfalle. Diese Auffassung ist irrtümlich. Adäquat sind
gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht nur solche Folgen,
die als gewöhnliche erscheinen, so wie sie angesichts des Unfallherganges
und dessen körperlicher Einwirkungen zu erwarten waren. Vielmehr ist von
den tatsächlichen Auswirkungen auszugehen und rückblickend zu entscheiden,
ob und inwiefern der Unfall noch als deren wesentliche Ursache erscheint
(BGE 70 II 177). Selbst singuläre, d.h. aussergewöhnliche Folgen können
unter Umständen adäquate Unfallfolgen darstellen (BGE 80 II 343 f.). Dieser
für das Gebiet der Unfallversicherung aufgestellte Grundsatz gilt auch
für das Haftpflichtrecht.

    Die Beklagte beruft sich darauf, nach einer häufigen Formulierung
sei auf die Lebenserfahrung und den gewöhnlichen Lauf der Dinge
abzustellen. Das ist an sich richtig. Aber auch dies besagt lediglich,
dass ein Ereignis an sich geeignet sein muss, einen Erfolg von der Art des
eingetretenen herbeizuführen (BGE 81 II 444 f.). Mit andern Worten bedeutet
das, es komme für die Adäquanz auf die generelle Eignung der fraglichen
Ursachen an, Wirkungen der eingetretenen Art herbeizuführen (OFTINGER,
Haftpflichtrecht, 2. Aufl. Bd. I S. 59). Es ist aber unbestreitbar, dass
Körperverletzungen, wie eine solche von den Beklagten zu verantworten ist,
generell geeignet sind, Starrkrampf herbeizuführen. Diese Unfallfolge
ist nicht einmal singulär, während das Bundesgericht sogar Singularität
der Auswirkungen im konkreten Fall nicht als haftbefreiend ansieht (BGE
80 II 344).

    Ebenso kommt es für die Adäquanz nicht darauf an, ob die Unfallfolge
vorausgesehen werden konnte, bzw. nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und
der Lebenserfahrung zu erwarten war, wie die Beklagten weiter einwenden.
Entscheidend ist vielmehr, ob der eingetretene Erfolg objektiv geeignet
ist, als Wirkung einer bestimmten Ursache betrachtet zu werden (OFTINGER,
S. 60 vor N. 12).

    Damit erweisen sich die hinsichtlich des adäquaten Kausalzusammenhanges
von der Beklagten erhobenen Einwendungen ebenfalls als unstichhaltig.

Erwägung 7

    7.- Da die Beklagten somit schon nach den Grundsätzen der Kausalhaftung
für den vollen Schaden des Klägers aufzukommen haben, kann die Frage, ob
sie am Unfall ein Verschulden treffe, mit der Vorinstanz offen gelassen
werden.

    Die Höhe des von der Vorinstanz zugesprochenen Schadenersatzes ist
nicht streitig.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Appellationshofs des
Kantons Bern, III. Zivilkammer, vom 23. Mai 1960 wird bestätigt.