Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 87 III 87



87 III 87

16. Bescheid vom 6. Dezember 1961 an die Aufsichtsbehörde in Betreibungs-
und Konkurssachen für den Kanton Bern. Regeste

    Pflicht des Schuldners, der Pfändung beizuwohnen oder sich dabei
vertreten zu lassen (Art. 91 Abs. 1 SchKG). Lässt der Schuldner dieses
Gebot ohne genügende Entschuldigung unbeachtet, und erscheint seine
Einvernahme als notwendig, so kann das Betreibungsamt ihn durch die
Polizei vorführen lassen. Analoge Anwendung des Art. 229 Abs. 1 SchKG.

    Diese Massnahme ist dem Schuldner bei der Pfändungsankündigung
anzudrohen.

    Weitere Massnahmen des unmittelbaren Zwanges gegen die Person des
Schuldners sind nicht zulässig. Verweigert dieser die Auskunft, so setzt
er sich der Bestrafung nach Art. 323 Ziff. 2 StGB aus.

    Die vom Betreibungsamt mit der Vorführung des Schuldners beauftragte
Polizei hat die Rechtmässigkeit dieser Massnahme nicht nachzuprüfen.
Hinsichtlich der Art und Weise der Ausführung handelt sie aber selbständig
und auf eigene Verantwortung gemäss den die polizeiliche Tätigkeit als
solche beherrschenden Grundsätzen.

Auszug aus den Erwägungen:

    Mit Ihrem Schreiben unterbreiten Sie uns eine Frage betreffend die
Anwendung des Art. 91 Abs. 1 SchKG.

    Nach dieser Vorschrift ist der Schuldner bei Straffolge verpflichtet,
der Pfändung beizuwohnen oder sich bei derselben vertreten zu
lassen. Darauf wird er jeweilen bei der Pfändungsankündigung laut dem
Formular Nr. 5 hingewiesen. In der Praxis der Betreibungsämter hat
sich die Befragung des Schuldners oder eines zur Auskunfterteilung
fähigen Vertreters in manchen Fällen als unentbehrlich erwiesen (wie
auch H. AMMANN, Vorsteher des Betreibungsamtes Zürich 7, Die polizeiliche
Vorführung des Schuldners im Pfändungsverfahren, BlSchK 1954 S. 129 ff.,
ausführt). Viele Betreibungsämter pflegen daher den dem Pfändungsvollzug
ohne Entschuldigung fern gebliebenen und dabei auch nicht gehörig
vertretenen Schuldner polizeilich zur Auskunfterteilung in das Amtsbureau
vorführen zu lassen. Mitunter bezweifelt jedoch die hiezu in Anspruch
genommene Polizeibehörde die Zulässigkeit dieser Massnahme. Auf Wunsch
der Polizeidirektion des Kantons Bern möchten Sie diese Frage durch einen
Bescheid der eidgenössischen Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und
Konkurs abklären lassen.

    Wir stehen nicht an, zu der praktisch bedeutungsvollen Frage Stellung
zu nehmen. Sie ist grundsätzlicher Art und lässt sich auch ausserhalb
eines Rekursverfahrens beantworten.

Erwägung 1

    1.- Es fällt zunächst auf, dass dem Betreibungsamt zwar nicht in
Abs. 1, wohl aber in Abs. 2 des Art. 91 die Anwendung unmittelbaren
Zwanges, nötigenfalls mit Hilfe der Polizei, zugestanden wird: zur
Öffnung von Räumen und Behältnissen. Wie das Bundesgericht in einer
staatsrechtlichen Entscheidung ausgeführt hat, ist dies keine singuläre
Bestimmung, sondern Ausfluss eines allgemein gültigen Prinzips; es
erscheine als eine selbstverständliche Forderung der Rechtsordnung,
"dass die Staatsgewalt ihre Organe mittelst Hülfe der Polizei bei der
Ausübung ihrer amtlichen Funktionen unterstützt, soweit letztere ohne
diese Unterstützung verunmöglicht oder mit grossen Schwierigkeiten
bezw. Gefahren für den pflichtigen Beamten verbunden wäre" (BGE 22
S. 996). Auf diese Entscheidung weist JAEGER, N. 14 zu Art. 91 SchKG,
hin, und sie wird gelegentlich auf dem Wege der Analogie zur Ergänzung des
Abs. 1 dieses Artikels und damit eben zur Rechtfertigung der zwangsweisen
Vorführung des Schuldners herangezogen (namentlich von H. AMMANN, aaO S.
131). JAEGER (aaO) hält zwar ebenfalls die Beiziehung polizeilicher Hilfe
auch in andern als den in Art. 91 Abs. 2 erwähnten Fällen für zulässig,
jedoch gerade nicht zur Erzwingung der Anwesenheit des Schuldners
nach Art. 91 Abs. 1, wofür nur die Strafanzeige in Betracht komme
(N. 4 daselbst). Auch FRITZSCHE (SchK I 143) nimmt diesen Standpunkt ein,
indem er sich auf die Feststellung beschränkt, das Gesetz bestimme nicht,
dass der fern gebliebene und auch nicht richtig vertretene Schuldner
herbeigeschafft würde, sondern sehe als Sanktion nur die Bestrafung
(jetzt gemäss Art. 323 Ziff. 1 StGB) vor. Indessen haben bereits mehrere
kantonale Aufsichtsbehörden die polizeiliche Vorführung eines Schuldners,
der das Gebot des Art. 91 Abs. 1 missachtet hat, gebilligt (Zürich:
Bescheid an die kantonale Direktion der Polizei vom 22. Dezember 1922;
siehe H. AMMANN, aaO S. 133; Graubünden: Entscheid, veröffentlicht in
der Praxis des Kantonsgerichts 1953 und in BlSchK 1956 S. 19/20; Luzern:
Weisung vom 31. März 1959 an die Betreibungs- und Konkursämter, BlSchK
1961 S. 61 ff.). Im Kanton Waadt ist diese Massnahme sogar gesetzlich
festgelegt durch Art. 72 Abs. 4 der loi d'application de la LP vom 18. Mai
1955, lautend:

    "Lorsqu'un débiteur, avisé conformément à la loi, n'assiste pas en
personne à une saisie ou à une prise d'inventaire et ne s'y fait pas
représenter (art. 91 al. 1, 163 et 317 al. 1 LP), ou encore ne reste pas
à disposition de la masse en faillite pendant la durée de la liquidation
(art. 229 al. 1 LP), le préfet peut, sur demande du préposé, le faire
conduire dans les locaux de l'office pour y être entendu. La poursuite
pénale (art. 323 ch. 1 du code pénal) est réservée."

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts hat,
bisweilen an die erwähnte staatsrechtliche Entscheidung anknüpfend,
die Anwendung unmittelbaren Zwanges durch die Organe des Betreibungs-
und Konkursverfahrens in verschiedenen Fällen in Analogie zu Art. 91
Abs. 2 SchKG zugelassen: gegen den Schuldner zur Durchführung von
Beschlagnahmehandlungen (BGE 42 III 267/68), gegen einen Gläubiger, der
gepfändete Sachen heimlich weggenommen hat (BGE 43 III 195 ff., 199),
unter Umständen auch gegen Dritte (BGE 51 III 137/38, 55 III 14 ff. -
kritisiert von JAEGER, N. 5a zu Art. 91 in SchK =Praxis IV -, 66 III 30
ff., 79 III 113). Abgelehnt wurde Gewaltanwendung gegen einen Dritten, der
den Besitz gepfändeter Sachen verneinte oder keine Auskunft darüber gab,
ob er solche Sachen besitze (BGE 31 I 721 =Sep.-Ausg. 8 S. 267, BGE 51
III 40). Ebenso wurde einem Betreibungsamt verwehrt, durch Gewalt in die
Geheimsphäre eines Schuldners einzudringen, der die Auskunft über seine
Lohnverhältnisse verweigerte. Zulässig und zugleich geboten sei in einem
solchen Falle bloss die Anwendung mittelbaren Zwanges durch Strafanzeige
(BGE 69 III 75 ff.).

Erwägung 2

    2.- Wie es sich mit der Möglichkeit einer unmittelbaren Erzwingung
der Erscheinens- oder Vertretungspflicht als solcher, gemäss Art. 91
Abs. 1 SchKG, verhalte, ist bei alldem offen geblieben. Es erweckt
Bedenken, eine dahingehende Befugnis des Betreibungsamtes analogieweise
aus Abs. 2 daselbst herzuleiten, denn diese Bestimmung betrifft eben
keine Amtshandlungen, die sich gegen die Person des Schuldners zu richten
hätten. Eine andere Frage ist es, ob Art. 91 Abs. 2 SchKG Ausfluss eines so
umfassenden Prinzips sei, dass auch Massnahmen der hier in Frage stehenden
Art (polizeiliche Vorführung) erlaubt wären, ohne dass es hiefür einer
ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung bedürfte. Die Lehre und Praxis
des Verwaltungsrechts gibt hierauf keine eindeutige Antwort. Nach FLEINER
(Institutionen des deutschen Verwaltungsrechts, 8. Auflage, S. 222) ist
zur Bewirkung von Leistungen, "bei deren Vollstreckung Ersatzvornahme
oder Ungehorsamsstrafe unanwendbar sind oder nicht zum Ziele führen",
die Behörde vermöge ihrer Amtsgewalt ein- für allemal ermächtigt, den
rechtlich geforderten Zustand mit unmittelbarem Zwang herzustellen. "In
gleicher Weise darf auch der Private zur Erteilung von Auskunft oder zur
Erstattung eines Zeugnisses zwangsweise der Behörde zugeführt werden,
sofern für ihn im gegebenen Falle eine rechtsgültige Auskunftspflicht
besteht" (ebenda S. 224). Ähnlich äussert K. BRUNNER (Die Lehre vom
Verwaltungszwang, Diss. 1923, S. 43 ff.) die Meinung, "dass die Befugnis,
obrigkeitliche Anordnungen zu erlassen, das Recht einschliesse, dieselben
in Vollzug zu setzen". Dieser Autor betrachtet den Verwaltungszwang
als eine Folge der Verfügungskompetenz der Verwaltung und umschreibt
seinen Standpunkt wie folgt: "Es ist unzulässig zu behaupten, dort, wo
eine besondere gesetzliche Bestimmung über den unmittelbaren Zwang fehle,
stehe er der Verwaltung überhaupt nicht zu. Solange der unmittelbare Zwang
keinen weitern Eingriff in Freiheit und Eigentum des Bürgers bedeutet,
als der Polizeibefehl, und ihm vor allem jeder pönale Nebenzweck fehlt, ist
er anwendbar auch ohne gesetzliche Grundlage" (aaO S. 55). Grundsätzlich,
aber nur unter gewissen Voraussetzungen, bejaht diese Befugnis auch RUCK
(Schweizerisches Verwaltungsrecht, 3. Auflage, I 128): "Die Zwangsbefugnis
ist nicht mehr wie einst im Polizeistaat selbstverständlicher Bestandteil
und Wesensmerkmal der Amtsgewalt, sondern die Verwaltungsbehörden haben
nur diejenige Zwangsgewalt und diejenigen Zwangsmittel zur Verfügung,
die ihnen gemäss dem Wortlaut oder Sinn und Zweck der Rechtsordnung
zustehen." Anderseits wendet sich GIACOMETTI (Allgemeine Lehren des
rechtsstaatlichen Verwaltungsrechts I S. 540) gegen die Ansicht, in der
Befugnis zu Verwaltungsakten sei auch die Befugnis enthalten, sie bei
Ungehorsam des Verpflichteten zu vollstrecken. Er verlangt für jeden
Vollstreckungszwang "die vom Prinzip der Gesetzmässigkeit der Verwaltung
geforderte Rechtsgrundlage". Vollends verpönt er die Anwendung von Gewalt
zur Erzwingung eines vom Willen des Verpflichteten abhängigen Tuns, wie
insbesondere der Erfüllung einer Auskunftspflicht (S. 561). Auch die
staatsrechtliche Praxis verlangt zur Rechtfertigung von Eingriffen in
Individualrechte grundsätzlich eine gesetzliche Grundlage (BGE 67 I 76, 81
I 132, 83 I 113). Dieses Erfordernis wird in der Deutschen Bundesrepublik
aus Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes hergeleitet (FORSTHOFF, Lehrbuch
des deutschen Verwaltungsrechts, 8. Auflage, I S. 265 und 274). Immerhin
hält dieser Autor die Verwaltungbehörde für berechtigt, zur Erreichung
von Auskünften "den Auskunftspflichtigen vorführen zu lassen und
durch Festhalten die Auskünfte zu erzwingen", allerdings nur, wenn das
vorerst als Beugmittel verhängte "Zwangsgeld" wirkungslos geblieben sei
(S. 274/75). Die französische Lehre nimmt demgegenüber den Standpunkt
ein, die Verwaltungsbehörden seien - Fälle dringender Notwendigkeit
ausgenommen - zur Anwendung unmittelbarer Gewalt nicht befugt, sofern
ihnen andere Rechtsbehelfe, insbesondere die Strafklage, zur Verfügung
stehen (M. WALINE, Droit administratif, 8. Auflage, nos 877/78; VEDEL,
Droit administratif I S. 130).

Erwägung 3

    3.- Dem schweizerischen Recht ist der letztere Grundsatz fremd. Gerade
das SchKG enthält eine Vorschrift, aus der sich eine gegenteilige
Ordnung ergibt: Nach Art. 229 Abs. 1 SchKG ist der Gemeinschuldner "bei
Straffolge" verpflichtet, während des Konkursverfahrens zur Verfügung
der Konkursverwaltung zu stehen; er kann dieser Pflicht nur durch
besondere Erlaubnis enthoben werden; nötigenfalls wird er mit Hilfe der
Polizeigewalt zur Stelle gebracht. Neben der Strafanzeige steht somit
der Konkursverwaltung die zwangsweise Vorführung mit Hilfe der Polizei zu.

    Diese konkursrechtliche Vorschrift bildet nun auch den Schlüssel
zur Beantwortung der vorwürfigen Frage des Pfändungsverfahrens. Das
Gebot des Art. 91 Abs. 1 SchKG dient ebenso wie dasjenige des Art. 229
Abs. 1 SchKG dazu, die richtige und zweckentsprechende Durchführung
einer Zwangsvollstreckung zu ermöglichen. Dem Gegenstande nach geht
jenes erste Gebot freilich weniger weit als dieses; es ist nur für das
Stadium des Pfändungsvollzuges aufgestellt. Soweit es reicht, ist es aber
ebenso streng einzuhalten und denn auch seine Missachtung mit gleicher
Strafe bedroht (Art. 323 Ziff. 1 und 5 StGB). Um der Interessen der
betreibenden Gläubiger willen kann sich die Einvernahme des Schuldners beim
Pfändungsvollzug als notwendig erweisen, und diese Interessen verdienen
denselben Schutz wie die Interessen von Konkursgläubigern. Sachlich ist es
somit vollauf gerechtfertigt, die in Art. 229 Abs. 1 am Ende vorgesehene
Massnahme des unmittelbaren Zwanges auch beim Pfändungsvollzuge, zur
Durchsetzung des Gebotes des Art. 91 Abs. 1 SchKG, zuzulassen.

    Warum das Gesetz dies in der letztern Bestimmung nicht vorgesehen hat,
lässt sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen. Man hat anscheinend
eine solche Massnahme beim Pfändungsvollzug für unnötig erachtet,
sei es, dass man davon ausging, der Schuldner sei mehr nur der Ordnung
halber verpflichtet, beim Pfändungsvollzug anwesend oder vertreten zu
sein, oder dass man annahm, die Strafandrohung bilde einen genügenden
Ansporn zur Erfüllung dieser Pflicht. Wie dem auch sein mag, steht
nichts im Wege, die für das Konkursverfahren vorgesehene Befugnis der
Zwangsvollstreckungsorgane zur Anwendung unmittelbaren Zwangs gegen den
Schuldner in entsprechendem Sinne auch für den Pfändungsvollzug zu bejahen,
wenn sich eine solche Analogie als im wahren Sinn des Gesetzes liegend
erweist. Für die Rechtsanwendung ist ja keineswegs einfach der Wille des
historischen Gesetzgebers massgebend, wie er sich aus Diskussionsvoten
in vorberatenden Kommissionen und in Vollsitzungen des Parlamentes
ergibt. Vielmehr ist das Gesetz aus sich selbst auszulegen und dabei
als Ganzes in seinem Aufbau und seinen innern Zusammenhängen ins Auge
zu fassen. Insbesondere ist zu beachten, dass ein gesetzgeberischer
Erlass nicht unbedingt in allen seinen Teilen eine starre, immer
gleich bleibende Ordnung schaffen will. Eine einzelne Norm kann mit
fortschreitender Zeit infolge veränderter technischer, wirtschaftlicher
oder sonstiger Lebensverhältnisse eine andere Bedeutung gewinnen, als wie
sie ihr am Anfang zugeschrieben wurde, und es kann je nach der Stellung
der Norm im Rechtssystem dem wahren Gesetzeswillen entsprechen, dass
solchen Veränderungen äusserer Umstände bei der Auslegung und namentlich
bei der Frage nach der analogen Anwendbarkeit anderer Rechtsgrundsätze
Rechnung getragen werde (vgl. BGE 83 I 178, 86 III 151; W. YUNG, Le Code
civil suisse et nous, Centenarium des Schweizerischen Juristenvereins
1861-1961 II S. 329 ff.). Hier fällt nun vor allem in Betracht, dass im
Lauf der Jahrzehnte seit dem Erlass des SchKG die Lohnpfändungen immer
grössere Bedeutung erlangt haben und die neuere Rechtsprechung ausserdem in
höherem Mass als früher die Pfändung des Reineinkommens aus selbständiger
Erwerbstätigkeit entsprechend dem Art. 93 SchKG zulässt (vgl. BGE 84 IV
156, 85 III 39, 86 III 16 und 53 ff.). Um diesen Gegenstand der Pfändung
richtig ermitteln und bemessen zu können, bedarf es aber in manchen Fällen
unbedingt der Auskunfterteilung durch den Schuldner. Es liegt daher im
wohlverstandenen Sinn des Gesetzes, dass das Gebot des Art. 91 Abs. 1 sich
ebenso wie dasjenige des Art. 229 Abs. 1 durch zwangsweise Vorführung
des Schuldners durchsetzen lässt. Die dahingehende Praxis zahlreicher
Betreibungsämter, die, wie erwähnt, von den Aufsichtsbehörden mehrerer
Kantone gebilligt worden ist, erweist sich somit als rechtmässig. Die
analoge Anwendung des Art. 229 Abs. 1 SchKG in der erwähnten Beziehung
auf das Gebot des Art. 91 Abs. 1 SchKG rechtfertigt sich infolge des
durchaus gleichen Charakters der beiden Gebote. Es wird nicht etwa eine
spezielle Norm auf einen andersartigen Sachverhalt angewendet, was bei
Eingriffen der öffentlichen Gewalt in den privaten Rechtsbereich kaum
anginge (vgl. GIACOMETTI, aaO S. 541).

    Im übrigen ist die unter Umständen notwendige Vorführung eine im
Offizialcharakter der Zwangsvollstreckung begründete, dem Schutz höherer
Interessen dienende Massnahme. Der Eingriff in die persönliche Freiheit
ist verhältnismässig geringfügig. Selbst in gewissen Zivilprozessen (um
Familienrecht) hat nach mehreren kantonalen Gesetzen eine säumige Partei
die polizeiliche Vorführung zu gewärtigen (GULDENER, Schweizerisches
Zivilprozessrecht, 2. Auflage, S. 237, Fussnote 5; vgl. auch P. JAEGGI,
Fragen des privatrechtlichen Schutzes der Persönlichkeit, ZSR NF 79 II
215a, wo von blossen "Persönlichkeitssplittern" die Rede ist).

Erwägung 4

    4.- Voraussetzung der polizeilichen Vorführung des Schuldners im
Verlauf des Pfändungsvollzuges ist, dass er ohne genügende Entschuldigung
wegblieb und sich auch nicht gehörig vertreten liess, und dass sich
seine persönliche Anwesenheit zum Abschluss der Vollzugsmassnahmen
als notwendig erweist. Nach rechtsstaatlichen Grundsätzen muss ihm die
Vorführung angedroht worden sein (vgl. W. JELLINEK, Verwaltungsrecht, 3.
Auflage, S. 341; FORSTHOFF, aaO S. 269; DUEZ et DEBEYRE, Traité de
droit administratif, no 764 ch. 2). Wir werden in das Formular der
Pfändungsankündigung (Nr. 5) eine solche Androhung in den Drucktext
aufnehmen lassen. Unter Umständen hat das Betreibungsamt Veranlassung,
sie zu wiederholen: so, wenn der Schuldner seine Abwesenheit genügend
entschuldigt hat, dann aber zur Auskunfterteilung vor den Betreibungs-
oder Pfändungsbeamten vorgeladen werden muss.

    Was die Art der Massnahme betrifft, so hat sie sich in der Vorführung
vor den Beamten zu erschöpfen. Gewöhnlich wird damit der Zweck erreicht,
indem der zur Stelle gebrachte Schuldner nun bereitwillig die verlangte
Auskunft gibt. In diesem Falle mag der Beamte prüfen, ob gleichwohl wegen
des früheren Ungehorsams Strafanzeige zu erstatten sei gemäss Art. 323
Abs. 1 StGB.

    Verweigert der vorgeführte Schuldner die Auskunft, so ist ihm die
Strafanzeige nach Art. 323 Ziff. 2 StGB in Aussicht zu stellen. Weitere
Massnahmen unmittelbaren Zwanges, wie Festhalten im Amtsraum usw., sind
nicht zulässig.

    Die mit der Vorführung beauftragte Polizei handelt als Hilfsorgan
des Betreibungsamtes. Sie hat die Rechtmässigkeit der Massnahme, die
nach dem Gesagten im Rahmen der betreibungsamtlichen Zuständigkeit
liegt, nicht nachzuprüfen. Wie in BGE 22 S. 997 ausgeführt ist, sind
die vom Betreibungsamt beigezogenen Polizeiorgane "blosse Gehülfen
des Betreibungsamtes, die dem letzteren vorübergehend zur Ausführung
seiner Befehle untergeordnet worden sind und die deshalb auch für die
gemäss den Weisungen ihres Vorgesetzten begangenen Handlungen nicht
verantwortlich gemacht werden können". Die Art und Weise, wie sich die
Polizei ihrer Aufgabe entledigt, richtet sich dann aber nach den die
polizeiliche Tätigkeit überhaupt beherrschenden Regeln. In dieser Hinsicht
haben die Betreibungsbehörden nichts zu bestimmen, sondern es handelt
die Polizei insoweit auf eigene Verantwortung. Sie wird das Prinzip
der Verhältnismässigkeit der staatlichen Eingriffe im Auge behalten
und jede nach den Umständen unnötige Anwendung von Gewalt vermeiden
(vgl. GIACOMETTI, aaO S. 561 ff.; RUCK, aaO S. 128 und 134; FORSTHOFF,
aaO S. 275).