Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 87 III 64



87 III 64

13. Entscheid vom 31. August 1961 i.S. Hasler. Regeste

    Verordnung Nr. 1 zum SchKG (Formulare und Register).

    Das Obligatorium der Verwendung amtlicher Formulare durch das
Betreibungsamt ist als blosse Ordnungsvorschrift zu verstehen. Eine
eindeutig abgefasste, alle für den Empfänger wesentlichen Angaben
enthaltende und ihm in gehöriger Weise zugestellte Verfügung (hier:
Ansetzung einer Klagefrist) ist, auch wenn nicht in einen formularmässigen
Text gekleidet, rechtswirksam. (Erw. 1).

    Lastenbereinigung (Art. 140 SchKG, 37 und 39 VZG, 20 der Anleitung
zur VZG).

    Ein Streit, der sich nicht auf Bestand oder Rang einer Grundpfandlast,
sondern bloss auf die Person des derzeit berechtigten Gläubigers bezieht,
ist nicht im Lastenbereinigungsverfahren auszutragen. Die Vorschrift des
Art. 39 VZG über die Verteilung der Parteirollen ist auf einen solchen
Streit nicht anwendbar. Das Betreibungsamt hat es den Streitenden zu
überlassen, sich gütlich oder rechtlich auseinanderzusetzen; es darf
weder dem einen noch dem andern eine Klagefrist ansetzen. (Erw. 2 und 3).

Sachverhalt

    A.- In dem von der Handelsbank Luzern A.-G. angehobenen
Grundpfandverwertungsverfahren gelangte die Liegenschaft Hotel Astoria am
14. April 1961 zur Versteigerung. Laut dem vom Betreibungsamt eingeholten
Grundbuchauszug war die Liegenschaft mit folgenden Grundpfandrechten
belastet:

    a) mit einer Grundpfandverschreibung des I. Ranges von Fr. 400'000.--
zu Gunsten der betreibenden Gläubigerin;

    b) mit 4 Grundpfandverschreibungen des II. Ranges von je Fr. 50'000.--,
zwei davon zu Gunsten des Dr. J. Ackermann und je einer zu Gunsten
des Hans Gerber und des heutigen Rekurrenten Walter Hasler; c) mit 3
Grundpfandverschreibungen des III. Ranges von je Fr. 50'000.--, und zwar
einer zu Gunsten des vorgenannten Dr. Ackermann und zwei zu Gunsten der
Frau Martha Näf-Pfister.

    Auf die Steigerungsanzeige hin wurden den vertraglichen vorgehende
gesetzliche Pfandrechte für Forderungen von Fr. 203.80 und Fr. 290.85
angemeldet. Dr. J. Ackermann nahm in einer Eingabe an das Betreibungsamt
alle 7 Grundpfandverschreibungen des II. und des III. Ranges für
sich in Anspruch. Anderseits meldete der Rekurrent W. Hasler die 4
Grundpfandverschreibungen des II. Ranges als ihm zustehend an. Als
Titular einer derselben meldete sich ferner Adolf Meier. Hans Gerber
dagegen beschränkte seine Eingabe auf eine Restschuld, die er mit den
bis zum Steigerungstag auflaufenden Zinsen auf Fr. 21'839.55 bezifferte.

    Das Lastenverzeichnis wurde am 30. März 1961 als Beilage zu den
Steigerungsbedingungen aufgelegt. Die vertraglichen Grundpfandrechte
wurden darin mit den Beträgen und Gläubigerbenennungen aufgenommen, wie
sie sich aus dem Grundbuchauszug ergaben. Das Betreibungsamt brachte dazu
folgende Bemerkung an:

    Die Grundpfandrechte werden von verschiedenen Gläubigern angesprochen.
Sämtliche angeblich Berechtigte werden zur Geltendmachung ihrer Ansprüche
auf den Zivilprozessweg verwiesen. Im Lastenverzeichnis sind lediglich
diejenigen Gläubiger aufgeführt, welche als Grundpfandgläubiger im
Grundbuch eingetragen sind.

    Die Grundpfandforderung des Hans Gerber wurde teilweise abgezahlt. Es
ist jedoch noch keine Teillöschungsbewilligung beim Grundbuchamt Arosa
angemeldet worden. Die Restforderung inkl. Zins beträgt gemäss Eingabe
Treuhandbüro Früh Fr. 21'839.55.

    B.- Die Steigerung vom 14. April 1961 führte zum Zuschlag der
Liegenschaft an die Uto Treuhand- und Verwaltungs-A.-G. zum Preise von
Fr. 700'000.--.

    C.- Am 17. April 1961 bat Hans Gerber das Betreibungsamt, den "Titel"
seiner Grundpfandverschreibung dem Dr. Ackermann auszuhändigen, dem er
seine Forderung abgetreten habe.

    Anderseits bestritt der heutige Rekurrent W. Hasler mit Brief vom 20.
April 1961 an das Betreibungsamt die Gläubigereigenschaft sowohl des Dr. J.
Ackermann wie auch des Hans Gerber für sämtliche Grundpfandverschreibungen
des II. Ranges. Er ersuchte das Amt, Frist zur Klage anzusetzen, "damit die
Frage des Eigentums an den Forderungen gerichtlich abgeklärt werden kann".

    Darauf schrieb das Betreibungsamt dem Rekurrenten am 9. Mai 1961,
"dass wir Ihnen zur Bestreitung der Gläubigerqualität der Herren
Dr. J. Ackermann und Hans Gerber, gem. Pos. 4 des Lastenverzeichnisses,
eine Frist von zehn Tagen ab Versanddatum ansetzen".

    D.- Über diese Verfügung beschwerte sich W. Hasler bei der
kantonalen Aufsichtsbehörde mit dem Antrag, die erfolgte Fristansetzung
sei aufzuheben und die Klagefrist nicht ihm, sondern den andern
Ansprechern Dr. J. Ackermann und Hans Gerber anzusetzen; eventuell sei
das Lastenverzeichnis neu zu erstellen. Zur Begründung brachte er vor,
eine telephonische Erkundigung beim Grundbuchamt habe ergeben, dass er
selbst im Grundbuch wenigstens als Gläubiger einer Grundpfandverschreibung
aufgeführt sei, Hans Gerber dagegen gar nicht. Wenn Dr. J. Ackermann
alle 7 Grundpfandverschreibungen des II. und III. Ranges für sich in
Anspruch nehmen wolle, sei auch ihm eine Klagefrist anzusetzen. Die
angefochtene Fristansetzung vom 9. Mai 1961 sei im übrigen nicht mittels
des vorgeschriebenen Formulars erfolgt und auch inhaltlich nicht genau.

    E.- Mit Entscheid vom 3. Juli 1961 hat die kantonale Aufsichtsbehörde
die Beschwerde abgewiesen.

    F.- Soweit die Fristansetzung zur Klage gegen Dr. J.  Ackermann
betreffend, lässt W. Hasler diesen Entscheid unangefochten. Dagegen hat er
Rekurs an das Bundesgericht eingelegt hinsichtlich der Auseinandersetzung
mit Hans Gerber. Er beantragt neuerdings, die Ansetzung der Klagefrist an
ihn selbst sei aufzuheben und statt dessen dem Rekursgegner Gerber Frist
zur Klage gegen ihn anzusetzen. Dem Rekurs liegt ein Grundbuchauszug vom
9. Juli 1961 bei, der folgende Titulare der Grundpfandverschreibungen
des II. Ranges angibt: die Spar- und Leihkasse Schmerikon für zwei,
den Rekurrenten und Dr. J. Ackermann für je eine dieser Pfandforderungen.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Wie die Vorinstanz richtig ausführt, hat der Rekurrent
die Fristansetzung vom 9. Mai 1961 zu Unrecht in formeller Hinsicht
beanstandet. Für die "Fristansetzung zur Klage auf Aberkennung eines
Anspruches im Lastenverzeichnis" besteht zwar das obligatorische Formular
VZG Nr. 1 la. Indessen ist das Obligatorium der Verwendung amtlicher
Formulare im Betreibungsverfahren als blosse Ordnungsvorschrift zu
verstehen. Eine eindeutig abgefasste, alle für den Empfänger wesentlichen
Angaben enthaltende und ihm in gehöriger Weise zugestellte Verfügung
ist, auch wenn in die Form eines nicht formularmässig lautenden Briefs
gekleidet, rechtswirksam. Diese Voraussetzungen waren bei dem Briefe
vom 9. Mai 1961 erfüllt. Da der Rekurrent selbst eine "Frist zur Klage"
verlangt hatte, konnte für ihn nicht zweifelhaft sein, dass die Frist
"zur Bestreitung der Gläubigerqualität der Herren Dr. J. Ackermann und
Hans Gerber" als Klagefrist gemeint war.

Erwägung 2

    2.- Wird ein in das Lastenverzeichnis aufgenommenes Recht bestritten,
so ist, sofern dessen Bestand oder Rang vom Grundbucheintrag abhängt, die
Klägerrolle nach Art. 39 VZG demjenigen zuzuweisen, der eine Abänderung
oder die Löschung des Rechtes verlangt. Es hat also derjenige als Kläger
aufzutreten, dessen Rechtsbehauptung den Einträgen des Grundbuches
widerspricht (vgl. BGE 72 III 45 ff.). Diese Regel glaubt die Vorinstanz
dem Rekurrenten gegenüber anwenden zu können, mit folgender Begründung:
Der Bestand und Rang von Grundpfandrechten hange in der Tat von der
Eintragung im Grundbuch ab (Art. 799 ZGB), und wenn der Rekurrent alle
vier im II. Rang stehenden Grundpfandverschreibungen für sich in Anspruch
nehme, so widerspreche dies den Grundbucheinträgen, wonach drei dieser
Pfandforderungen andere Gläubiger haben.

    Dieser Betrachtungsweise ist jedoch nicht zu folgen und Art. 39
VZG hier nicht anwendbar. Der Rekurrent bestreitet keine der im
Lastenverzeichnis aufgeführten, dem Grundbuchauszug entnommenen
Grundpfandverschreibungen nach Bestand und Rang. Er lässt diese Rechte
durchaus gelten, so wie sie sich aus dem Grundbuchauszug ergeben
und im Lastenverzeichnis anerkannt worden sind. Seine Bestreitung
bezieht sich einzig auf die Person des Gläubigers einzelner dieser
Grundpfandforderungen, und in dieser Hinsicht nimmt er freilich
einen von den Angaben des seinerzeit vom Betreibungsamt eingeholten
Grundbuchauszuges abweichenden Standpunkt ein. Allein über die Person des
jeweiligen Gläubigers vermag das Grundbuch keine massgebende Auskunft
zu geben. Der Erwerb einer Grundfandforderung hängt nicht von einer
dahingehenden Eintragung ab, sondern der Wechsel eines Grundpfandgläubigers
vollzieht sich ausserhalb des Grundbuches, was Art. 835 ZGB für die
Grundpfandverschreibung ausdrücklich bestimmt. Eine Abtretung kann gemäss
Art. 164 ff. OR gültig ohne Eintragung im Grundbuch erfolgen. Gewiss
steht es dem Zessionar zu, sich in einem Hilfsregister des Grundbuchamtes,
dem sog. Gläubigerregister, vermerken zu lassen, mit der Wirkung, dass das
Grundbuchamt ihn fortan bei einer an die Grundpfandgläubiger zu machenden
Mitteilung zu berücksichtigen hat. Einem solchen Vermerke kommt jedoch
keine Grundbuchwirkung zu; er schliesst nicht aus, dass weitere Abtretungen
gültig ohne Anzeige an das Grundbuchamt erfolgen können (vgl. Art. 66
der Grundbuchverordnung; BGE 40 II 597; OSTERTAG, 2. Auflage, N. 7 zu
Art. 937 und N. 11 zu Art. 942 ZGB). Auf diese Rechtslage nimmt auch
die VZG Bedacht: Nach Art. 28 Abs. 2 hat das Betreibungsamt die Angaben
des Grundbuchauszuges über Namen und Wohnort der Pfandgläubiger durch
Befragung des Schuldners nachzuprüfen und gegebenenfalls zu berichtigen.

Erwägung 3

    3.- Lässt sich somit die von der Vorinstanz gebilligte Verteilung
der Parteirollen nicht auf Art. 39 VZG stützen, so könnte dagegen als
Grundlage ihrer Entscheidung der Umstand in Betracht gezogen werden, dass
der letzte Zessionsvermerk auf einer der bei den betreibungsamtlichen Akten
liegenden Vertragsurkunden (Grundpfandverschreibungen des II. Ranges),
datiert vom 21. Juli 1959, auf Hans Gerber lautet (vgl. BGE 67 III 50
ff., 79 III 162/63). Indessen hat dieser selbst dem Betreibungsamt am
17. April 1961 (oben C) eine anscheinend auf besonderem Blatt erfolgte
Weiterabtretung gemeldet; er will also nicht mehr als Titular dieser
Grundpfandverschreibung gelten. Wie dem aber auch sein mag, gehört ein
Streit über die Gläubigereigenschaft bei Grundpfandforderungen überhaupt
nicht zur Lastenbereinigung, weshalb das Betreibungsamt weder dem einen
noch dem andern Ansprecher eine Klagefrist anzusetzen berechtigt war. Wem
die einzelnen auf dem Grundstück lastenden Pfandforderungen zustehen,
ist für den Fortgang der Betreibung nicht von so wesentlicher Bedeutung,
dass darüber anlässlich der Lastenbereinigung Klarheit geschaffen werden
müsste. Die Lasten also solche werden durch eine solche Streitigkeit
nicht berührt, weshalb sich die Verwertung ohne Rücksicht darauf
durchführen lässt, wie anderseits die Grundpfandgläubiger nicht gehindert
sind, über ihre Forderungen samt Nebenrechten auch während eines die
Pfandliegenschaft betreffenden Verwertungsverfahrens zu verfügen. Es
genügt, die Interessenten auf solche konkurrierende Ansprachen hinzuweisen,
wie es hier durch eine Bemerkung in dem mit den Steigerungsbedingungen
aufgelegten Lastenverzeichnis geschehen ist (vgl. BGE 76 III 44 unten/45).
Art. 37 Abs. 2 VZG zieht denn auch Streitigkeiten über das Gläubigerrecht
an Grundpfandforderungen nicht als Gegenstand der Lastenbereinigung in
Betracht. Die Beteiligten erhalten danach vielmehr bei Mitteilung des
Lastenverzeichnisses eine Frist eingeräumt, binnen der sie "einen in
dem Verzeichnis aufgeführten Anspruch nach Bestand, Umfang, Rang oder
Fälligkeit" bestreiten können. Dementsprechend handelt es sich auch bei
Art. 39 VZG um die Klagefristansetzung "an diejenigen, welche eine im
Grundbuch eingetragene Last nach ihrem Bestande oder Range bestritten
haben", wie Art. 20 der Anleitung zur VZG verdeutlicht. Übrigens ist das
Betreibungs- oder Konkursamt auch im Verteilungsverfahren nicht befugt,
einem von mehreren Ansprechern einer Forderung bzw. eines zur Verteilung
gelangenden Betreffnisses eine Klagefrist anzusetzen. Hiebei befindet
sich das Amt in derselben Lage wie der zivilrechtliche Schuldner einer von
mehreren Personen angesprochenen Forderung. Es kann sich durch gerichtliche
Hinterlegung befreien (Art. 168 OR) und hat es daher den Ansprechern
anheimzustellen, sich gütlich oder gerichtlich auseinanderzusetzen
(vgl. BGE 26 I 116/17, 29 I 616, 31 I 220, 39 I 535 = Sep.ausg. Band 3
S. 4/5, Bd. 6 S. 340, Bd. 8 S. 79/80, Bd. 16 S. 291, insbesondere BGE
68 III 53; ferner GUMOENS, De la procédure de collocation, p. 62).

    Somit ist die angefochtene Klagefristansetzung, soweit sie vor
Bundesgericht streitig geblieben ist, aufzuheben, jedoch ohne dass an
ihre Stelle eine neue Fristansetzung mit Umkehrung der Parteirollen zu
treten hätte. Vielmehr haben sich die Betreibungsbehörden jeder derartigen
Verfügung zu enthalten.

Entscheid:

Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:

    Der Rekurs wird dahin gutgeheissen, dass die am 9. Mai 1961 erfolgte
Ansetzung einer Frist zur Klage gegen Hans Gerber aufgehoben wird.