Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 87 III 111



87 III 111

22. Auszug aus dem Entscheid vom 9. November 1961 i.S. Konkursmasse
Parkhof AG Regeste

    Verwertung von Grundstücken im Konkurs.

    1.  Die Beschlüsse der zweiten Gläubigerversammlung unterliegen
der Anfechtung durch Beschwerde wegen Gesetzwidrigkeit. Was für
Verfahrensgrundsätze können unter diesem Gesichtspunkte zur Geltung
gebracht werden? (Erw. 3, Einleitung).

    2.  Zur Anwendung des Art. 128 VZG (Erw. 3 a).

    3.  Grundstücke sind normalerweise auch im Konkurs öffentlich zu
versteigern. Über einen freihändigen Verkauf darf ein Gläubigerbeschluss
in der Regel erst ergehen, wenn die Verwertung als solche zulässig ist
und ein bestimmtes Kaufsangebot vorliegt. Eine freihändige Veräusserung
lässt sich nur rechtfertigen, wenn sich vermutlich durch Versteigerung
kein höherer Erlös erzielen liesse und also kein Gläubiger geschädigt wird
(Erw. 3 b).

Sachverhalt

    A.- Im Konkurs der Parkhof AG in Basel fand am 6.  April 1961 die
zweite Gläubigerversammlung statt. Sie wählte durch Mehrheitsbeschluss
einen ausseramtlichen Konkursverwalter mit Substitutionsbefugnis
und ermächtigte ihn zur beförderlichen freihändigen Verwertung des
Hauptaktivums, der Liegenschaft Äschengraben 21, Basel, "zu Ermessenspreis,
mindestens aber zum konkursamtlichen Schätzungswert". Dieser betrug nach
einem Befund vom 24. November 1959 Fr. 6'400,000.--, also weniger als
die Grundpfandbelastung von Fr. 8'650,000.-- nebst Zinsen. Indessen sind
einzelne Grundpfandforderungen, neben Kurrentforderungen, Gegenstand noch
hängiger Kollokationsprozesse.

    B.- Auf Beschwerde von Gläubigern, die an der Versammlung in Minderheit
geblieben waren, hob die kantonale Aufsichtsbehörde am 14. August
1961 die Gläubigerbeschlüsse auf, soweit sie dem Konkursverwalter
Substitutionsbefugnis einräumten und ihn zur beförderlichen freihändigen
Verwertung der Liegenschaft ermächtigten.

    C.- Mit einem Zirkular vom 1. September 1961 beantragte der
Konkursverwalter den Gläubigern

    a) die Einräumung eines genauer umschriebenen Substitutionsrechtes und

    b) die Ermächtigung zur beförderlichen freihändigen Verwertung der
Liegenschaft unter der Voraussetzung der Zustimmung der Pfandgläubiger,
"mit Ausnahme der aus dem Freihandverkauf vollständig bar Befriedigten",
und mit dem Vorbehalt höherer Kaufsangebote von Konkursgläubigern oder
Aktionären. "Der Freihandverkauf wird erst an die Hand genommen, wenn
über Bestand oder Nichtbestand der Grundpfandrechte im Kollokationsplan
rechtskräftig entschieden ist. Sobald die Rechtslage abgeklärt und
der Verkauf in die Wege geleitet werden kann, werden die Gläubiger und
Aktionäre persönlich zur Offertstellung eingeladen."

    D.- Auf Beschwerde eines Konkursgläubigers hat die kantonale
Aufsichtsbehörde den inzwischen gemäss den Anträgen des Konkursverwalters
durch die Gläubigermehrheit gefassten Beschluss auf freihändige Verwertung
der Liegenschaft durch Entscheid vom 14. Oktober 1961 aufgehoben.

    E.- Mit vorliegendem Rekurs an das Bundesgericht beantragt der
Konkursverwalter namens der Konkursmasse, wie schon in kantonaler Instanz,
die Abweisung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

    .....

Erwägung 3

    3.- In der Sache selbst beruft sich der Rekurrent auf die "Autonomie"
der zweiten Gläubigerversammlung, wie sie sich aus Art. 253 Abs. 2 SchKG
ergibt und auch für weitere Gläubigerversammlungen (nach Art. 255 SchKG)
und ebenso für die Beschlussfassung der Gläubiger auf dem Zirkularwege
anerkannt ist (vgl. JAEGER, N. 3 zu Art. 254 und N. 1 zu Art. 255
SchKG). Diese "Selbstregierung" der Gläubigergesamtheit, nämlich das
Recht, "unbeschränkt" ("souverainement", "inappellabilmente") alles
Weitere für die Durchführung des Konkurses anzuordnen, ist indessen
begrenzt durch die zwingenden Verfahrensgrundsätze, wie sie auch für die
zweite Gläubigerversammlung gelten. Ist angesichts der selbständigen
Rechtsstellung der zweiten Gläubigerversammlung eine Anfechtung ihrer
Beschlüsse nicht zulässig wegen blosser Unangemessenheit, so kann dagegen
Beschwerde geführt werden wegen Gesetzwidrigkeit, handle es sich nun um
die Verletzung einer bestimmten Verfahrensregel (wie des Art. 257 Abs. 2
SchKG, vgl. BGE 25 I 290/91 = Sep.-Ausg. 2 S. 88/89), um die Missachtung
von Individualrechten der einzelnen Gläubiger, die ihnen nicht durch
Mehrheitsbeschluss entwunden werden dürfen (vgl. BGE 44 III 136, 61 III
130), oder um eine mit dem Zweck des Konkurses offenkundig unverträgliche
Massnahme und damit um einen Missbrauch der in Art. 253 Abs. 2 SchKG der
zweiten Gläubigerversammlung eingeräumten Macht (vgl. BGE 86 III 103 mit
Hinweisen; ferner FRITZSCHE, SchK II 152/53).

    Davon geht denn auch der Rekurrent aus, indem er geltend macht,
der neue durch das Zirkular vom 1. September 1961 eingeleitete
Gläubigerschluss trage den von der Praxis aufgestellten, im ersten
Beschwerdeentscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde vom 14. August 1961
dargelegten Voraussetzungen einer freihändigen Liegenschaftsverwertung
vollauf Rechnung. Dieser Beschluss verstösst jedoch, wenn er wirklich auf
"beförderliche" Verwertung der Liegenschaft abzielt, gegen Art. 128 VZG
und im übrigen, soweit die Verwertungsart betreffend, gegen allgemeine
Grundprinzipien des Konkursrechtes.

    a) Während der Hängigkeit der die Grundpfandbelastungen betreffenden
Kollokationsprozesse darf die Liegenschaft nach Art. 128 Abs. 1 VZG weder
versteigert noch aus freier Hand verkauft werden. Nur ausnahmsweise kann
die Aufsichtsbehörde nach Abs. 2 daselbst schon vorher eine Verwertung
bewilligen. Die besondern Voraussetzungen hiefür ("Überdringlichkeit", vgl.
BGE 72 III 29, 75 III 102, 78 III 79, 80 III 80) sind hier keineswegs
dargetan. Der Konkursverwalter hat eine solche Bewilligung auch gar
nicht eingeholt, so dass eine "beförderliche" Verwertung der Liegenschaft
angesichts der noch hängigen Prozesse unzulässig ist. Indessen spricht das
Zirkular wohl nur zum Schein von beförderlicher Verwertung, da es beifügt,
der Freihandverkauf werde erst nach Beendigung der in Frage stehenden
Kollokationsprozesse abzuschliessen sein, und zwar unter Berücksichtigung
allfälliger höherer Angebote von Gläubigern oder Aktionären. Somit geht
der Gläubigerbeschluss anscheinend auf eine unter Beachtung des Art. 128
VZG erst zu gegebener Zeit, dann allerdings ungesäumt, durchzuführende
Verwertung.

    b) Es ist jedoch nicht einzusehen, wieso schon heute beschlossen
werden soll, die Liegenschaft sei in einem noch ungewissen Zeitpunkt,
nach Wegfall des in den hängigen Prozessen liegenden Hindernisses,
"beförderlich", und zwar durch freihändigen Verkauf, zu verwerten. Dass
die Verwertung, sobald sie stattfinden darf, wegen der auflaufenden
Zinsschulden nicht verzögert werden soll, versteht sich von selbst. Dafür
zu sorgen, ist der Konkursverwalter befugt und verpflichtet, ohne einer
Ermächtigung durch die Gläubiger zu bedürfen. Was aber die Verwertungsart
betrifft, so muss das Ziel einer darüber zu treffenden Entschliessung
das bestmögliche Ergebnis für alle Gläubiger, also ein möglichst hoher
Erlös, sein. Zu einem solchen Ergebnis führt im allgemeinen sicherer als
ein Freihandverkauf die öffentliche Versteigerung, mit Bekanntmachung
mindestens einen Monat zuvor (Art. 257 SchKG), so dass unbegrenzt
viele Interessenten miteinander in Wettbewerb treten können. Aus diesem
Gesichtspunkt ist im Pfändungsverfahren die Versteigerung als einzige
Verwertungsart für Liegenschaften zugelassen (Art. 133 SchKG) und
eine freihändige Verwertung von Fahrnis an besondere Voraussetzungen,
in der Regel an die Zustimmung aller Beteiligten, gebunden (Art. 130
SchKG). Im Konkurs genügt zwar zur Anordnung eines Freihandverkaufes
ein - mit Mehrheit gefasster - Gläubigerbeschluss (Art. 256 Abs. 1
SchKG); bei verpfändeten Vermögensstücken bedarf es immerhin noch der
Zustimmung aller Pfandgläubiger (Abs. 2 daselbst), nämlich derjenigen,
die nicht aus dem Erlös des Freihandverkaufs vollständig bar befriedigt
werden können (BGE 72 III 32). Auch im Konkurs ist aber die normale
Verwertungsart die öffentliche Versteigerung, wie aus Art. 256 SchKG
eindeutig hervorgeht. Den Gläubigern ist danach bloss vorbehalten, von
der Regel abweichend einen Freihandverkauf zu beschliessen und damit
Umstände zu berücksichtigen, die im Einzelfalle diese Verwertungsart
als günstiger erscheinen lassen. Die Verhältnisse unter diesem
Gesichtspunkte zu würdigen, steht im Ermessen der zur Beschlussfassung
zusammentretenden (oder auf dem Zirkularweg aufgerufenen) Gläubiger
(BGE 86 III 102). Unzulässig ist aber eine freihändige Verwertung zu
einem Preis, der bei der gegebenen Sachlage nicht mit einiger Gewissheit
als das bestmögliche Verwertungsergebnis gelten darf. Denn unter solchen
Umständen läuft der Freihandverkauf auf eine Begünstigung des Interessenten
zum Nachteil von Konkursgläubigern hinaus, die Aussicht hätten, bei
öffentlicher Versteigerung besser Deckung zu erhalten. Im vorliegenden
Falle wurde bereits im früheren Entscheid der Vorinstanz festgestellt,
dass eine Grundpfandgläubigerin, die AG F. F., Architekt, am Erwerb der
Liegenschaft interessiert sei; sie habe dabei die Gläubigermehrheit
hinter sich, die vornehmlich durch Abtretung von Konkursforderungen
an Personen, die die Absicht jenes Grundpfandgläubigers unterstützen,
zustande gekommen sei. Die Vorinstanz fand daher, der damals angefochtene
Beschluss der zweiten Gläubigerversammung berge die Gefahr in sich,
"dass die Gläubigermehrheit ihren Sonderzweck (die Liegenschaft ins
Eigentum der AG F. F., Architekt, überzuführen)... zum Schaden der an einem
möglichst hohen Liegenschaftserlös interessierten Gläubigerminderheit zu
erreichen suchte." Diese Gefahr ist durch den neuen, auf dem Zirkularweg
eingeleiteten und zustande gekommenen Gläubigerbeschluss vermindert, aber
nicht ausgeschaltet worden. Jeder Gläubiger hat einen Individualanspruch
auf eine ihm möglichst grosse Deckung bietende Art der Verwertung. Ob
eine freihändige Veräusserung diesem Anspruch gerecht werde, lässt sich
in aller Regel nur beurteilen, wenn ein konkretes Angebot vorliegt. Denn
dass sich eine Liegenschaft von vornherein am besten freihändig verwerten
lasse, trifft nur ganz ausnahmsweise zu, und hier liegt nichts vor,
was eine solche Annahme zu rechtfertigen vermöchte. Ferner wäre es nicht
angezeigt, schon heute über die Annahme eines allfälligen Kaufsangebotes
zu beschliessen, da, wie die Vorinstanz erklärt, bis zur rechtskräftigen
Erledigung der die Grundpfandlasten betreffenden Prozesse noch viel Zeit
verstreichen kann und mit einer erheblichen Erhöhung des Verkehrswertes
der Liegenschaft zu rechnen ist. Dem Zweck des Konkursverfahrens,
auch den Ansprüchen von Pfandgläubigern nachgehender Ränge und der
Kurrentgläubiger so weit wie möglich gerecht zu werden, entspricht es,
die Verwertungsart erst dann zu bestimmen, wenn sich die Verwertung
durchführen lässt. Dem angefochtenen Entscheid ist beizustimmen, wenn
er ausführt: "Möglicherweise wird sich dann durch Versteigerung der
Liegenschaft ein höherer Erlös erzielen lassen als durch Freihandverkauf";
der die Verwertungsart zum vornherein festlegende Zirkularbeschluss sei
daher verfrüht. Es genügt nicht, dass dieser Beschluss den Gläubigern
(und den Aktionären) Gelegenheit bieten will, höhere Angebote zu machen
(gemäss BGE 63 III 87 und 82 III 62/63). Denn dass die in Frage stehende
Liegenschaft von hohem Wert sich gerade in diesem Personenkreis am besten
verwerten lasse, ist wohl nicht ohne weiteres anzunehmen. Jedenfalls
darf um des rechtlichen Interesses der Minderheitsgläubiger willen erst
dann, wenn die Verwertung stattzufinden hat und zudem bestimmte Angebote
vorliegen, allfällig darüber beschlossen werden, ob die Liegenschaft zu
versteigern oder freihändig zu verkaufen sei. Nichts hindert dagegen
die Gläubiger, den Konkursverwalter schon jetzt zu ermächtigen, sich
(im Hinblick auf die künftige Beschlussfassung über die Verwertungsart)
während der hängigen Kollokationsprozesse nach Interessenten umzusehen
und Angebote entgegenzunehmen, zu denen zu gegebener Zeit die Gläubiger
Stellung nehmen könnten.

Entscheid:

Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:

    Der Rekurs wird abgewiesen.