Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 86 I 243



86 I 243

34. Urteil der I. Zivilabteilung vom 11. Oktober 1960 i.S. Rickenbach und
Streitgenossen gegen Eidgenössisches Amt für das Handelsregister. Regeste

    1.  Art. 97 ff. OG. Kann nach der Abweisung eines
Wiedererwägungsgesuches Verwaltungsgerichtsbeschwerde geführt werden? (Erw.
1, 2).

    2.  Art. 944 Abs. 2 OR, Art. 45, 46 HRegV.

    a)  Begriff der territorialen Bezeichnung in einer Firma (Erw. 4).

    b)  Die Nichtbewilligung der Firma "Eurotreuhand" bleibt im Rahmen
des Ermessens (Erw. 5).

Sachverhalt

    A.- Dr. Rickenbach ersuchte das eidgenössische Amt für
das Handelsregister, einer von ihm und anderen Personen zu
gründenden Aktiengesellschaft die Führung der Firmen "Europäische
Treuhandgesellschaft", "Société Fiduciaire Européenne" und "Società
Fiduciaria Europea", eventuell der Firmen "Eurotreuhand", "Eurofiduciaire"
und "Eurofiduciaria" zu bewilligen. Er machte geltend, die Gesellschaft
werde europäische Bedeutung haben, denn sie werde von einer internationalen
Gruppe gegründet, sich durch Zweigniederlassungen in mehreren europäischen
Staaten betätigen und die Rechnungen von europäisch bedeutsamen
Gesellschaften revidieren.

    Das Amt wies das Gesuch am 14. Oktober 1959 ab. Es führte unter
Berufung auf die ablehnende Einstellung der zuständigen Vertretung
von Handel und Industrie aus: Nationale, territoriale und regionale
Bezeichnungen dürften in Firmen nur dann verwendet werden, wenn sie
durch besondere Umstände gerechtfertigt seien. Bei privatwirtschaftlichen
Organisationen treffe dies zu, wenn sie vom gesamteuropäischen Standpunkt
aus besonders repräsentativen Charakter aufwiesen. Diese Voraussetzung sei
bei der zu gründenden Gesellschaft nicht erfüllt, da ihre europäischen
Beziehungen vorderhand eher als bescheiden zu betrachten seien und die
Tatsache, dass sie nicht nur in einem einzelnen Lande tätig sein wolle,
nichts Aussergewöhnliches sei. Die Firma "Europäische Treuhandgesellschaft"
würde sie ungerechtfertigterweise aus dem Kreise der schweizerischen
Gesellschaften hervorheben, die in ähnlicher Weise ebenfalls in
verschiedenen Ländern Europas tätig seien. Auch der Name "Eurotreuhand"
würde dem Unternehmen ein kaum verdientes Gewicht verleihen. Beide
Fassungen könnten überdies den Eindruck erwecken, es handle sich um eine
jener mehr oder weniger offiziellen internationalen Organisationen, die
im Zusammenhang mit den Bestrebungen für die wirtschaftliche Integration
Europas in grosser Zahl aus dem Boden schössen, wenn nicht um eine
Gemeinschaftsgründung repräsentativer Berufsorganisationen verschiedener
europäischer Länder.

    B.- Am 19. März 1960 stellte Dr. Rickenbach namens der Gründer beim
eidgenössischen Amt für das Handelsregister ein Wiedererwägungsgesuch
mit dem Begehren, der zu gründenden Aktiengesellschaft zum mindesten die
Firmabezeichnungen "Eurotreuhand", "Eurofiduciaire" und "Eurofiduciaria"
zu bewilligen.

    Das Amt wies es am 11. Mai 1960 ab. Es führte aus, die zuständige
Vertretung von Handel und Industrie empfehle ihm das. Frühere Einträge,
bei denen der Wortstamm "Euro" ohne besonderes Begutachtungsverfahren
zugelassen wurde, entbänden es nicht der Pflicht, die Zulässigkeit von
neuen Firmen gestützt auf die heutigen Verhältnisse zu beurteilen, zumal
die mit den europäischen Integrationsbestrebungen verknüpften Erscheinungen
auf firmenrechtlichem Gebiet heute geböten, an die Verwendung der Begriffe
"europäisch", "Euro" usw. einen besonders strengen Massstab anzulegen. Nach
der Auffassung der industriellen Kreise solle "europäisch" sogar auf
dem besten Wege sein, sich von einem territorialen in einen nationalen
Begriff umzuwandeln, wobei die Meinung vertreten werde, man sollte in
solchen Fällen nicht nachsichtiger sein als bei der Bewilligung nationaler
Bezeichnungen in schweizerischen Firmen. Das Amt verwies ferner auf seine
Erwägungen vom 14. Oktober 1959, an denen sich nichts geändert habe.

    C.- Dr. Rickenbach und die als Mitgründer der Gesellschaft
interessierten Dres. Maspoli und Pedrazzini führen mit Eingabe vom 11. Juni
1960 gemäss Art. 97 ff. OG gegen die Entscheide vom 14. Oktober 1959
und 11. Mai 1960 Beschwerde. Sie beantragen dem Bundesgericht, ihnen zu
gestatten, für eine neu zu gründende schweizerische Aktiengesellschaft die
Firmabezeichnungen "Eurotreuhand", "Eurofiduciaire" und "Eurofiduciaria"
zu verwenden, eventuell das eidgenössische Amt für das Handelsregister
zu verpflichten, ihnen diese Bewilligung zu erteilen.

    D.- Das Amt hält die Beschwerde insoweit für verspätet, als sie sich
gegen den Entscheid vom 14. Oktober 1959 richtet. Im übrigen beantragt es,
sie abzuweisen.

    E.- Am 3. Oktober 1960 teilten die Beschwerdeführer dem Bundesgericht
mit, sie hätten zusammen mit weiteren Interessenten am 29. August 1960 die
vorgesehene Aktiengesellschaft gegründet und ihr provisorisch die Firma
"ETG Treuhandgesellschaft", "ETG Société Fiduciaire" und "ETG Società
Fiduciaria" gegeben.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist innert dreissig Tagen vom
Eingang der schriftlichen Ausfertigung des angefochtenen Entscheides an
einzureichen (Art. 107 OG). In bezug auf den Entscheid vom 14. Oktober
1959 war diese Frist abgelaufen, als die Beschwerdeführer am 11. Juni 1960
das Rechtsmittel ergriffen. Sie konnte nicht dadurch wieder in Gang gesetzt
werden, dass Dr. Rickenbach am 19. März 1960 ein Wiedererwägungsgesuch
stellte und das Amt am 11. Mai 1960 darauf eintrat. Die Beschwerde gegen
den Entscheid vom 14. Oktober 1959 ist daher verspätet.

Erwägung 2

    2.- Das Amt für das Handelsregister ist der Auffassung, zwischen dem
14. Oktober 1959 und dem 11. Mai 1960 habe sich am Sachverhalt, der seinem
ersten Entscheide zugrundelag, nichts geändert. Man kann sich fragen,
ob es unter diesen Umständen im Sinne einer guten Verwaltung lag, auf das
Wiedererwägungsgesuch einzutreten und einen neuen Sachentscheid zu fällen.
Das Bundesgericht hat indessen diese Frage nicht zu beantworten. Es
muss hinnehmen, dass am 11. Mai 1960 ein solcher Entscheid erging und
dass die Beschwerdeführer am 11. Juni 1960 gegen ihn rechtzeitig die
Beschwerde erklärten (vgl. BEG 60 I 52, 70 I 120, 72 I 55, 75 I 392,
83 I 32). Diese Beschwerde ist durch die Gründung der Aktiengesellschaft
und deren Benennung als "ETG Treuhandgesellschaft" nicht gegenstandslos
geworden. Die Beschwerdeführer erklären, weiterhin daran interessiert
zu sein, dass der Gesellschaft die Führung der Firma "Eurotreuhand",
"Eurofiduciaire" und "Eurofiduciaria" bewilligt werde. Hierüber ist zu
entscheiden. Dagegen steht dem Bundesgericht im vorliegenden Verfahren
nicht zu, über die Zulässigkeit der Firma "ETG Treuhandgesellschaft"
zu befinden.

Erwägung 3

    3.- Die Wörter "Eurotreuhand", "Eurofiduciaire" und "Eurofiduciaria"
bringen die Treuhandgesellschaft, die sich ihrer in der Firma bedient,
gedanklich mit Europa in Verbindung. Indem die Beschwerdeführer das
nebenbei anzweifeln, setzen sie sich mit ihrem Gesuch vom 19. März 1960
in Widerspruch; dort führten sie aus, die Verbindung von "Euro" mit dem
Begriffe "Treuhand" sei kaum geeignet, einen anderen Eindruck zu erwecken,
als dass die Gesellschaft bestrebt und in der Lage sei, auf europäischem
Gebiete zu arbeiten. Mit diesem Zugeständnis stimmt überein, dass sie
anfänglich die Gesellschaft als "Europäische Treuhandgesellschaft"
bezeichnen wollten und dass sie noch in der Beschwerde eingehend
darlegen, das zu gründende Unternehmen werde "wirklich europäische
Geltung" haben. Eine solche wird durch den Bestandteil "Euro"
z.B. auch in den im Handelsregister eingetragenen Firmen "EUROFIMA,
Europäische Gesellschaft für die Finanzierung von Eisenbahnmaterial",
"Eurotransport AG", "Eurokommerz-Aktiengesellschaft" und "Euromarketing
AG" angedeutet. Dass daneben auch Firmen vorkommen oder denkbar sind, in
denen die gleiche oder eine ähnliche Folge von Buchstaben mehr den Eindruck
einer Phantasiebezeichnung ohne besonderen Sinn erweckt, ist unerheblich.
Massgebend sind die Schlüsse, die der Durchschnittsleser im vorliegenden
Falle aus der nachgesuchten Verwendung der Silben "Euro" ziehen würde.

Erwägung 4

    4.- Der Bundesrat kann Vorschriften darüber erlassen, in welchem
Umfange nationale und territoriale Bezeichnungen bei der Bildung von
Firmen verwendet werden dürfen (Art. 944 Abs. 2 OR). Er hat von dieser
Ermächtigung in Art. 45 und 46 HRegV Gebrauch gemacht. Darnach dürfen
Einzelfirmen, Handelsgesellschaften und Genossenschaften in ihrer Firma
grundsätzlich keine nationalen Bezeichnungen verwenden. Das eidgenössische
Amt für das Handelsregister kann jedoch nach Anhörung der nach den
Umständen zuständigen Behörde, Amtsstelle oder Vertretung von Handel,
Industrie oder Gewerbe Ausnahmen gestatten, "wenn sie durch besondere
Umstände gerechtfertigt sind" (Art. 45 HRegV). Diese Bestimmung ist auch
auf territoriale und regionale Zusätze anwendbar, wobei das Amt, bevor
es die Führung eines solchen gestattet, ebenfalls zuständigenorts eine
Meinungsäusserung einzuholen hat (Art. 46 HRegV).

    Der Hinweis auf die Beziehungen der Gesellschaft zu Europa
enthält keine nationale, wohl aber eine territoriale Bezeichnung. Eine
solche liegt entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer nicht nur
dann vor, wenn der Zusatz "ein Staatsterritorium oder einen rechtlich
abgeschlossenen Teil eines solchen, vor allem die Schweiz, die Kantone,
Bezirke, Gemeinden" umschreibt, sondern immer dann, wenn er auf einen
geographischen Raum Bezug nimmt. Es trifft nicht zu, dass territoriale
Bezeichnungen ausschliesslich deshalb bewilligungspflichtig seien, weil die
Überfremdung des schweizerischen Wirtschaftslebens abgewehrt, die Autorität
des Staates geschützt und das nationale Empfinden geachtet und geschont
werden sollte, wie die Beschwerdeführer unter Berufung auf HIS Art.
944 N. 118 geltend machen. Solche Überlegungen mögen Anlass zum Verbot
nationaler Bezeichnungen gegeben haben. Der Grund der Bewilligungspflicht
für territoriale Zusätze dagegen ist eher darin zu suchen, dass
reklamehaftes Auftreten und Irreführung des Publikums, insbesondere
über die Ausdehnung oder das Tätigkeitsgebiet des Unternehmens, verhütet
werden sollen. Dieses Bestreben kommt schon im Gebot der Firmenwahrheit
zum Ausdruck (Art. 944 Abs. 1 OR), mit dem die Bestimmung des Art. 944
Abs. 2 OR systematisch zusammenhängt. Deshalb hält auch die Auffasung nicht
stand, diese Norm und Art. 46 HRegV sähen territoriale Bezeichnungen nur
in Hinweisen auf einen Teil des schweizerischen Gebietes. Auch Zusätze,
die auf ein über die Schweiz hinausreichendes oder ausschliesslich im
Ausland liegendes Territorium Bezug nehmen, bedürfen der Bewilligung,
denn auch sie könnten in reklamehaftem Bestreben das Publikum irreführen.

    Die Firma "Eurotreuhand" und die ihr entsprechende französische bzw.
italienische Fassung durften daher vom eidgenössischen Amt für das
Handelsregister nur bewilligt werden, wenn besondere Umstände die
Bezugnahme auf den Erdteil Europa rechtfertigten. Ob solche Umstände
vorliegen, ist weitgehend Ermessensfrage. Das Bundesgericht kann daher den
angefochtenen Entscheid nur abändern, wenn das Amt für das Handelsregister
das Ermessen überschritten hat; denn nur unter dieser Voraussetzung
verstösst der angefochtene Entscheid im Sinne des Art. 104 Abs. 1 OG
gegen Bundesrecht (BGE 81 I 384).

Erwägung 5

    5.- Dass die ETG Treuhandgesellschaft von einer "internationalen
Gruppe" gegründet worden sein soll, sich durch Zweigniederlassungen
in mehreren europäischen Staaten zu betätigen gedenkt und europäisch
bedeutsamen Gesellschaften als Kontrollstelle dienen will, sind
nicht genügende Gründe, ihr die reklamehafte Firma "Eurotreuhand"
zu bewilligen. Diese Eigenschaften haben auch andere in der Schweiz
niedergelassene Gesellschaften mit ihr gemein; auch sie haben Aktionäre
und Niederlassungen in andern europäischen Ländern und betätigen sich dort.

    Gewiss hat das eidgenössische Amt für das Handelsregister schon
zahlreichen Aktiengesellschaften erlaubt, sich in der Firma einen
europäischen Anstrich zu geben, insbesondere durch den Bestandteil
"Euro". Ob das jeweilen anging, ist nicht zu entscheiden. Selbst wenn
die Bewilligungen im Rahmen des Ermessens erteilt worden sein sollten,
wäre damit nicht gesagt, dass dieses im vorliegenden Falle überschritten
sei. Namentlich kommt nichts darauf an, dass das Amt noch nach der
Abweisung des Gesuches der Beschwerdeführer den Zusatz "Europe" als
Bestandteil einer Firma zugelassen hat. Die betreffende Firma lautet zudem
nicht "General Atomics Europe", wie die Beschwerdeführer behaupten, sondern
"General Atomics (Europe)", wobei das in Klammern stehende Wort nicht
den Umfang der geschäftlichen Tätigkeit andeutet, sondern nur erläutert,
dass die Gesellschaft die europäische Niederlassung eines grösseren
Ganzen sei, nämlich der zur amerikanischen General Dynamics Corporation,
Delaware gehörenden und "General Atomics" genannten Forschungs- und
Konstruktionsabteilung für Atommaterialien. Der Zusatz "(Europe)" war
geeignet, Verwechslungen vorzubeugen.

    Einen solchen oder ähnlichen besonderen Umstand, der die territoriale
Bezeichnung auch im vorliegenden Falle rechtfertigen würde, vermögen
die Beschwerdeführer nicht zu nennen. Es besteht im Gegenteil ein
triftiger Grund, den Firmenbestandteil "Euro" hier nicht zuzulassen. Er
wurde in neuerer Zeit wiederholt für Gesellschaften verwendet, die ihr
Dasein dem Streben der europäischen Staaten nach wirtschaftlicher und
technischer Zusammenarbeit verdanken, so für die durch ein Abkommen
europäischer Staaten geschaffene "EUROFIMA, Europäische Gesellschaft
für die Finanzierung von Eisenbahnmaterial" und die von der Organisation
für Europäische Wirtschaftliche Zusammenarbeit gegründete "EUROCHEMIC,
Europäische Gesellschaft für die Chemische Aufarbeitung bestrahlter
Kernbrennstoffe". Ferner nennt sich die durch Abkommen vom 25. März
1957 zu Rom gegründete Europäische Atomgemeinschaft "EURATOM". Die
Firma "Eurotreuhand" könnte den Eindruck erwecken, die Gesellschaft,
die sich so nennt, sei auf ähnliche Weise durch eine Übereinkunft unter
europäischen Staaten zustande gekommen oder sei von ihnen beauftragt
worden, das Rechnungswesen einer europäischen Organisation oder
Gesellschaft zu überwachen oder im Zusammenhang mit einer solchen als
Treuhänder zu amten. Das sind Aufgaben, die im Rahmen schon bestehender
oder künftiger staatsvertraglicher Organisationen von europäischer
Bedeutung durchaus möglich sind. Deshalb lässt sich die Firma, für die
sich die Beschwerdeführer einsetzen, nicht ohne weiteres z.B. mit den
vom Handelsregisteramt bewilligten Firmen "Europhila SA", "Europhone SA"
und "Eurorice Corp. Ltd." vergleichen. Übrigens stand es dem Amte für das
Handelsregister frei, auf seine frühere Praxis zurückzukommen und seine
Bewilligungen angesichts des Fortschreitens der Zusammenarbeit europäischer
Staaten von strengeren Voraussetzungen abhängig zu machen. Der angefochtene
Entscheid hält unter dem Gesichtspunkt des Ermessens vor dem Gesetze stand.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    1. Auf die Beschwerde gegen den Entscheid vom 14. Oktober 1959 wird
nicht eingetreten.

    2. Die Beschwerde gegen den Entscheid vom 11. Mai 1960 wird abgewiesen.