Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 86 I 18



86 I 18

4. Urteil vom 2. März 1960 i. S. X. A.-G. gegen Solothurn, Kanton und
Regierungsrat. Regeste

    Kantonale Handänderungsabgabe, Willkür.

    Kantonale Bestimmung, wonach beim "Übergang von Grundstücken auf einen
neuen Eigentümer" eine Handänderungsgebühr zu entrichten ist. Anwendung
auf den durch Kaufvertrag erfolgten Übergang einer Liegenschaft von
einer aufgelösten G.m.b.H. an eine neu gegründete A.-G. Anwendungsbereich
der sog. wirtschaftlichen Betrachtungsweise im Handänderungsabgaberecht.

Sachverhalt

    A.- Das solothurnische Gesetz betreffend den Bezug von
Handänderungsgebühren beim Eigentumsübergang an Liegenschaften vom 23.
Februar 1919 (HGG) bestimmt in § 1 Abs. 1:

    "Wenn Grundstücke auf einen neuen Eigentümer übergehen, so ist vom
wahren Werte des veräusserten Grundstückes eine Handänderungsgebühr
zu bezahlen. .."

    Die Abgabe beträgt je nach dem Wert des Grundstücks 1 bis 2% (§ 1
Abs. 2) nebst einem Zuschlag von 10%, und ist, sofern nicht das Gegenteil
verurkundet ist, vom Erwerber zu entrichten (§ 3). Einschätzungsbehörde
ist der Amtsschreiber als Grundbuchverwalter.

    B.- Die 1942 gegründete X. G.m.b.H. hatte ein Stammkapital von
Fr. 40'000.--, an dem A. mit einer Stammeinlage von Fr. 30'000.-- und
B. mit einer solchen von Fr. 10'000.-- beteiligt waren.

    Am 23. Januar 1959 beschloss die Gesellschafterversammlung, die
G.m.b.H. aufzulösen und Aktiven und Passiven zum Übernahmepreis von
Fr. 100'000.-- auf die neu zu gründende X. A.-G. zu übertragen. Am gleichen
Tag fand die konstituierende Generalversammlung dieser A.-G. statt. An
dieser Versammlung, an der neben A. und B. die Y. A.-G. mit zwei
ihr von A. fiduziarisch abgetretenen Aktien als Gründerin teilnahm,
wurde festgestellt, dass das Aktienkapital von Fr. 100'000.-- durch
Sacheinlagen des A. von Fr. 75'000.-- und des B. von Fr. 25'000.-- voll
liberiert sei. Ebenfalls am 23. Januar 1959 verkaufte die X. G.m.b.H. ihre
Fabrikliegenschaft durch öffentlich beurkundeten Vertrag zum Preis von
Fr. 300'000.-- an die in Gründung begriffene und durch ihre drei Gründer
vertretene X. A.-G.

    Die Amtsschreiberei der Stadt Solothurn setzte die Handänderungsgebühr
für diesen Kauf auf Fr. 6600.-- fest. Die X. A.-G. rekurrierte gegen
diese Auflage an den Regierungsrat des Kantons Solothurn, indem sie
geltend machte, dass das HGG nicht die formell-rechtliche, sondern
die wirtschaftliche Handänderung besteuere und eine solche hier nicht
stattgefunden habe, da die Anteilsrechte des A. und des B. an der
Liegenschaft durch die Umwandlung der G.m.b.H. in eine A.-G. sich nicht
geändert hätten.

    Der Regierungsrat wies den Rekurs durch Entscheid vom 11. Dezember
1959 ab, im wesentlichen mit folgender Begründung: Die Behauptung, dass
die beiden einzigen Gesellschafter der aufgelösten G.m.b.H. auch die
einzigen Gesellschafter der neugegründeten A.-G. seien, treffe nicht zu,
da an der Gründung der A.-G. als Aktionärin auch die Y. A.-G. beteiligt
gewesen sei. Die Beschwerdeführerin mache daher zu Unrecht geltend, dass
die Beteiligungsverhältnisse an der Liegenschaft unverändert geblieben
seien. Ausserdem übersehe sie, dass die G.m.b.H. eine juristische
Person sei, dass die Umwandlung einer G.m.b.H. in eine A.-G. ein neues
Rechtssubjekt schaffe und dass die Liegenschaft daher auf einen neuen
Eigentümer übergegangen sei. Bei dieser Verschiedenheit der Rechtssubjekte
und der Beteiligungsverhältnisse stelle sich die Frage der wirtschaftlichen
Betrachtungsweise überhaupt nicht. Beim Wechsel einer juristischen Person
in eine andere juristische Person könne die Steuerpflicht auf keinen Fall
verneint werden.

    C.- Gegen diesen Rekursentscheid hat die X. A.-G.  staatsrechtliche
Beschwerde erhoben mit dem Antrag, ihn aufzuheben. Als Beschwerdegrund wird
Verletzung von Art. 4 BV (Willkür) geltend gemacht. Die Begründung dieser
Rüge ist, soweit wesentlich, aus den nachstehenden Erwägungen ersichtlich.

    D.- Der Regierungsrat des Kantons Solothurn beantragt die Abweisung
der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

    Nach § 1 HGG wird die Handänderungsgebühr bezogen, wenn "Grundstücke
auf einen neuen Eigentümer übergehen". Dieser Tatbestand ist erfüllt,
wenn auf Grund eines auf Übertragung von Grundeigentum gerichteten
Rechtsgeschäfts ein neuer Eigentümer anstelle des bisherigen im Grundbuch
eingetragen wird. So verhielt es sich aber im vorliegenden Falle. Die
G.m.b.H. hat ihre Fabrikliegenschaft verkauft und sich gleichzeitig
aufgelöst, worauf sie im Grundbuch als Eigentümerin gelöscht und an
ihrer Stelle die A.-G. als neue Eigentümerin eingetragen worden ist. Die
Annahme des Regierungsrates, dass für diesen Kauf die Handänderungsgebühr
zu entrichten sei, entspricht somit durchaus dem Wortlaut von § 1 HGG. Die
dem Wortlaut entsprechende Auslegung einer Vorschrift kann aber, wie das
Bundesgericht von jeher entschieden hat, nicht als willkürlich bezeichnet
werden, es sei denn, sie widerspreche dem Sinn und Zweck der Vorschrift
offensichtlich und führe zu einem vom Gesetzgeber unmöglich gewollten
Ergebnis (BGE 84 I 103 mit Verweisungen). Das hat die Beschwerdeführerin
aber nicht geltend gemacht, jedenfalls aber nicht dargetan. In der
Beschwerde wird zunächst ohne nähere Begründung behauptet, dem HGG liege
die wirtschaftliche und nicht die zivilrechtliche Betrachtungsweise
zugrunde: sodann wird daraus, dass die Handänderungsgebühr auch in Fällen
bloss wirtschaftlicher Handänderung bezogen worden ist, geschlossen,
sie dürfe nur erhoben werden, wenn ein Vorgang auch wirtschaftlich
eine Handänderung darstelle, was hier nicht zutreffe, da lediglich das
Unternehmen die rechtliche Form gewechselt, das Beteiligungsverhältnis
von A. und B. aber nicht geändert habe. Diese Ausführungen genügen indes
nicht, um die Unhaltbarkeit des angefochtenen Entscheids darzutun.

    Das Bundesgericht hat zwar wiederholt entschieden, dass auf Grund von §
1 HGG die Handänderungsgebühr ausser bei zivilrechtlichen Handänderungen
auch erhoben werden dürfe bei Vorgängen, die angesichts ihrer Wirkungen
einem Eigentumswechsel an einem Grundstück wirtschaftlich derart
nahekommen, dass die steuerrechtliche Gleichbehandlung des Vorgangs
mit einem Eigentumswechsel sich sachlich rechtfertigen lässt, so bei
der Begründung eines selbständigen und dauernden Baurechts (85 I 278
und Urteil vom heutigen Tag i.S. Devo Immobilien AG) sowie bei der
Übertragung der Gesamtheit oder überwiegenden Mehrheit der Aktien einer
Gesellschaft, deren einziges Aktivum eine Liegenschaft bildet (Urteil
vom heutigen Tag i.S. Consumverein Olten). Im gleichen Sinne hat das
Bundesgericht auch inbezug auf ähnliche Vorschriften anderer Kantone
entschieden, da sich hiefür triftige sachliche Gründe anführen lassen
(BGE 79 I 19/20 mit Verweisungen). Dagegen hat es nie erklärt, dass
dann, wenn auch bloss wirtschaftliche Handänderungen erfasst würden,
gewisse zivilrechtliche Handänderungen nicht mehr besteuert werden
dürften. Fraglich kann nur sein, ob es zulässig ist, den § 1 HGG, der
nach seinem Wortlaut lediglich zivilrechtliche Handänderungen im Auge
zu haben scheint, ausdehnend auf sog. wirtschaftliche Handänderungen
anzuwenden, d.h. die Handänderungsgebühr ausser bei den zivilrechtlichen
auch bei den wirtschaftlichen Handänderungen zu erheben. Das ist für
§ 1 HGG wie für entsprechende Bestimmungen anderer Kantone aus dem
beschränkten Gesichtspunkt der Willkür zu bejahen. Diese Gleichstellung
der wirtschaftlichen mit der zivilrechtlichen Handänderung ist, nachdem
sie zunächst durch die Praxis erfolgt war, in verschiedenen Kantonen durch
eine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung (z.B. § 178 lit. a zürch. StG
von 1951, § 16 bern. Gesetz über die Amts- und Gerichtsschreibereien in
der Fassung vom 30. Juni 1935) vorgeschrieben worden. Davon, dass diese
sei es auf einer Praxis sei es auf gesetzlicher Vorschrift beruhende
Gleichstellung der wirtschaftlichen mit der zivilrechtlichen Handänderung
zur Folge hätte, dass die Handänderungsgebühr für gewisse zivilrechtliche
Handänderungen ohne Verletzung von Art. 4 BV nicht mehr erhoben werden
könne, kann keine Rede sein. Die in einigen Urteilen des Bundesgerichts
(ASA 26 S. 155, 28 S. 127) enthaltene Bemerkung, dass die Steuerbehörden
nicht nach Belieben, etwa nur dann, wenn es für den Fiskus vorteilhafter
sei, die wirtschaftliche Betrachtungsweise anwenden dürfen, trifft auf
Fälle wie den vorliegenden nicht zu.

    Die Beschwerdeführerin bestreitet mit Recht nicht, dass beim Verkauf
der Fabrikliegenschaft von der liquidierten G.m.b.H. an die neugegründete
A.-G. eine zivilrechtliche Handänderung stattgefunden hat (vgl. HAAB
N. 43 zu Art. 656 ZGB). Infolgedessen ist die angefochtene Steuerauflage
jedenfalls nicht willkürlich. Bei derartigen Eigentumswechseln
im Zusammenhang mit der Auflösung einer juristischen Person unter
Übertragung ihrer Aktiven und Passiven auf eine neue juristische Person
werden übrigens auch in andern Kantonen Handänderungsgebühren erhoben
(vgl. MEIER, Die bern. Handänderungs- und Pfandrechtsabgaben S. 56/57),
weshalb die bundesrätliche Verordnung vom 29. Dezember 1939 über die
Umwandlung von Genossenschaften in Handelsgesellschaften (BS 2, 681)
ausdrücklich vorschreibt, dass für den durch eine solche Umwandlung
bewirkten Übergang des Genossenschaftsvermögens keine Handänderungsabgaben
erhoben werden dürfen.

    Da im vorliegenden Falle eine zivilrechtliche Handänderung
stattgefunden hat und bei einer solchen die Handänderungsgebühr
ohne Willkür erhoben werden darf, kann dahingestellt bleiben, ob die
Annahme des Regierungsrats, dass die Beteiligungsverhältnisse an der
Liegenschaft unverändert geblieben seien, haltbar ist. Von Willkür
dürfte übrigens kaum die Rede sein, da bei der Gründung der A.-G. neben
A. und B. die Y. A.-G. als weitere Aktionärin mitgewirkt hat und der
Regierungsrat sehr wohl diese Beteiligung berücksichtigen und den Einwand
der Beschwerdeführerin zurückweisen durfte, sie sei bloss vorgetäuscht
worden, um der Vorschrift von Art. 625 OR, wonach die A.-G. bei der
Gründung mindestens drei Aktionäre zählen muss, zu genügen, handelt es
sich dabei doch um eine zwingende Vorschrift.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.