Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 86 I 176



86 I 176

26. Urteil vom 3. Juni 1960 i. S. Schmuckli und Konsorten gegen
Schweiz. Bundesbahnen. Regeste

    Haftung des Beamten gegenüber dem Bund (Verantwortlichkeitsgesetz
vom 14. März 1958).

    1.  Zuständigkeit des Bundesgerichts (Erw.1).

    2.  Verrechnung der Schadenersatzforderung des Bundes mit dem
Lohnguthaben des Beamten; Parteirollen im Prozess (Erw.2).

    3.  Voraussetzungen der Haftung des Beamten; Begriff der groben
Fahrlässigkeit (Erw. 3).

    4.  Zusammenstoss im Rangierverkehr der SBB: Verantwortlichkeit
der beteiligten Bediensteten? Befreiung des Rangierleiters und des
ihm untergebenen Rangierarbeiters (Erw. 4, 6). Verurteilung des
Stellwerkwärters; Höhe der Schadensbeteiligung (Erw.5).

Sachverhalt

    A.- Am Vormittag des 20. Februar 1959 hatte Rangiervorarbeiter Josef
Schmuckli im Bahnhof Olten ein Rangiermanöver zu leiten, in welchem
von seinem Standort bei der Weiche 144 aus eine Zugskomposition auf
verschiedene Geleise zu verteilen war. Zunächst wurde ein Wagen K 2 über
die Weiche 157 in das anschliessende Geleise A 23 gestossen, wo ihn der
Begleiter, Betriebsarbeiter Othmar Burkhardt, mit einer dort bereits
abgestellten Wagengruppe verkuppelte. In der Folge sollte ein Wagen F
6, begleitet vom Rangierarbeiter William Burkhard, in das Geleise A 15
gestossen werden. Sein Weg führte über die Weiche 157 und das davon
abzweigende Geleise A 21. Auf Ansuchen des Rangierleiters Schmuckli
gab der im Stellwerk 4 diensttunde Rangierarbeiter Hugo von Arx diese
Fahrstrasse frei, worauf Schmuckli den Stoss ausführen liess. Nachdem der
Wagen F 6 die Weiche 157 durchlaufen hatte, prallte er mit dem Wagen K 2
seitlich zusammen, weil dieser zu nahe bei der Weiche stand. Es entstand
Sachschaden im Betrage von Fr. 1100.--.

    Die Verwaltung der SBB machte die genannten Bediensteten für den
Zusammenstoss verantwortlich, indem sie ihnen vorwarf, fahrlässig das
Reglement über den Rangierdienst (Ausgabe 1950) verletzt zu haben. Sie
beanstandete,

    a) dass Othmar Burkhardt die von ihm festgestellte Tatsache, dass der
Wagen K 2 auf dem Geleise A 23 über die durch das Sicherheitszeichen
("Polizeipfahl") bei der Weiche 157 gegebene Grenzlinie (Profil)
hinausragte, dem Rangierleiter Schmuckli nicht unverzüglich mitgeteilt
habe;

    b) dass Josef Schmuckli unterlassen habe, vor der Abgabe des Befehls
zur Rangierbewegung des Wagens F 6 sich zu vergewissern, ob das zu
befahrende Geleise A 21 frei, das Sicherheitszeichen abgedeckt sei;

    c) dass Hugo von Arx der Aufforderung Schmucklis, die Weiche 157
umzulegen, Folge geleistet und die Zustimmung zur Rangierfahrt des Wagens
F 6 gegeben habe, obwohl er gesehen habe, dass das Sicherheitszeichen
nicht abgedeckt war;

    d) dass William Burkhard, obwohl er dies ebenfalls gesehen habe,
mit dem Wagen F 6 am Wagen K 2 vorbeizukommen versucht habe.

    Es wurden Bussen von Fr. 5.- gegenüber Josef Schmuckli
und von je Fr. 3.- gegenüber Hugo von Arx und William Burkhard
ausgesprochen. Ausserdem wurde jedem dieser drei Bediensteten eine
Schadensbeteiligung von Fr. 20.- auferlegt, welcher Betrag vom Lohn
abgezogen wurde. Gegenüber Othmar Burkhardt liess man es mit Rücksicht
darauf, dass er Neuling im Rangierdienst war, bei einem Verweis bewenden.

    B.- Josef Schmuckli, Hugo von Arx und William Burkhard haben beim
Bundesgericht verwaltungsrechtliche Klage erhoben, mit dem Begehren,
die SBB seien zu verurteilen, ihnen den vom Lohn als Schadensbeteiligung
abgezogenen Betrag von je Fr. 20.- zurückzuerstatten. Sie bestreiten,
dem Bunde für den entstandenen Schaden zu haften, mit der Begründung,
es könne ihnen weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit zur Last gelegt
werden (Art. 8 BG über die Verantwortlichkeit des Bundes sowie seiner
Behördemitglieder und Beamten vom 14. März 1958 [VG]).

    C.- Die SBB beantragen Abweisung der Klagen.

    D.- Eine Delegation des Gerichts hat im Bahnhof Olten die Kläger und
verschiedene Zeugen einvernommen und einen Augenschein durchgeführt.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Ansprüche auf Schadenersatz, welche die SBB gegenüber den
Klägern erheben, stützen sich auf Art. 8 und 9 VG. Die Kläger bestreiten
diese Ansprüche und fordern daher die Lohnbetreffnisse nach, mit denen die
SBB die Schadenersatzforderungen verrechnet haben. Da es sich somit um eine
Streitigkeit über in der Bundesgesetzgebung begründete vermögensrechtliche
Ansprüche des Bundes bzw. gegen den Bund aus öffentlichem Recht handelt,
ist zur Beurteilung das Bundesgericht als einzige Instanz zuständig
(Art. 110 OG, Art. 10 VG).

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 46 Abs. 2 BtG in Verbindung mit Art.120 ff. OR durften
die SBB ihre Schadenersatzansprüche mit den Lohnguthaben der Kläger
verrechnen (vgl. BGE 85 I 159). Es lag im Ermessen der Verwaltung, entweder
die Verrechnung geltend zu machen und es damit den Beamten zu überlassen,
ob sie die Angelegenheit vom Richter beurteilen lassen wollten, oder von
der Verrechnung abzusehen und infolgedessen selber den Entscheid des
Richters anzurufen. Dass die Schadenersatzansprüche bestritten sind,
schliesst ihre Verrechenbarkeit nicht aus (Art. 120 Abs. 2 OR). Die
Verrechnung wider den Willen der Kläger wäre nur dann unzulässig, wenn
die in Frage stehenden Lohnbetreffnisse für den Unterhalt der Kläger
und ihrer Familien unbedingt erforderlich gewesen wären (Art. 125
Ziff. 2 und Art. 340 OR in Verbindung mit Art. 46 Abs. 2 BtG; Urteil
vom 17. Dezember 1936 i.S. Klopfenstein, nicht publiziert). Dass dieser
Gerichtspunkt in Betracht komme, machen die Kläger jedoch, offenbar mit
Recht, nicht geltend. Sie bestreiten lediglich die Begründetheit der
Gegenansprüche der Verwaltung, nicht auch die Zulässigkeit der Verrechnung.

    Art. 46 BtG ist durch das neue Verantwortlichkeitsgesetz nicht
aufgehoben oder abgeändert worden. Dieses lässt zu, dass die Verwaltung
mittels Verrechnung den Beamten in die Klägerrolle verweist. Der Beamte
wird auch nicht wesentlich benachteiligt, wenn die Verrechnung erklärt
wird. Seine Stellung im administrativen Verfahren (Art. 5 Abs. 3 der
Vollziehungsverordnung zum VG) wird dadurch nicht beeinträchtigt. Im
gerichtlichen Verfahren sind ihm in jedem Falle, gleichgültig ob er Kläger
oder Beklagter ist, die Voraussetzungen der Haftung nachzuweisen. Der
Richter ist in beiden Fällen befugt, von sich aus, ohne an die Vorbringen
der Parteien gebunden zu sein, das zur Abklärung des Sachverhalts
Erforderliche anzuordnen (Art. 115 in Verbindung mit Art. 95 OG).

Erwägung 3

    3.- Nach Art. 8 VG haftet der Beamte dem Bund für den Schaden, den er
ihm durch vorsätzliche oder grobfahrlässige Verletzung seiner Dienstpflicht
unmittelbar zufügt. Die Bestimmung ersetzt Art. 29 Abs. 1 BtG, wonach
jede Fahrlässigkeit genügte und Unmittelbarkeit der Schädigung nicht
gefordert war. Im vorliegenden Fall kommt nur Fahrlässigkeit, nicht auch
Vorsatz, in Frage. Mit einer Fahrlässigkeit hat man es zu tun, wenn die
nach bestehenden Vorschriften und nach den Umständen gebotene Sorgfalt bei
Ausübung dienstlicher Verrichtungen ausser acht gelassen wird (zit. Urteil
Klopfenstein, Erw. 2). Damit die Fahrlässigkeit als grob bezeichnet werden
kann, muss sie von einer gewissen Schwere sein. In der Regel wird die
Verletzung eines elementaren Vorsichtsgebotes als grobe Fahrlässigkeit zu
würdigen sein (vgl. BGE 64 II 241; OFTINGER, Schweiz. Haftpflichtrecht I,
S. 133). Bei der Beurteilung der Schwere des Verschuldens sind indessen
stets die gesamten Umstände des einzelnen Falles zu berücksichtigen.

Erwägung 4

    4.- Dem Kläger Schmuckli wird vorgeworfen, gegen Ziff. 99 lit. a des
Reglements über den Rangierdienst (RDR) verstossen zu haben, wonach der
Rangierleiter sich vor der Rangierbewegung zu vergewissern hat, ob die
zu befahrenden Geleise frei und die Sicherheitszeichen abgedeckt sind.

    Schmuckli sah von seinem Standort bei der Weiche 144 aus das zur
Weiche 157 gehörende "Weichenbild" (schwarz-weisse Tafel). Dieses Signal
gab die Fahrstrasse über das Geleise A 21 frei, nachdem der im Stellwerk 4
diensttuende Rangierarbeiter von Arx auf Ansuchen Schmucklis (Ziff. 88 RDR)
die Weiche 157 umgelegt hatte (Ziff. 94 RDR). Dagegen konnte Schmuckli vom
genannten Standort aus nicht sehen, dass der Wagen K 2 auf dem Geleise A
23, wohin er gestossen worden war, über die durch das Sicherheitszeichen
festgelegte Grenzlinie, ja auch über das Profil, das durch den Deckel
des näher bei der Weiche 157 liegenden Kastens derselben gegeben war,
hinausragte. (Im Hinblick darauf, dass das Sicherheitszeichen damals noch
aussergewöhnlich weit von der Weiche entfernt war - es ist seither um mehr
als 2 m versetzt worden -, betrachtete das Rangierpersonal, wie es scheint,
die durch den Deckel des Weichenkastens gegebene Linie als massgebende
Sicherheitsgrenze.) Wagen, die auf den Geleisen A 24 und A 25 standen,
verdeckten dem Rangierleiter die Sicht auf das Sicherheitszeichen und den
Weichenkasten. Er blieb gleichwohl an seinem Standort und erteilte den
Befehl zur Rangierbewegung des Wagens F 6 auf dem vorgesehenen Wege über
das Geleise A 21. Er sagte sich offenbar, dass dieses Geleise vollständig
frei sein müsse, weil ihm weder Othmar Burkhardt, der Begleiter des Wagens
K 2, ein Hindernis angezeigt noch das Stellwerk die Zustimmung zur Fahrt
verweigert habe.

    In der Tat hätte Othmar Burkhardt darüber, dass der von ihm begleitete
Wagen im Geleise A 23 vorübergehend nicht "profilfrei" aufgestellt
werden konnte, unverzüglich das Stellwerk oder den Rangierleiter oder
beide verständigen müssen (Ziff. 100 und 113 RDR). Im administrativen
Verfahren hat er erklärt, er habe den Rangierleiter orientieren wollen,
jedoch vorerst den Wagen K 2 fertig gekuppelt, so dass er die Meldung
nicht mehr habe erstatten können, weil Schmuckli inzwischen bereits
zum Stoss des Wagens F 6 gepfiffen habe. Dagegen hat er als Zeuge vor
Gericht erklärt, er habe gar nicht nachgeschaut, ob das Profil der Weiche
157 frei sei; er habe nicht gewusst, was noch "gespielt" werden sollte;
er habe den Wagen K 2 angehängt und sei dann gemäss dem vom Rangierleiter
erhaltenen Befehl zum Geleise A 25 gegangen, um nachzusehen, ob dort alles
"hebi" (zusammenhalte). Welche Darstellung mehr Glauben verdient, mag
dahingestellt bleiben. Auf jeden Fall hat Othmar Burkhardt eine elementare
Pflichtverletzung begangen, sei es, dass er nicht einmal nachgeschaut hat,
ob das Weichenprofil frei sei, sei es, dass er, nach Vornahme der Prüfung,
deren Ergebnis nicht sofort gemeldet hat. Die Meldepflicht bestand auch
dann, wenn er nicht wusste, dass noch eine Rangierbewegung über das Geleise
A 21 bevorstand, und wenn er den erwähnten weiteren Auftrag hatte. Obwohl
er ein Anfänger im Rangierdienst war, musste er über diese Verpflichtung im
klaren sein. Er war vorschriftsgemäss (Ziff. 6 RDR) für den Rangierdienst
besonders ausgebildet und geprüft worden und musste mit dem Reglement und
den örtlichen Vorschriften vertraut sein (Ziff. 8 RDR). Darauf durfte
sich Schmuckli verlassen. Allerdings hätte er wohl gut daran getan,
den Neuling noch ausdrücklich auf die Meldepflicht aufmerksam zu machen,
bevor er ihn auf dem Wagen K 2 wegfahren liess. Aber in der Unterlassung
eines solchen Hinweises kann auf jeden Fall nicht eine grobe Fahrlässigkeit
gesehen werden. Der Rangierleiter braucht seinen Untergebenen elementare
Pflichten, die ihnen ohnehin aus ihrer Grundausbildung bekannt sind oder
als bekannt vorausgesetzt werden dürfen, nicht in jedem einzelnen Fall
in Erinnerung zu rufen.

    Nach Ziff. 96 RDR ist die Prüfung der Fahrstrasse in erster Linie
Sache des Weichenwärters (Stellwerkwärters); der Rangierleiter ist dazu nur
verpflichtet, "soweit er sie (die Fahrstrasse) überblicken kann". Schmuckli
durfte davon ausgehen, dass der im Stellwerk 4 Dienst versehende Kläger
von Arx seine - ebenfals elementare - Verpflichtung, die Zustimmung zur
Rangierbewegung über das Geleise A 21 erst nach gehöriger Prüfung dieser
Fahrstrasse zu geben (Erw. 5 hiernach), erfüllt habe, also die Zustimmung
verweigert hätte, wenn er (von Arx) - sei es auf Grund eigener Beobachtung,
sei es auf Meldung Othmar Burkhardts hin - das Bestehen eines Hindernisses
festgestellt hätte.

    Die Verwaltung ist jedoch der Ansicht, Schmuckli hätte vor Erteilung
des Befehls zu der Rangierbewegung über das Geleise A 21 sich noch
den ihm an seinem Standort bei der Weiche 144 fehlenden persönlichen
Überblick über die Situation verschaffen, also diesen Standort verlassen
und sich der Weiche 157 soweit nähern müssen, dass er sich hätte an Ort
und Stelle vergewissern können, ob das Profil frei sei. Indessen hat die
Beweisführung ergeben, dass der Bahnhof Olten im Eisenbahnverkehr ein
Engpass ist. Er weist täglich bis zu 840 Zugsein- und -ausfahrten auf. Die
Abwicklung der dortigen Rangiermanöver wird daher häufig durch Zeit-
und Platznot erschwert, besonders wenn Zugsverspätungen eintreten. Unter
den gegebenen Umständen war dem Rangierleiter Schmuckli, wie die mit den
örtlichen Verhältnissen vertrauten, sachverständigen Zeugen Kellerhals
(Bahnhofinspektor) und Grütter (früher Rangiermeister) einleuchtend
erklären, nicht zuzumuten, sich noch persönlich aus der Nähe über die
Situation bei der - von seinem Standort immerhin etwa 130 m entfernten
- Weiche 157 zu vergewissern. Darin, dass er von dieser zeitraubenden
Kontrolle absah und sich auf die Gewissenhaftigkeit der am Manöver
mitbeteiligten Bediensteten von Arx und Othmar Burkhardt verliess, kann
zum mindesten keine grobe Fahrlässigkeit erblickt werden.

    Schmuckli kann daher für den entstandenen Schaden nicht haftbar
gemacht werden. Seine Klage erweist sich als begründet.

Erwägung 5

    5.- Der Kläger von Arx wird der Missachtung der Ziff. 94 RDR
beschuldigt, wonach der Weichenwärter (Stellwerkwärter) die Fahrstrasse
nicht herstellen und dem Rangierleiter die Zustimmung zu ihrer Benützung
nicht erteilen darf, bevor er sich überzeugt hat, dass der Rangierbewegung
kein Hindernis entgegensteht.

    Als Schmuckli bei von Arx die Zustimmung zur Rangierbewegung des Wagens
F 6 nachsuchte, sah dieser von seinem Standort im Stellwerk 4 aus die auf
dem Geleise A 23 abgestellten Wagen, auch den zuletzt angehängten Wagen K
2. Er sah ferner, dass dieser Wagen über die durch das Sicherheitszeichen
gegebene Grenzlinie hinausragte. Er macht jedoch geltend, man habe bei der
Weiche 157 immer auf den Kastendeckel geschaut; nachdem Othmar Burkhardt
ihm nicht gesagt habe, es lange nicht, habe er angenommen, es lange. Diese
Einwendungen helfen ihm nicht. Er sah auch den Kastendeckel. Er durfte sich
nicht dabei beruhigen, dass Othmar Burkhardt ihm nichts meldete. Da er
nicht sicher war, ob der Wagen K 2 genügend weit von der Weiche entfernt
war, hätte er von sich aus die Lage abklären sollen, um sich die nach
Ziff. 94 RDR erforderliche Überzeugung zu verschaffen. Er hätte, wie
der Zeuge Kellerhals erklärt, dem nächsten Rangierarbeiter zurufen oder
dem Rangierleiter telephonieren können. Indem er die Weiche umlegte und
die Zustimmung zum Stoss des Wagens F 6 erteilte, ohne sich überzeugt zu
haben, dass die Fahrstrasse frei war, gefährdete er in hohem Masse die
Sicherheit des Eisenbahnverkehrs. Er musste sich der Wichtigkeit der
Zustimmung bewusst sein, zumal das Rangierpersonal des Bahnhofs Olten
unlängst wieder darauf hingewiesen worden war. Sein Verhalten muss als
grobfahrlässige Verletzung der Dienstpflicht qualifiziert werden.

    Es ist nicht bestritten und steht fest, dass er durch die ihm
vorgeworfene Unterlassung den Bund unmittelbar (im Sinne des Art. 8 VG)
geschädigt hat. Sein Verhalten war adaequate Ursache des Schadens,
für den er haftbar gemacht wird. Es kann auch nicht gesagt werden,
dass die Schadensbeteiligung im Betrage von Fr. 20.-, welche ihm die
SBB auferlegt haben, in Anbetracht der Umstände, insbesondere der Grösse
seines Verschuldens, übersetzt sei (Art. 9 VG, Art. 43 f. OR).

    Die Klage des Hugo von Arx ist daher abzuweisen. 6. - Dem Kläger
William Burkhard wird zur Last gelegt, er habe gegen Ziff. 98 RDR
verstossen, indem er versucht habe, mit dem von ihm begleiteten Wagen F
6 am Wagen K 2 vorbeizukommen, obwohl er bemerkt habe, dass dieser nicht
"profilfrei" aufgestellt war. Es wird ihm vorgeworfen, er hätte den Wagen
F 6 vor dem Hindernis zum Stehen bringen müssen; er habe aber überhaupt
nicht gebremst. Den ursprünglich erhobenen weiteren Vorwurf, er hätte
Schmuckli verhindern müssen, zum Stoss zu pfeifen, hat die Verwaltung
fallen lassen. Mit Recht. In der Tat konnte William Burkhard vor der
von ihm begleiteten Fahrt, die bei der Weiche 144 begann, so wenig wie
Schmuckli sehen, dass das Profil der Weiche 157 nicht frei war; erst
während der Fahrt war ihm dies möglich.

    Da der Wagen F 6 bis zum Geleise A 15 einen ziemlich weiten Weg
zurückzulegen hatte, musste er einen kräftigen Stoss erhalten, also sich
mit einer beträchtlichen Geschwindigkeit fortbewegen. Der Begleiter William
Burkhard war deshalb verpflichtet, die Fahrt zu bremsen, sobald er Zweifel
darüber haben musste, ob der Wagen K 2 "profilfrei" aufgestellt sei. Er hat
vor Gericht ausgesagt, er habe nicht schon in dem Augenblick gebremst, als
er bemerkt habe, dass dieser Wagen über die durch das Sicherheitszeichen
festgelegte Grenzlinie hinausragte, sondern erst etwas später, als
er gesehen habe, dass auch das durch den Weichenkasten gegebene Profil
nicht frei war. Wenn diese Darstellung zutrifft, so kann man sich fragen,
ob er nicht schon in jenem früheren Zeitpunkt Grund zum Zweifel an der
"Profilfreiheit" und daher zum Bremsen gehabt hätte. Die Frage kann
indessen offen gelassen werden. Nach den Aussagen der sachverständigen
Zeugen Kellerhals und Grütter war es nicht mehr möglich, vom Zeitpunkt an,
da William Burkhard sich Rechenschaft darüber geben musste, dass der Wagen
K 2 in das Profil der Weiche 157 hineinragen könnte, den Wagen F 6 so stark
zu bremsen, dass er noch vor dem Hindernis zum Stehen kam. William Burkhard
hat offenbar nur die Handbremse angezogen. Ein Versuch, die Fahrt mittels
der Luftbremse zu stoppen, war ihm nicht zuzumuten, wie die Beweisführung
ergeben hat. Abgesehen davon, dass er, um diese Bremse richtig bedienen
zu können, sich von der Plattform weg ins Innere des Wagens hätte
begeben müssen, hätte ein solcher Versuch dazu führen können, dass die
Rangierlokomotive von hinten an den brüsk gebremsten Wagen geprallt wäre,
wodurch möglicherweise ein noch grösserer Schaden entstanden wäre. Auch
wenn davon auszugehen ist, dass William Burkhard mit dem Bremsen etwas
früher, als er es tatsächlich getan zu haben scheint, hätte beginnen
sollen, so ist doch nicht bewiesen, dass sich dadurch der Zusammenstoss
mit dem Wagen K 2 hätte vermeiden lassen. Ebensowenig ist bewiesen, dass
der Zusammenprall wesentlich gelinder ausgefallen und daher ein geringerer
Schaden eingetreten wäre. Falls anzunehmen wäre, William Burkhard habe die
Bremsung pflichtwidrig nicht rechtzeitig eingeleitet, so würde demnach
der Nachweis des Kausalzusammenhangs zwischen der Unterlassung und dem
Schaden fehlen. Daher braucht nicht geprüft zu werden, ob das Verhalten
William Burkhards - immer vorausgesetzt, dass es pflichtwidrig war -
als grobfahrlässig zu bewerten sei.

    Dieser Bedienstete kann somit für den eingetretenen Schaden nicht
haftbar gemacht werden. Seine Klage ist gutzuheissen.

Entscheid:

                  Demnach erkennt das Bundesgericht:

    1.- Die Klagen des Josef Schmuckli und des William Burkhard
werden gutgeheissen. Die SBB werden verurteilt, diesen Klägern den von
ihrem Lohn als Schadensbeteiligung abgezogenen Betrag von je Fr. 20.-
zurückzuerstatten.

    2.- Die Klage des Hugo von Arx wird abgewiesen.