Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 86 IV 153



86 IV 153

38. Urteil des Kassationshofes vom 17. Juni 1960 i.S. Beutler gegen
Generalprokurator des Kantons Bern. Regeste

    Art. 117 StGB. Adäquater Kausalzusammenhang. Er setzt nicht voraus,
dass der Eintritt des Erfolges für den Täter voraussehbar war; es genügt,
dass das Verhalten des Täters unter den konkreten Umständen, wie sie
vorlagen, objektiv, d.h. nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der
allgemeinen Lebenserfahrung, geeignet war, einen Erfolg von der Art des
eingetretenen herbeizuführen.

Sachverhalt

    A.- Beutler führte am 11. März 1958 einen Lastwagen mit einer
Geschwindigkeit von 40 km/Std. auf der ca. 5,6 m breiten, mit einer
festgefahrenen, glatten Schneeschicht bedeckten Naturstrasse von Oberburg
nach Krauchthal. Wenige Meter vor der unübersichtlichen Einmündung der
Hettiswilstrasse gewahrte er einen Opel-Stationswagen, der im Begriffe
stand, von rechts aus dieser Strasse in die Oberburg-Krauchthal-Strasse
einzuschwenken. Obgleich Beutler nach kurzem Zögern den Lastwagen abbremste
und nach links steuerte, konnte er den Zusammenstoss mit dem Stationswagen
nicht mehr verhindern. Der Lastwagen rammte das einbiegende Fahrzeug
und stiess es ein kurzes Stück weit vor sich her. Durch die Wucht des
Zusammenpralles wurde der auf der kleinen Ladefläche des Stationswagens
mitgeführte 250 kg schwere Motormäher, der lediglich durch Einschaltung
des Rückwärtsganges und ein vom rechten Handgriff zur hintern Stosstange
lose gespanntes Seil gesichert war, so stark nach vorne geworfen, dass der
ca. 2 cm dicke Eisennocken des Messerantriebes den Führersitz durchbohrte
und Kobel, dem Führer des Stationswagens, schwere Verletzungen im Rücken
zufügte, die am folgenden Tag dessen Tod zur Folge hatten.

    B.- Das Amtsgericht Burgdorf, das Beutler vorwarf, er sei mit
übersetzter Geschwindigkeit gefahren und habe den Rechtsvortritt des
Stationswagens missachtet, verurteilte ihn wegen fahrlässiger Störung des
öffentlichen Verkehrs nach Art. 237 Ziff. 2 StGB zu einer Busse von Fr.
300.--.

    Das Obergericht des Kantons Bern erklärte Beutler am 17. November
1959 ausserdem der fahrlässigen Tötung gemäss Art. 117 StGB schuldig und
bestimmte die Strafe auf zwanzig Tage Gefängnis, bedingt vollziehbar.

    C.- Beutler führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, er sei
von der Anschuldigung der fahrlässigen Tötung freizusprechen. Er macht
geltend, es fehle der rechtserhebliche Kausalzusammenhang zwischen seiner
verkehrswidrigen Fahrweise und der eingetretenen Tötung. Es stehe fest,
dass die Kollision für sich allein nur Sachschaden und geringfügige,
jedenfalls nicht lebensgefährliche Verletzungen verursacht habe;
die tödlichen Verletzungen seien auf die schlechte Verladeart und die
ungenügende Sicherung des Motormähers zurückzuführen, beides Umstände,
die er unmöglich habe voraussehen können und die deshalb ausserhalb des
gewöhnlichen Geschehens lägen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Der Kassationshof zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die übersetzte Geschwindigkeit, mit der der Lastwagen in die
unübersichtliche Strasseneinmündung fuhr, war eine der natürrlichen
Ursachen des Zusammenstosses mit dem Stationswagen und damit auch der
Tötung des Führers dieses Fahrzeuges. Für diese hat der Beschwerdeführer
jedoch nur einzustehen, wenn zwischen seinem Verhalten und dem Tod
Kobels ein rechtlich erheblicher Zusammenhang besteht. Nach ständiger
Rechtsprechung des Kassationshofes, die vom Beschwerdeführer nicht
angefochten wird, ist diese Voraussetzung immer dann erfüllt, wenn das
Verhalten des Täters nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge geeignet war,
einen Erfolg der eingetretenen Art herbeizuführen (BGE 81 IV 255, 84 IV
63 Erw. 3 und dort angeführte Entscheidungen).

    Es kommt somit darauf an, ob die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte
Fahrweise unter Berücksichtigung der konkreten Umstände, unter denen
sich der Zusammenstoss ereignet hat, nach allgemeiner Lebenserfahrung
den Tod Kobels herbeiführen konnte. Das ist zu bejahen. Der schwere
Lastwagen prallte mit einer Geschwindigkeit von nahezu 40 km/Std.,
die auf der glattgefahrenen Schneedecke trotz der im letzten Moment
versuchten Bremsung nicht wesentlich verzögert werden konnte, frontal
mit der linken vorderen Frontecke des einschwenkenden Stationswagens
zusammen. Dass der Zusammenprall ein heftiger gewesen sein muss,
ergibt sich auch aus der kräftigen Schleuderbewegung des Mähers, der
Verschiebung des Stationswagens in der Fahrrichtung des Lastwagens und
daraus, dass der Vorderteil des Lieferwagens stark eingedrückt worden
ist. Ein so wuchtiger Zusammenstoss ist nach dem gewöhnlichen Lauf der
Dinge geeignet, den Führer des Personenwagens tödlich zu verletzen;
erfahrungsgemäss werden die Fahrzeugführer bei einer solchen Kollision
nach vorne geworfen und erleiden beim Anprall an harte Bestandteile des
Fahrzeuges Körperverletzungen, die häufig zum Tode führen. Der Umstand,
dass im vorliegenden Falle die Kopfverletzungen, die Kobel beim Aufprall
erlitten hat, nicht lebensgefährlich waren und sein Tod auf die durch den
Motormäher verursachten inneren Verletzungen zurückzuführen ist, macht
das Verhalten des Beschwerdeführers nicht zur inadäquaten Ursache. Denn
massgebend ist einzig, ob der Zusammenstoss nach der Erfahrung des Lebens
für sich allein hätte genügen können, um einen Erfolg von der Art des
eingetretenen, d.h. die Tötung eines Menschen, herbeizuführen. Da dies
zutrifft, war das verkehrswidrige Verhalten des Beschwerdeführers, das
notwendige Voraussetzung des eingetretenen Todes war, auch rechtserhebliche
Ursache dieses Erfolges. Von einer Unterbrechung des Kausalzusammenhanges
durch das Einwirken des Motormähers kann infolgedessen nicht die Rede
sein; eine Unterbrechung ist genau genommen überhaupt nicht möglich,
da die Adäquanz des Kausalzusammenhanges entweder an sich schon fehlt
oder aber trotz anderer Mitursachen vorhanden ist und dann nicht mehr
unterbrochen werden kann.

    Unerheblich ist auch der Einwand des Beschwerdeführers, er habe nicht
voraussehen können, dass Kobel eine so gefährliche Ladung mit sich führe,
und deshalb nicht mit dieser zusätzlichen Gefährdung rechnen müssen. Ob
das Verhalten des Beschwerdeführers objektiv geeignet war, den Enderfolg
herbeizuführen, hängt nicht davon ab, was der Beschwerdeführer persönlich
voraussehen konnte. Die Frage, was der Täter voraussehen konnte oder
musste, ist subjektiver Natur und beim Verschulden zu prüfen. Wenn in
verschiedenen Entscheidungen (z.B. BGE 83 IV 38, 84 IV 64) ausgeführt
wurde, der Ablauf der Ereignisse sei nicht derart unsinnig gewesen,
dass damit schlechterdings nicht habe gerechnet oder dass er nicht
habe vorausgesehen werden können, so wollte mit diesen Ausdrücken nichts
anderes gesagt werden, als dass eine vom Verletzten oder von einem Dritten
gesetzte Mitursache die Rechtserheblichkeit des Kausalzusammenhanges nicht
ausschliesse, wenn das Verhalten des Verletzten oder Dritten nach dem
gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Erfahrung, also objektiv
betrachtet, innerhalb des normalen Geschehens liege.

Erwägung 2

    2.- Das Ergebnis ist auch kein anderes, wenn man den Grad der
Intensität der beiden konkurrierenden Ursachen miteinander vergleicht
(vgl. OFTINGER, Haftpflichtrecht, 2. Aufl. S. 94 ff.; BGE 85 II 521). Nicht
zu bestreiten ist, dass der Transport des 250 kg schweren Motormähers für
Kobel eine nicht unbedeutende Gefahr begründete, da nach der Feststellung
der Vorinstanz schon eine Stopbremsung bei einer Geschwindigkeit von 25
km/Std. genügt hätte, um das Seil, mit dem der Mäher am Wagen angebunden
war, zu zerreissen und damit die Maschine in Bewegung zu setzen. Anderseits
war aber auch die Gefahr, die der Beschwerdeführer durch die übersetzte
Geschwindigkeit und die Missachtung des Vortrittsrechtes erzeugte,
keine geringe. Die Möglichkeit, dass bei einem Zusammenstoss in der
unübersichtlichen Einmündung Menschen tödlich verletzt werden konnten,
war umso grösser, als es sich beim Fahrzeug des Beschwerdeführers um
einen schweren Lastwagen handelte und die schmale und glatte Strasse zum
Ausweichen oder brüsken Bremsen zum vornherein ungeeignet war. Selbst
angenommen, die Gefahr, die mit dem Transport des Mähers verbunden
war, habe die Gefahr, die durch das pflichtwidrige Verhalten des
Beschwerdeführers hervorgerufen wurde, an Bedeutung übertroffen, so könnte
gleichwohl nicht gesagt werden, diese habe jene so sehr in den Hintergrund
gedrängt, dass das Mitführen des Mähers den Kausalverlauf völlig beherrscht
habe und deshalb als einzige adäquate Ursache der Tötung erscheine.

Entscheid:

Demnach erkennt der Kassationshof:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.