Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 86 II 65



86 II 65

11. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 28. Januar 1960
i.S. Moser gegen Diener. Regeste

    Haftung des Ehemannes für Schulden, die sich aus der Vertretung
der ehelichen Gemeinschaft durch die Ehefrau ergeben (Schlüsselgewalt,
Art. 163 Abs. 2, 206 Ziff. 3 ZGB).

    Eine Überschreitung dieser Vertretungsmacht im Sinne des Art. 163
Abs. 2 kann nicht nur in Anschaffungen in übermässig hohem Totalbetrag
bestehen, sondern auch in der Begründung übermässig hoher Schulden für
Anschaffungen, die an sich der Höhe nach die Vertretungsmacht nicht
übersteigen.

Sachverhalt

    A.- Die Ehefrau des Tramwagenführers H. Diener in Zürich bezog seit
Jahren den Haushaltbedarf im benachbarten Lebensmittelgeschäft der Frau
Moser an der Limmatstrasse 275, wobei sie ihre Einkäufe in der Regel nicht
bar bezahlte, sondern von Frau Moser in Büchlein aufschreiben liess und von
Zeit zu Zeit eine Abzahlung leistete. Im Sommer 1956 verlangte Frau Moser
vom Ehemann Diener Zahlung für aufgelaufene Schulden im Betrag von Fr.
3934.68 entsprechend der Abschlussziffer des letzten von 7 Büchlein,
reichend vom Oktober 1953 bis Ende Januar 1956. Da die Eheleute Diener
diese Forderung bestritten, trat Frau Moser sie zum Inkasso an die
Treuhandgesellschaft TOTAG ab. Deren Angestellte Frau Eigenmann, die
mit Diener verhandelte, berichtete namens der TOTAG mit Schreiben vom
24. Oktober 1956 der Frau Moser über die Stellungnahme Dieners dahin,
er bestreite lediglich die Höhe der Forderung, anerkenne eine Schuld
von Fr. 3037.41 und werde dafür eine Schuldanerkennung unterzeichnen,
"sofern eine tragbare Lösung gefunden werde".

    Nach Rückzession an Frau Moser klagte diese gegen den Ehemann Diener
eine Forderung von Fr. 4777.59, mit Zins Fr. 5016.44 ein gestützt auf
die sieben Kundenbüchlein und mehrere Zeugen.

    Der Beklagte machte geltend, erstens sei er überhaupt nichts mehr
schuldig, und zweitens, wenn allenfalls die Schuld auch nur annähernd
soviel betragen würde, dann hätte seine Frau in erkennbarer Weise die
Schlüsselgewalt überschritten.

    B.- Auf Grund der Würdigung mehrerer Zeugenaussagen und Indizien
gelangte das Bezirksgericht Zürich zur Annahme, dass jedenfalls eine
Restschuld von über Fr. 1000.-- bestehe, dass jedoch die Klägerin nach den
Umständen in guten Treuen nicht habe annehmen dürfen, der Ehemann Diener
werde Kreditbezüge für mehr als Fr. 1000.-- dulden; es hiess daher die
Klage nur in diesem Betrage gut.

    Auf Berufung der Klägerin hat das Obergericht des Kantons Zürich
die zugesprochene Summe auf Fr. 2000.-- nebst Zins und Betreibungskosten
erhöht. Es erachtet einerseits als erwiesen, dass der Beklagte in den
Verhandlungen mit der Zeugin Eigenmann von der TOTAG eine Schuld von rund
Fr. 3000.-- anerkannt habe; anderseits fand es, dass Frau Diener durch den
Bezug von Waren für einen Betrag von Fr. 7297.59 in der Zeit von 19 Monaten
um rund Fr. 1000.-- die Schlüsselgewalt in für die Klägerin erkennbarer
Weise überschritten habe, wobei die Vorinstanz an Hand statistischer
Erhebungen von einem jährlichen Normalaufwand der Familie von Fr. 3300.--
ausgeht, sodass die für die Klägerin zu beachtende Grenze Fr. 4000.-- im
Jahr oder Fr. 6300.-- in der genannten Bezugsfrist betragen habe. Diese
Überschreitung von Fr. 1000.-- sei daher von dem anerkannten Ausstand
von Fr. 3000.-- abzuziehen.

    C.- Gegen dieses Urteil richtet sich die vorliegende Berufung
der Klägerin mit dem Antrag auf Gutheissung der Klage im Betrage von
Fr. 4657.59 nebst 5% Zins seit 1. September 1956 unter Kosten- und
Entschädigungsfolge in allen Instanzen zu Lasten des Beklagten.

    Die Berufungsklägerin behauptet, das angefochtene Urteil verletze in
zwei Hinsichten Bundesrecht: 1. habe die Vorinstanz Art. 8 ZGB dadurch
verletzt, dass sie der Klägerin zugemutet habe, ausser den Warenlieferungen
an Frau Diener auch noch deren Nichtbezahlung im behaupteten Umfang zu
beweisen; 2. habe die Vorinstanz zu Unrecht eine Überschreitung der
Schlüsselgewalt durch Frau Diener angenommen.

    Der Beklagte trägt auf Abweisung der Berufung an.

Auszug aus den Erwägungen:

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- (Beweisfrage).

Erwägung 2

    2.- ..... Nach Art. 206 Ziff. 3 in Verbindung mit Art. 163 Abs. 2
ZGB haftet (bei der Güterverbindung) der Ehemann für die Schulden,
die die Ehefrau in der Fürsorge für die laufenden Bedürfnisse des
Haushaltes begründet. Eine Überschreitung dieser Vertretungsmacht
(Schlüsselgewalt) im Sinne des Art. 163 Abs. 2 kann aber nicht nur in
Anschaffungen in übermässig hohem Totalbetrag bestehen, sondern auch,
wie das Bezirksgericht zutreffend angenommen hat, in der Begründung
übermässig hoher Schulden für solche Anschaffungen. Es kann nicht der Sinn
des Gesetzes sein, dass die Ehefrau kraft ihrer Schlüsselgewalt berechtigt
wäre, zu Lasten des Mannes unbegrenzte Schulden zu begründen unter der
alleinigen Voraussetzung, dass sie dies zur Deckung der laufenden, an
sich der Höhe nach die Schlüsselgewalt nicht übersteigenden Bedürfnisse
des Haushaltes tue. Vielmehr muss die Ehefrau, wie das Gesetz es sagt,
"in der Fürsorge" für diese Bedürfnisse gehandelt haben. Von einer Fürsorge
kann nach dem Sprachgebrauch nur die Rede sein bei einem Verhalten der
Ehefrau, das den Gepflogenheiten einer ordentlichen Hausfrau entspricht.
Dies trifft nicht zu, wenn die Ehefrau bei den Anschaffungen für den
laufenden Bedarf des Haushaltes, auch soweit sie der Höhe nach die
Vertretungsmacht nicht übersteigen, Schulden macht in einem Umfang,
der zum Einkommen und Vermögen des Ehemannes in einem Missverhältnis
steht. Im vorliegenden Fall ist Frau Diener bei einem Gesamtaufwand von
rund Fr. 7300.-- in 19 Monaten nach Annahme der Vorinstanz rund Fr. 3000.--
schuldig geblieben. Dies entspricht den Einkäufen für etwas mehr als 7
Monate. Das Anstehenlassen von 7 Monatsrechnungen kann nun jedenfalls bei
der Ehefrau eines Tramangestellten gewiss nicht als ordentliche Fürsorge
gelten, so schlecht es sich übrigens auch bei finanziell viel besser
gestellten Haushaltungen ausnähme. Dessen musste sich in guten Treuen auch
die Klägerin bewusst sein, selbst wenn sie keinen Anlass hatte, den Umfang
der Einkäufe an sich verdächtig gross zu finden. Dass der beklagte Ehemann
von der schlechten Zahlungsweise seiner Frau einigermassen substanzierte
Kenntnis gehabt habe und daher eine stillschweigend erteilte erweiterte
Vertretungsbefugnis der Ehefrau gemäss Art. 166 ZGB anzunehmen sei,
behauptet die Klägerin nicht. Mit der Zusprechung von Fr. 2000.-- nach dem
vorinstanzlichen Urteil erhält die Klägerin den Gegenwert der Lieferungen
für rund 5 Monate. Dies erscheint als der Höchstbetrag einerseits dessen,
was Frau Diener objektiv an Schulden auflaufen lassen durfte, ohne ihre
Schlüsselgewalt zu überschreiten, und anderseits dessen, was die Klägerin
als noch in diesem Rahmen bleibend erachten durfte.

    Das angefochtene Urteil ist daher aus Erwägungen, die sich
grundsätzlich mit der Auffassung des Bezirksgerichts decken, zu bestätigen.