Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 86 II 41



86 II 41

7. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 2. Februar 1960
i.S. Döbeli gegen Bürli. Regeste

    1.  Art. 46 Abs. 2 OR. Unsicherheit über die bleibenden Folgen der
Körperverletzung erlaubt nicht, die Schadenersatzklage zur Zeit abzuweisen,
sondern nur, bis auf zwei Jahre die Abänderung des Urteils vorzubehalten.

    2.  Art. 20, 25 Abs. 1 MFG. Vorsichtspflicht des Führers eines
Motorwagens, der sich einer Gruppe von Kindern nähert.

Sachverhalt

    A.- Anton Bürli, der am 8. August 1950 kurz vor Mittag mit
seinem Lieferungswagen von der Post Zell in der Richtung Briseck
fuhr, begegnete in der Nähe des Lagerhauses der Schweizerischen
Eierverwertungsgenossenschaft in Zell einigen Kindern, die ihm am
Strassenrand zu seiner Linken entgegenkamen. Die Gruppe bestand aus
der Viertklässlerin Louise Zähner, den jüngeren Mädchen Esther Hegi
und Doris Estermann und der am 11. November 1946 geborenen Barbara
Döbeli. Zu ihnen gesellte sich vorübergehend die Sechstklässlerin
Emma Zähner, die auf dem Fahrrad Richtung Briseck fuhr und bei der
Gruppe abstieg. Emma Zähner bemerkte, dass Barbara Döbeli sich über die
Strasse begeben wollte, und riet ihr mit Rücksicht auf den heranfahrenden
Motorwagen Bürlis davon ab. Barbara Döbeli, die Gefahr nicht ermessend,
lief dennoch von den Gespielinnen weg über die Strasse. Dass Bürli,
wie er behauptet, bei der Annäherung an die Gruppe seine Geschwindigkeit
von etwa 45 km/Std. herabgesetzt und die Kinder gewarnt habe, ist nicht
bewiesen. Dagegen steht fest, dass er zu bremsen begann, als er das Kind
über die Strasse laufen sah. Er erzeugte zwei 13,65 m lange Bremsspuren,
aus denen sich ergibt, dass er den Wagen zuerst von der rechten Hälfte
der Strasse leicht über die Strassenmitte hinaus nach links und dann
wieder gegen rechts steuerte. Barbara Döbeli wurde auf der rechten
Hälfte der Strasse vom Fahrzeug erfasst und umgeworfen. Sie erlitt eine
Schädelverletzung mit Hirnquetschung. Bürli liess den Wagen nach dem
Zusammenstoss gegen den rechten Strassenrand hin auslaufen.

    B.- Am 8. Juni 1957 klagte der Vater der Barbara Döbeli in deren
Namen gegen Bürli auf Verurteilung zur Zahlung von Fr. 109'489.25 nebst 5%
Zins seit 8. August 1950, allenfalls seit dem Friedensrichtervorstand vom
15. Mai 1957. Er forderte namens der Klägerin Fr. 8157.75 als Ersatz für
Heilungskosten, Auslagen und Verdienstausfall der Eltern, Fr. 91'331.50 als
Ersatz für bleibende Verminderung der Erwerbsfähigkeit und Fr. 10'000.--
als Genugtuung.

    Der Beklagte beantragte Abweisung der Klage.

    Das Amtsgericht Willisau verurteilte den Beklagten am 19. November
1958, der Klägerin Fr. 3798.25 nebst 5% Zins seit 15. Mai 1957 zu bezahlen,
und lehnte es ab, über die Schadenersatzforderung für bleibende Invalidität
und über die Genugtuungssumme zu entscheiden.

    Beide Parteien appellierten, wobei die Klägerin an einer Forderung
von Fr. 105'129.75 nebst 5% Zins seit 8. August 1950, eventuell seit
15. Mai 1957, festhielt, während der Beklagte die Herabsetzung der
zugesprochenen Forderung auf Fr. 3000.-- nebst 5% Zins seit 15. Mai 1957
und die Abweisung der Genugtuungsforderung beantragte.

    Mit Urteil vom 25. Februar 1959 verpflichtete das Obergericht des
Kantons Luzern den Beklagten, der Klägerin Fr. 3209.75 nebst 5% Zins
seit 8. Januar 1954 zu bezahlen (Urteilsspruch 1). Die Klagebegehren auf
Ersatz des Dauerschadens und um Zusprechung einer Genugtuung wies es zur
Zeit ab (Urteilsspruch 2). Ferner entschied es über die Prozesskosten
(Urteilsspruch 3).

    C.- Vater Döbeli hat im Namen der Klägerin die Berufung erklärt. Er
beantragt dem Bundesgericht, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und
den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Fr. 105'129.75 nebst 5% Zins
seit 8. August 1950, eventuell seit 8. Januar 1954, zu bezahlen. Subsidiär
stellt er den Antrag auf Rückweisung der Sache an das Obergericht zur
Ergänzung der Akten und zu neuer Beurteilung.

    Der Beklagte beantragt, die Berufung abzuweisen und das angefochtene
Urteil zu bestätigen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Klägerin wurde durch den Betrieb des Motorwagens des
Beklagten verletzt. Nach der zutreffenden Auffassung des Obergerichts,
die der Beklagte im Berufungsverfahren nicht zu widerlegen versucht,
hat weder die Klägerin noch ein Dritter den Zusammenstoss und dessen
Folgen verschuldet. Der Unfall ist auch nicht auf höhere Gewalt
zurückzuführen. Gemäss Art. 37 Abs. 1 und 2 MFG ist daher der Beklagte
verpflichtet, der Klägerin den vollen Schaden zu ersetzen.

Erwägung 3

    3.- Die Klägerin verlangt Zahlung von Fr. 91'331.50 mit der Begründung,
ihre Erwerbsfähigkeit werde vom zwanzigsten Altersjahr an, wie von
Privatdozent Haffter und Professor Faust festgestellt, wegen desUnfalles
dauernd um 70% vermindert sein. Das Obergericht stellt demgegenüber auf
das Gutachten des Sanitätsrates des Kantons Luzern vom 23. Juli 1958 ab,
wonach die Klägerin wegen einer durch den Unfall erlittenen linksseitigen
Gehirnquetschung zwar physisch und psychisch erheblich geschädigt sei, der
Grad der Invalidität jedoch erst am Ende der Pubertät festgestellt werden
sollte, da sich der Zustand der Verletzten bis dahin bei entsprechender
Behandlung noch verbessern könne.

    Soweit die Klägerin mit der Berufung das erwähnte amtliche Gutachten
zu entkräften und die Richtigkeit der Auffassung der Sachverständigen
Haffter und Faust über den Grad der Invalidität darzutun versucht, ist
auf ihre Anbringen nicht einzutreten. Es ist eine Tatfrage, in welcher
Weise ihre Gesundheit durch den Unfall beeinträchtigt wurde und wie
diese sich in Zukunft entwickeln werde. Tatsächliche Feststellungen
des kantonalen Richters und die Beweiswürdigung, auf der sie beruhen,
binden die Berufungsinstanz. Sie können nur berichtigt werden, wenn sie
unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustande kamen oder
offensichtlich auf Versehen beruhen (Art. 63 Abs. 2 OG). Weder das eine
noch das andere trifft hier zu, und die Klägerin behauptet das auch nicht.

Erwägung 4

    4.- a) Gemäss Art. 64 Abs. 3 BV stehen die Ordnung des gerichtlichen
Verfahrens und die Rechtsprechung den Kantonen zu. Das bedeutet nicht,
dass das kantonale Recht auch bestimme, ob und in welchem Zeitpunkt
der Richter eine aus dem Bundesrecht abgeleitete Forderung zu schützen
habe. Das Klagerecht ist nach schweizerischer Auffassung ein Ausfluss
des materiellen Anspruchs (BGE 67 II 74, 77 II 349), beruht also wie
die Forderung selbst auf dem Bundesrecht. Dieses bestimmt denn auch,
welche Forderungen nicht klagbar sind (z.B. Art. 416 OR) oder in bezug
auf welche es die Kantone ermächtigt, die Klagbarkeit zu beschränken oder
auszuschliessen (Art. 186 OR). Diese Ausnahmen bestätigen die Regel.

    b) Der Anspruch auf Rechtsschutz schliesst in sich, dass die vor
Eintritt der Verjährung angebrachte Leistungsklage jederzeit geschützt
werden muss, wenn die Forderung fällig ist. Der Richter darf nicht die
Abwicklung des Prozesses und die Beurteilung verzögern oder die Klage zur
Zeit abweisen und den Kläger verhalten, sie später nochmals anzubringen.

    Das gilt insbesondere auch für Schadenersatzklagen aus unerlaubter
Handlung, und zwar selbst dann, wenn der Umfang des Schadens von künftigen
Ereignissen abhängt und daher noch nicht mit Gewissheit ermittelt werden
kann. Der Satz, wonach der nicht ziffermässig nachweisbare Schaden nach
Ermessen des Richters mit Rücksicht auf den gewöhnlichen Lauf der Dinge
und auf die vom Geschädigten getroffenen Massnahmen abgeschätzt werden
soll (Art. 42 Abs. 2 OR), ist nicht nur auf den bereits eingetretenen,
aber schwer beweisbaren Schaden zugeschnitten, sondern auch auf Nachteile,
die der Betroffene wegen der schädigenden Handlung voraussichtlich noch
erleiden wird, z.B. in Fällen von Kreditschädigung, unlauterem Wettbewerb
oder Verletzung in den persönlichen Verhältnissen (BGE 40 II 354 ff.,
43 II 55, 60 II 130 f., 84 II 576 f.).

    Den künftigen Einbussen will das Gesetz auf diese Weise namentlich
auch in Fällen von Tötung oder Körperverletzung Rechnung getragen wissen
(BGE 77 II 299). Hat jemand durch die Tötung eines andern seinen Versorger
verloren, so ist ihm dieser Schaden zu ersetzen (Art. 45 Abs. 3 OR). Der
Richter, der ihn ermittelt, muss immer erwägen, wie die Verhältnisse
sich für den Versorger und den Versorgten voraussichtlich entwickelt
hätten und weiter entwickeln würden, wenn jener noch lebte. Hier wird die
Ungewissheit, die dieser Art der Ermittlung des Schadens zugrunde liegt,
in Kauf genommen, ohne dass die Gerichte dem Geschädigten zumuten dürften,
mit der Schadenersatzklage zuzuwarten, bis mit Sicherheit feststehe,
ob und wie lange er in Zukunft der wirtschaftlichen Fürsorge seitens des
Getöteten bedurft hätte. Der Richter hat auf den gewöhnlichen Lauf der
Dinge abzustellen, selbst auf die Gefahr hin, ein Urteil zu fällen, das
der Wirklichkeit nicht in allen Teilen gerecht wird. Das tut er z.B. auch,
wenn er den Ersatz für Versorgerschaden einer Witwe festsetzt und dabei
die Möglichkeit ihrer Wiederverheiratung zu berücksichtigen hat (BGE 54
II 297 ff., 56 II 126, 72 II 215). Im Falle der Körperverletzung ist der
Erschwerung des wirtschaftlichen Fortkommens des Verletzten Rechnung zu
tragen (Art. 46 Abs. 1 OR). Hier muss der Schaden regelmässig auf Grund
der Lebenserfahrung ermittelt werden, denn es ist nie vollkommen sicher,
wie sich das Einkommen des Geschädigten bei vollständiger Arbeitsfähigkeit
in Zukunft gestalten würde und wie hoch es wegen der Verminderung der
Erwerbsfähigkeit tatsächlich sein wird.

    Auch die körperlichen Folgen der Verletzung können unsicher
sein. Diesem Falle trägt Art. 46 Abs. 2 OR ausdrücklich Rechnung, indem er
bestimmt, der Richter könne bis auf zwei Jahre, vom Tage des Urteils an
gerechnet, dessen Abänderung vorbehalten, wenn die Folgen der Verletzung
im Zeitpunkt der Urteilsfällung nicht mit hinreichender Sicherheit
festzustellen sind. Daraus geht hervor, dass die Schadenersatzklage nicht
restlose Sicherheit über die Folgen der Verletzung voraussetzt, sondern
dass sie sogar dann geschützt werden muss, wenn die Sicherheit nicht
einmal "hinreichend" ist. In diesem Falle ist der Schadenersatz freilich
unter Vorbehalt nachträglicher Abänderung des Urteils festzusetzen.
Der Vorbehalt darf aber nicht für mehr als zwei Jahre angebracht
werden. Sind die Folgen der Verletzung nach Ablauf dieser Frist immer
noch nicht "hinreichend" sicher, so nimmt das Gesetz die ungenügende
Sicherheit endgültig in Kauf, gleichgültig zu Ungunsten welcher Partei
sie sich allenfalls auswirke. Die gesetzgebenden Behörden haben sich mit
dieser Regelung bewusst damit abgefunden, dass ein Urteil gefällt werde
und in Kraft bleibe, das der späteren gesundheitlichen Entwicklung des
Verletzten, bestehe sie in einer Verbesserung oder in einer Verschlimmerung
seines Zustandes, nicht in allen Teilen entspricht. Das Bedürfnis nach
einer raschen und endgültigen Auseinandersetzung überwiegt nach der
Auffassung des Gesetzgebers das Interesse an einer peinlich genauen,
aber jahre- oder jahrzehntelang aufgeschobenen Feststellung der Folgen
der Körperverletzung. Das verwundert nicht, wenn bedacht wird, wie
nachteilig sich die Verschiebung des Urteils auswirken kann. Sie kann
den Geschädigten hart treffen, wenn ihm die unumgänglichen Mittel zur
Heilung seiner Verletzung oder zum Lebensunterhalt fehlen oder wenn
ihm die Vollstreckung des Urteils misslingt, weil der Ersatzpflichtige
inzwischen zahlungsunfähig geworden ist, vielleicht sein Vermögen sogar
aus Gründen der Zahlungsflucht veräussert hat und ein Vorgehen gegen die
Begünstigten an Verwirkungs- oder Verjährungsfristen scheitert. Sie kann
auch den Ersatzpflichtigen benachteiligen, wenn er jahrelang in seiner
wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit behindert oder seelisch bedrückt ist,
weil er auf die endgültige Auseinandersetzung warten muss. Gerade diesem
Gesichtspunkt trägt das Gesetz durch kurze Verjährungsfristen Rechnung
(Art. 60 OR, Art. 44 MFG). Dadurch soll der Geschädigte zu raschem
Vorgehen veranlasst werden. Dem widerspräche es, ihm den Rechtsschutz
vorläufig mit der Begründung zu versagen, die bleibenden Folgen der
Verletzung könnten noch nicht mit Sicherheit ermittelt werden. Zwar kann
er die Verjährung unterbrechen, aber der Laie weiss das oft nicht mit
der nötigen Wachsamkeit und Zuverlässigkeit zu tun. Auch kann ihm nicht
zugemutet werden, zwei Prozesse anzuheben, d.h. zunächst entweder nur
auf Feststellung der grundsätzlichen Ersatzpflicht und erst später auf
Leistung zu klagen oder vorerst Ersatz des sicheren Teils des Schadens zu
verlangen und wegen der noch unsicheren Folgen später den Richter nochmals
anzurufen. In einem in BGE 24 II 426 ff. veröffentlichten Urteil aus dem
Jahre 1898 hat das Bundesgericht sich zwar für diese Lösung entschieden.
Das damalige Obligationenrecht enthielt jedoch keine Bestimmung, die
dem Art. 46 Abs. 2 des geltenden OR entsprochen hätte. Es unterschied
sich dadurch vom alten Eisenbahnhaftpflichtgesetz von 1875, wonach der
Richter zugunsten des Geschädigten die Berichtigung des Urteils vorbehalten
konnte (Art. 6 Abs. 2), und vom Bundesgesetz betreffend die Haftpflicht
aus Fabrikbetrieb von 1881, das den Vorbehalt der Berichtigung zugunsten
beider Parteien zuliess (Art. 8), eine Regelung, die später auch in das
Bundesgesetz betreffend die elektrischen Schwach- und Starkstromanlagen
vom 24. Juni 1902 (Art. 36 Abs. 3) und in das Eisenbahnhaftpflichtgesetz
vom 28. März 1905 (Art. 10) aufgenommen wurde.

    c) Die Klägerin hat somit schon heute Anspruch auf vollen Ersatz für
alle vorübergehenden oder bleibenden Nachteile der Körperverletzung. Der
Schaden für bleibende Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit ist
auf Grund der körperlichen Folgen zu bestimmen, die gegenwärtig
bestehen. Unsicherheit darüber, ob gewisse Folgen auch in Zukunft,
insbesondere über die Pubertät hinaus, andauern werden, darf nicht zur
Herabsetzung des Schadenersatzes führen, vielmehr ist ihr allenfalls
dadurch Rechnung zu tragen, dass der Richter auf längstens zwei Jahre,
von der Urteilsfällung an gerechnet, zugunsten des Beklagten die
Berichtigung des Urteils vorbehält, wie anderseits eine nur mögliche
Verschlimmerung des Zustandes der Klägerin nicht schon heute, sondern
nur auf Berichtigungsvorbehalt und neues Urteil hin zu einer Erhöhung des
Schadenersatzes führen könnte. Dass die Klägerin nach ihrem gegenwärtigen
Zustande als Folge der erlittenen Hirnquetschung in ihrer Erwerbsfähigkeit
bleibend beeinträchtigt sein wird, steht nach dem von der Vorinstanz
eingeholten amtlichen Gutachten fest. Indem das Obergericht diesen Schaden
als "illiquid" bezeichnet, verneint es ihn nicht überhaupt, sondern hält
es nur sein Ausmass für unsicher. Das angefochtene Urteil ist daher in
diesem Punkte aufzuheben.

    Entgegen der Auffassung der Klägerin darf das Bundesgericht die
zur Bestimmung der Schadenshöhe nötigen weiteren Feststellungen nicht
selber treffen. Art. 64 Abs. 2 OG erlaubt ihm die Vervollständigung des
Tatbestandes nur in nebensächlichen Punkten. In welchem Umfange die
Klägerin erwerbsunfähig sein werde und welchen Einkommensausfall sie
dadurch erleide, sind Hauptfragen. Die Sache ist daher an das Obergericht
zurückzuweisen, damit es sie beantworte und neu urteile.

Erwägung 5

    5.- a) Eine Genugtuungssumme kann der Klägerin nur zugesprochen werden,
wenn den Beklagten ein Verschulden trifft (Art. 42 MFG).

    Der Auffassung des Beklagten, ein solches könne ihm nicht
vorgeworfen werden, ist nicht beizupflichten. Seine Behauptung, er
habe bei der Annäherung an die Kindergruppe ein Signal gegeben und
die Geschwindigkeit des Fahrzeuges herabgesetzt, ist nicht zu hören,
da das Obergericht sie verbindlich als nicht bewiesen bezeichnet. Da
Kinder im Alter, in dem die Klägerin am Tage des Unfalles stand,
unberechenbar sind, handelte der Beklagte pflichtwidrig, ohne Gebrauch
der Warnvorrichtung mit etwa 45 km/Std. an der Gruppe vorbeifahren
zu wollen. Er durfte nicht voraussetzen, Emma Zähner beaufsichtige
die jüngeren Kinder und werde sie unter allen Umständen vom Verlassen
des Strassenrandes abhalten. Tatsächlich hielt sie sich nicht zur
Betreuung der Kinder bei ihnen auf, sondern sie hatte sich der Gruppe nur
vorübergehend angeschlossen. Dass sie der Klägerin abriet, die Strasse zu
überschreiten, wusste der Beklagte nicht, und es vermag ihn daher nicht
zu entschuldigen. Dagegen gereicht ihm nicht zum Vorwurf, dass er das
Fahrzeug angesichts der Gefahr zuerst etwas nach links lenkte. Das geschah,
nachdem er zu bremsen begonnen hatte, das Kind also schon seiner Fahrbahn
zustrebte. Er mag in der Überraschung geglaubt haben, dadurch allenfalls
hinter dem Kinde durchfahren zu können. Das war entschuldbar. Es steht
denn auch nicht fest, dass er den Zusammenstoss vermieden hätte, wenn
er nach Beginn des Bremsens von Anfang an den Wagen nach rechts gelenkt
hätte. Dagegen war er schon von Anfang an verpflichtet, möglichst rechts
zu fahren, um den Kindern nicht zu nahe zu kommen.

    b) Die Körperverletzung, die der Beklagte der Klägerin zugefügt hat,
ist so schwer, dass sich die Zusprechung einer erheblichen Genugtuungssumme
unter allen Umständen rechtfertigt. Schon die mit der beeinträchtigten
Gesundheit verbundenen Nachteile, die die Klägerin bis jetzt erlitten hat,
machen einen Ausgleich angemessen. Auch die bleibenden Nachteile bringen
der Klägerin seelischen Schmerz und sind daher zu berücksichtigen. Von
ihrem Ausmass hängt die Höhe der Genugtuungssumme ab. Diese ist so
zu bestimmen, dass die Klägerin für die ganze dem heutigen Zustand
entsprechende Beeinträchtigung ihres körperlichen und psychischen
Wohlbefindens einen Ausgleich erhält. Da das Obergericht sich hierüber
noch nicht abschliessend ausgesprochen hat, kann das Bundesgericht
das Mass der Genugtuung nicht bestimmen, sondern ist die Sache auch in
diesem Punkte zur Neubeurteilung zurückzuweisen. Es ist nicht zulässig,
die Klage zur Zeit abzuweisen; denn die Verletzung ist eingetreten und
die Genugtuung daher fällig.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Das Urteil der I. Kammer des Obergerichts des Kantons Luzern vom 25.
Februar 1959 wird mit Ausnahme von Urteilsspruch 1 aufgehoben, und die
Vorinstanz wird angewiesen:

    a) der Klägerin im Sinne der Erwägungen unter Vorbehalt von Art. 46
Abs. 2 OR vollen Ersatz für den heute feststellbaren Dauerschaden
zuzusprechen;

    b) den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin eine Genugtuungssumme
zu zahlen;

    c) über die Gerichts- und Parteikosten des kantonalen Verfahrens neu
zu urteilen.