Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 86 II 243



86 II 243

39. Urteil der II. Zivilabteilung vom 18. Februar 1960 i. S. Siegrist
und Mettler gegen Wenk-Löliger, Eheleute. Regeste

    Grunddienstbarkeit aus dem Jahre 1910 (Verbot bestimmter
Gewerbebetriebe).

    1.  Hat ein Dritter das belastete Grundstück seit Einführung des
eidgenössischen Grundbuchs oder seit der Gleichstellung einer andern
Einrichtung mit diesem Grundbuch erworben, so ist für den Inhalt der
Dienstbarkeit grundsätzlich das neue Recht massgebend (Art. 17 Abs. 2,
46 und 48 Abs. 3 SchlT des ZGB) (Erw. 3).

    2.  Vorherrschende Bedeutung des Grundbucheintrages gegenüber andern
Auslegungsmitteln (Art. 971 und speziell 738 ZGB) (Erw. 4).

    3.  Soweit der Eintrag nicht an altrechtliche Begriffe und
Regeln anknüpft, darf der Grundstückserwerber ihn nach gegenwärtigem
Sprachgebrauch verstehen (Erw. 5).

    4.  Gegenstand einer Grunddienstbarkeit kann unter gewissen
Voraussetzungen auch eine nur im Sinn eines Konkurrenzverbotes vereinbarte
Gewerbebeschränkung sein (Art. 730 Abs. 1 ZGB), doch ist eine solche
Dienstbarkeit eng auszulegen (Erw. 6).

    5.  Ein Kioskbetrieb der heutzutage üblichen Art verstösst nicht
gegen das Verbot des Betriebs eines Kolonialwarengeschäfts (Erw. 7)
und eines Warenhauses (Erw. 8).

Sachverhalt

    A.- Zu Gunsten der Parzelle Sektion A 299 des Grundbuches Riehen,
haltend die Liegenschaft Baselstrasse 46, besteht seit dem 1. Oktober
1910 eine Grunddienstbarkeit zu Lasten der davon durch die Schmiedgasse
getrennten Parzelle Sektion A 531 1 desselben Grundbuches, haltend die
Liegenschaft Baselstrasse 48. Der Eintrag lautet heute wie ehemals:

    "Auf der belasteten Liegenschaft darf weder ein Kolonial-, Mercerie-
und Schuhwarengeschäft, noch ein Warenhaus betrieben werden."

    B.- Das berechtigte Grundstück gehört den Beklagten, Eheleuten
Wenk-Löliger, die darin ein Geschäft für Lebensmittel, Merceriewaren,
Eisenwaren und Brennmaterial betreiben.

    Auf dem nun infolge Kaufes auf die Kläger, Siegrist und Mettler,
übergegangenen belasteten Grundstück wurde bisher ein Restaurant betrieben.
Die Kläger wollen an dessen Stelle einen Neubau zum Betrieb eines Kinos
erstellen und am Eingang einen Kiosk einbauen lassen. Diesen hat bereits
die Kiosk A.-G., Bern, gemietet beZw. gepachtet, um darin Zeitungen,
Zeitschriften, Bücher uud daneben Tabakwaren, Schokolade, Ice-Cream und
Confiserieartikel feilzubieten.

    C.- Dem allgemeinen Verkauf von Waren der letztern Art (ausser
dem Lesestoff) widersetzten sich die Beklagten mit Berufung auf
die Dienstbarkeit. Sie waren nur bereit, die Abgabe solcher Waren
ausschliesslich an Kinobesucher zu gestatten. Die Kläger hielten
jedoch dafür, der vorgesehene Kioskbetrieb verstosse nicht gegen die
Dienstbarkeit. Mit Klage vom 14. Mai 1958 verlangten sie die gerichtliche
Feststellung, sie seien berechtigt, auf ihrem Grundstück einen Kiosk zu
erstellen und darin Raucherwaren, sowie Schokolade, Ice-Cream und andere
Confiserieartikel verkaufen zu lassen.

    D.- Das Zivilgericht Basel-Stadt hiess die Klage in vollem Umfange
gut. Das von den Beklagten angerufene Appellationsgericht wies sie dagegen
im wesentlichen ab. Laut seinem Urteil vom 15. Mai 1959 dürfen die Kläger
in dem geplanten Kiosk von den streitigen Waren nur Ice-Cream, frische
Confiserieartikel und Backwaren (Törtchen und "Weggli"), dagegen keine
Raucherwaren und auch nicht Schokolade, Biskuits und Bonbons verkaufen
lassen.

    E.- Gegen dieses Urteil haben die Kläger Berufung an das Bundesgericht
eingelegt und das Begehren der Klage erneuert.

    F.- Zu der im angefochtenen Urteil nicht erörterten Frage, ob für die
Auslegung dieser vor Inkrafttreten des ZGB errichteten Grunddienstbarkeit
das alte (kantonale) oder das neue (eidgenössische) Recht massgebend sei,
äusserte sich der Präsident des Appellationsgerichts auf Anfrage dahin,
dem angefochtenen Urteil liege, trotz dem Hinweis auf Kommentare zum
Sachenrecht des ZGB in den Erwägungen, das alte Recht zu Grunde. Es handle
sich um das Gemeine Recht, wie es im Kanton Basel-Stadt subsidiär gegolten
habe. In Betracht falle namentlich der Grundsatz, wonach bei Bestimmung
des Inhalts und Umfangs einer Dienstbarkeitsberechtigung die Bedürfnisse
des herrschenden Grundstücks zu berücksichtigen seien (WINDSCHEID/KIPP,
Lehrbuch des Pandektenrechts, 9. Auflage, S. 1064). Es habe nahe gelegen,
im angefochtenen Urteil auf die Kommentare zum ZGB zu verweisen, die
denselben (wiewohl im ZGB nicht ausgesprochenen) Grundsatz anerkennen
(WIELAND, Bem. 2. zu Art. 738 ZGB; LEEMANN, N. 11 hiezu und N. 28 zu
Art. 730 ZGB).

    G.- Mit Rücksicht auf diese Urteilserläuterung erhielten die Kläger
Gelegenheit, die Berufungsschrift zu ergänzen. Sie erklärten zunächst, von
der Anwendung kantonalen Rechtes sei bei der öffentlichen Urteilsberatung
nicht die Rede gewesen, so wenig wie in den schriftlichen Erwägungen. Nach
Ansicht der Kläger ist in Wahrheit eidgenössisches Recht anwendbar;
sie rügen dessen Verletzung durch das angefochtene Urteil.

    Die Beklagten wollen es dagegen bei der Anwendung des kantonalen
Rechtes bewenden lassen, wie sie laut dem erläuternden Bericht der
Vorinstanz erfolgt ist. Sie beantragen daher, auf die Berufung sei nicht
einzutreten. Der Eventualantrag geht auf Abweisung der Berufung.

    H.- Die staatsrechtliche Beschwerde der Beklagten - die mit dem im
wesentlichen zu ihren Gunsten ergangenen Rechtsspruch der Vorinstanz als
solchem einverstanden sind, ihm aber, um einem Erfolg der Berufung der
Kläger vorzubeugen, mit ihrer Beschwerde eine sicherere tatbeständliche
Grundlage verschaffen wollten - ist heute abgewiesen worden. Die Berufung
ist somit nun abschliessend zu beurteilen, und zwar auf Grund der
tatsächlichen Verhältnisse, wie sie das angefochtene Urteil feststellt.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- (Streitwert).

Erwägung 2

    2.- Ob es angehe, das angefochtene Urteil gemäss dem nachträglichen
Erläuterungsbericht der Vorinstanz als altrechtliches zu betrachten,
obwohl sich die Erwägungen nicht auf altes Recht stützen und nach den
unwiderlegten Erklärungen der Kläger auch bei der Urteilsberatung nicht
von altem Rechte die Rede war, kann dahingestellt bleiben. Geht man von
einer auf altem (kantonalem) Recht beruhenden Entscheidung aus, so ist
auf alle Fälle zu prüfen, ob nicht richtigerweise, wie es die Kläger
geltend machen, nach eidgenössischem Recht hätte entschieden werden
sollen, wie denn die Anwendung kantonalen statt eidgenössischen Rechtes
eine im Berufungsverfahren beachtliche Verletzung des Bundesrechtes ist
(Art. 43 Abs. 2 OG). Sollte gegenteils Bundesrecht angewendet worden
sein, so wäre vorweg zu prüfen, ob nicht gemäss dem Standpunkt der
Beklagten kantonales Recht (in vollem Umfange oder doch in bestimmter
Hinsicht) hätte angewendet werden sollen. Würde dies bejaht, so wäre, bei
ausschliesslicher Anwendbarkeit des kantonalen Rechtes, die angefochtene
Entscheidung aufzuheben und die Sache zur Beurteilung nach kantonalem
Recht an die Vorinstanz zurückzuweisen (vgl. Art. 60 Abs. 1 lit. c OG)
oder, bei Anwendbarkeit kantonalen Rechtes neben eidgenössischem Recht,
gemäss Art. 65 OG vorzugehen.

Erwägung 3

    3.- Die vor Inkrafttreten des ZGB entstandenen Rechte unterstehen
nach Art. 17 Abs. 2 SchlT, "soweit dieses Gesetz eine Ausnahme nicht
vorsieht", in bezug auf ihren Inhalt nun dem neuen Recht. Als Ausnahme
von dieser Regel fällt in erster Linie die intertemporale Ordnung des
Grundbuchrechts in Betracht. Die vorhandenen kantonalen Register boten zum
grossen Teil keine genügende Gewähr und bedurften der Bereinigung. Das
neue Grundbuchrecht konnte daher nicht durchwegs am 1. Januar 1912 in
Kraft treten. Die volle Grundbuchwirkung des ZGB knüpft sich erst an die
Einführung des eidgenössischen Grundbuches oder an die Gleichstellung einer
andern Einrichtung mit diesem Grundbuch (Art. 48 Abs. 3 SchlT). Indessen
ist neben andern gerade das Grundbuch des Kantons Basel-Stadt schon auf
den Zeitpunkt des Inkrafttretens des ZGB dem neuen Grundbuch mit voller
Wirkung gleichgestellt worden (§§ 228 und 229 des kantonalen EG zum
ZGB; Bundesblatt 1917 II 181; MUTZNER, N. 9 zu Art. 46 SchlT; JENNY,
Der öffentliche Glaube des Grundbuches, S. 221). Somit können sich
die Kläger, die das belastete Grundstück auf Grund eines Kaufvertrages
unter der Herrschaft des neuen Rechtes (und damit eben auch des neuen
Grundbuchrechtes) erworben haben, als gutgläubige Dritte auf die neue
Rechtsordnung berufen. Insoweit hat es beim Grundsatz des Art. 17
Abs. 2 SchlT sein Bewenden. Eine andere Frage ist, ob und wieweit diese
Vorschrift überhaupt auf Grunddienstbarkeiten Anwendung finde. Deren
konkreter Inhalt ist ja (anders als bei persönlichen Dienstbarkeiten
bestimmter Art) nicht durch Gesetz, sondern durch Rechtsgeschäft,
insbesondere Vertrag, festgelegt. In einer Reihe von Entscheidungen hat
nun das Bundesgericht den Art. 17 Abs. 2 SchlT nur als Anwendungsfall
der allgemeinen Norm des Art. 3 SchlT betrachtet und ihm die Auslegung
der unter altem Recht errichteten Grunddienstbarkeiten mit der Begründung
entzogen, ihr Inhalt werde nicht gemäss der Voraussetzung des Art. 3 SchlT
"unabhängig vom Willen der Beteiligten durch das Gesetz umschrieben". Es
handle sich vielmehr um die Auslegung eines Rechtsgeschäftes nach dem Sinn,
wie er ihm von Anfang an auf Grund der beim Geschäftsabschluss geltenden
Rechtsordnung zugekommen sei (vgl. BGE 38 II 750, 39 II 152 und 203, 40
II 214/15, 53 II 109 und, betreffend Grundlasten, 383/85; dazu namentlich
K. R. NAEGELI, Die Auslegung der Grunddienstbarkeiten, Diss. 1935, S. 158
ff.). Die neuere Rechtsprechung hat dann aber, mit Hinweis auf die von
Art. 3 SchlT abweichende Fassung des Art. 17 Abs. 2 SchlT, dem neuen
Recht zur Bestimmung des Inhalts einer unter altem Recht begründeten
Grunddienstbarkeit insoweit Raum gegeben, als das Rechtsgeschäft diesen
Inhalt weder ausdrücklich noch dem Sinne nach geordnet hat. Insbesondere
können auch die nicht als zwingend zu erachtenden neurechtlichen
Bestimmungen, die den Inhalt der Grunddienstbarkeiten betreffen, auf
altrechtliche Grunddienstbarkeiten angewendet werden, sofern keine
abweichende rechtsgeschäftliche Ordnung getroffen worden ist. Art. 17
Abs. 2 SchlT will eben auch solche altrechtliche Verhältnisse grundsätzlich
dem Wandel der allgemeinen Rechtsgrundsätze unterwerfen (BGE 64 II 411;
zustimmend GUHL in ZbJV 75 S. 550/51 und LIVER, N. 231-235 zu Art. 737 ZGB;
in gleichem Sinne BGE 70 II 31 und 73 II 27).

Erwägung 4

    4.- Das soeben Gesagte würde freilich im vorliegenden Falle die
Anwendung des vor 1912 geltenden Rechtes zunächst nicht hindern. Geht der
Streit doch hauptsächlich um den konkreten, auf altrechtlichem Vertrag
beruhenden Sinn des als Grunddienstbarkeit festgelegten Verbotes, "ein
Kolonialwaren- ... geschäft" oder "ein Warenhaus" zu betreiben, und um
die Frage, ob dieses Verbot auch den von den Klägern geplanten Betrieb
eines Kioskes treffe. Der Umstand, dass man es bei diesem Projekt mit
einer erst nach Inkrafttreten des neuen Rechtes eingetretenen Tatsache
zu tun hat, stünde an und für sich der Anwendung des alten Rechtes nicht
entgegen. Denn ob eine neue Tatsache einem vom alten Recht beherrschten
Vertrag widerspreche, bleibt eine Frage der Auslegung dieses Vertrages
(vgl. BGE 79 II 401). Allein als Dritterwerber des belasteten Grundstückes
sind die Kläger nicht an den alten Dienstbarkeitsvertrag als solchen
gebunden. Wie bereits in Erw. 3 dargetan, stehen sie im Genuss der vollen
Grundbuchwirkung des neuen Rechtes. Die Dienstbarkeitslast gilt daher
für sie lediglich so, wie sie nach dem (unverändert gebliebenen) Stand
des Grundbuches begründet ist. Denn der Grundbucheintrag ist gegenüber
dem gutgläubigen Dritterwerber nicht nur für den Bestand, sondern auch
für den Inhalt der dinglichen Rechte massgebend. Dieser Inhalt ist zwar
in manchen Fällen, gerade bei Grunddienstbarkeiten, im Hauptbuch nur
durch ein Stichwort umschrieben ("Fusswegrecht", "Gewerbebeschränkung"
und dergleichen; siehe Art. 35 Abs. 2 der Grundbuchverordnung). Er kann
aber nur "im Rahmen des Eintrages" durch die Belege oder auf andere
Weise nachgewiesen werden (Art. 971 Abs. 2 ZGB; dazu OSTERTAG, N. 18,
und HOMBERGER, N. 21). Für die Grunddienstbarkeiten verdeutlicht Art. 738
ZGB diesen Grundsatz in dem Sinne, dass, wenn sich Rechte und Pflichten
aus dem Eintrag deutlich ergeben, dieser - allein - für den Inhalt
der Dienstbarkeit massgebend ist. In einem solchen Falle braucht der
Grundstückserwerber gar nicht nach Belegen und andern Auslegungsmitteln
zu forschen. Er kann sich an den Eintrag halten, und es können ihm daher
nicht davon abweichende Schriftstücke entgegengehalten werden, selbst wenn
sich solche bei den Grundbuchbelegen vorfinden (BGE 83 II 122; dazu ZbJV 95
S. 27/28). Im vorliegenden Falle beschränkt sich der Grundbucheintrag in
der Tat nicht auf stichwortartige Bezeichnung der Dienstbarkeit, sondern
sagt klar und bestimmt, was verboten sein soll: vier genau umschriebene
Arten gewerblicher Betätigung. Im übrigen haben sich die Beklagten
gar nicht auf Grundbuchbelege berufen. Der alte Dienstbarkeitsvertrag
soll sich (laut S. 6 der Klagebeantwortung) nicht auf dem Grundbuchamt
befinden, sondern seinerzeit nach damaligem Brauch dem verurkundenden
Notar zurückgegeben worden sein. Er enthalte übrigens (laut S. 4 oben
der Berufungsantwort) nichts anderes als "genau dieselbe Bezeichnung der
Parteien und dieselbe wörtliche Fassung wie das Grundbuchblatt sowie das
Grundbuchprotokoll selbst". Unter diesen Umständen kann vollends nicht
von einem den Grundbucheintrag in wesentlicher Beziehung ergänzenden
Rechtsgrundausweis die Rede sein.

Erwägung 5

    5.- Gegenstand der Auslegung ist somit kein altrechtlicher
Vertrag, überhaupt keine vom alten Recht beherrschte Urkunde, sondern
ausschliesslich der Text eines neurechtlichen Registers öffentlichen
Glaubens. Dieser Text ist seinem Rechtscharakter entsprechend aus sich
selbst, nach heutigem (allgemeinen oder allenfalls auch örtlichen)
Sprachgebrauch auszulegen. Es ist gleichgültig, ob sich allenfalls die
seinerzeit beim Vertragsabschluss im Jahre 1910 gegebenen Verhältnisse,
die Tätigkeit und die Vermögensverhältnisse, die Anschauungen und Absichten
der Vertragschliessenden noch näher abklären liessen. All dies fällt für
die Kläger ausser Betracht.

    Damit ist allerdings nicht gesagt, die (aus dem Grundbuch ersichtliche)
Entstehungszeit der Dienstbarkeit sei unter allen Umständen bedeutungslos.
Hätte man es mit einem erkennbar dem alten Sachenrecht entnommenen
Grunddienstbarkeitstypus zu tun (vgl. etwa die im alten kantonalen Recht
näher ausgestalteten Weide- und Beholzungsrechte oder das sog. Streck-
und Tretrecht, worüber siehe E. HUBER, System und Geschichte des
schweizerischen Privatrechts, Band III, S. 312, 338, 381 ff.), so wäre
zur Erläuterung des heutigen Grundbucheintrages auf das alte Recht
der Dienstbarkeiten zurückzugreifen. Davon ist hier aber nicht die
Rede. Der vorliegende Eintrag nimmt keinen Bezug auf altrechtliche
Dienstbarkeitstypen. Gegenstand der streitigen Dienstbarkeit ist eine
Gewerbebeschränkung, die nicht etwa dazu dient, Einwirkungen durch Lärm,
Rauch, üble Dünste oder Erschütterung und dergleichen über die Gebote des
Nachbarrechts hinaus vom berechtigten Grundstück fernzuhalten, sondern
lediglich das dort betriebene Gewerbe vor wirtschaftlicher Konkurrenz
schützen soll. Es handelt sich um Pflichten, die ihrem Inhalt nach dem
(im Jahre 1910 längst bundesrechtlich geordneten) Obligationenrecht
angehören. Was aber die Verdinglichung dieser Pflichten in Gestalt
einer Grunddienstbarkeit betrifft, sind, wie bereits dargetan, nunmehr
die Art. 730 ff. ZGB (soweit sie sich auf den Rechtsinhalt beziehen)
auch auf die aus dem alten Recht stammenden Grunddienstbarkeiten
anwendbar. Insbesondere ist es eine Frage des eidgenössischen Rechts,
ob und in welchem Sinne der von Kommentaren des ZGB dem Pandektenrecht
entnommene Grundsatz anzuerkennen sei, wonach bei Zweifelsfragen der
Auslegung das Bedürfnis des berechtigten Grundstücks zu berücksichtigen
ist.

Erwägung 6

    6.- Abgesehen davon indessen, dass selbst Autoren des Pandektenrechts
dieses Bedürfnis vornehmlich nur zur Begrenzung der Belastung,
zur Bestimmung ihres Höchstmasses, berücksichtigt wissen wollen
(vgl. DERNBURG, System des römischen Rechts, 8. Auflage, Band I S. 425
mit Fussnote 7), wäre es mit der Grundbuchwirkung des ZGB unvereinbar,
die Last über den sich aus dem Eintrag deutlich ergebenden Inhalt hinaus
zu erweitern. Einschränkend sind namentlich Dienstbarkeiten wie die
vorliegende auszulegen, die dem Eigentümer des belasteten Grundstücks eine
Betätigung untersagen, zu der er nicht bloss kraft seines Grundeigentums,
sondern kraft der jedermann zustehenden persönlichen Freiheit befugt
wäre. Man kann sich sogar fragen, ob eine solche einzig im Sinn eines
Konkurrenzverbotes vereinbarte Gewerbebeschränkung sich überhaupt als
Grunddienstbarkeit verdinglichen lasse. In der Rechtslehre ist dies
umstritten geblieben. Während KOHLER (Archiv für ziv. Praxis 87, 1897,
S. 174) die Frage grundsätzlich verneinte, ebenso, für das Recht des ZGB,
SCHWANDER (Grunddienstbarkeiten, Diss. 1910, S. 33), haben Lehre und
Rechtsprechung zum ZGB sie im allgemeinen bejaht (BGE 78 II 26/27 Erw. 4;

WIELAND, Bem. 5, und LEEMANN, N. 21, zu Art. 730 ZGB; N.AEGELI, a.a.0.,
S. 61). Demgegenüber nimmt neuestens LIVER (N. 123 ff., namentlich
N. 135/36 zu Art. 730 ZGB) eine kritische Stellung ein. Indessen
ist grundsätzlich an der in der Schweiz herrschend gewordenen Ansicht
festzuhalten, die angesichts der zahlreichen Dienstbarkeiten solcher Art
geradezu gewohnheitsrechtliche Bedeutung gewonnen hat. Die durch Art 730
Abs 1 ZGB gezogenen Schranken bleiben jedenfalls dann gewahrt, wenn die
Last zum Schutz eines auf dem berechtigten Grundstück dauernd betriebenen
Gewerbes begründet wird, das diesem Grundstück seinen wirtschaftlichen
Charakter aufprägt. So verhält es sich hier. Derartige Beschränkungen der
Betätigungsfreiheit aus rein wirtschaftlichen Konkurrenzgründen stellen
aber innerhalb der schweizerischen Rechtsordnung einen Ausnahmezustand
dar. Das streitige Verbot geht daher keinesfalls weiter, als wie es sich
aus dem Grundbucheintrag deutlich ergibt, und ist, wenn Zweifel über
seine Tragweite auftauchen, eng auszulegen. Ein weitergehendes Bedürfnis
der Eigentümer des berechtigten Grundstücks fällt nicht in Betracht. Die
wirtschaftliche Freiheit des Nachbars bleibt bestehen, soweit sie nicht
laut dem Grundbucheintrage preisgegeben worden ist.

Erwägung 7

    7.- Diese Schranken der Belastung hat das Urteil des Zivilgerichts
beachtet, während das Urteil des Appellationsgerichts sie durchbricht.

    a) Von der Herkunft mancher Tabaksorten aus überseeischen Ländern
ausgehend, zählt das Appellationsgericht auch Tabakwaren zu den
"Kolonialwaren". Diese logisch-begriffliche Ableitung hält aber vor den
oben dargelegten Grundsätzen des Grundbuchrechtes nicht stand. Danach
kommt es auf den landläufigen Sprachgebrauch an. Die Kläger durften beim
Erwerb des Grundstücks den Ausdruck "Kolonialwarengeschäft" so verstehen,
wie er im Gebrauche steht. Der Begriff der Kolonialware ist freilich nicht
in jeder Hinsicht fest umgrenzt. So zählt Brockhaus'Konversationslexikon
von 1894 neben Nahrungsmitteln auch Baumwolle, Farb- und Nutzhölzer dazu,
während der Grosse Brockhaus von 1955 als Beispiele nur Nahrungsmittel
entsprechender Herkunft (aus tropischen oder subtropischen Ländern)
anführt. Tabakwaren werden jedoch gemeinhin nicht zu den Kolonialwaren
gerechnet. Dass manche so bezeichnete Geschäfte auch Tabakwaren
führen, darf nicht beirren. Es handelt sich alsdann um einen neben
den Kolonialwaren in das Geschäft einbezogenen Artikel, wie denn solche
Erweiterungen des Geschäftsbereiches etwa durch ausdrückliche Beifügungen
deutlich gemacht werden (z.B. "Spezerei-, Colonial- und Tabakwaren";
siehe BGE 85 II 179).

    b) Wie es sich mit der vom Appellationsgericht ohne jedes Bedenken
als Kolonialware betrachteten Schokolade verhält - insbesondere
mit der, allerdings aus überseeischem Grundstoff, in der Schweiz in
mannigfacher Weise verarbeiteten Ess-Schokolade verschiedener Marken -,
kann dahingestellt bleiben. Der vorliegende Grundbucheintrag verbietet
nämlich (hierin vom Fall des soeben erwähnten Entscheides abweichend)
gar nicht den Verkauf von Kolonialwaren schlechthin, sondern den Betrieb
eines Kolonialwaren-"geschäftes". Ein Kiosk (Verkaufsstand für Zeitungen,
Erfrischungen usw., laut dem Grossen Brockhaus 1955) wird nun weder unter
Kaufleuten noch im Publikum als Kolonialwarengeschäft bezeichnet. Darüber
glaubt die Vorinstanz zu Unrecht hinweggehen zu sollen mit der Bemerkung,
es bestehe nur ein (in ihren Augen unerheblicher) organisatorischer
Unterschied: Beim Kiosk kaufe man von der Strasse her ein, ohne
den Verkaufsraum wie beim Ladengeschäft zu betreten. Zu beachten ist
jedoch ausserdem die verschiedene wirtschaftliche Zweckbestimmung. Beim
Kiosk tätigt man Kleinkäufe; abgesehen von Zeitungen, Zeitschriften
und ähnlichem Lesestoff ersteht man etwa ein Päcklein Zigaretten oder
Stumpen, Süssigkeiten, für 50 Rappen Erdnüsschen und dergleichen. Für
die ordentlichen Einkäufe, namentlich für die Beschaffung grösserer
Warenmengen, sucht man dagegen das besser ausgestattete, die sorgfältige
Prüfung und Auswahl ermöglichende "Geschäft" auf. Wer eine Kiste
Zigarren, eine grössere Packung Zigaretten, einen guten Pfeifentabak,
eine Schachtel Biscuits für den Haushalt, ein Paket Schokolade und
dergleichen sich beschaffen will, geht in der Regel nicht zum Kiosk,
sondern zum Kolonialwarenhändler oder ins Spezialgeschäft.

    c) Gewiss wird den Beklagten auf dem Gebiete der streitigen Waren aus
dem Kioskbetrieb eine nicht unbeträchtliche Konkurrenz erwachsen. Das
rechtfertigt es aber nach dem Gesagten nicht, das Verbot über den
Grundbucheintrag hinaus auf einen Betrieb solcher Art auszudehnen. Es
ist belanglos, aus welchem Grunde die Dienstbarkeit nicht weiter gefasst
wurde, sei es durch Einbeziehung von Kioskbetrieben, sei es durch ein
Verbot des Verkaufs gewisser Waren als solcher statt bloss eigentlicher
"Geschäfte". Die Vermutung der Vorinstanz, man dürfte beim Abschluss des
Dienstbarkeitsvertrages nicht an die Möglichkeit der Konkurrenzierung durch
einen Kioskbetrieb gedacht haben, weil sich wohl damals in Riehen noch
gar kein Kiosk befunden habe, kann daher auf sich beruhen bleiben. Sie
steht übrigens auf schwachen Füssen; denn nicht nur war der Name Kiosk
und sein heutiger Begriff als Kleinverkaufsstätte damals in Europa längst
bekannt (vgl. Brockhaus'Konversationslexikon von 1894), sondern nach
Feststellung der Vorinstanz gab es im Jahre 1910 in der Stadt Basel
auf grossen Plätzen und an wichtigen Tramhaltestellen bereits solche
Kioske. Zur Zeit der Errichtung der Dienstbarkeit war Riehen auch nicht
etwa ein einsames Bauerndorf, sondern ein Vorort von Basel mit über
3000 Einwohnern (Statistisches Jahrbuch von Basel Stadt 1921, Tabelle
a 2 mit chronologischer Übersicht), und die Vertragschliessenden waren
Geschäftsleute, die mit den Verhältnissen in Basel vertraut sein mussten.

Erwägung 8

    8.- Dem von den Beklagten endlich eingenommenen Standpunkt, der
geplante Kiosk habe als ein von der Dienstbarkeit verbotenes "Warenhaus"
zu gelten, ist ebenfalls nicht beizutreten. Das - auf Befriedigung des
Massenbedarfs an Waren zahlreicher Gattungen ausgerichtete - Warenhaus ist
ein "Geschäft" der ausgeprägtesten Art, mit dem ein Kiosk vollends nicht
auf gleiche Linie zu stellen ist. Niemand nennt denn auch im Ernst einen
Kiosk ein Warenhaus und den Kioskinhaber Leiter eines Warenhauses. Vom
Verbot des Betriebes eines solchen Grossgeschäftes wird daher der geplante
Kiosk nicht betroffen.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Appellationsgerichts
des Kantons Basel-Stadt vom 15. Mai 1959 aufgehoben und das Urteil des
Zivilgerichts Basel-Stadt vom 27. Oktober 1958 wiederhergestellt.