Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 86 II 221



86 II 221

37. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 14. Junl 1960
i. S. Fritschi gegen Kohler und Erben Studer. Regeste

    Sicherungsübereignung von Grundstücken. Zulässigkeit.
Rechtsgrund. Ernstgemeinter Kauf mit Rückkaufsrecht des Veräusserers. oder
reine Sicherungsübereignung? Form des Vertrags auf Übertragung von
Grundeigentum (Art. 657 Abs. 1 ZGB, Art. 216 Abs. 1 OR). Fall, dass der
öffentlich beurkundete Vertrag nicht den richtigen Kaufpreis oder nicht
den wahren Rechtsgrund der Eigentumsübertragung angibt. Nach Treu und
Glauben unbeachtlicher Formmangel (Art. 2 ZGB).

    Kauf; Rücktritt des Verkäufers bei Verzug des Käufers (Art. 214
OR). Der Verkäufer, der sich das Rücktrittsrecht nicht ausdrücklich
vorbehalten hat, verliert dieses beim Grundstückkauf nicht mit dem
Besitzesübergang, sondern erst mit der Eintragung des Käufers im Grundbuch
(Art. 214 Abs. 3 und Art. 221 OR). Verwirkung des Rücktrittsrechts aus Art.
214 Abs. 1 OR infolge Versäumung der sofortigen Anzeige im Sinne von
Art. 214 Abs. 2 OR schliesst ein Vorgehen nach Art. 107 ff. OR nicht
aus. Mehrmalige Nachfristsetzung. Erklärung des Rücktritts für den Fall
der Nichteinhaltung der Nachfrist.

Sachverhalt

                       Aus dem Tatbestand:

    A.- Mit öffentlich beurkundetem Vertrag vom 25. Juli 1938 verkaufte
Fritschi, der im eigenen Haus eine mechanische Werkstatt betrieb,
an Studer sein Haus (Liegenschaft Nr. 1847) im Schatzungswerte von
Fr. 29'530.-- und drei Stücke Wiesland im Schatzungswerte von Fr. 370.--
zum Preise von Fr. 22'000.--, der laut Vertrag durch Übernahme der auf
den Liegenschaften lastenden Grundpfandschulden im gleichen Betrag zu
tilgen war. Der Übergang von "Zins, Nutzen und Schaden" wurde auf den
1. August 1938 festgesetzt.

    Ebenfalls am 25. Juli 1938 schlossen Fritschi und Studer einen
schriftlichen Vertrag, der unter Hinweis auf den Kaufvertrag über die
Liegenschaften feststellte, dass "mit diesem Kaufvertrage d.h. mit dem
Kaufpreise" eine Schuld Fritschis gegenüber Studer von Fr. 8000.-- "als
verrechnet abgeschrieben worden" sei, "indem der Kaufpreis dementsprechend
kleiner angesetzt wurde."

    Mit öffentlich beurkundetem Vertrag vom gleichen Tage räumte Studer
dem Fritschi an den verkauften Liegenschaften für vier Jahre ab 1. August
1938 ein Kaufsrecht zum Preise von Fr. 27'000.-- ein.

    Mit einem weitern, als "Miet- bzw. Pachtvertrag" überschriebenen
Vertrage vermietete bzw. verpachtete Studer dem Fritschi die in Frage
stehenden Liegenschaften ab 1. August 1938. Als Mietzins hatte Fritschi
den Betrag zu bezahlen, der dem banküblichen Zins für eine Hypothek von
Fr. 22'000.-- entsprach. Zudem hatte er "für die Brandsteuer, Wasserzins
und elektr. Licht und Kraft aufzukommen." Die Kündigung war dem Vermieter
grundsätzlich erst nach Ablauf des Kaufsrechts gemäss Kaufsrechtsvertrag
vom 25. Juli 1938 gestattet.

    Der Kaufvertrag wurde gemäss Bescheinigung des Grundbuchamtes des
Bezirkes Zurzach vom 10. August 1938 ins "Interimregister mit einfacher
Grundbuchwirkung im Sinne des Art. 48 des Schlusstitels des ZGB"
eingetragen.

    B.- Am 1. August 1947 schlossen Studer und Fritschi für fünf Jahre
einen neuen Kaufrechtsvertrag, in welchem die Kaufsumme auf Fr. 29'000.--
erhöht wurde.

    Am 4. März 1948 gewährte Studer dem Fritschi ein Darlehen von Fr.
15'000.--. In der Folge ermöglichte er den Widerruf des am 28. April
1948 über Fritschi eröffneten Konkurses, indem er eine Gutsprache in
Höhe von Fr. 4000.-- leistete. Am 8. Februar 1950 liess er Fritschi eine
Aufstellung über dessen Schulden ihm gegenüber zustellen, worin u.a. die
rückständigen Zinsen von folgenden Posten gefordert wurden:

    - Forderung herrührend aus Zahlung im Konkurs Fr. 3799. 65

    - Kapital "lt. Kaufvertrag vom 25. Juli 1938" "   7000.--

    - Kapital vom 4. März 1948    " 15 000.--

    In seiner Antwort vom 12. Februar 1950 anerkannte Fritschi diese
Forderungen mit Ausnahme des ersten Postens, der noch abgeklärt werden
müsse, machte aber geltend, zur Verzinsung der Kapitalien genüge der
Mietzins, den sein derzeitiger Mieter an die Bank Studers zahle; zudem sei
"der ganze Betrag an der Liegenschaft gesichert."

    C.- Am 6. Juni 1950 verkaufte Fritschi dem Studer sein
Werkstattinventar zum Preise von Fr. 9644.50, der laut Kaufvertrag "mit
der Schuld des Fritschi an Studer zu verrechnen, d.h. an diese Schuld
gutzuschreiben" war. In einem neuen Kaufrechtsvertrage vom gleichen Datum
wurde der Kaufpreis für die Liegenschaften auf Fr. 54'000.-- erhöht und
die Ausübungsfrist bis zum 1. Juni 1955 verlängert.

    D.- Nachdem Studer am 28. September 1950 "sämtliche Darlehen" auf
den 11. November 1950 gekündigt hatte, betrieb er Fritschi im Jahre 1951
u.a. für das Darlehen von Fr. 15'000.-- und die Forderung aus der Zahlung
im Konkurs sowie für die Zinsen des "Fr. 22'000.-- übersteigenden Kapitals
von Fr. 7000.--", abzüglich des zur Verrechnung gebrachten Kaufpreises
für das Werkstattinventar. Rechtsöffnung erhielt er nur für einen kleinen
Teilbetrag, weil der Richter das Darlehen von Fr. 15'000.-- als nicht
fällig betrachtete.

    Abrechnungen Studers vom Februar und Dezember 1953 sowie vom Dezember
1954 führten als Schuld Fritschis u.a. das Kapital von Fr. 7000.-- auf.

    E.- Am 27. Februar 1955 kündigte Studer den Mietvertrag auf den 1. Juni
1955. Als er ausserdem noch eine Betreibung einleitete, machte ihm Fritschi
am 9. April 1955 den Vorschlag, ihm die Liegenschaften samt Inventar zu
Fr. 44'000.-- abzukaufen, womit alle gegenseitigen Ansprüche ausgeglichen
sein sollten. Am 25. April 1955 wurde ein entsprechender Kaufvertrag
öffentlich beurkundet. Fritschi hatte an den Kaufpreis bis Ende Mai 1955
den Betrag von Fr. 35'000.-- (den er gegen eine I. Hypothek von einer
Bank zu erhalten hoffte) bar zu zahlen. Für die restlichen Fr. 9000.--
sollte zugunsten Studers ein Namenschuldbrief im II. Rang errichtet werden.

    Am 6. und 15. Juni 1955 mahnte Studer den Käufer schriftlich zur
Zahlung der Fr. 35'000.--. Nachdem Studer im September 1955 gestorben war,
setzten seine Erben dem Käufer mit Schreiben vom 19. November 1955 eine
letzte Frist bis zum 30. November 1955. Für den Fall, dass der Betrag von
Fr. 35'000.-- samt Verzugszinsen bis dahin nicht bezahlt sein sollte,
erklärten sie zugleich den Rücktritt vom Kaufvertrag. Fritschi zahlte
nicht.

    Am 19. Januar 1956 verkauften die Erben Studer das Wohnhaus mit
Werkstatt (Liegenschaft Nr. 1847) einschliesslich des Werkstattinventars
zum Preise von Fr. 42'000.-- an den Spenglermeister Kohler. Dieser
Kaufvertrag wurde ins Grundbuch (Interimregister) eingetragen.

    F.- Am 18. Oktober 1956 reichte Fritschi gegen Kohler und die Erben
Studer Klage ein mit den Begehren, es sei festzustellen, dass er Eigentümer
der Liegenschaften sei; anstelle Kohlers sei er (Fritschi) als Eigentümer
der Liegenschaft Nr. 1847 im Grundbuch einzutragen; ferner seien die
Beklagten zu verpflichten, ihm (u.a. wegen Verletzung des Vertrags vom
25. April 1955) Schadenersatz im Betrage von Fr. 20'000.-- zu leisten.

    In Übereinstimmung mit den aargauischen Gerichten weist das
Bundesgericht die Klage ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

    4.- Um darzutun, dass er trotz dem Verkauf von 1938 Eigentümer
der streitigen Liegenschaften geblieben sei, hat Fritschi im kantonalen
Verfahren geltend gemacht, der Kaufvertrag vom 25. Juli 1938 sei nur zwecks
Sicherstellung der ihm gewährten Darlehen abgeschlossen worden. Es habe
sich dabei also um ein fiduziarisches Rechtsgeschäft gehandelt. Hätte der
beurkundende Notar den Vertragsparteien die Begründung eines Pfandrechts
vorgeschlagen, so hätten sie ebenfalls zugestimmt. Studer habe gar nicht
unbeschränktes Eigentum an den Liegenschaften erwerben wollen, sondern es
sei ihm immer daran gelegen gewesen, wieder in den Besitz der geliehenen
Geldbeträge zu kommen und dafür gesichert zu sein. Dies ergebe sich
namentlich auch aus den Abrechnungen, die er ihm (Fritschi) zugestellt
habe. Er selber (Fritschi) habe nach dem Mietvertrag "alle diejenigen
Rechte und Pflichten" behalten, "die ihm als eigentlicher (richtig:
eigentlichem) Eigentümer zustanden bzw. oblagen". Vor Bundesgericht hat
Fritschi seine Stellungnahme dahin verdeutlicht, dass der Kaufvertrag vom
25. Juli 1938 zumal im Hinblick auf den Weiterbestand der Forderung Studers
gegen ihn nicht dem wahren Willen der Vertragsparteien entsprochen habe;
dieser Wille sei vielmehr auf grundpfändliche Sicherstellung der Darlehen
gegangen; Studer habe nicht Eigentümer werden und er selber (Fritschi)
sein Eigentum nicht aufgeben wollen.

    An diesen Ausführungen ist richtig, dass die Vertragsparteien mit
dem im Juli 1938 abgeschlossenen Kaufvertrag den Zweck verfolgten, Studer
eine Sicherheit für das dem Fritschi geliehene Geld zu verschaffen. Dies
ist von der Vorinstanz ausdrücklich festgestellt worden und steht nach
den Umständen ausser Zweifel.

    Aus der Tatsache, dass ein nach seinem Wortlaut auf Übertragung des
Eigentums gerichteter Vertrag zur Sicherung einer Forderung des Erwerbers
abgeschlossen wird, folgt aber keineswegs, dass die in Frage stehende
Sache nach dem wahren Willen der Vertragsparteien nur verpfändet werden
soll. Der wirtschaftliche Zweck, bewegliche oder unbewegliche Sachen
zur Sicherung eines Geldgebers zu verwenden, lässt sich nämlich nicht
bloss durch deren Verpfändung, sondern auch durch deren (fiduziarische)
Übereignung erreichen. Im schweizerischen Recht ist anerkannt, dass die
Übereignung zu Sicherungszwecken (Sicherungsübereignung) zulässig ist und
dem Erwerber das volle Eigentum verschafft (BGE 41 III 446, 56 II 447,
71 III 86, 72 II 240, 78 II 414; OFTINGER, Fahrnispfand, Systematischer
Teil N. 234 ff., mit weitern Literaturangaben; zum fiduziarischen Geschäft
im allgemeinen vgl. ferner BGE 71 II 99, 78 II 451, 85 II 99/100).

    Als Rechtsgrund einer Eigentumsübertragung zu solchem Zweck kann
ein Kauf, verbunden mit der Einräumung eines Rückkaufsrechtes dienen
(sog. Sicherungskauf; vgl. BGE 41 III 446, 56 II 447), aber auch eine
Abmachung des Inhalts, dass die Sache dem Geldgeber als Sicherheit
für seine Forderung zu Eigentum übertragen werde und der Schuldner
berechtigt sei, sie im Falle der Tilgung seiner Schuld zurückzuverlangen
(sog. reine Sicherungsübereignung; vgl. BGE 71 III 86, 72 II 240, 78 II
416). Wenn OFTINGER (aaO N. 242) den Entscheid BGE 72 II 361 dahin deutet,
dass bei Grundstücken der Rechtsgrund der Eigentumsübertragung nicht in
einer solchen Abmachung liegen könne, so ist dies unrichtig; der erwähnte
Entscheid, der sich mit einer als Kauf getarnten fiduziarischen Schenkung
befasst, sagt an der angeführten Stelle nur, bei Grundstücken sei eine
Eigentumsübertragung ohne Angabe eines Rechtsgrundes unzulässig.

    Bei einem als Kauf bezeichneten Sicherungsgeschäft handelt es
sich um einen ernstgemeinten Kauf, wenn der übereinstimmende Wille
der Parteien dahin geht, dass nicht nur die Sache ins Eigentum des
Geldgebers übergehen, sondern auch der vereinbarte Preis tatsächlich
beglichen werden soll (sei es durch Barzahlung, wobei das bezahlte Geld
wirtschaftlich die Darlehensvaluta bildet, vgl. BGE 56 II 444 ff., sei
es durch Verrechnung mit einem bereits gewährten Darlehen), und dass die
dadurch geschaffene Lage unter dem einzigen Vorbehalt der Ausübung des
dem Veräusserer eingeräumten Rückkaufsrechts bestehen bleiben soll (was
in der Regel nur angenommen werden kann, wenn die Parteien die Leistung
und die Gegenleistung als gleichwertig ansahen). In diesem Falle sind
die den Kauf kennzeichnenden Rechtswirkungen (vgl. Art. 184 OR) wirklich
gewollt, auch wenn der Beweggrund des Geschäftsabschlusses darin lag, dem
Erwerber für dem Veräusserer zur Verfügung zu stellendes oder bereits zur
Verfügung gestelltes Geld eine Sicherheit zu verschaffen. Anders verhält
es sich dagegen z.B. dann, wenn die Parteien übereinstimmend der Meinung
sind, der "Käufer" solle zwar Eigentümer der Kaufsache werden, habe aber
den vereinbarten Kaufpreis nicht zu begleichen, sondern solle die ihm in
Wirklichkeit ohne Gegenleistung überlassene Sache als Sicherheit für eine
Forderung erhalten mit der Verpflichtung, sie im Falle der Bezahlung seiner
Forderung an den Schuldner zurückzuübertragen. Ein solches Geschäft ist
kein wirklicher Kauf, sondern unter dem Kaufvertrag verbirgt sich die
Vereinbarung einer reinen Sicherungsübereignung.

    Im vorliegenden Falle betrug der Kaufpreis nach den vorgelegten
Verträgen in Wirklichkeit Fr. 30'000.-- (und entsprach damit ungefähr
dem Schatzungswert der Liegenschaften), weil Studer darnach nicht nur
die Grundpfandschulden von Fr. 22'000.-- zu übernehmen, sondern darüber
hinaus gemäss Zusatzvertrag seine Forderung von Fr. 8'000.-- als mit dem
Kaufpreis verrechnet abzuschreiben hatte. Entsprachen diese Abmachungen
dem wirklichen Willen der Vertragsparteien und sollte Fritschi nur das auf
vier Jahre befristete Rückkaufsrecht gemäss Kaufrechtsvertrag vom 25. Juli
1938 vorbehalten bleiben, so liegt nach dem Gesagten ein ernstgemeinter
Kauf vor.

    Nach dem Umständen ist nun allerdings nicht sicher, dass die
Verrechnung des Darlehens von Fr. 8000.-- mit dem Kaufpreis wirklich
gewollt war; denn Studer verlangte in der Folge für den grössten Teil des
Betrags von Fr. 8000.--, nämlich für Fr. 7000.--, von Fritschi Zinsen
(welchen Anspruch er in seinem Rechtsöffnungsbegehren von 1951 auf eine
"separate Abmachung" stützte), und nahm den Betrag von Fr. 7000.-- als
"Kapital It. Kaufvertrag vom 25. Juli 1938" in die Abrechnungen auf,
die er Fritschi in den Jahren 1950-1954 zugehen liess und von denen
Fritschi mindestens die erste als richtig anerkannte. Es kann hier
jedoch dahingestellt bleiben, ob aus diesen (und einigen weitern)
Indizien mit genügender Sicherheit geschlossen werden könne, die
Vertragsparteien seien schon im Juli 1938 darüber einig gewesen, dass
die im Zusatzvertrag vereinbarte Verrechnung nicht stattfinden, sondern
der Betrag von Fr. 8000.-- (oder ein Teil davon) weiterhin als Schuld
Fritschis gelten solle. Wollte man nämlich davon ausgehen, dass dies der
wahre Wille der Parteien gewesen sei, so wäre daraus doch keineswegs zu
schliessen, dass nur eine Verpfändung der Liegenschaften gewollt gewesen
sei. Vielmehr müsste nach den gesamten Umständen angenommen werden, es
habe die Abmachung bestanden, Studer solle die Liegenschaften Fritschis
gegen blosse Übernahme der - nach der klaren Meinung der Parteien ihren
Wert nicht erreichenden - Grundpfandschulden als Sicherheit für seine
weiterbestehende Forderung von Fr. 8000.-- zu Eigentum erhalten und
entsprechend diesem Zweck der Eigentumsübertragung (vgl. BGE 78 II 416,
Erw. 2 a.E.) unabhängig von seinen Pflichten aus dem Kaufrechtsvertrag
(insbesondere auch noch nach dem Erlöschen des auf vier Jahre befristeten
Kaufrechts) verpflichtet sein, sie nach Bezahlung seiner Forderung an
Fritschi zurückzuübertragen. In diesem Falle läge zwar kein wirklicher
Kauf, wohl aber ein Vertrag auf reine Sicherungsübereignung vor. (Dass
Studer die Liegenschaften unter dem einzigen Vorbehalt des auf vier
Jahre befristeten Kaufsrechts des Veräusserers gegen blosse Übernahme der
Grundpfandschulden von Fr. 22'000.-- kaufweise erwerben und demzufolge nach
unbenütztem Ablauf der Frist für die Ausübung des Kaufsrechts berechtigt
sein solle, von Fritschi die Rückzahlung des Darlehens von Fr. 8000.-- zu
verlangen, ohne ihm dafür die Liegenschaften zurückgeben zu müssen, kann
nicht die Meinung der Vertragsparteien gewesen sein; denn Fritschi hatte
keinen Anlass, für den Fall, dass ihm die Ausübung des Kaufsrechts innert
vier Jahren nicht möglich sein sollte, Studer den Betrag zu schenken,
um den der Wert der Liegenschaften die Grundpfandschulden überstieg).
Die Übertragung des Eigentums an Studer war also auf jeden Fall gewollt
und die darüber getroffene Abmachung rechtlich zulässig.

    Der Mietvertrag, auf den Fritschi noch hinweist, verrät keinen
andern Parteiwillen. Aus der Tatsache, dass Studer dem Fritschi
die "volle Benützung sämtlicher Räumlichkeiten und Grundstücke"
sowie das Recht zur Untervermietung und zur Vornahme gewisser (keine
Wertverminderung verursachender) Umbauten einräumte und dass Fritschi
einen dem Hypothekarzins entsprechenden Mietzins zu zahlen sowie die
Brandsteuer usw. zu tragen hatte, folgt keineswegs, dass das Eigentum
nach dem wahren Willen der Parteien nicht auf Studer habe übergehen sollen.

    Dass die zu Sicherungszwecken erfolgte Übereignung der Liegenschaften
mangels Übertragung des (unmittelbaren) Besitzes ungültig sei, ist schon
deswegen unrichtig, weil es für die Übertragung von Grundeigentum einer
Besitzesübertragung nicht bedarf.

    Was Fritschi zur Begründung dafür vorbringt, dass er Eigentümer der
Liegenschaften geblieben und Studer zu Unrecht als solcher eingetragen
worden sei, ist also nicht stichhaltig.

Erwägung 5

    5.- Kann Fritschi seinen Eigentumsanspruch nicht auf die von
ihm geltend gemachten Gründe stützen, so bleibt noch die in den
Rechtsschriften und in den kantonalen Urteilen nicht aufgeworfene,
aber nach der Rechtsprechung (BGE 78 II 226 Erw. 2; vgl. auch BGE 85 II
568) als Rechtsfrage von Amtes wegen zu prüfende Frage zu entscheiden,
ob der Vertrag, der die Übertragung des Eigentums an Studer vorsah,
den gesetzlichen Formvorschriften genüge oder ob er wegen Formmangels
ungültig und die darauf beruhende Eintragung Studers im Grundbuch aus
diesem Grunde ungerechtfertigt sei.

    Laut Gesetz bedarf ein Vertrag auf Übertragung von Grundeigentum,
insbesondere ein Kaufvertrag, der Grundstücke zum Gegenstand hat, zu
seiner Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung (Art. 657 Abs. 1 ZGB,
Art. 216 Abs. 1 OR). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes (BGE
84 IV 164 und 86 II 36 mit Hinweisen; Urteil der I. Zivilabteilung vom
10. Mai 1960 i.S. City Umbau AG gegen Cresta AG, S. 9) muss die Form alle
wesentlichen Punkte eines solchen Vertrages decken, namentlich auch die
ganze für das Grundstück versprochene Gegenleistung, und zwar gilt dies,
wie in den eben angeführten Urteilen in Abweichung von einer frühern
Praxis entschieden wurde, auch dann, wenn die Gegenleistung teilweise
schon vor der Beurkundung des Vertrages erbracht wurde.

    Geht man - mit den Erben Studer - davon aus, dass die in den Verträgen
vom Juli 1938 niedergelegten Abmachungen dem wirklichen Willen der
Parteien entsprochen haben und dass insbesondere die im Zusatzvertrag
enthaltene Vereinbarung über die Verrechnung der Forderung Studers mit
dem Kaufpreis ernst gemeint sei, so erweist sich der Grundstückkauf
vom 25. Juli 1938 nach der eben angeführten Praxis als formnichtig;
denn die öffentliche Urkunde gibt den Kaufpreis mit Fr. 22'000.-- an,
während er, wie schon gesagt, in Wirklichkeit Fr. 30'000.-- betrug, wenn
Studer nicht bloss die Grundpfandschulden von Fr. 22'000.-- zu übernehmen,
sondern ausserdem seine Forderung von Fr. 8000.-- als mit dem Kaufpreis
verrechnet abzuschreiben hatte. Die Formgültigkeit des Vertrags, auf den
die Eintragung im Grundbuch sich stützt, wäre aber auch dann mindestens
zweifelhaft, wenn man annähme, die Verrechnungsabrede sei simuliert
und Fritschi habe Studer die Liegenschaften gegen blosse Übernahme
der Grundpfandschulden von Fr. 22'000.-- überlassen wollen, um ihm für
das weiterhin geschuldete Darlehen von Fr. 8000.-- in Gestalt des die
Pfandbelastung übersteigenden Wertes der Liegenschaften eine Sicherheit zu
verschaffen. In diesem Falle hätte man es, wie in Erw. 4 hievor dargetan,
entgegen dem Vertragswortlaut nicht mehr mit einem wirklichen Kauf,
sondern mit einer blossen Sicherstellungsvereinbarung zu tun. Im öffentlich
beurkundeten Vertrag wäre also der Rechtsgrund der Eigentumsübertragung
unrichtig angegeben. Die Abmachung, dass die Übereignung einfach den
erwähnten Zweck habe und dass Studer folglich unter allen Umständen
(auch nach dem Erlöschen des Fritschi eingeräumten Kaufsrechts)
verpflichtet sei, die Liegenschaften bei Bezahlung seiner Forderung
an Fritschi zurückzuübertragen, hätte aber doch wohl als wesentlicher
Punkt des Übereignungsvertrags zu gelten, so dass der Vertrag jedenfalls
bei strenger Auslegung der in den erwähnten Präjudizien niedergelegten
Grundsätze nur gültig wäre, wenn der öffentlich beurkundete Vertragstext
diese Abmachung irgendwie zum Ausdruck brächte, was nicht der Fall ist.

Erwägung 6

    6.- Die Formnichtigkeit eines Vertrags ist jedoch nach der
Rechtsprechung unbeachtlich, wenn die Berufung darauf einen offenbaren
Rechtsmissbrauch darstellt, d.h. gegen Treu und Glauben verstösst
(BGE 72 II 41 mit Hinweisen, 78 II 226 Erw. 2, 84 II 375 Erw. 2
und 641 Erw. 2). Die Frage, ob der Formmangel nach Treu und Glauben
nicht berücksichtigt werden dürfe, stellt sich auch dann, wenn er im
Prozess nicht ausdrücklich geltend gemacht wurde (BGE 78 II 227). Sie
ist wie die Formfrage selber von Amtes wegen zu prüfen (vgl. den eben
zit. Entscheid). Dabei hat der Richter ohne Bindung an starre Regeln
die gesamten Umstände nach freiem Ermessen zu würdigen (BGE 72 II 44,
78 II 227, 84 II 375).

    Im vorliegenden Falle hat Fritschi seine Pflichten aus dem
Kaufvertrage vom 25. Juli 1938 erfüllt, indem er die Liegenschaften im
Grundbuch auf Studer übertragen liess. Studer seinerseits hat die ihm
überbundenen Grundpfandschulden übernommen und verzinst. Für den mit
dem Kaufpreis verrechneten (oder allenfalls durch die Übertragung der
Liegenschaften sichergestellten) Darlehensbetrag hat er in der Folge zwar
Zinsen verlangt, womit Fritschi einverstanden war; doch konnte dieser das
Kapital (das Studer auch nach der am 28. September 1950 erfolgten Kündigung
"sämtlicher Darlehen" nicht einzutreiben suchte) behalten und von Studer
sogar neue Darlehen erwirken, die Studer ihm offenbar im Vertrauen darauf
gewährte, dass er in den ihm übertragenen Liegenschaften wirtschaftlich
(auch) dafür eine gewisse Sicherheit besitze. Fritschi machte in seinem
Schreiben vom 12. Februar 1950 ausdrücklich geltend, dass der ganze Betrag
seiner Schulden "an der Liegenschaft gesichert" sei. Am 25. April 1955
schloss Fritschi mit Studer über die seinerzeit an diesen veräusserten
Liegenschaften einen Kaufvertrag, der zur Voraussetzung hat, dass Studer
Eigentümer dieser Liegenschaften geworden sei. Auf diesen Vertrag beruft
er sich auch noch im vorliegenden Prozess. Unter diesen Umständen würde
es einen klaren Rechtsmissbrauch bedeuten, wenn Fritschi heute behaupten
würde, der Kaufvertrag von 1938 sei wegen Formmangels ungültig. Dieser
Formmangel muss daher unbeachtet bleiben, mit andern Worten es ist so
zu halten, wie wenn jener Vertrag gültig zustandegekommen wäre. Fritschi
muss deshalb die Annahme gegen sich gelten lassen, dass Studer seinerzeit
zu Recht als Eigentümer eingetragen worden sei und das folglich Kohler
von seinen Erben das Eigentum an der Liegenschaft Nr. 1847 habe erwerben
können.

    Ist die Klage Fritschis auf Feststellung seines Eigentums an der
Liegenschaft Nr. 1847 und auf entsprechende Berichtigung des Grundbuchs
aus diesem Grund abzuweisen, so kann die von den Erben Studer in den
mündlichen Vorträgen vor Obergericht und vor Bundesgericht aufgeworfene
Frage der Ersitzung gemäss Art. 661 ZGB dahingestellt bleiben.

Erwägung 11

    11.- ...c) Dass die Erben Studer mit dem Verkauf der Liegenschaft Nr.
1847 ihre Pflichten aus dem Kaufvertrage vom 25. April 1955 verletzt
hätten, kann deshalb nicht anerkannt werden, weil sie von diesem Vertrage
wirksam zurückgetreten sind.

    Zu Unrecht behauptet Fritschi, die Erben Studer seien gemäss
Art. 214 Abs. 3 OR überhaupt nicht berechtigt gewesen, von diesem
Vertrage zurückzutreten, weil die Liegenschaften schon vor der Zahlung
des Kaufpreises durch "brevi manu traditio" in seinen Besitz übergegangen
seien und Studer sich das Rücktrittsrecht nicht ausdrücklich vorbehalten
habe. Abgesehen davon, dass nach der Auffassung von OSER/SCHÖNENBERGER
(N. 12 zu Art. 214 OR) die Bestimmung von Art. 214 Abs. 3 OR nur für
den Kreditkauf gilt, während nach dem Sinne des Vertrags vom 25. April
1955 die Liegenschaften erst nach Zahlung des Kaufpreises an Fritschi
zurückzuübertragen waren, ist der im Abschnitt über den Fahrniskauf
stehende Art. 214 OR gemäss Art. 221 OR auf den Grundstückskauf nicht
unmittelbar, sondern lediglich entsprechend anwendbar. Dabei ist zu
berücksichtigen, dass die Funktion, die bei der Erfüllung des Fahrniskaufs
dem Besitzesübergang zukommt, bei der Erfüllung des Grundstückskaufs der
Eintragung im Grundbuch zufällt. Nicht der vor der Zahlung des Kaufpreises
erfolgte Besitzesübergang, sondern die vor der Zahlung vollzogene
Eintragung des Käufers im Grundbuch hat daher beim Grundstückskauf die
in Art. 214 Abs. 3 OR vorgesehenen Rechtsfolgen. Fritschi kann sich also
schon deshalb nicht mit Erfolg auf diese Bestimmung berufen, weil der
Kauf vom 25. April 1955 nicht im Grundbuch eingetragen worden ist.

    Stand Art. 214 Abs. 3 OR einem Rücktritt nicht im Wege, so hätte
Studer, der die Liegenschaften erst nach Zahlung des Kaufpreises an
Fritschi zurückzuübertragen hatte, gemäss Art. 214 Abs. 1 und Art. 221 OR
das Recht gehabt, ohne weiteres vom Vertrage zurückzutreten, als Fritschi
mit der Barzahlung, die gemäss Vertrag vom 25. April 1955 bis Ende Mai 1955
zu leisten war, in Verzug kam. Dieses Recht hat er verwirkt, weil er die
sofortige Anzeige im Sinne von Art. 214 Abs. 2 OR unterliess. Damit hat
er aber nicht auch das Recht verloren, nach Art. 107 ff. OR vorzugehen
(BGE 49 II 32 Erw. 3, insbesondere S. 34; BECKER N. 5 zu Art. 214
OR). Ebensowenig hat er das Rücktrittsrecht dadurch eingebüsst, dass er
den Rücktritt nicht sofort erklärte, nachdem er Fritschi im Mahnschreiben
vom 15. Juni 1955 erstmals eine Nachfrist im Sinne von Art. 107 Abs. 1
OR angesetzt hatte und die Zahlung innert dieser (bis zum 30. Juni 1955
reichenden) Frist nicht erfolgt war. Der Gläubiger, der nach unbenütztem
Ablauf der Nachfrist keine Wahlerklärung im Sinne von Art. 107 Abs. 2 OR
abgibt, ist vielmehr berechtigt, dem Schuldner neuerdings eine Nachfrist
im Sinne von Art. 107 Abs. 1 OR anzusetzen (BGE 76 II 304 mit Hinweisen;
OSER/SCHÖNENBERGER N. 21 zu Art. 107 OR). Dies haben die Erben Studer mit
ihrem Schreiben vom 19. November 1955 getan. Dass sie dabei für den Fall
der Nichteinhaltung der Frist zugleich den Rücktritt vom Vertrag erklärten,
war zulässig (BGE 44 II 174 mit Hinweisen und 50 II 19; OSER/SCHÖNENBERGER
N. 33 zu Art. 107 OR). Mit dem unbenützten Ablauf dieser letzten Frist,
die am 30. November 1955 endigte, ist also der Vertrag vom 25. April
1955 ohne weiteres infolge Rücktritts dahingefallen.