Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 86 II 129



86 II 129

22. Urteil der II. Zivilabteilung vom 2. Juni 1960 i.S. M. gegen W.
Regeste

    Vaterschaftsklage.

    1.  Voraussetzungen der Beurteilung durch das Bundesgericht als
einzige Instanz (Art. 41 lit. c OG).

    2.  Ausschluss der Vaterschaft des Beklagten auf Grund der Bestimmung
des Blutfaktors Kell (Art. 314 Abs. 2 ZGB).

Sachverhalt

    A.- Frl. M. gebar am 11. Dezember 1958 das Kind Rita.  Als Vater
bezeichnete sie W. Dieser gab zu, mit ihr während der kritischen Zeit
wiederholt geschlechtlich verkehrt zu haben. In einer am 24. Februar 1959
abgeschlossenen und am 4. März 1959 vom Waisenamt genehmigten Vereinbarung
einigten sich die Mutter und das durch einen Beistand vertretene Kind
einerseits und W. anderseits auf die "Durchführung der Blutprobe nach den
heute anerkannten Methoden durch das Gerichtlich-medizinische Institut
der Universität Zürich", um "abzuklären, ob W. als Vater des Kindes Rita
ausgeschlossen werden kann oder nicht." Für den letztern Fall verpflichtete
sich W., die Mutter mit Fr. 900.-- schadlos zu halten und an das Kind als
Unterhaltsbeitrag monatlich Fr. 80.- von der Geburt bis zum erfüllten
10. Altersjahr und Fr. 85.- von da an bis zum erfüllten 18. Altersjahr
zu bezahlen (Ziff. 3).

    Das angerufene Institut bestimmte bei allen drei Personen
die klassischen Blutgruppen ABO, die Faktoren M und N sowie die
Rhesus-Eigenschaften, liess durch Dr. med. A. Hässig, den Direktor
des Zentrallaboratoriums des Blutspendedienstes des Schweizerischen
Roten Kreuzes in Bern, eine Kontrollbestimmung durchführen, die das
Ergebnis seiner eigenen Untersuchungen bestätigte, und kam in seinem
Berichte vom 18. August 1959 zum Schluss, nach den Erbgesetzen der
erwähnten Bluteigenschaften könne W. als Vater des Mädchens Rita nicht
ausgeschlossen werden. Der Bericht vom 18. August 1959 fügt jedoch
bei, Dr. Hässig habe bei allen drei Personen auch noch die Faktoren
Duffya und Kell bestimmt. Auf Grund der Eigenschaft Duffya bestehe keine
Ausschlussmöglichkeit. Dagegen habe die Untersuchung bezüglich des Faktors
Kell einen Ausschluss ergeben, doch sei zu dessen Sicherung nach der
Ansicht von Dr. Hässig die Untersuchung frischer Blutproben aller drei
Personen notwendig. Ausserdem erachte Dr. Hässig eine Kontrolle durch
einen weitern Untersucher als angezeigt.

    Hierauf vereinbarten die Beteiligten, durch Dr. Hässig ein
Ergänzungsgutachten ausarbeiten zu lassen. Dr. Hässig kam auf Grund
der Untersuchung frischer Blutproben wie in seinem ersten Berichte zum
Ergebnis, dass beim Kind die Eigenschaft "Kell positiv", bei der Mutter und
bei W. dagegen die Eigenschaft "Kell negativ" bestehe. Eine Kontrolle
durch P. D. Dr. L. P. Holländer, den Leiter des Blutspendezentrums
Basel-Stadt des Schweizerischen Roten Kreuzes, bestätigte diesen
Befund. Gestützt hierauf stellte Dr. Hässig in seinem Gutachten vom
19. Oktober 1959 fest, auf Grund der Bestimmung des Blutfaktors Kell könne
W. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als Vater des Kindes
Rita ausgeschlossen werden; seine Vaterschaft stünde im Widerspruch zu
den Erbgesetzen des Kell-Blutgruppensystems.

    B.- Die Beteiligten schlossen hierauf am 10. Dezember 1959 eine neue,
wiederum vom Waisenamt genehmigte Vereinbarung, die lautet:

    "1. Die zwischen den Parteien am 24. Februar 1959 getroffene
Vereinbarung wird zum integrierenden Bestandteil dieser heutigen
Vereinbarung erklärt.

    2. Die Parteien anerkennen, dass nach dem Gutachten des
Gerichtlich-medizinischen Instituts der Universität Zürich vom
18. August 1959 und des Zentrallaboratoriums des Blutspendedienstes
des Schweizerischen Roten Kreuzes vom 19. Oktober 1959 der Beklagte auf
Grund der Bestimmung der klassischen Blutgruppen, der Blutfaktoren MN,
der Rhesusfaktoren C, Cw, c, D, E, e und des Faktors Duffya als Vater
des Kindes Rita nicht ausgeschlossen werden kann, dass er hingegen
auf Grund der Bestimmung des Faktors Kell (K) als Vater dieses Kindes
auszuschliessen ist.

    3. Nachdem ein Streitwert von über Fr. 10'000.-- vorliegt, wird von
beiden Parteien im Sinne von OG Art. 41 lit. c das Schweiz. Bundesgericht
angerufen für die Entscheidung der Frage, ob der Beklagte gestützt
auf das Gutachten des Zentrallaboratoriums des Blutspendedienstes des
Schweiz. Roten Kreuzes vom 19. Oktober 1959 als Vater des Kindes Rita
ausgeschlossen werden kann.

    4. Wenn das Bundesgericht entscheidet, dass der Beklagte als
Vater des Kindes Rita nicht ausgeschlossen werden kann, so verzichtet
W. ausdrücklich auf die Erhebung weiterer Einreden und anerkennt, Vater
des Kindes Rita zu sein. Er übernimmt alsdann endgültig alle rechtlichen
und ausserrechtlichen Kosten sowie diejenigen für die beiden erwähnten
Expertisen; er anerkennt überdies die im Vertrag vom 24. Februar 1959
sub. Ziff. 3 übernommenen Pflichten. Entscheidet das Bundesgericht, es
könne W. als Vater des Kindes Rita ausgeschlossen werden, so fallen alle
aufgeführten Kosten auf die Klägerin Fräulein M."

    C.- Am 11. Dezember 1959, dem letzten Tage der Frist von Art. 308 ZGB,
haben Mutter und Kind beim Bundesgericht gegen W. Klage eingereicht mit
den Begehren:

    "1. Es sei gerichtlich festzustellen, dass der Beklagte Vater des am
11.12.1958 geborenen Kindes Rita ist.

    2. Der Beklagte sei demzufolge zu verpflichten,

    a)  an Frl. M. für den Unterhalt während je 4 Wochen vor und nach der
Geburt Fr. 400.-- und für die Entbindungskosten und andere infolge der
Schwangerschaft und Entbindung notwendig gewordene Auslagen Fr. 500.--,
total also Fr. 900.--, sowie

    b)  an das Kind Rita einen monatlichen und vorauszahlbaren
Unterhaltsbeitrag von Fr. 80.- von der Geburt an bis zum erfüllten
10. und von Fr. 85.- vom Beginn des 11. bis zum erfüllten 18. Altersjahr
zu bezahlen."

    Der Beklagte beantragt in der Klageantwort vom 5. Februar 1960
Abweisung der Klage.

    Von der Durchführung einer Vorbereitungsverhandlung im Sinne
von Art. 35 BZP ist im Einverständnis der Parteien abgesehen worden.
Beweisergänzungsanträge haben die Parteien innert der Frist von Art. 67
Abs. 2 BZP nicht gestellt. Auf die Teilnahme an der heutigen Verhandlung
haben sie verzichtet.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 41 lit. c OG beurteilt das Bundesgericht als einzige
Instanz "andere" zivilrechtliche Streitigkeiten (d.h. andere als die
in Art. 41 lit. a und b genannten, zu denen der vorliegende Rechtsstreit
nicht gehört), wenn es von beiden Parteien an Stelle der kantonalen
Gerichte angerufen wird und der Streitwert wenigstens Fr. 10'000.--
beträgt. (Die neue Fassung dieser Bestimmung gemäss Bundesgesetz vom
19. Juni 1959 betr. Änderung des OG und des BStP, wonach der Streitwert
wenigstens Fr. 20'000.-- betragen muss, gilt gemäss Ziff. IV Abs. 3 des
erwähnten Bundesgesetzes für die vorliegende, vor dem Inkrafttreten dieses
Gesetzes beim Bundesgericht abhängig gemachte Klage noch nicht.)

    Es steht ausser Zweifel, dass man es hier mit einer zivilrechtlichen
Streitigkeit zu tun hat, und zwar handelt es sich, da die Klägerinnen
nicht die Zusprechung des Kindes mit Standesfolge, sondern nur
Vermögensleistungen im Sinne von Art. 317 ff. ZGB verlangen, um eine
Streitigkeit vermögensrechtlicher Natur (vgl. BGE 75 II 334 mit Hinweisen,
79 II 258), wie sie nach der Rechtsprechung für die direkte Anrufung
des Bundesgerichts auf Grund einer Progrogation erforderlich ist, weil
das Gesetz diese Möglichkeit vom Vorliegen eines bestimmten Streitwerts
abhängig macht (BGE 23 II 921; BURCKHARDT, Kommentar der BV, 3. Aufl.,
S. 764 Mitte; BIRCHMEIER, Handbuch des OG, N. 14 zu Art. 41). Der
Streitwert, der sich aus dem Betrag der von der Mutter geforderten
Entschädigung (Fr. 900.--) und dem Kapitalwert der Unterhaltsbeiträge für
das Kind zusammensetzt, übersteigt Fr. 10'000.--.... Ferner steht fest,
dass die Parteien das Bundesgericht an Stelle der kantonalen Gerichte
angerufen haben; hätten sie nicht direkt das Bundesgericht angerufen,
so wären für die Beurteilung der vorliegenden Vaterschaftsklage gemäss
Art. 312 ZGB die st. gallischen oder schaffhausischen Gerichte zuständig
gewesen. Ungeachtet der etwas missverständlichen Fassung von Ziff. 3 und
4 der Prorogationsvereinbarung vom 10. Dezember 1959 ist endlich auch
klar, dass die Parteien vom Bundesgericht nicht bloss die Feststellung
erwarten, ob der Beklagte auf Grund des Gutachtens vom 19. Oktober
1959 als Vater des Kindes Rita ausgeschlossen werden könne oder nicht,
sondern dass das Bundesgericht nach ihrer Meinung je nachdem ein die
Vaterschaftsklage abweisendes oder sie gutheissendes Urteil zu fällen
hat. Das Bundesgericht ist daher zuständig, die vorliegende Klage als
einzige Instanz zu beurteilen.

Erwägung 2

    2.- Das Ergebnis einer naturwissenschaftlichen Untersuchung ist
nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts dann und nur dann geeignet,
erhebliche Zweifel über die Vaterschaft des Beklagten im Sinne von
Art. 314 Abs. 2 ZGB zu begründen oder die durch die Beiwohnung eines
Dritten begründeten Zweifel zu beseitigen, wenn es die Vaterschaft
des Beklagten bzw. des Dritten mit Sicherheit oder doch mit grösster,
an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausschliesst (BGE 80 II 13,
82 II 264, 83 II 104, 84 II 675). Ob ein Vaterschaftsausschluss diesen
Grad der Wahrscheinlichkeit für sich habe, ist eine naturwissenschaftliche
Frage, die der Sachverständige zu beantworten hat. Der Tatsachenrichter
hat dessen Gutachten freilich auf seine Schlüssigkeit zu prüfen, soweit
er dazu in der Lage ist. Dagegen kann es nicht Sache des Richters (auch
nicht des Bundesgerichtes) sein, "den Begriff der 'an Sicherheit grenzenden
Wahrscheinlichkeit' statistisch eindeutig zu definieren", wie Dr. Hässig
dies auf S. 10 seines Gutachtens vom 19. Oktober 1959 in Übereinstimmung
mit WUILLERET (Über die Verwertbarkeit der Blutgruppenantigene A1, A2,
K, Fya und P bei der Klärung von strittigen Abstammungsfragen, S. 25)
als wünschbar bezeichnet. Hiezu wären eingehende biologisch-medizinische
und statistisch-mathematische Kenntnisse erforderlich, über die das
Gericht nicht verfügt. In Deutschland sind denn auch Richtlinien für
die Bewertung des Sicherheitsgrades von Vaterschaftsausschlüssen, die
sich auf eine Blutuntersuchung stützen, nicht von den Gerichten, sondern
vom Robert-Koch-Institut in Berlin aufgestellt worden (DAHR in BEITZKE,
HOSEMANN, DAHR, SCHADE, Vaterschaftsgutachten für die gerichtliche Praxis,
1956, S. 77).

Erwägung 3

    3.- Das vorliegende Gutachten Dr. Hässigs ist nicht von einem Gericht
eingeholt worden. Es darf jedoch unbedenklich einem gerichtlichen Gutachten
gleichgestellt werden, da die Parteien Dr. Hässig gemeinsam mit seiner
Ausarbeitung beauftragt haben und kein Zweifel daran bestehen kann,
dass Dr. Hässig, der sehr oft als gerichtlicher Sachverständiger zu
amten hat, es nach bestem Wissen und Gewissen und im Geiste strengster
Unparteilichkeit (vgl. Art. 59 BZP) abgegeben hat.

    Ein weiteres Gutachten einzuholen, wie die Klägerinnen dies
in Klageschrift beantragt haben, wäre unter diesen Umständen nur dann
geboten, wenn an der Autorität Dr. Hässigs zu zweifeln wäre. Hiefür besteht
jedoch kein Grund. Dr. Hässig ist (was festzustellen das Bundesgericht
schon früher Gelegenheit hatte, vgl. BGE 83 II 103, 84 II 673) auf diesem
Gebiet ein anerkannter Fachmann, der über umfassende Kenntnisse und eine
reiche Erfahrung verfügt. Er erscheint daher als befähigt, sowohl die
grundsätzliche Frage, welcher Beweiswert einem Vaterschaftsausschluss
auf Grund der Bestimmung des Blutfaktors Kell im allgemeinen zukommt,
in zuverlässiger Weise zu beantworten, als auch im Einzelfalle die
nötigen Untersuchungen mit der erforderlichen Sorgfalt durchzuführen
und ihr Ergebnis zutreffend zu würdigen. Dass im vorliegenden Falle bei
der Bestimmung des Faktors Kell alle zur Vermeidung eines Fehlresultats
notwendigen Vorsichtsmassnahmen angewendet worden sind, wird im übrigen
von den Klägerinnen nicht bestritten. Sie verweisen zwar darauf, dass die
Bestimmungstechnik sehr schwierig und die Gefahr unsachgemässer Entnahme
oder Behandlung des Blutes sehr gross sei, behaupten aber nicht, dass Dr.
Hässig den erwähnten Schwierigkeiten nicht gewachsen sei oder dass im
vorliegenden Falle mit einem unsachgemässen Vorgehen bei der Durchführung
der Untersuchung gerechnet werden müsse. Im Gegenteil anerkennen sie
vorbehaltlos, dass der Beklagte (die Brauchbarkeit der angewendeten
Ausschlussmethode vorausgesetzt) auf Grund der von Dr. Hässig vorgenommenen
Bestimmung des Faktors Kell als Vater des Kindes Rita auszuschliessen sei
(Vereinbarung vom 10. Dezember 1959, Ziff. 2; Klageschrift S. 5 Ziff. 4:
"Die Parteien haben die Resultate der erwähnten Gutachten anerkannt"),
und machen in Wirrklichkeit nur geltend, ein solcher Ausschluss genüge
für sich allein grundsätzlich nicht, um erhebliche Zweifel im Sinne
von Art. 314 Abs. 2 ZGB zu begründen, weil dadurch die Vaterschaft eines
Mannes, welcher der Mutter in der kritischen Zeit beigewohnt hat, nicht mit
an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden könne.

    Nach alledem besteht kein Anlass, einen weitern Sachverständigen
beizuziehen. Die Klägerinnen scheinen dies schliesslich selber
eingesehen zu haben; denn sie haben von der ihnen bei Abschluss
des Vorbereitungsverfahrens bekanntgegebenen Möglichkeit,
Beweisergänzungsanträge zu stellen, wie schon gesagt keinen Gebrauch
gemacht.

Erwägung 4

    4.- Dr. Hässig führt in seinem Gutachten aus, in den letzten Jahren
sei der dominante Erbgang des Blutfaktors Kell (K) durch zahlreiche
Familienuntersuchungen sichergestellt worden. Man verfüge heute
über 1585 publizierte Fälle, durch welche dieser Erbgang bestätigt
werde. Es sei damit zu rechnen, dass noch weitaus mehr Familien, als
aus den erfolgten Veröffentlichungen hervorgehe, untersucht worden
seien. Hätte man dabei einen gegen die Erbregeln verstossenden Fall
gefunden, so wäre er sicher veröffentlicht worden. Der dominante Erbgang
des Faktors Kell sei also "eindeutig sichergestellt". Die Häufigkeit
serologischer Bestimmungsfehler liege bei Beobachtung aller Kautelen
(einwandfreie Identifizierung der Parteien, gleichzeitige Durchführung
der Untersuchung bei allen Beteiligten mit den gleichen Testseren,
Verwendung einwandfreier Seren, sichere Beherrschung der für den
indirekten Nachweis des Faktors Kell erforderlichen Antiglobulintechnik,
Kontrolle durch einen zweiten, mit Testseren anderer Herkunft arbeitenden
Experten) wesentlich unter 1: 1000. Der heutige Stand der erbbiologischen
und serologischen Kenntnisse über das Kell-System, insbesondere den
Faktor K, entspreche dem Stand des Wissens über das Rhesus-System
in den Jahren 1953/54, in welchen das Bundesgericht die forensische
Verwendbarkeit der Rhesusfaktoren voll anerkannt habe (BGE 79 II 17,
80 II 10). Daher dürfe heute ein K - Vaterschaftsausschluss unter
der Voraussetzung einer lege artis durchgeführten Untersuchung einem
Rhesus-Ausschluss als gleichwertig zur Seite gestellt werden. Da einem
solchen das Prädikat der "an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit"
erteilt werde, erscheine es als gegeben, dieses Prädikat auch einem
K-Ausschluss zu verleihen. Erfahrene ausländische Experten seien der
gleichen Ansicht. So vertrete z.B. Dr. Pettenkofer, der zuständige
Sachbearbeiter am Robert-Koch-Institut in Berlin, nach einer persönlichen
Mitteilung vom 18. September 1959 die Auffassung, dass die Erzeugerschaft
eines Mannes auf Grund eines K-Ausschlusses nach Bestätigung der Befunde
durch einen besonders erfahrenen Zweitbegutachter mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschliessen sei.

    Diese Ausführungen tun überzeugend dar, dass ein K-Ausschluss, der
auf einer kunstgerecht durchgeführten Untersuchung beruht und durch einen
qualifizierten Zweitbegutachter bestätigt wird, heute den Sicherheitsgrad
aufweist, der nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts erforderlich
ist, um im Vaterschaftsprozess den Beklagten oder einen Dritten als
Vater auszuschliessen.

Erwägung 5

    5.- Was die Klägerinnen hiegegen einwenden, ist nicht stichhaltig.

    a) Es ist mindestens ungenau, wenn sie behaupten, WUILLERET
vertrete in der bereits erwähnten Arbeit (S.11) den Standpunkt, dass
bei der Erforschung des Faktors K die Bestimmungsergebnisse heute immer
noch verfälscht werden können. In Wirklichkeit sagt Wuilleret an der
angegebenen Stelle, Verfälschungen der Bestimmungsergebnisse infolge des
Auftretens von schwachen oder stummen Allelen (z.B. Ko) oder von sog.
Depressorgenen seien als "extrem selten" zu betrachten. Dr. Hässig stimmt
dieser Auffassung im vorliegenden Gutachten bei. Sind solche Vorkommnisse
extrem selten, so bilden sie kein Hindernis dafür, einem K-Ausschluss
den Beweiswert der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit beizumessen.

    b) Wenn Dr. Hässig und weitere Fachleute, wie im vorliegenden Gutachten
erwähnt, einem K-Ausschluss in den Jahren 1954 und 1956 nur das Prädikat
einer "erheblichen" bezw. "sehr erheblichen" Wahrscheinlichkeit zuerkannten
(BARANDUN, BÜHLER, HÄSSIG, ROSIN, Moderne Probleme der Pädiatrie I
S. 654; WUILLERET, ROSIN, HÄSSIG, Schweiz. med. Wochenschrift 86
S. 1455; vgl. auch BERGER, Basler jur. Mitteilungen 1957 S. 321 f.),
so vermag dies die von Dr. Hässig heute vertretene Auffassung, dass für
dìe Richtigkeit eines K-Ausschlusses bei kunstgerecht durchgeführter
Untersuchung nunmehr eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit
bestehe, entgegen der Ansicht der Klägerinnen nicht zu widerlegen. Dass der
Experte den Beweiswert eines solchen Ausschlusses heute höher einschätzt
als 1954/56, erklärt sich aus den Fortschritten, welche die Forschung in
der Zwischenzeit gemacht hat.

    c) Den Begriff der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit
statistisch genau zu definieren (was nach der Meinung der Klägerinnen
im Sinne des Verschärfung der Anforderungen geschehen sollte), kann,
wie schon ausgeführt (Erw. 2 hievor), nicht Sache des Bundesgerichtes sein.

    d) Wenn in dem von den Klägerinnen angezogenen Falle BGE 83
II 102 ff. einem Duffya-Ausschluss die Anerkennung versagt blieb,
obwohl WUILLERET, ROSIN UND HÄSSIG in der unter b hievor erwähnten
Arbeit angenommen hatten, die Häufigkeit von Fehlbestimmungen dieser
Bluteigenschaft liege bei Verwendung einwandfreier Seren und bei sicherer
Beherrschung der Untersuchungstechnik "wesentlich unter 1: 1000", so
geschah dies vor allem deswegen, weil die Gesetzmässigkeit der Vererbung
dieser Bluteigenschaft noch nicht mit genügender Sicherheit feststand
(S. 107). Demgegenüber darf heute der dominante Erbgang des Faktors
Kell nach dem vorliegenden Gutachten als gesichert angesehen werden. Aus
dem erwähnten Entscheide lässt sich daher nichts gegen die forensische
Verwendbarkeit eines K-Ausschlusses ableiten.

    e) Der Gefahr von Fehlbestimmungen im Einzelfall, auf welche die
Klägerinnen schliesslich noch hinweisen, kann nach den Feststellungen des
Experten durch die von ihm genannten Vorsichtsmassnahmen (Erw. 4 hievor)
mit dem Erfolg begegnet werden, dass Fehlbestimmungen nicht häufiger als
allerhöchstens in einem unter 1000 Fällen vorkommen.

    Demnach muss es bei der Schlussfolgerung des Experten bleiben,
wonach ein K-Ausschluss unter der Voraussetzung einer kunstgerecht
durchgeführten Untersuchung heute das Prädikat der an Sicherheit grenzenden
Wahrscheinlichkeit verdient. Dass Dr. Hässig und der Zweitbegutachter P.D.
Dr. Holländer die Untersuchung im vorliegenden Fall unter Beobachtung aller
erforderlichen Vorsichtsmassnahmen durchgeführt haben, ist unbestritten
(vgl. Erw. 3 hiervor) und steht angesichts der Persönlichkeit der
Gutachter ausser Frage. Das Ergebnis der Expertise rechtfertigt folglich
erhebliche Zweifel über die Vaterschaft des Beklagten im Sinne von Art. 314
Abs. 2 ZGB, so dass die Klage abzuweisen ist.

    Diese Entscheidung steht im Einklang mit der neuesten Rechtsprechung
des österreichischen Obersten Gerichtshofs, der in Entscheidungen vom
1. und 8. Juli 1959 unter ausführlichem Hinweis auf das medizinische
Schrifttum festgestellt hat, der dem Vaterschaftsbeklagten nach
österreichischem Recht offenstehende Nachweis, dass er das Kind
ungeachtet der bewiesenen oder eingestandenen Beiwohnung nicht gezeugt
habe (vgl. KLANG/GSCHNITZER, Kommentar zum ABGB, Lieferung 83, Wien 1958,
Bem. III 3 b zu § 163, S. 152 ff.), könne durch ein Blutgruppengutachten
erbracht werden, das die Vaterschaft des Beklagten auf Grund des
Kell-Faktors ausschliesst (ELSIGAN, Der naturwissenschaftliche
Vaterschaftsbeweis in der Rechtsprechung der Zivil- und Strafgerichte,
Juristische Blätter 82, 1960, S. 241).

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Klage wird abgewiesen.