Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 86 III 4



86 III 4

3. Entscheid vom 20. April 1960 i.S. Herrmann. Regeste

    Rechtsvorschlag (Art. 74 SchKG). Auslegung der Erklärung des
Schuldners, er anerkenne die Forderung nicht und werde Rechtsvorschlag
erheben.

Sachverhalt

    In der Betreibung, die Karl Herrmann für eine Forderung von
Fr. 1388.90 gegen Frau Wuthier führt, stellte das Betreibungsamt
Kreuzlingen der Schuldnerin am 15. Dezember 1959 den Zahlungsbefehl
zu. Bei dieser Gelegenheit erklärte die Schuldnerin laut Bericht des
Amtes vom 22. Februar 1960, sie anerkenne diese Forderung nicht und werde
Rechtsvorschlag erheben; sie werde die Sache ihrem Sohn übergeben. Eine
weitere Mitteilung erhielt das Betreibungsamt während der Frist für
den Rechtsvorschlag nicht. Es nahm deswegen an, ein Rechtsvorschlag sei
nicht erfolgt, und erliess am 15. Januar 1960 die Pfändungsankündigung.
Die Schuldnerin erhielt davon am 19. Januar (bei der Rückkehr von einem
mehrwöchigen Besuch in Basel) Kenntnis und liess hierauf am 22. Januar
durch einen Anwalt beim Präsidenten des Bezirksgerichts Kreuzlingen das
Gesuch um Bewilligung des nachträglichen Rechtsvorschlags stellen. Der
Gerichtspräsident wies dieses Gesuch am 2. Februar ab, erkannte aber
in seiner Eigenschaft als untere Aufsichtsbehörde in Betreibungssachen
gleichzeitig:

    "Das Begehren wird als betreibungsrechtliche Beschwerde in dem Sinne
geschützt, dass das Betreibungsamt Kreuzlingen angewiesen wird, den
von der Impetrantin dem zustellenden Beamten Stuber mündlich erklärten
Rechtsvorschlag als gültig entgegenzunehmen. Die Pfändungsankündigung
fällt dahin."

    Die kantonale Aufsichtsbehörde hat dieses - vom Gläubiger
weitergezogene - Erkenntnis am 28. März 1960 bestätigt.

    Hiegegen rekurriert der Gläubiger an das Bundesgericht.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

    Die Erklärung, welche die Schuldnerin nach dem von der Vorinstanz als
zuverlässig beurteilten Berichte des Betreibungsamtes bei der Zustellung
des Zahlungsbefehls abgegeben hat, wäre wohl als Rechtsvorschlag zu
betrachten, wenn die Schuldnerin einfach erklärt hätte, sie bestreite
die Forderung. Sie hat aber beigefügt, sie werde Rechtsvorschlag erheben
und die Sache ihrem Sohn übergeben. Damit hat sie sich die endgültige
Stellungnahme zu der in Betreibung gesetzten Forderung für einen spätern
Zeitpunkt vorbehalten. Unter diesen Umständen ist in ihrer Erklärung
nicht ein Rechtsvorschlag, sondern nur die Ankündigung eines solchen
zu erblicken. Bei dieser ist es geblieben, da die Schuldnerin bis
zum Ablauf der Frist für den Rechtsvorschlag keine weitern Vorkehren
getroffen hat. Die Pfändungsankündigung ist daher zu Recht erfolgt.
Dem von der Vorinstanz angezogenen Entscheide BGE 85 III 14 ff. lag ein
vom vorliegenden wesentlich verschiedener Tatbestand zugrunde.

    Die wiedergegebene Erklärung entgegen ihrem Wortlaut als
Rechtsvorschlag zu deuten, geht um so weniger an, als die Schuldnerin
nach Erhalt der Pfändungsankündigung selber nicht geltend machte, sie habe
wirksam Rechtsvorschlag erhoben, sondern durch einen Anwalt ausdrücklich
erklären liess, sie habe dies nicht in rechtsgültiger Form getan und
ersuche daher um Bewilligung des nachträglichen Rechtsvorschlags durch
den Richter.

Entscheid:

       Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:

    In Gutheissung des Rekurses wird der angefochtene Entscheid aufgehoben
und das Gesuch der Schuldnerin vom 22. Januar 1960 abgewiesen, soweit es
als betreibungsrechtliche Beschwerde gelten kann.