Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 86 III 31



86 III 31

12. Entscheid vom 22. März 1960 i.S. St. Gallische Kantonalbank. Regeste

    Konkurs; Beschwerde gegen die Verteilungsliste (Art. 263 SchKG).

    Stellt das Konkursamt den Gläubigern anstelle der Anzeige gemäss
Art. 263 Abs. 2 SchKG (Formular Nr. 10) eine vollständige Abschrift der
Verteilungsliste zu, so beginnt die zehntägige Beschwerdefrist mit deren
Zustellung. Eine falsche Rechtsmittelbelehrung hemmt den Ablauf dieser
Frist nicht, sondern kann nur ein Grund für die Wiederherstellung gegen
die Folgen der Fristversäumung sein (Art. 35 OG). Voraussetzungen der
Wiederherstellung.

Sachverhalt

    A.- Im Konkurs über die Firma Albert Köberle Maschinen AG stellte
das Konkursamt Oberrheintal den Gläubigern am 6. November 1959 den
Verteilungsplan zu mit dem Bemerken:

    "Sofern ein Gläubiger damit (d.h. mit dem Verteilungsplan) nicht
einverstanden ist, steht ihm das Recht der Prozessführung innert Frist
von 30 Tagen zu (betr. materiellen Rechtsanspruches)."

    Hierauf stellte die St. Gallische Kantonalbank vorsorglich ein
Vermittlungsbegehren und führte am 14. November 1959 unter Berufung auf
BGE 85 III 93 Beschwerde mit dem Begehren, der Kollokationsplan sei zu
ergänzen und neu aufzulegen, weil er in einem Punkte (hinsichtlich eines
von ihr beanspruchten Grundpfandrechts) keine klare Verfügung enthalte.
Die kantonale Aufsichtsbehörde trat auf diese Beschwerde nicht ein, weil
der Kollokationsplan klar sei und daher nicht nachträglich durch Beschwerde
angefochten werden könne. Am 1. Februar 1960 hat das Bundesgericht diesen
Entscheid bestätigt.

    B.- Im Anschluss hieran reichte die St. Gallische Kantonalbank am
6. Februar 1960 eine neue Beschwerde ein, mit der sie beantragte, das
Konkursamt sei anzuweisen, den Verteilungsplan nochmals aufzulegen und
den Gläubigern eine Beschwerdefrist von zehn Tagen anzusetzen. Sie machte
geltend, der den Gläubigern am 6. November 1959 zugestellte Verteilungsplan
enthalte eine falsche Rechtsmittelbelehrung, weil die Verteilungsliste nur
durch Beschwerde, nicht durch gerichtliche Klage angefochten werden könne.

    Die kantonale Aufsichtsbehörde hat am 27. Februar 1960 auch diese
zweite Beschwerde durch Nichteintreten erledigt mit der Begründung, es
sei zwar richtig, dass die Verteilungsliste nicht durch gerichtliche
Klage, sondern durch Beschwerde anzufechten sei; dies sei jedoch der
Beschwerdeführerin längst bekannt gewesen, da sie am 14. November 1959,
also innert der gesetzlichen Frist, Beschwerde geführt habe. Sie habe
es aber damals unterlassen, eine Abänderung der Verteilungsliste zu
verlangen. Heute, nach Ablauf von mehr als drei Monaten, könne diese Liste
nicht mehr angefochten werden. Die Beschwerdeführerin verlange im übrigen
auch heute keine Abänderung der Verteilungsliste, sondern beschränke
sich darauf, deren Neuauflegung unter Ansetzung einer Beschwerdefrist zu
verlangen. Wer jedoch wisse, dass eine Rechtsmittelbelehrung falsch sei,
und das richtige Rechtsmittel kenne, von dem dürfe verlangt werden, dass
er dieses ergreife und damit sogleich die von ihm erstrebte Abänderung
der angefochtenen Verfügung verlange. Durch den beanstandeten Vermerk
am Ende der Verteilungsliste sei die Beschwerdeführerin keineswegs
in einen Irrtum versetzt worden. Es sei ihr "sowohl im Zeitpunkt der
ersten Beschwerde vom 14. November 1959 wie aber namentlich im Zeitpunkt
der neuen, am 6. Februar 1960 angehobenen Beschwerde" bekannt gewesen,
dass die Verteilungsliste nicht durch Klage, sondern durch Beschwerde,
und zwar innert zehn Tagen, angefochten werden müsse, ansonst sie in
Rechtskraft erwachse. Dass der Beschwerdeführerin anstelle des Formulars
Nr. 10 die vollständige Verteilungsliste zugestellt worden sei, habe ihr
keinen Nachteil verursacht.

    C.- Diesen Entscheid hat die Beschwerdeführerin an das
Bundesgericht weitergezogen mit dem Antrag, das Konkursamt sei
anzuweisen, die Verteilungsliste nochmals aufzulegen und den Gläubigern
eine Beschwerdefrist von zehn Tagen anzusetzen; eventuell sei die
Verteilungsliste in dem Sinne abzuändern, dass den fünf Ortsgemeinden von
Oberriet vom Gesamterlös nicht Fr. 30'000.-- sondern nur Fr. 13'000.--
zuzuteilen seien.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

    Die Verteilungsliste ist, wie die Vorinstanz und die Rekurrentin
zutreffend angenommen haben, nicht durch gerichtliche Klage, sondern durch
Beschwerde anzufechten. Diese ist binnen zehn Tagen von der Zustellung
der in Art. 263 Abs. 2 SchKG vorgesehenen Anzeige an einzureichen (Art. 17
Abs. 2 SchKG und Formular Nr. 10). Wird den Gläubigern statt einer solchen
Anzeige eine vollständige Abschrift der Verteilungsliste zugestellt,
was an sich nicht zu beanstanden ist, so läuft die Beschwerdefrist von
deren Zustellung an. Da das Konkursamt Oberrheintal die Abschriften
der Verteilungsliste am 6. November 1959 an die Gläubiger verschickte,
ist diese Frist im vorliegenden Falle längst abgelaufen.

    Die Mitteilung, welche das Konkursamt am 6. November 1959 an die
Gläubiger richtete, war freilich insofern mangelhaft, als darin in
Abweichung vom Formular Nr. 10 nicht auf das Beschwerderecht und die für
die Beschwerde geltende Frist hingewiesen, sondern fälschlicherweise
angegeben wurde, ein Gläubiger, der mit der Verteilungsliste nicht
einverstanden sei, sei berechtigt, binnen dreissig Tagen bezüglich des
materiellen Rechtanspruchs einen Prozess einzuleiten. Deswegen kann
jedoch nicht angenommen werden, die zehntägige Frist zur Anfechtung
der Verteilungsliste durch Beschwerde sei überhaupt noch nicht in Gang
gekommen und müsse den Gläubigern erst noch angesetzt werden. Diese Frist
begann vielmehr mit der Zustellung der Verteilungsliste ungeachtet der
fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung von Gesetzes wegen zu laufen. Wenn das
Formular Nr. 10 auf die Beschwerdefrist hinweist, so beruht dies nicht
auf einer zwingenden Gesetzesvorschrift, sondern nur auf Erwägungen der
Zweckmässigkeit; Art. 263 Abs. 2 SchKG sieht einen solchen Hinweis nicht
vor. Stellt das Konkursamt den Gläubigern anstelle des Formulars Nr. 10
eine vollständige Abschrift des Verteilungsplanes zu und erteilt es ihnen
dabei eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung, so ist dieser Mangel folglich
nicht geeignet, die Zustellung als schlechthin unwirksam erscheinen zu
lassen. Vielmehr kann dieser Mangel nur bewirken, dass Gläubiger, die
sich nach den gegebenen Umständen auf jene Belehrung verlassen durften und
auch tatsächlich verlassen haben, auf Grund von Art. 35 OG, der nach BGE
81 III 81 auch für die Beschwerdefrist des Art. 17 Abs. 2 SchKG gilt, die
Wiederherstellung gegen die Folgen der Versäumung dieser Frist verlangen
können. Zu diesem Zwecke müssen sie nach Art. 35 OG binnen zehn Tagen von
der Entdeckung ihres Irrtums an unter Angabe des Grundes der Versäumung
das Wiederherstellungsgesuch stellen und die versäumte Rechtshandlung
(d.h. die Einreichung der Beschwerde gegen den Verteilungsplan) nachholen
(vgl. BGE 85 II 147/48). Dies ist das einzige Mittel, um den Folgen der
auf eine falsche Rechtsmittelbelehrung zurückzuführenden Versäumung der
Beschwerdefrist zu entgehen.

    Die Rekurrentin kann demnach nicht verlangen, dass die Verteilungsliste
unter Ansetzung einer zehntägigen Beschwerdefrist (bezw. unter Hinweis
auf diese Frist) neu aufgelegt werde, damit sie Gelegenheit erhalte, die
ihr schon am 6. November 1959 in Abschrift zugestellte Verteilungsliste
nachträglich durch Beschwerde als unrichtig anzufechten und ihre Abänderung
zu verlangen. Aber auch durch Wiederherstellung gegen die Folgen der
Versäumung der Frist zur Einreichung einer solchen Beschwerde kann
ihr nicht geholfen werden. Die Vorinstanz nimmt an, sie sei durch die
unrichtige Rechtsmittelbelehrung in der Mitteilung vom 6. November 1959
überhaupt nicht irregeführt worden, sondern habe von Anfang an gewusst,
dass der Verteilungsplan nur durch eine innert zehn Tagen einzureichende
Beschwerde angefochten werden könne. Diese Feststellung betrifft eine
("innere") Tatsache und ist daher gemäss Art. 63 Abs. 2 OG für das
Bundesgericht verbindlich. Sie schliesst die Annahme aus, dass die
Rekurrentin durch einen unverschuldeten Irrtum von der rechtzeitigen
Beschwerdeführung abgehalten worden sei. Wollte man aber noch annehmen,
die Rekurrentin sei anfänglich in einem solchen Irrtum befangen gewesen,
so hätte sie ihn doch allerspätestens am 6. Februar 1960 erkannt, als
sie die vorliegende Beschwerde erhob. Sie hätte daher spätestens bis
zum 16. Februar 1960 nicht nur in gehöriger Form die Wiederherstellung
verlangen, sondern auch gegen die Verteilungsliste Beschwerde führen und
damit die von ihr gewünschte Abänderung der Verteilungsliste beantragen
müssen, was sie bis dahin versäumt hatte. Dies hat sie nicht getan. Erst
vor Bundesgericht hat sie im Sinne eines Eventualantrags, der schon
gemäss Art. 79 OG wegen Verspätung unbeachtlich ist, die Abänderung jener
Liste verlangt. Der Vorinstanz ist also darin beizupflichten, dass die
Rekurrentin das Recht zur Beschwerde gegen die Verteilungsliste endgültig
verwirkt hat.

Entscheid:

Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:

    Der Rekurs wird abgewiesen.