Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 86 III 20



86 III 20

10. Entscheid vom 22. Januar 1960 i.S. Rohde und Ritter. Regeste

    Konkursverfahren. Art. 63 KV: Pro-memoria-Vormerkung prozesshängiger
Forderungen im Kollokationsplan; Aufsichtsbeschwerde wegen Missachtung
dieser Vorschrift ist binnen der lotägigen Beschwerdefrist seit Mitteilung
der Auflage des Kollokationsplanes zu erheben (Erw. 1).

    Abtretung von Forderungen gemäss Art. 260 SchKG: Verzicht auf
Geltendmachung der Forderungen ist nicht durch die (beschlussunfähige)
Gläubigerversammlung oder im Zirkularweg, sondern durch die
Konkursverwaltung allein beschlossen, jedoch Abtretung allen Gläubigern
offeriert worden: daherige Abtretungen sind nicht nichtig; Beschwerde
gegen das Vorgehen der Konkursverwaltung war binnen 10 Tagen seit Empfang
des Offert-Kreisschreibens zu erheben (Erw. 2).

Sachverhalt

    A.- Am 10. Juli 1958 wurde über die "Schanzlin Landmaschinen
GmbH" in Düdingen der Konkurs eröffnet. In diesem Zeitpunkt war
die Gemeinschuldnerin Beklagte in einem Forderungsprozess der Romag
(Röhren und Maschinen AG) in Düdingen für Fr. 85'382.93 aus Arbeiten
und andern Leistungen an die Beklagte. Diese hatte Abweisung der Klage
beantragt und widerklageweise Zahlung von Fr. 47'923.80 verlangt. Dieser
beim Zivilgericht des Sensebezirks hängige Prozess wurde zufolge
der Konkurseröffnung gemäss Art. 207 SchKG eingestellt. Vor dem
Appellationshof des Kantons Bern war ein anderer Prozess hängig, nämlich
eine Schadenersatzklage des in Deutschland wohnhaften Walter Schanzlin,
Gesellschafter der falliten Schanzlin GmbH Düdingen, gegen Hans Emch und
Robert Wilhelm, die gleichzeitig geschäftsführende Gesellschafter der
Schanzlin GmbH Düdingen und der Romag gewesen waren. Walter Schanzlin
warf den Beklagten vor, bei der Geschäftsführung der Schanzlin Düdingen
in rechtswidriger Weise die Romag begünstigt und dadurch der Schanzlin
GmbH einen Schaden von Fr. 105'646.04 verursacht zu haben. Die Klage
ging auf Rückerstattung dieser Summe an die Schanzlin GmbH durch die
beiden Beklagten Emch und Wilhelm solidarisch. Auch dieser Prozess wurde
eingestellt.

    Weder die erste Gläubigerversammlung (1. September 1958) noch
die zweite (25. März 1959) erreichten das nötige Quorum. Die Eingaben
wurden vom Konkursbeamten in Gegenwart von Walter Schanzlin geprüft
und der Kollokationsplan am 11. Februar 1959 aufgelegt; die Auflegung
wurde ordnungsgemäss öffentlich bekanntgemacht und allen Gläubigern
angezeigt. Die Forderung der Romag auf Fr. 85'382.93 wurde in 5. Klasse
mit der Bemerkung "bestritten" kolloziert.

    Da die Konkursmasse nicht in der Lage war, die im Konkursinventar
figurierenden Forderungen und Ansprüche geltend zu machen, stellte das
Konkursamt am 4. Mai 1959 allen Gläubigern folgendes Kreisschreiben zu:

    "Wie Ihnen bekannt ist, fand am 25. März abhin die
2. Gläubigerversammlung statt. Sie war nicht beschlussfähig. Deshalb
gelangen wir mit folgender Orientierung an die Gläubiger.

    Das Inventar weist u.a. folgende Posten auf:

    1.  ...

    2.  Je ein Guthaben von Fr. 50'433.50 und Fr. 7508.15 ist durch die
betreffenden Schuldner bestritten.

    3.  Über einen Anspruch von Fr. 105'646.04, gegründet auf
Verantwortlichkeit aus Geschäftsführung gemäss Art. 827, bzw. Art. 754
ff. OR ist namens und für Rechnung der Gemeinschuldnerin schon vor
der Konkurseröffnung gegen die fraglichen, ehemaligen Geschäftsführer,
ein Prozess eingeleitet worden. Der Prozess wurde bei Konkurseröffnung
suspendiert.

    4.  Diverse Kundenguthaben werden unter Berufung auf Zession durch
die Gemeinschuldnerin von der Firma Gebrüder Schanzlin, Landmaschinen,
Weisweil a/Rhein, beansprucht. Diese erklärt aber, die Beträge der
Gemeinschuldnerin gutgeschrieben zu haben, so weit sie einbringlich seien.

    Die Konkursverwaltung ist materiell nicht in der Lage, selbst
die Rechte der Masse an diesen samt und sonders streitigen Ansprüchen
geltend zu machen. Sie offeriert sie deshalb den einzelnen Gläubigern
zur Abtretung gemäss Art. 260 SchKG.

    Denjenigen Gläubigern, welche die Abtretung zu verlangen gedenken,
wird hiermit eine Frist von zehn Tagen gesetzt, um dies dem Konkursamt zu
melden mit der ziffernmässigen Angabe derjenigen Posten, deren Abtretung
verlangt wird."

    Eine Anzahl Gläubiger antworteten auf das Kreisschreiben und verlangten
Abtretungen, die ihnen mit Verfügungen des Konkursamts vom 20. Mai 1959
gewährt wurden. Unter anderem wurde eine - der von Walter Schanzlin in
Bern eingeklagten entsprechende - Schadenersatzforderung von Fr. 105'646.04
gegen Emch und Wilhelm an die Romag abgetreten.

    B.- Mit Beschwerden vom 22. Oktober, 4. und 5. November 1959 führten
die Gläubiger Fritz Zahnd in Guggisberg, Otto Rohde in Karlsruhe und
Walter Ritter in Böckten gegen das Konkursamt Beschwerde mit den Anträgen:

    1.  Es sei die Kollokation folgender Forderungen im Kollokationsplan
zu streichen:

    a) Romag AG   Fr. 85'382.93 (bestritten),

    b) Robert Wilhelm     Fr. 1'376.60
          Fr.  623.40  1. Kl. 1376.60 Fr. 1'734. 105. Kl.

    und es sei die Konkursverwaltung anzuweisen, das in Art. 63 KV
vorgesehene Verfahren einzuleiten;

    2.  Es seien die Abtretungen von 10 Inventarforderungen an eine Anzahl
Gläubiger aufzuheben,

    a)  weil vorgenommen, ohne dass die Abtretung von der Gesamtheit der
Gläubiger beschlossen und die abgetretenen Forderungen im Kreisschreiben
vom 4. Mai 1959 einzeln angegeben worden seien, und weil die Forderung
gegen Emch und Wilhelm (Fr. 105'646.04) nicht an die Romag als
solidarische Mitschuldnerin der Genannten habe abgetreten werden können;

    b)  ...

    C.- Mit Entscheid vom 22. Dezember 1959 hat die Aufsichtsbehörde des
Kantons Freiburg die Beschwerden, soweit sie darauf eintrat, abgewiesen.

    D.- Mit dem vorliegenden Rekurs halten die Rekurrenten an ihren
Beschwerdebegehren auf Streichung der vier Forderungen Romag und Wilhelm
aus dem Kollokationsplan und Einleitung des Verfahrens gemäss Art. 63 KV,
und Ungültigerklärung der vom Konkursamt am 20. Mai 1959 nach Art. 260
SchKG vorgenommenen Abtretungen der 10 Forderungen fest.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Was die Kollokation der Forderungen von Romag und Wilhelm,
die bei Konkurseröffnung bereits Gegenstand von Prozessen bildeten,
betrifft, führte die Vorinstanz aus, das Konkursamt habe die Vorschrift des
Art. 63 KV, wonach solche Forderungen im Kollokationsplan zunächst ohne
Verfügung der Konkursverwaltung lediglich pro memoria vorzumerken sind,
offensichtlich missachtet, indem es die Forderung der Romag in 5. Klasse
kolloziert habe. Die Gläubiger hätten diesen Fehler mit Beschwerde
berichtigen lassen können, aber unter Einhaltung der Beschwerdefrist
von 10 Tagen seit Auflage des Kollokationsplanes, da die Verfügung des
Konkursamts nicht als gegen die öffentliche Ordnung und grundlegende
Regeln des Konkursrechts verstossend und daher nichtig zu betrachten sei.

    Die Rekurrenten halten an letzterer Auffassung fest, aber zu Unrecht.
Nichtig und daher jederzeit unabhängig von der Beschwerdefrist rügbar
ist eine Verfügung, die gegen zwingendes, d.h. im öffentlichen oder
im Interesse eines unbestimmten Kreises Dritter aufgestelltes Recht
verstösst. Um eine solche Vorschrift handelt es sich bei Art. 63 KV
betr. die Vormerkung prozesshängiger Forderungen nicht. Der Kreis der
daran Interessierten ist beschränkt, es ist die Gesamtheit der Gläubiger,
zu deren Handen der Kollokationsplan aufgestellt und denen er nach Art. 249
SchKG bekannt gegeben wird. So wie es jedem einzelnen Gläubiger anheim
gestellt ist, den Kollokationsplan innert 10 Tagen durch Klage nach
Art. 250 SchKG materiell anzufechten, so darf es ihnen auch überlassen
werden, Verfahrensfehler bei dessen Aufstellung mit Beschwerde geltend
zu machen, und zwar binnen der regulären Beschwerdefrist. Diese begann,
gleich wie die Klagefrist nach Art. 250 SchKG, zu laufen mit dem Empfang
der Anzeige von der Auflage des Kollokationsplanes, nicht erst mit dem
Zeitpunkt, da die Rekurrenten Kenntnis von der mangelhaften Beachtung
der Vorschrift des Art. 63 KV erhielten. Der Einwand der Rekurrenten,
mitgeteilt und publiziert worden sei nur die Tatsache der Auflegung, nicht
aber wer kolloziert sei, ist haltlos; dasselbe liesse sich bezüglich
der Anfechtung gemäss Art. 250 sagen, für die trotzdem die 10-tägige
Klagefrist von der Bekanntmachung der Auflage an läuft. Die Rechtsprechung
des Bundesgerichts hat es abgelehnt, die Frist zur Beschwerde gegen den
Kollokationsplan - in wörtlicher Anwendung von Art. 17 Abs. 2 SchKG - für
jeden Beteiligten individuell mit dem Zeitpunkt beginnen zu lassen, da er
vom Inhalt des Planes faktisch Kenntnis erhält bzw. frühestens Kenntnis
nehmen kann. "Was in Art. 250 Abs. 1 SchKG für die klageweise Anfechtung
des Kollokationsplanes ausdrücklich vorgesehen ist, muss daher auch für die
Anfechtung desselben durch Beschwerde gelten, d.h. die Beschwerdefrist
ist wie die Klagefrist grundsätzlich von der öffentlichen Bekanntmachung
der Auflegung an zu berechnen. Hiefür spricht auch die Erwägung, dass es
widersinnig wäre, wenn ein Kollokationsplan in einem Zeitpunkte, da eine
gerichtliche Anfechtung nicht mehr möglich ist, noch durch Beschwerde
angefochten werden könnte" (BGE 71 III 182 f.). Auch für im Ausland
wohnende Gläubiger muss diese Beschwerdefrist, sogut wie die Klagefrist
nach Art. 250 SchKG, ohne Verlängerung gelten (BGE 68 III 50 ff.).

    Waren mithin die Beschwerden in diesem Punkte verspätet und daher auf
sie nicht einzutreten, kann dahingestellt bleiben, ob die Kollozierung
der fraglichen Forderungen zwar in der Kolonne "Definitiv zugelassener
Betrag" und unter Einbeziehung in die Addition, aber mit der Bemerkung
"bestritten", nicht einer blossen Vormerkung "pro memoria" gleichkam, und,
wenn sie doch eine Verfügung darstellte, für ihre Anfechtung überhaupt
neben der Klage nach Art. 250 SchKG eine Beschwerde nach Art. 17 SchKG
in Frage gekommen wäre.

Erwägung 2

    2.- Hinsichtlich der Abtretung der Forderungen nach Art. 260 SchKG
führt die Vorinstanz aus, die Konkursverwaltung habe ihre Zuständigkeit
überschritten, indem sie, mangels der nötigen Mittel zur Verfolgung der
Ansprüche der Masse, selber - an Stelle der Gläubigerschaft - Verzicht
auf die Verfolgung beschlossen und den Gläubigern die Abtretung angeboten
habe. Sie habe aber insofern alle Gläubiger gleich behandelt, als sie
mit dem Kreisschreiben vom 4. Mai 1959 den Verzichtsbeschluss und die
Abtretungsofferte mit einer Frist von 10 Tagen allen Gläubigern mitgeteilt
habe, so dass alle gegen dieses Vorgehen binnen der gleichen Frist hätten
Beschwerde führen können. Da sie dies nicht getan hätten und keine Gründe
ersichtlich seien, den grundsätzlichen Verzichts- und Abtretungsentschluss
der Konkursverwaltung von Amtes wegen ungültig zu erklären, sei die
vorliegende Beschwerde in dieser Beziehung ebenfalls verspätet.

    Diese Erwägung enthält keine Rechtsverletzung. Die Berufung der
Rekurrenten auf den Entscheid BGE 79 III 10 geht fehl. Entgegen ihrer
Auffassung enthielt das Kreisschreiben vom 4. Mai 1959 implicite die
Verfügung, dass die Masse auf eigene Verfolgung der Ansprüche verzichte.

    Dieser Beschluss hätte allerdings durch die Gläubigerversammlung oder
bei deren Unfähigkeit im Zirkularwege durch die Gesamtheit der Gläubiger
gefasst werden sollen. Entscheidend ist jedoch, dass die Konkursverwaltung
die Abtretung allen Gläubigern angeboten hat, nicht nur, wie im zitierten
Falle, einem einzigen. Was die Rekurrenten heute an dem Zirkular vom 4. Mai
1959 aussetzen, hätten sie damals binnen 10 Tagen seit dessen Empfang mit
Beschwerde geltend machen können. Die Vernachlässigung dieser Möglichkeit
kann nicht unter Berufung auf die Rechtsprechung betreffend Nichtigkeit
nachgeholt werden.

Erwägung 3

    3.- .....

Entscheid:

Demnach erkennt die Schuldbetr. u. Konkurskammer:

    Der Rekurs wird abgewiesen.