Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 86 III 15



86 III 15

8. Entscheid vom 9. März 1960 i.S. R. & Cie. Regeste

    Art. 93 SchKG. Pfändung des Einkommens aus selbständiger
Berufstätigkeit (Naturarztpraxis).

Sachverhalt

    In der Betreibung, welche die Firma R. & Cie gegen X. führt, pfändete
das Betreibungsamt Heiden am 28. November 1959 vom selbständigen Erwerb,
den der Schuldner als Naturarzt erzielt und den es auf netto Fr. 15'000.--
pro Jahr schätzte, den Betrag von Fr. 500.-- pro Monat. Auf Beschwerde des
Schuldners hat die kantonale Aufsichtsbehörde diese Pfändung mit Entscheid
vom 11. Februar 1960 aufgehoben, weil das Gesetz die Pfändung eines
Teils des Gesamterwerbs aus freier Berufstätigkeit nicht gestatte. Diesen
Entscheid hat die Gläubigerin an das Bundesgericht weitergezogen.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

    Nach den Entscheiden BGE 84 IV 155 ff. und 85 III 38 ff., welche
die Vorinstanz übersehen hat, lässt Art. 93 SchKG die Pfändung des
Arbeitseinkommens des Schuldners ohne Rücksicht darauf zu, ob es aus
unselbständiger oder selbständiger Berufstätigkeit herrühre. Gleich
wie die Einkünfte aus dem Betrieb eines Schönheitssalons oder einer
Autofahrschule, auf welche die erwähnten Präjudizien sich beziehen, sind
also nach Art. 93 SchKG auch die Honorareinnahmen eines Naturarztes aus der
Behandlung von Patienten pfändbar, soweit sie den Notbedarf des Schuldners
und die zu ihrer Erzielung notwendigen Auslagen (Gestehungskosten)
übersteigen. Wenn aus den Akten nicht ersichtlich ist, wieviel der
Schuldner unter diesem Titel einnimmt, so ist dies kein Grund, von
einer Pfändung abzusehen. Vielmehr ist zu prüfen und nötigenfalls zu
schätzen, wie hoch die Honorareinnahmen des Schuldners und die von ihm
aufzuwendenden Gestehungskosten sich belaufen. Einen Anhaltspunkt kann
dabei der Umstand bieten, dass der Schuldner bei einem Umsatz von rund
Fr. 31'000.-- nur für rund Fr. 4500.-- Heilmittel eingekauft hat. Beim
Entscheid darüber, welcher Teilbetrag des so errechneten Nettoeinkommens
aus der Berufstätigkeit des Schuldners gepfändet werden könne, ist auf
das Einkommen Rücksicht zu nehmen, dass der Schuldner nicht durch solche
Tätigkeit, sondern anderswie erzielt. Soweit der Schuldner seinen Notbedarf
aus anderweitigen Einkünften bestreiten kann, ist er zu dessen Deckung
nicht auf sein Arbeitseinkommen angewiesen.

Entscheid:

       Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:

    Der Rekurs wird dahin gutgeheissen, dass der angefochtene Entscheid
aufgehoben und die Sache zur Bestimmung des allenfalls pfändbaren
Einkommens an die Vorinstanz zurückgewiesen wird.