Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 86 III 11



86 III 11

7. Auszug aus dem Entscheid vom 5. Februar 1960 i.S. Z. und B. Regeste

    Lohnpfändung für Unterhaltsbeiträge (Art. 93 SchKG).

    Wonach beurteilt sich, ob die Betreibung privilegierte (d.h. im
letzten Jahr vor ihrer Einleitung verfallene) Unterhaltsbeiträge betrifft?

    Muss in den Notbedarf des Schuldners eingegriffen werden, so ist der
nach der massgebenden Formel berechnete Betrag ohne Rücksicht darauf
zu pfänden, ob und allenfalls in welchem Umfang der Schuldner dem
Unterhaltsgläubiger vor der Pfändung ohne betreibungsrechtlichen Zwang
Zahlungen geleistet hat.

Sachverhalt

    B., der verheiratet ist und monatlich netto Fr. 637.-- verdient, hat
seinem ausserehelichen Kinde Silvia Z. Unterhaltsbeiträge von Fr. 1.20
pro Tag zu bezahlen. In der Betreibung Nr. 2304, mit welcher Silvia Z.
Unterhaltsbeiträge im Gesamtbetrage von Fr. 498.-- einfordert, ordnete die
kantonale Aufsichtsbehörde eine monatliche Lohnpfändung von Fr. 6.- an mit
der Begründung, von der in Betreibung gesetzten Forderung sei nicht die
Gesamtsumme der im letzten Jahr vor Anhebung der Betreibung verfallenen
Unterhaltsbeiträge (12 x Fr. 36.- = Fr. 432.--), sondern nur der Betrag
von Fr. 112.-- im Sinne der Rechtsprechung über die Lohnpfändung für
Unterhaltsbeiträge privilegiert, weil der Schuldner im erwähnten Zeitraum
Zahlungen von Fr. 320.-- (im Monatsdurchschnitt rund Fr. 27.-) geleistet
habe, die auf die Alimente für diese Zeit anzurechnen seien. Da der
Verdienst den Notbedarf des Schuldners und der von ihm zu unterhaltenden
Personen mit Einschluss des betreibenden Unterhaltsgläubigers, der
Fr. 678.-- betrage, nicht decke, könne der Notbedarf der Pfändung nicht
entgegengehalten werden. "Würde B. keine Unterhaltsbeiträge bezahlen,
so wäre ein Betrag pfändbar, der sich zu der in Betreibung gesetzten
Unterhaltsforderung, diese als Notbedarf des Gläubigers betrachtet,
gleich verhält wie das ganze Einkommen des Schuldners zum gesamten
Notbedarf desselben und der von ihm mit Einschluss des Gläubigers zu
unterhaltenden Personen (x: 36 = 637: 678), was monatlich einen Betrag von
Fr. 33.- ergibt. Da B. im Jahr vor der Pfändung durchschnittlich Fr. 27.-
monatlich bezahlte, ist eine Pfändung von Fr. 6.- zu verfügen." .

    Auf Rekurs der Gläubigerin hin erhöht das Bundesgericht den monatlichen
Lohnabzug auf Fr. 33.-.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Die Gläubigerin wendet sich mit Recht gegen die Annahme der
Vorinstanz, von der in Betreibung gesetzten Forderung sei nur der Betrag
von Fr. 112.-- für Unterhaltsbeiträge aus dem letzten Jahr vor Anhebung
der Betreibung geschuldet und daher nach der Rechtsprechung über die
Lohnpfändung für Unterhaltsbeiträge (BGE 71 III 176 und dortige Hinweise,
74 III 6, 75 III 53) privilegiert.

    Beim Entscheid darüber, wieweit eine Betreibung Unterhaltsbeiträge
für das ihrer Einleitung vorausgegangene Jahr betreffe, haben die
Betreibungsbehörden von den Angaben im Zahlungsbefehl auszugehen. Soweit
der in Rechtskraft erwachsene Zahlungsbefehl diese Frage klar beantwortet,
ist er für die Betreibungsbehörden massgebend.

    Im Zahlungsbefehl Nr. 2304 vom 28. August 1959 ist als Grund der
Forderung angegeben:

    "Unterhaltsbeiträge laut Urteil des Landgerichtes Uri vom 20.11.45
à Fr. 1.20 pro Tag Rückstand per 31. August 1959.

    Bei dieser Forderung handelt es sich zum Teil um laufende
Unterhaltsbeiträge, die privilegiert sind, sodass nach bundesgerichtlicher
Praxis die Abzüge sofort vorzunehmen sind. Zum mindesten für den
privilegierten Teil von Fr. 438.--."

    Damit brachte die Gläubigerin unmissverständlich zum Ausdruck,
dass sie in erster Linie für den vollen Betrag der im letzten Jahr
vor Anhebung der Betreibung verfallenen Unterhaltsbeiträge, der sich
auf (365 x Fr. 1.20 =) Fr. 438.-- beläuft, Zahlung verlange. Der in
diesem Sinne abgefasste Zahlungsbefehl ist rechtskräftig geworden, da
der Schuldner keinen Rechtsvorschlag erhob. Durch die Unterlassung des
Rechtsvorschlags hat der Schuldner die in Betreibung gesetzte Forderung so,
wie sie gestellt worden war, mit Wirkung für die vorliegende Betreibung
anerkannt. Damit ist für die Betreibungsbehörden verbindlich festgestellt,
dass die Betreibungsforderung Unterhaltsbeiträge für das der Einleitung der
Betreibung vorausgegangene Jahr in Höhe von Fr. 438.-- einschliesst. Es
steht diesen Behörden nicht zu, die auf diese Weise abgeklärte Frage,
welcher Teil der Betreibungsforderung auf Unterhaltsbeiträge für das
letzte Jahr vor Anhebung der Betreibung entfalle, bei der Festsetzung der
pfändbaren Lohnquote materiell zu überprüfen, wie die Vorinstanz es getan
hat. Folglich hat der im Zahlungsbefehl genannte Betrag von Fr. 438.--
als privilegiert zu gelten.

Erwägung 3

    3.- Ob ein Betrag von Fr. 438.-- oder nur ein solcher von Fr. 112.--
privilegiert sei, wäre freilich gleichgültig, wenn es bei der von der
Vorinstanz angeordneten Lohnpfändung von Fr. 6.- pro Monat bleiben müsste;
denn wenn vom Lohn des Schuldners während des Lohnpfändungsjahres nur
Fr. 6.- pro Monat abgezogen würden, würde nicht einmal der Betrag von
Fr. 112.-- gedeckt (12 x Fr. 6.- = Fr. 72.-). Der monatliche Lohnabzug
muss jedoch erhöht werden.

    Wie die Vorinstanz mit Recht angenommen hat, muss sich der für
privilegierte Unterhaltsbeiträge betriebene Schuldner, dessen Verdienst den
Notbedarf einschliesslich der für den Unterhalt des Gläubigers notwendigen
Alimente nicht deckt, einen Eingriff in seinen Notbedarf gefallen lassen,
der so zu bemessen ist, dass sich einerseits der Schuldner und die mit
ihm zusammenlebenden Familienangehörigen und anderseits der Gläubiger
im gleichen Masse einschränken müssen. Die Vorinstanz hat die Formel,
nach der in solchen Fällen die pfändbare Lohnquote zu berechnen ist (BGE
71 III 177 und dortige Hinweise, 74 III 46, 75 III 51), an sich richtig
angewendet. Dagegen hat sie vom so errechneten Betrage von Fr. 33.- zu
Unrecht den Betrag von Fr. 27.- abgezogen, den der Schuldner im letzten
Jahre vor der Pfändung im Monatsdurchschnitt an die Gläubigerin bezahlt
hatte. Muss in den Notbedarf des Schuldners eingegriffen werden, so ist
der nach der erwähnten Formel berechnete Betrag ohne Rücksicht darauf zu
pfänden, ob und allenfalls in welchem Umfange der Schuldner dem Gläubiger
vor dieser Pfändung ohne betreibungsrechtlichen Zwang Zahlungen geleistet
hat. Man kann sich nicht darauf verlassen, dass der Schuldner, nachdem
eine in seinen Notbedarf eingreifende Lohnpfändung angeordnet worden ist,
den seinen bisherigen "freiwilligen" Zahlungen entsprechenden Teil der
pfändbaren Lohnquote von sich aus an den betreibenden Gläubiger abliefern
werde. Es wäre vielmehr zu befürchten, dass er den Eingriff in seinen
Notbedarf durch eine entsprechende Herabsetzung seiner "freiwilligen"
Zahlungen vereiteln würde. Daher ist im vorliegenden Falle der vom
Arbeitgeber vorzunehmende Lohnabzug auf Fr. 33.- zu erhöhen. Diese
Lohnpfändung ist, da der privilegierte Forderungsbetrag Fr. 438.--,
d.h. mehr als (12 x Fr. 33.- =) Fr. 396.-- ausmacht, unter Vorbehalt
der Revision wegen neu eingetretener, für die Berechnung der pfändbaren
Quote erheblicher Tatsachen während des ganzen Lohnpfändungsjahres
aufrechtzuerhalten.