Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 85 I 91



85 I 91

16. Urteil vom 18. Februar 1959 i.S. Walter gegen Bern Staat und
Verwaltungsgericht. Regeste

    Doppelbesteuerung.

    1.  Die Einrede, ein Kanton habe sein Besteuerungsrecht
durch verspätete Geltendmachung verwirkt, kann nur von den am
Doppelbesteuerungsstreit beteiligten Kantonen, nicht vom Steuerpflichtigen
selbst erhoben werden (Erw. 1).

    2.  Behandlung der Einmann-Immobiliengesellschaft, des Verkaufs
ihrer sämtlichen Aktien und des dabei erzielten Gewinns imkantonalen und
interkantonalen Steuerrecht. Anwendungsbereich der sog. wirtschaftlichen
Betrachtungsweise (Erw. 2).

    3.  Der beim Verkauf sämtlicher Aktien einer reinen
Immobiliengesellschaft erzielte Gewinn untersteht der Steuerhoheit des
Liegenschaftskantons (Erw. 3).

Sachverhalt

    A.- Nach dem bern. Gesetz vom 29. Oktober 1944 über die direkten
Staats- und Gemeindesteuern (StG) wird auf den Grundstückgewinnen eine
Vermögensgewinnsteuer erhoben (Art. 77). Das Gesetz umschreibt den
Grundstückgewinn als Reingewinn aus der Veräusserung (Verkauf, Tausch,
Enteignung usw.) von Grundstücken und bestimmt anschliessend in Art. 80
Abs. 4 (= Art. 81 Abs. 3 in der Fassung vom 13. Mai 1956):

    "Ein Gewinn ist auch steuerbar, wenn er auf andere Weise erzielt wird,
namentlich dadurch, dass ein die Steuerpflicht begründendes Rechtsgeschäft
umgangen oder verdeckt wird. Ebenso besteht die Steuerpflicht, wenn
an Stelle der förmlichen Eigentumsübertragung auf andere Weise einer
Drittperson ermöglicht wird, über ein Grundstück oder Rechte an einem
solchen ganz oder zum Teil wie ein Eigentümer zu verfügen."

    B.- Im August 1953 kaufte der in Clarens (Kt. Waadt) wohnende
Beschwerdeführer Otto Walter zum Preis von Fr. 40'000.-- sämtliche
Aktien der beiden Immobiliengesellschaften Wydag A. G. und Fichtag
AG, die kurz vorher mit einem Grundkapital von je Fr. 50'000.--, wovon
Fr. 20'000.-- einbezahlt, gegründet worden und Miteigentümerinnen je zur
Hälfte einer grösseren Bauparzelle in Zollikofen (Kt. Bern) waren. Drei
Wochen später, nachdem die beiden Gesellschaften drei weitere Parzellen
hinzugekauft hatten, verkaufte der Beschwerdeführer die erworbenen Aktien
an zwei Architekten in Bern weiter, wobei der Kaufpreis auf Grund des
Flächeninhaltes der den beiden Gesellschaften gehörenden Grundstücke mit
Fr. 32.- pro m2 berechnet wurde.

    Die bernische Steuerverwaltung, die im Februar 1957 von diesem Geschäft
Kenntnis erhielt, betrachtete den vom Beschwerdeführer dabei erzielten
Gewinn als einen (im Kanton Bern steuerbaren) Grundstückgewinn im Sinne
von Art. 80 Abs. 4 StG und setzte diesen durch Einspracheentscheid vom
15. November 1957 auf Fr. 248'000.-- fest.

    C.- Otto Walter erhob hiegegen Rekurs und nach dessen Abweisung
Beschwerde. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wies die Beschwerde
durch Entscheid vom 7. Juni 1958 ab, im wesentlichen aus folgenden Gründen:

    a) Der Einwand, dass der Kanton Bern sein Besteuerungsrecht wegen
verspäteter Geltendmachung verwirkt habe, sei nach der bundesgerichtlichen
Doppelbesteuerungspraxis unbegründet.

    b) Durch die Übertragung der Aktien habe der Beschwerdeführer den
Erwerbern ermöglicht, über die Liegenschaften der beiden Gesellschaften
wie Eigentümer zu verfügen. Der Verkauf der Aktien sei wirtschaftlich
betrachtet ein Liegenschaftsverkauf, und der dabei erzielte Gewinn stelle
nach Art. 80 Abs. 4 StG einen (am Ort der gelegenen Sache steuerbaren)
Liegenschaftsgewinn dar. Diese kantonalrechtliche Ordnung halte auch
vor Art. 46 Abs. 2 BV stand. Der bei der Veräusserung einer Liegenschaft
erzielte Gewinn sei nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung im Kanton
der gelegenen Sache zu versteuern. Dieser Grundsatz müsse auch für Gewinne
gelten, die bei der wirtschaftlichen Handänderung von Grundstücken durch
Aktien erzielt werden, denn auch diese Gewinne seien zur Hauptsache
auf die Steigerung der Bodenpreise zurückzuführen. Das treffe auch im
vorliegenden Falle zu, da die Bodenpreise in Zollikofen in den letzten
Jahren sprunghaft gestiegen seien. Dass auch persönliche Bemühungen des
Beschwerdeführers zur Erzielung des Gewinns beigetragen hätten, ändere
an dessen Charakter als Liegenschaftsertrag nichts.

    c) Die Berechnung des steuerbaren Gewinns werde vom Beschwerdeführer
zu Unrecht beanstandet (wird näher ausgeführt).

    D.- Otto Walter führt gegen diesen Entscheid des Verwaltungsgerichts
staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, ihn aufzuheben. Zur Begründung
macht er geltend:

    a) Der Entscheid verstosse aus zwei Gründen gegen das
Doppelbesteuerungsverbot.

    Das Bundesgericht nehme bei effektiver Doppelbesteuerung eine
Verwirkung des kantonalen Steueranspruchs an, wenn die Veranlagung nicht
im Laufe des Steuerjahres erfolge. Selbst wenn man bei bloss virtueller
Doppelbesteuerung eine längere Frist festsetzen wollte, müsse die
vorliegende, erst 1957 eingeleitete Besteuerung eines 1953 erzielten
Gewinnes kollisionsrechtlich als verspätet betrachtet werden.

    Der Gewinn des Beschwerdeführers sei bei einem Aktienverkauf erzielt
worden. Die Annahme eines Liegenschaftsgewinnes sei unhaltbar. Da der
Beschwerdeführer die Aktien nur während drei Wochen besessen habe, sei
klar, dass der Gewinn nicht durch die Wertsteigerung der Liegenschaften
bedingt, sondern ausschliesslich das Ergebnis der Bemühungen des
Beschwerdeführers und der von ihm übernommenen Risiken sei. Die
wirtschaftliche Betrachtungsweise, zu der das Verwaltungsgericht gegriffen
habe, werde vom Bundesgericht in Doppelbesteuerungsfällen nur zugelassen
beim Nachweis der Absicht einer Steuerumgehung. Eine solche liege hier
aber nicht vor und werde auch nicht behauptet. Der Beschwerdeführer
habe somit Aktien verkauft und sei daher für den dabei erzielten Gewinn
ausschliesslich im Wohnsitzkanton steuerpflichtig. Diese Kollisionsregel
sei einfach und leicht anwendbar. Ein Abweichen davon würde zu einer
Rechtsunsicherheit führen und der Aufstellung einer ganzen Reihe neuer
Kollisionsregeln rufen, da sich dann die Frage stelle, wo der beim Verkauf
von Aktien einer Immobiliengesellschaft erzielte Gewinn zu versteuern sei,
wenn die Gesellschaft nicht nur, wie hier, Liegenschaften, sondern weitere
Aktiven besitze, oder wenn die Aktien einer solchen Gesellschaft in kleinen
Paketen an verschiedene Erwerber verkauft oder wenn nur einzelne, nicht
alle Aktien veräussert werden usw. Die Behauptung des Verwaltungsgerichts,
das Bundesgericht neige dazu, jeden Liegenschaftsertrag irgendwelcher Art
dem Kanton der gelegenen Sache zur Besteuerung zuzuweisen, treffe nicht
zu, da Dividenden von Immobiliengesellschaften und Hypothekarzinsen am
Wohnsitz des Aktionärs bzw. des Hypothekargläubigers zu versteuern seien.

    b) Der angefochtene Entscheid verstosse auch gegen Art. 4 BV (wird
näher ausgeführt).

    E.- Das Verwaltungsgericht und der Regierungsrat des Kantons Bern
beantragen die Abweisung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Zur Verhinderung der durch Art. 46 Abs. 2 BV verbotenen
interkantonalen Doppelbesteuerung stellt das Bundesgericht Regeln auf,
welche die räumlichen Grenzen der kantonalen Steuerhoheit festsetzen
und nach denen sich in Fällen effektiver oder auch bloss virtueller
Doppelbesteuerung entscheidet, welcher Kanton zur Erhebung einer bestimmten
Steuer örtlich zuständig ist (vgl. BGE 80 I 10 Erw. 3). Davon abgesehen
sind die Kantone in der Ausgestaltung ihres Steuerrechts grundsätzlich
frei. Diese Freiheit besteht insbesondere auch, was die Befristung
der Veranlagung und die Verjährung der Steuerforderung betrifft. Es
besteht kein Grund, in dieser Beziehung den Steuerpflichtigen, der
die Steuerhoheit eines Kantons bestreitet, besser zu stellen als die
andern Steuerpflichtigen. Dagegen verdienen die Interessen der an
einem Doppelbesteuerungskonflikt mitbeteiligten Kantone eine besondere
Rücksichtnahme, weshalb das Bundesgericht den Steueranspruch eines Kantons,
der mit der Veranlagung ungebührlich lange zugewartet hat, unter gewissen
Voraussetzungen nicht von Amtes wegen, aber auf Einrede hin als verwirkt
erklärt (BGE 74 I 271 Erw. 2 und dort zitierte frühere Urteile, 74 I 275,
76 I 13, 79 I 221, 80 I 333). Diese Verwirkung will jedoch lediglich die
Pflicht der andern Kantone zur Rückerstattung ordnungsgemäss und in guten
Treuen bezogener Steuern beschränken, nicht dagegen den Steuerpflichtigen
davor bewahren, sich an einem nach den bundesrechtlichen Kollisionsnormen
gegebenen Steuerdomizil nachträglich auf ein Veranlagungsverfahren
einzulassen. Die Verwirkungseinrede steht daher, wie das Bundesgericht in
ständiger Rechtsprechung entschieden hat, dem Steuerpflichtigen selber
nicht zu, sondern nur den mitbeteiligten Kantonen (BGE 74 I 273 und
zahlreiche seitherige nicht veröffentlichte Urteile). Auf den Einwand des
Beschwerdeführers, der Kanton Bern habe das Recht zu seiner Besteuerung
durch verspätete Geltendmachung verwirkt, ist demnach nicht einzutreten.

Erwägung 2

    2.- Die Immobiliengesellschaft, die meist in der Form der sogenannten
Einmann-Aktiengesellschaft auftritt und die Verwaltung und Nutzung einer
Liegenschaft zum ausschliesslichen Zwecke hat, ist eine bekannte, durch
die Praxis geschaffene Einrichtung. Ihr Bestand und insbesondere der
Verkauf ihrer sämtlichen Aktien werfen besondere Rechtsfragen auf, mit
denen sich Lehre und Rechtsprechung seit langem befassen (vgl. SCHLAEPFER,
La vente du capital-actions d'une société anonyme immobilière, Diss. Genf
1948; FATTON, La vente de toutes les actions d'une société immobilière,
Diss. Lausanne 1949; CARRY, La garantie en raison des défauts de la
chose dans la vente de toutes les actions d'une société immobilière,
in der Festschrift für Guhl, 1950, S. 179 ff.; SCHÖNLE, Die Einmann
und Strohmanngesellschaft, Diss. Freiburg 1957). Wie im Zivilrecht
(BGE 71 II 274, 72 II 76, 81 II 459), so werden die Einmann-AG und
ihr Aktionär trotz ihrer wirtschaftlichen Identität auch im Steuerrecht
grundsätzlich als zwei verschiedene Rechtssubjekte mit getrenntem Vermögen
behandelt. Die sich aus der separaten Besteuerung beider ergebenden Vor-
und Nachteile halten sich bei den periodischen Steuern auf Vermögen und
Einkommen ungefähr die Waage. Es besteht daher bei der Einmann-AG im
allgemeinen wie auch bei der Immobiliengesellschaft in der Regel kein
Anlass, die Existenz der selbständigen juristischen Person zu übergehen
und ihr Vermögen und Einkommen bei dem sie wirtschaftlich beherrschenden
Aktionär zu erfassen, was das Bundesgericht im interkantonalen Steuerrecht
und in andern Fällen, wo ihm freie Überprüfung zukommt, nur zulässt, wenn
die juristische Person zum Zwecke der Steuerumgehung gegründet worden
ist (vgl. BGE 52 I 378, 59 I 284, 64 I 402, 70 I 274, 73 I 75). Anderer
Art und heikler sind die steuerrechtlichen Fragen, die durch den Verkauf
sämtlicher Aktien einer Immobiliengesellschaft aufgeworfen werden. Da die
meisten Kantone bei der Übertragung von GrundeigentumHandänderungssteuern
beziehen und gleichzeitig den bei der Handänderung erzielten Gewinn durch
die allgemeine Einkommens- oder eine besondere Grundstückgewinnsteuer
erfassen, stellt sich vor allem die Frage, ob diese Abgaben auch erhoben
werden dürfen beim Verkauf sämtlicher Aktien einer Immobiliengesellschaft,
der wirtschaftlich betrachtet fast immer dem Verkaufe der Liegenschaft
gleichkommt. Das Bundesgericht hat dies, soweit nur das Besteuerungsrecht
eines Kantons nach seiner eigenen Gesetzgebung in Frage stand, aus
dem Gesichtswinkel des Art. 4 BV zugelassen, und zwar auch dann, wenn
nicht, wie es heute vielfach und auch im Kanton Bern zutrifft, eine
ausdrückliche Vorschrift ein solches Abweichen vom zivilrechtlichen
Begriff der Handänderung gestattete (BGE 79 I 20 und dort erwähnte nicht
veröffentlichte Urteile). Noch nicht entschieden wurde dagegen die heute
streitige Frage, ob ein Kanton, der beim Verkauf sämtlicher Aktien einer
Grundeigentum in seinem Gebiet besitzenden Immobiliengesellschaft die
Grundstückgewinnsteuer erhebt, damit die Grenzen seiner Steuerhoheit
überschreitet, wenn der Verkäufer in einem anderen Kanton wohnt. Der
Entscheid hierüber ist nicht etwa präjudiziert durch die erwähnte Praxis,
wonach die Existenz einer selbständigen juristischen Person nur übergangen
werden darf, wenn sie zum Zwecke der Steuerumgehung gegründet worden ist.
Dieser Grundsatz wurde aufgestellt und gilt für die Fälle, wo es sich
darum handelt, ob das Vermögen und der Ertrag der juristischen Person
bei dieser zu besteuern oder dem Vermögen und Einkommen ihres Aktionärs
zuzurechnen sind. Eine solche Zurechnung steht hier nicht in Frage. Der
Gewinn, um dessen Besteuerung es geht, ist unbestrittenermassen nicht von
den Immobiliengesellschaften, sondern von ihrem Aktionär, beim Verkauf
seiner Aktien, erzielt worden. Streitig ist unter dem Gesichtspunkt
von Art. 46 Abs. 2 BV einzig, ob der Kanton Bern zur Besteuerung dieses
Gewinnes örtlich zuständig ist, d.h. ob es sich um einen Gewinn aus Verkauf
von Wertpapieren handelt, der nach der Rechtsprechung der Steuerhoheit
des Kantons untersteht, wo der Verkäufer im Zeitpunkt des Verkaufs seinen
Wohnsitz hat (BGE 78 I 421), oder um einen Gewinn aus der Veräusserung
von Liegenschaften, der - vom Fall des blossen Buchgewinns abgesehen -
im Kanton der gelegenen Sache zu versteuern ist ohne Rücksicht darauf,
ob er ohne Zutun des Verkäufers entstanden oder das Ergebnis seiner
Bemühungen ist (BGE 79 I 31, 140, 145; 83 I 187 Erw. 2, 265, 332).

    Für den Entscheid hierüber ist bedeutungslos, dass der streitige Gewinn
nach Art. 80 Abs. 4 bern. StG als Grundstückgewinn gilt. Das Bundesgericht
ist, wie es schon in BGE 83 I 332 ausgeführt hat, nicht an die Umschreibung
des Grundstückgewinns und der Grundstückgewinnsteuerpflicht in den
kantonalen Steuerrechten gebunden. Vielmehr hat es hierüber eigene,
bundesrechtliche Normen aufzustellen, die nicht mit den Grundsätzen des
Zivilrechts übereinstimmen brauchen. Dabei hat es gelegentlich auch dann
den wirtschaftlichen Sachverhalt und nicht die zivilrechtliche Form als
massgebend erklärt, wenn mit dieser keine Steuerumgehung beabsichtigt
war. So hat es den durch Statuten und Handelsregistereintrag bezeichneten
Sitz der juristischen Person nicht als Steuerdomizil anerkannt, wenn
er bloss formelle Bedeutung hatte (BGE 55 I 91, dort zitierte frühere
und zahlreiche seitherige nicht veröffentlichte Urteile); ferner
hat es beim Entscheid darüber, ob Guthaben eines Teilhabers an eine
Kollektivgesellschaft als Geschäftseinlagen am Sitz der Gesellschaft oder
als Darlehensforderungen am Wohnort des Teilhabers zu versteuern seien, auf
die tatsächlichen Verhältnisse und nicht auf die zivilrechtliche Gestaltung
der Rechtsgeschäfte abgestellt (BGE 26 I 423, 41 I 70 E. 2 sowie die bei
LOCHER, Interkantonales Doppelbesteuerungsrecht § 8 IV A 2 Nr. 15 und
16 und § 9 I A 1 Nr. 20 teilweise wiedergegebenen Urteile vom 2. April
1952 i.S. Burger, vom 20. Mai 1953 i.S. Birkhäuser und vom 17. Juni
1953 i.S. Jenny), ebenso beim Entscheid darüber, ob ein selbständiges
Unternehmen als Betriebsstätte eines andern zu betrachten sei (BGE 54 I 417
mit Verweisungen). Es fragt sich, ob auch im vorliegenden Falle triftige
sachliche Gründe dafür bestehen, den Entscheid über die Abgrenzung der
Steuerhoheit auf Grund des wirtschaftlichen Sachverhaltes zu treffen.

Erwägung 3

    3.- Das Bundesgericht hatte sich zunächst nur aus dem beschränkten
Gesichtswinkel des Art. 4 BV mit dem Verkaufe sämtlicher Aktien einer
Immobiliengesellschaft und der vom kantonalen Recht angeordneten
Gleichstellung dieses Geschäfts mit einem Liegenschaftskauf zu
befassen. Unbeschränkte Prüfung stand ihm erstmals in BGE 75 I 297 ff. zu,
wo dieser Sachverhalt im Hinblick auf die Abgrenzung der Abgabehoheit
von Bund und Kantonen zu beurteilen war. Das Bundesgericht hat dort
entschieden, der Umstand, dass der Aktienverkauf der Stempelabgabe auf dem
Aktienumsatz (Art. 33 StG) unterliege, stehe der Erhebung der kantonalen
Handänderungssteuer nicht entgegen, da der Kanton damit den Wechsel in der
Verfügungsgewalt über die Liegenschaft, also ein anderes Rechtsverhältnis
besteuere (vgl. Erw. 4 und 5). Das Bundesgericht hat also bereits einmal
in einem Falle, wo ihm freie Prüfung zukam, den Verkauf sämtlicher Aktien
einer Immobiliengesellschaft demjenigen der Liegenschaft gleichgestellt. Im
Hinblick auf die Abgrenzung der Steuerhoheit zwischen den Kantonen
hatte es sich noch nicht mit diesem Geschäft und dem dabei erzielten
Gewinne zu befassen. Dagegen hat es kürzlich in andern Fällen Gewinne,
die zwar rechtlich nicht bei der Veräusserung einer Liegenschaft erzielt
worden waren, aber wirtschaftlich als Grundstückgewinne erschienen, dem
Liegenschaftskanton zur Besteuerung zugewiesen, nämlich den Gewinn aus der
werkvertraglichen Fertigstellung einer im Rohbau verkauften Liegenschaft
(BGE 83 I 186) sowie den bei der Veräusserung eines Kaufsrechts an einem
Grundstück erzielten Gewinn (BGE 83 I 332). In diesem letztern Urteil wurde
unter Hinweis auf die neuere Rechtsprechung dargelegt, dass und weshalb
auch dann, wenn ein kurz zuvor erworbenes Grundstück mit erheblichem Gewinn
weiterveräussert wird, dieser Gewinn in überwiegendem Masse durch äussere
Ursachen (wie Konjunktur und Währungslage) sowie durch die örtlichen
Verhältnisse (Anlegung von Strassen und Kanalisationen, erhöhte Nachfrage
nach Land usw.) bedingt sei, was es als folgerichtig erscheinen lasse, den
ganzen Gewinn durch den Liegenschaftskanton besteuern zu lassen. Ferner
wurde dort ausgeführt, aus dem gleichen Grunde rechtfertige es sich
auch, den vom Kaufsberechtigten bei der Übertragung eines Kaufsrechts
erzielten Gewinn dem Liegenschaftskanton zur Besteuerung zuzuweisen;
"dass das Grundstück, das die Erzielung des Gewinns ermöglicht hat,
nicht im Eigentum des Veräusserers steht, sondern dass dieser darüber
nur in wirtschaftlichem Sinne und auf Grund eines bloss obligatorischen
Rechtsverhältnisses verfügen kann, ändert an der engen Verbundenheit des
Einkommens mit dem Grund und Boden nichts. Dieser Zusammenhang aber ist
für die Begründung der Steuerhoheit des Liegenschaftskantons entscheidend,
kommt es hiefür doch auf die objektive Eigenart des Einkommens im Hinblick
auf das Grundstück und nicht auf die Stellung der Person an, die dieses
Einkommen verwirklicht hat" (aaO S. 334).

    Diese Erwägungen treffen in vollem Umfange auch auf den vom
heutigen Beschwerdeführer beim Verkauf sämtlicher Aktien zweier
Immobiliengesellschaften erzielten Gewinn zu. Es kann nicht zweifelhaft
sein, dass auch dieser Gewinn zur Hauptsache auf die äussern Ursachen
zurückzuführen ist, die in den letzten Jahren die Bodenpreise insbesondere
in den schweizerischen Städten und deren Umgebung in die Höhe getrieben
haben. Dass es der Beschwerdeführer verstanden hat, aus dieser Entwicklung
einen besonders grossen Gewinn zu ziehen, ändert nichts an der engen
Verbundenheit des Gewinns mit dem Grund und Boden, die übrigens auch
darin zum Ausdruck kommt, dass der Verkaufspreis der Aktien auf Grund des
Bodenpreises der Grundstücke der beiden Immobiliengesellschaften (Fr. 32.-
pro m2) berechnet worden ist. Diese enge Verbundenheit des Gewinns mit
dem Grund und Boden rechtfertigt es, dass ihn der Beschwerdeführer im
Kanton Bern, wo sich die Liegenschaften befinden, versteuert.

    Aber auch abgesehen von den besondern Umständen des vorliegenden
Falles erscheint es aus den genannten Gründen als sachlich richtig,
den Gewinn aus dem Verkauf von Aktien einer Immobiliengesellschaft,
seiner wirtschaftlichen Natur entsprechend, jedenfalls dann als
Liegenschaftsgewinn zu behandeln und dem Kanton der gelegenen Sache zur
Besteuerung zuzuweisen, wenn es sich um den Verkauf sämtlicher Aktien
einer reinen Immobiliengesellschaft handelt. Dieses Geschäft bildet,
wie die Erfahrung lehrt, den weitaus häufigsten Fall. Welcher Kanton zur
Besteuerung zuständig ist in den vom Beschwerdeführer erwähnten selteneren
Fällen, wo nur ein Teil, nicht alle Aktien veräussert werden oder wo die
Gesellschaft neben Grundstücken noch andere Aktiven besitzt, ist heute
nicht zu entscheiden. Zur Aufstellung von Kollisionsnormen für diese Fälle
besteht vorläufig kein Anlass, da die Kantone, soweit ersichtlich, solche
Geschäfte bis heute nicht als wirtschaftliche Handänderungen behandelt
haben (vgl. für den Teilverkauf von Aktien einer Immobiliengesellschaft
die Entscheide der zürch. Oberrekurskommission in BlZR 1946 Nr. 21 S. 43
und des bern. Verwaltungsgerichts in "Die neue Steuerpraxis" 1958 S. 24,
für den Verkauf von Aktien einer Gesellschaft mit andern Aktiven den
Entscheid des bern. Verwaltungsgerichts in MBVR 1955 Nr. 25 S. 52).

    Der Beschwerdeführer wendet gegen die Besteuerung des streitigen
Gewinns durch den Liegenschaftskanton ein, dass die Rechtsprechung des
Bundesgerichts nicht jeden Liegenschaftsertrag irgendwelcher Art dem
Kanton der gelegenen Sache zur Besteuerung zuweise. Der Einwand ist
unbehelflich. Bei der von ihm erwähnten Besteuerung der Dividende des
Aktionärs einer Immobiliengesellschaft liegen insofern andere Verhältnisse
vor, als der Gewinn der Immobiliengesellschaft (wie derjenige aller
Aktiengesellschaften) zweimal besteuert wird, nämlich zunächst als Gewinn
der Gesellschaft an deren Sitz bzw., soweit er Liegenschaftsertrag ist, im
Kanton der gelegenen Sache (vgl. BGE 79 I 31, 145) und sodann als Einkommen
des Aktionärs, soweit er an diesen ausgeschüttet wird. Bei der Besteuerung
der grundpfändlich gesicherten Forderungen und ihres Ertrages, die nach
der Rechtsprechung am Wohnsitz des Gläubigers zu erfolgen hat (BGE 48 I
342 Erw. 5 mit Zitaten), handelt es sich um ein ganz anders Problem, dessen
Lösung mit der Besteuerung der Liegenschaftsgewinne nichts zu tun hat.

Erwägung 4

    4.- (Abweisung der Rüge der Verletzung von Art. 4 BV).

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.