Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 85 I 39



85 I 39

6. Urteil vom 21. Januar 1959 i.S. Hoepffner gegen Wollner und
Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt. Regeste

    1.  Umfang der Prozessvollmacht des Anwaltes (Erw. 3).

    2.  Art. 4 Abs. 1 des Vollstreckungsabkommens mit Deutschland vom 2.
November 1929.

    a)  Der Vorbehalt der öffentlichen Ordnung des Vollstreckungsstaates
bezieht sich nicht nur auf den Inhalt der Entscheidung, sondern
grundsätzlich auch auf das Verfahren, in dem sie ergangen ist (Erw. 4
a, b).

    b)  Ein deutscher Entscheid, durch den eine Partei in einem von
einem vollmachtlosen Vertreter ohne ihr Wissen geführten Zivilprozess
zur Bezahlung von Kosten verurteilt worden ist, verstösst gegen die
schweizerische öffentliche Ordnung und ist in der Schweiz auch dann nicht
zu vollstrecken, wenn die Partei es unterlassen hat, die Entscheidung mit
den nach deutschem Recht zur Verfügung stehenden Rechtsmitteln anzufechten
(Erw. 4 c).

Sachverhalt

    A.- Mit Vertrag vom 6. Dezember 1951 gewährte die Hypothekar- und
Commerzbank AG Zürich im eigenen Namen, aber auf Rechnung von Dr. Arthur
Wollner in Basel, der Firma Kostial in Leer (Deutschland) ein Darlehen
von DM 100'000.--. Als Vermittler scheinen sich Rechtsanwalt Dr. Walter
Hoepffner in Hamburg sowie drei deutsche Banken betätigt zu haben. Mit der
Begründung, die ihr erteilten Auskünfte über die finanzielle Lage der Firma
Kostial seien unrichtig gewesen, trat die Hypothekar- und Commerzbank AG
am 13. November 1952 vom Darlehensvertrag zurück und erhob in Hamburg gegen
Kostial, Hoepffner und die drei Banken Klage auf Rückzahlung des Darlehens
bzw. Leistung von Schadenersatz. Anderseits beauftragte Wollner den Zürcher
Rechtsanwalt Dr. W.. mit der Wahrung seiner Interessen und stellte ihm
(auf vorgedrucktem Formular des Vereins Zürcherischer Rechtsanwälte)
am 28. Oktober 1953 "in Sachen Hypothekar- und Commerzbank AG Zürich
betreffend Forderung" eine Vollmacht aus "zu allen Rechtshandlungen eines
Generalbevollmächtigten mit dem Rechte, Stellvertreter zu ernennen". Bevor
Dr. W. etwas unternahm, geriet die Hypothekar- und Commerzbank AG am
2. Dezember 1953 in Konkurs. In der Folge scheint der von dieser Bank
in Hamburg angehobene Prozess eingestellt oder die Klage zurückgezogen
worden zu sein, während die damit geltend gemachten Ansprüche von der
Konkursmasse auf Wollner übergingen. Wollner wollte auch Dr. J. Hoffmann,
den Direktor der falliten Bank, für den erlittenen Schaden verantwortlich
machen und erörterte bei Verhandlungen mit Hoffmann und Dr. W. auch die
Frage, ob der von der Bank in Hamburg angehobene Prozess gegen Kostial
und Mitbeteiligte von Wollner weiterzuführen bzw. wieder aufzunehmen sei.

    Am 19. März 1956 reichte Dr. P. Barber, Rechtsanwalt in Hamburg, beim
dortigen Landgericht im Namen Wollners gegen Kostial, Hoepffner und drei
Banken Klage ein mit dem Begehren, die Beklagten gesamthaft zur Zahlung
von DM 100'000.-- nebst Zinsen zu verurteilen, wobei er zum Nachweis
seiner Vertretungsmacht die am 28. Oktober 1953 ausgestellte Vollmacht
Wollners an Dr. W. und eine darauf beruhende Substitutionsvollmacht
von Dr. W. vorlegte. Die Beklagten verlangten eine Sicherheitsleistung
für ihre Prozesskosten, die vom Landgericht auf DM 50'000.-- angesetzt
wurde. Da diese Kaution nicht geleistet wurde, erklärte das Landgericht
Hamburg am 6. März 1957 die Klage für "zurückgenommen" und auferlegte
dem Kläger Wollner die Verfahrenskosten, nachdem es durch Beschluss vom
13. Februar 1957 die vom Kläger dem Beklagten Hoepffner zu erstattenden
Kosten auf DM 1'400.82 festgesetzt hatte.

    B.- Gestützt auf diese beiden in Rechtskraft erwachsenen Entscheide
leitete Hoepffner am 4. Mai 1957 in Basel Betreibung gegen Wollner
ein für Fr. 1466.65 und stellte nach erhobenem Rechtsvorschlag unter
Berufung auf die Haager Zivilprozessübereinkunft von 1905 und auf
das schweiz./deutsche Vollstreckungsabkommen von 1929 das Begehren um
definitive Rechtsöffnung. Wollner wandte ein, diese Staatsverträge seien
auf den Kostenentscheid nicht anwendbar; ferner bestritt er, Vollmacht
zur Prozessführung in Hamburg erteilt zu haben.

    Das Dreiergericht des Kantons Basel-Stadt wies das
Rechtsöffnungsbegehren ab, da die Vollstreckung weder nach der Haager
Zivilprozessübereinkunft noch nach dem Vollstreckungsabkommen möglich sei.

    Hiegegen führte Hoepffner Beschwerde. Das Appellationsgericht des
Kantons Basel-Stadt nahm an, dass das Vollstreckungsabkommen anwendbar sei,
und hiess die Beschwerde am 19. August 1957 dahin gut, dass es die Sache zu
neuer Prüfung und Entscheidung an das Dreiergericht zurückwies und dabei
ausführte: Sollte die Klage in Hamburg ohne Ermächtigung Wollners erhoben
worden sein, so wäre die Rechtsöffnung zu verweigern, da Wollner dann gar
nicht als Prozesspartei gelten könnte. Dass ein Zivilurteil nur inter
partes Verpflichtungen erzeugen könne, sei ein fundamentaler Grundsatz
unseres Zivilprozessrechts. Einem dagegen verstossenden Entscheid müsste
daher die Vollstreckung in der Schweiz schon aus Gründen des ordre public
(Art. 4 Abs. 1 des Vollstreckungsabkommens) die Vollstreckung verweigert
werden.

    Das Dreiergericht kam zum Schluss, die Klage in Hamburg sei in der
Tat ohne Ermächtigung Wollners erhoben worden, und es wies daher das
Rechtsöffnungsbegehren erneut ab. Hoepffner erhob hiegegen wiederum
Beschwerde, wurde aber vom Appellationsgericht durch Urteil vom
23. September 1958 abgewiesen, im wesentlichen aus folgenden Gründen:
Dr. Barber in Hamburg habe sich durch eine Substitutionsvollmacht
legitimiert, die sich auf die am 28. Oktober 1953 ausgestellte Vollmacht
Wollners an Rechtsanwalt Dr. W. bezogen habe. Es sei klar, dass diese
"in Sachen Hypothekar- und Commerzbank AG in Zürich betr. Forderung"
erteilte Vollmacht für den Inlandgebrauch bestimmt gewesen sei und nur zu
Rechtshandlungen hinsichtlich einer Forderung Wollners gegen diese Bank
berechtigt habe, wie denn eine Prozessvollmacht (und um eine solche habe es
sich gehandelt) regelmässig den Namen des Gegners enthalte. Die Auslegung
Hoepffners, die Vollmacht habe sich auf alle mit der Bank irgendwie
zusammenhängenden Ansprüche bezogen, gehe viel zu weit und finde in den
Akten keine Stütze. Eine Prozessvollmacht könne freilich auch formlos,
insbesondere durch (stillschweigende) Genehmigung de Prozessführung
erteilt werden, weshalb es gegen Treu und Glauben verstossen würde, wenn
Wollner mit der Prozessführung in seinem Namen einverstanden gewesen
wäre, deren Ergebnis aber wegen Fehlens einer Vollmachtsurkunde nicht
gegen sich gelten lassen wollte. So verhalte es sich aber nicht. Aus der
Korrespondenz ergebe sich vielmehr, dass Wollner nur unter der Bedingung,
dass Dr. Hoffmann die Prozesskosten sicherstelle, mit der Prozessführung in
Hamburg einverstanden gewesen wäre und die Unterzeichnung einer besonderen
Prozessvollmacht - offenbar weil diese Bedingung nicht erfüllt wurde -
unterlassen habe. Bei dieser Sachlage müsse das Vorliegen einer Vollmacht
zur Prozessführung gegen Hoepffner verneint werden.

    C.- Gegen dieses ihm am 13. Oktober 1958 eröffnete Urteil hat Walter
Hoepffner am 12. November 1958 staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Er
bezeichnet das Urteil als tatsachenwidrig und willkürrlich, weil sich
aus den Akten ergebe, dass Wollner die Prozessführung in seinem Namen
in Hamburg gekannt und gebilligt habe. Ausserdem verletze das Urteil
das schweiz./deutsche Vollstreckungsabkommen. Die im Hamburger Prozess
eingelegte Vollmacht habe nach dem dafür massgebenden deutschen Rechte
genügt. Zudem wäre eine mangelhafte Vollmacht kein Grund zur Verweigerung
der Vollstreckung des rechtskräftig gewordenen Entscheids, da der Vorbehalt
des ordre public in Art. 4 Abs. 1 des Vollstreckungsabkommens sich nur
auf den Inhalt der Entscheidung, nicht auf das Verfahren beziehe.

    D.- Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt und der
Beschwerdegegner Arthur Wollner beantragen die Abweisung der Beschwerde.

    E.- Am 13. Dezember 1958 reichte der Beschwerdeführer ein
Rechtsgutachten ein, das von Prof. Dr. Hans Dölle, Direktor des Max
Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht in
Hamburg, verfasst ist und zum Schluss kommt, dass der Kostenentscheid
des Hamburger Landgerichts auf Grund des schweiz./deutschen
Vollstreckungsabkommens in der Schweiz vollstreckbar sei.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Beschwerde macht eine Verletzung des schweiz./deutschen
Vollstreckungsabkommens vom 2. November 1929 (nachfolgend kurz "Abkommen"
genannt) geltend und bezeichnet das angefochtene Urteil überdies als
willkürrlich. Dieser letzteren Rüge kommt indes keine selbständige
Bedeutung zu. Das Bundesgericht überprüft die Anwendung staatsvertraglicher
Bestimmungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht frei (BGE 83
I 19 Erw. 1 mit Verweisungen, 84 I 33 Erw. 1 und 44 Erw. 1) und hat
daher, soweit es für die Anwendung des Abkommens von Bedeutung ist,
auch die Frage, ob Wollner ausdrücklich oder stillschweigend Vollmacht
zur Prozessführung in Hamburg erteilt habe, auf Grund der Akten frei zu
entscheiden. Neue Vorbringen sind vor Bundesgericht nicht ausgeschlossen
(BGE 83 I 20 Erw. 2, 84 I 34 Erw. 1). Anderseits fallen nur die in
den Eingaben an das Bundesgericht und innert der Beschwerdefrist des
Art. 89 OG erhobenen Einwendungen des Beschwerdeführers in Betracht;
die in der Beschwerde enthaltene Verweisung auf kantonale Rechtsschriften
ist daher unbeachtlich (BGE 81 I 56 Erw. 1) und das erst am 12. Dezember
1958 zur Ergänzung der Beschwerdebegründung eingereichte Rechtsgutachten
von Prof. Dölle ist nicht zu berücksichtigen (BIRCHMEIER, Handbuch des
OG S. 387 N. I und dort angeführte Urteile).

Erwägung 2

    2.- Die in Betreibung gesetzte Forderung, für welche definitive
Rechtsöffnung verlangt wird, beruht auf Kostenentscheiden des Landgerichts
Hamburg vom 13. Februar und 6. März 1957. Es steht fest, dass diese
Entscheide nach dem dafür massgebenden deutschen Recht rechtskräftig
und vollstreckbar sind. Ferner hat das Appelationsgericht schon im
Urteil vom 19. August 1957 angenommen und der Beschwerdegegner mit Recht
nicht mehr bestritten, dass die Vollstreckung nach dem Abkommen auch für
Kostenentscheide wie die hier vorliegenden verlangt werden kann. Streitig
ist dagegen, ob Wollner ausdrücklich oder stillschweigend Vollmacht zur
Prozessführung erteilt habe, was im angefochtenen Entscheid verneint
wird, sowie, ob im Falle mangelnder Vollmacht den Kostenentscheiden die
Anerkennung in der Schweiz zu versagen sei, was der angefochtene Entscheid
annimmt, und zwar, wie nach den Ausführungen des Appellationsgerichts im
Urteil vom 19. August 1957 zu schliessen ist, wegen Verstosses gegen die
schweizerische öffentliche Ordnung (Art. 4 Abs. 1 des Abkommens).

Erwägung 3

    3.- Die Substitutionsvollmacht, auf Grund deren im Namen Wollners in
Hamburg am 19. März 1956 Klage erhoben worden ist, bezog sich auf eine
Prozessvollmacht, die er am 28. Oktober 1953 an Rechtsanwalt Dr. W. in
Zürich "in Sachen Hypothekar- und Commerzbank AG Zürich betreffend
Forderung" erteilt hatte. Das Appellationsgericht hat angenommen, dass
Wollner damit nur zum Vorgehen in der Schweiz gegen diese Bank, nicht zur
Prozessführung in Hamburg gegen andere Personen ermächtigt habe. Diese
Auslegung der Vollmacht erscheint nach schweizerischem wie nach deutschem
Recht als zutreffend. Wenn zu verlangen ist, dass der Gegenstand der
Prozessvollmacht sich in sachlicher und persönlicher Beziehung aus der
Urkunde deutlich ergebe (LEUCH, N. 1. zu Art. 84 bern. ZPO), so heisst
das gleichzeitig, dass der Vertreter nur zum Vorgehen gegen die in der
Vollmacht genannten Personen ermächtigt ist. Auch nach deutschem Recht
wird der Umfang der Prozessvollmacht durch die Beziehung auf einen
bestimmten Rechtsstreit, d.h. auf ein Verfahren zwischen bestimmten
Personen über einen bestimmten Streitgegenstand, begrenzt und bedarf es
daher insbesondere dann einer neuen Vollmacht, wenn der Prozess gegen
eine andere als die in der Vollmacht genannte Person angehoben werden soll
(STEIN-JONAS-SCHÖNKE, Komm. zur DZPO, 17./18. Auflage, Bem. II 1 zu § 81).
Dass die streitige Vollmacht, wie in der Beschwerde behauptet wird, nach
deutschem Recht genügt habe, folgt nicht etwa daraus, dass das Landgericht
Hamburg sie nicht beanstandet hat. Vor Landgericht besteht Anwaltszwang (§
78 DZPO), und in diesem Falle wird die Vollmacht nicht von Amtes wegen,
sondern nur auf Antrag der Gegenpartei geprüft (§ 88 DZPO). Ein solcher
Antrag ist aber im vorliegenden Falle nicht gestellt worden.

    Trotz Fehlens einer genügenden schriftlichen Vollmacht müsste Wollner
die Prozessführung in seinem Namen freilich gegen sich gelten lassen,
wenn er mit ihr einverstanden gewesen wäre. Der Beschwerdeführer hat
jedoch in der staatsrechtlichen Beschwerde nichts vorgebracht, was
auf ein solches, und sei es auch nur stillschweigendes, Einverständnis
schliessen liesse. Aus der (vom Beschwerdegegner vorgelegten) Korrespondenz
Wollners mit Dr. W. in Zürich ergibt sich dagegen klar, dass Wollner
seine Zustimmung zur Prozessführung in Hamburg von der Übernahme und
Sicherstellung der Prozesskosten durch Dr. Hoffmann abhängig gemacht
und, offenbar wegen Nichterfüllung dieser Bedingung, drei ihm am 11. und
20. Januar 1956 zur Unterzeichnung zugestellte Prozessvollmachten an
Dr. Barber in Hamburg nicht abgesandt, sondern zurückbehalten hat. Der
Einwand des Beschwerdeführers, die Einreichung der schriftlich begründeten
Klage in Hamburg sei ohne Rücksprache des Anwalts mit Wollner undenkbar,
ist schon deshalb nicht schlüssig, weil es sich einfach um die Erneuerung
der bereits 1953 durch die Hypothekar- und Commerzbank AG erhobenen
Klage handelte.

    Ist demnach davon auszugehen, dass die im Namen Wollners eingereichte
Klage gegen Kostial, Hoepffner und Mitbeteiligte ohne Vollmacht Wollners
erhoben worden ist, so fragt sich weiter, ob deswegen die Vollstreckung
der gegen Wollner ergangenen Kostenentscheide in der Schweiz auf Grund
von Art. 4 Abs. 1 des Abkommens zu verweigern ist.

Erwägung 4

    4.- Der Beschwerdeführer bestreitet dies, weil der Vorbehalt der
öffentlichen Ordnung, wie aus seiner Umschreibung in Art. 4 Abs. 1 des
Abkommens hervorgehe, einschränkend auszulegen sei und sich nur auf
den Inhalt der Entscheidung, nicht auf das Verfahren beziehe, also nur
materiellrechtliche, nicht prozessrechtliche Mängel erfasse.

    a) Das Bundesgericht hat die ordre public-Klausel, die in allen von
der Schweiz abgeschlossenen Vollstreckungsabkommen enthalten ist, bisher
nur auf den Inhalt der Entscheidung angewandt. Ob sie darüber hinaus auch
angerufen werden könne bei Mängeln, die dem Verfahren vor dem ausländischen
Gericht, gemessen an der inländischen Rechtsordnung, anhaften, wurde stets
als fraglich bezeichnet und offen gelassen (BGE 57 I 435, 62 I 145, 63 1
301, 72 I 275, 84 I 46 Erw. 3). Es besteht indessen kein zureichender
Grund, den Anwendungsbereich der Vorbehaltsklausel im Gebiete der
Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile auf materiellrechtliche
Mängel zu beschränken, wenn ihr auch, wie das Bundesgericht in letzter
Zeit wiederholt erklärt hat, in diesem Gebiete engere Grenzen gezogen
sind als im Gebiete der direkten Gesetzesanwendung (BGE 84 I 123 und dort
angeführte Urteile). Der Vorbehalt der öffentlichen Ordnung ist seinem
Wesen nach ganz allgemeiner Natur und greift immer dann Platz, wenn das
einheimische Rechtsgefühl durch die Anerkennung und Vollstreckung eines
ausländischen Urteils in unerträglicher Weise verletzt würde. Das kann
auch dann der Fall sein, wenn die Entscheidung zwar inhaltlich nicht zu
beanstanden ist, aber durch unlautere Machenschaften erschlichen worden
ist (vgl. BGE 74 II 56 Erw. 1; RIEZLER, Internat. ZPR S. 548, JELLINEK,
Die zweiseitigen Verträge über Anerkennung ausländischer Zivilurteile
S. 195 ff.), oder wenn das Verfahren, in dem sie zustandegekommen ist,
nach inländischer Rechtsauffassung mangelhaft war. Die Bestimmungen
kantonaler Zivilprozessordnungen, welche gegenüber der Vollstreckung
ausländischer Zivilurteile den einheimischen ordre public vorbehalten,
sowie die entsprechende Vorschrift in § 328 Ziff. 4 DZPO werden denn
auch allgemein dahin verstanden, dass der Verstoss gegen den ordre public
auch in der Missachtung fundamentaler Verfahrensgrundsätze liegen könne
(GULDENER, Das internationale und interkantonale Zivilprozessrecht der
Schweiz. S. 96 und 102; LEUCH N. 7 Seite 400 zu Art. 401 bern. ZPO,
STRÄULI N. 2 a.E. zu § 377 zürch. ZPO; STEIN-JONAS-SCHÖNKE, Bem. VII 2 b
zu § 328 DZPO). Es erscheint (trotz der in BBl 1927 S. 374 ohne Begründung
vertretenen Auffassung des Bundesrates) als richtig, im gleichen Sinne auch
den in den internationalen Vollstreckungsabkommen enthaltenen Vorbehalt
des ordre public auszulegen und ihn auf Verfahrensmängel anzuwenden,
sofern seine Umschreibung im betreffenden Staatsvertrag nicht eine
Beschränkung auf den Inhalt der Entscheidung nahelegt.

    b) Nach Art. 4 Abs. 1 des schweiz./deutschen Abkommens ist die
Anerkennung eines im andern Staat ergangenen Urteils zu versagen, wenn
"durch die Entscheidung ein Rechtsverhältnis zur Verwirklichung gelangen
soll, dem im Gebiet des Staates, wo die Entscheidung geltend gemacht
wird, aus Rücksichten der öffentlichen Ordnung oder der Sittlichkeit die
Gültigkeit, Verfolgbarkeit oder Klagbarkeit versagt ist". Es ist zuzugeben,
dass diese Umschreibung das materielle Rechtsverhältnis im Auge hat
und dass sich daher die Auffassung vertreten lässt, Verfahrensmängel
würden davon nicht erfasst. Diese wörtliche Auslegung wird jedoch
in der Literatur (GULDENER aaO S. 148, JELLINEK aaO S. 191, KALLMANN,
Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Zivilurteile S. 220 und 242)
mit Recht als zu eng bezeichnet. Weder aus dem Wortlaut von Art. 4
Abs. 1 noch daraus, dass Abs. 3 die ordnungswidrige Ladung als besondern
Versagungsgrund herausgreift, folgt, dass andere Verfahrensmängel, etwa
eine gänzliche Verweigerung des rechtlichen Gehörs, ausser Betracht
fallen. Ob der Vorbehalt des ordre public seiner engen Fassung wegen
nur auf bestimmte oder ganz schwerwiegende Verfahrensmängel anzuwenden
ist, kann dahingestellt bleiben, da sich seine Anwendung jedenfalls im
vorliegenden Falle rechtfertigt, wo der Mangel weniger im Verfahrhren
selber als in dessen Ergebnis, in der Verurteilung eines am Verfahren
nicht Beteiligten zur Bezahlung von Kosten liegt.

    c) Zu dieser Verurteilung ist es offenbar deshalb gekommen, weil
das Landgericht Hamburg, wie bereits in Erw. 3 ausgeführt wurde, nicht
von Amtes wegen zu prüfen hatte und daher auch nicht geprüft hat, ob
der Anwalt, der im Namen Wollners Klage erhob, hiezu bevollmächtigt
war. Die Unterlassung dieser Prüfung ist aus dem Gesichtspunkt der
schweizerischen öffentlichen Ordnung nicht zu beanstanden, bestimmen doch
einzelne kantonale Zivilprozessordnungen sogar, dass die Rechtsanwälte
als Inhaber einer allgemeinen Prozessvollmacht der Partei, für die sie
handeln, gelten bzw. ohne Nachweis der Vollmacht für sie handeln können
(St. Gallen Art. 118 Abs. 2, Solothurn Art. 5 Ziff. 1). Dagegen kann der
Kostenentscheid, der infolge jener Unterlassung gegen Wollner ergangen ist,
in der Schweiz nicht anerkannt werden. Es ist ein allgemeiner Grundsatz
des schweizerischen Zivilprozessrechts, dass derjenige nicht verurteilt
werden kann, der am Verfahren gar nicht beteiligt war, weil er weder je
selber vorgeladen noch richtig vertreten war (inbezug auf die Vertretung:
STAUFFER, Die Verträge der Schweiz mit Österreich und der Tschechoslowakei
S. 49, BURCKHARDT Komm. der BV S. 576, JAEGER N. 19 a.E. zu Art. 81 SchKG,
wo es als selbstverständlich bezeichnet wird, dass niemand ein Urteil gegen
sich gelten zu lassen braucht, das von einem nicht legitimierten Vertreter
erwirkt worden ist). In BGE 58 I 181 ff. wurde (auf Grund von Art. 17
Ziff. 2 des Gerichtsstandsvertrags mit Frankreich) die Vollstreckung eines
französischen Zivilurteils in der Schweiz abgelehnt, weil es gegenüber
einem nicht gehörig vorgeladenen und durch einen nicht bevollmächtigten
Anwalt vertretenen Beklagten erlassen worden war. Entsprechendes muss
gelten für das Urteil gegenüber einem am Verfahren nicht beteiligten
Kläger. Das Bundesgericht hat kürzlich in Anwendung von Art. 61 BV
entschieden, dass ein in der Schweiz ergangenes Zivilurteil, das einem
Kläger Kosten auferlegte, obwohl der Anwalt ohne Vollmacht Klage erhoben
hatte, in einem andern Kanton nicht vollstreckt zu werden brauche (nicht
veröffentl. Urteil vom 13. März 1957 i.S. Konkursmasse Brunold). Ebenso
ist die Vollstreckung eines im Ausland ergangenen Urteils zu verweigern,
durch das ein Kläger in einem ohne sein Wissen geführten Zivilprozess zur
Bezahlung von Kosten verurteilt worden ist, da ein solcher Entscheid mit
dem einheimischen Rechtsgefühl in unverträglichem Widerspruch steht.

    Die Prozessführung durch einen vollmachtlosen Vertreter ohne Wissen
und Willen der Partei stellt übrigens auch nach deutschem Recht einen
schweren Mangel dar. Das ergibt sich daraus, dass die nicht vertretene
Partei, auf deren Namen das Urteil ergangen ist, dieses auch noch nach
Eintritt der Rechtskraft mit der Nichtigkeitsklage gemäss § 579 Ziff. 4
DZPO anfechten kann (STEIN-JONAS-SCHÖNKE Bem. IV zu § 88 und Bem. II 4 zu §
579 DZPO). Von diesem Rechtsmittel hat Wollner freilich keinen Gebrauch
gemacht. Das steht jedoch der Anwendung von Art. 4 Abs. 1 des Abkommens
nicht entgegen. Die Verweigerung der Vollstreckung eines ausländischen
Urteils wegen Verstosses gegen den schweizerischen ordre public setzt
nicht voraus, dass der Verurteilte im Ausland die gegen das Urteil zur
Verfügung stehenden ordentlichen und ausserordentlichen Rechtsmittel
ergriffen hat. Die in der Schweiz wohnhafte Partei, der gegenüber im
Ausland ein gegen den schweizerischen ordre public verstossendes Urteil
ergeht, darf dessen Vollstreckung in der Schweiz abwarten und den Mangel
dann geltend machen. Insbesondere kann jemandem nicht zugemutet werden,
im Ausland Rechtsmittel zu ergreifen gegen ein Urteil in einem Prozess,
den dort ein Anwalt ohne Vollmacht und ohne Wissen und Willen des angeblich
von ihm Vertretenen in dessen Namen geführt hat (vgl. BGE 58 I 1901etzter
Absatz; anders ein Urteil des bern. Appellationshofs vom 12. Januar 1911,
ZBJV 48 S. 123 und ihm folgend STAUFFER, aaO S. 49, während KALLMANN
aaO S. 304 Anm. 38 für einen Fall wie den vorliegenden die Ergreifung
der Nichtigkeitsklage nach § 579 Ziff. 4 DZPO lediglich empfiehlt,
also offenbar nicht als unerlässlich erachtet). Vollends unzumutbar
erscheint die Ergreifung von Rechtsmitteln im Ausland, wenn die ungenügende
Vollmacht, auf Grund deren im Ausland Klage erhoben worden ist, nicht an
einen ausländischen Anwalt erteilt worden ist, sondern in der Schweiz an
einen schweizerischen Anwalt, wie es vorliegend der Fall ist.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.