Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 85 I 264



85 I 264

42. Auszug aus dem Urteil vom 4. Dezember 1959 i.S. Ernst Marti AG gegen
Eidg. Post- und Eisenbahndepartement. Regeste

    Postregal; Konzession für Personenbeförderung.

    1.  Ein Entscheid, mit dem das Post- und Eisenbahndepartement
bestimmte Fahrten für konzessionspflichtig erklärt und die Konzession
hiefür verweigert, unterliegt der Verwaltungsgerichtsbeschwerde,
soweit die Konzessionspflicht bestritten wird, und im übrigen der
Verwaltungsbeschwerde an den Bundesrat.

    2.  Für gewerbsmässige und regelmässige internationale Rundfahrten mit
Ausgangs- und Endpunkt in der Schweiz und mit Gelegenheit zum Unterbruch
im Ausland ist eine schweizerische Konzession erforderlich.

Sachverhalt

    A.- Die Firma Ernst Marti AG in Kallnach veranstaltet gewerbsmässig
Gesellschaftsreisen mit Autocars im In- und Auslande. Unter anderm
organisiert sie Rundreisen, die von der Schweiz aus an die französische
und italienische Riviera und zurück in die Schweiz führen. Sie möchte
den Teilnehmern die Möglichkeit bieten, die Rundreise durch einen 7- oder
14-tägigen Ferienaufenthalt in einem Orte an der Riviera zu unterbrechen
und mit einer fol genden Fahrt zu beenden.

    Am 27. Februar 1959 entschied das eidg. Post- und Eisenbahndepartement,
dass die von der Firma geplanten unterbrochenen Rundfahrten der
Konzessionspflicht unterständen und dass es die Erteilung einer Konzession
hiefür ablehne.

    B.- Gegen diesen Entscheid hat die Firma Marti - gemäss der erhaltenen
Rechtsmittelbelehrung - beim Bundesrat Beschwerde erhoben. Sie macht
geltend, nach schweizerischem Recht seien die in Frage stehenden
Rundfahrten nicht konzessionspflichtig. Die abweichende Auffassung
des Departementes sei mit dem Postverkehrsgesetz (PVG), der zugehörigen
Vollziehungsverordnung I, dem BRB vom 23. Dezember 1955 über regelmässige
Rundfahrten mit Automobilen und dem dritten Genfer Abkommen betreffend
die Aufhebung der Einschränkungen in der Freiheit des Strassenverkehrs
nicht vereinbar. Ob die Rundfahrt im Auslande unterbrochen werden dürfe
oder nicht, habe einzig die dortige Behörde zu entscheiden. Sollte eine
schweizerische Konzession doch erforderlich sein, so wäre das Departement
anzuweisen, eine solche zu erteilen.

    C.- Nach einem Meinungsaustausch mit dem Bundesrat hat das
Bundesgericht die Beurteilung der Beschwerde insoweit übernommen, als
damit die Konzessionspflicht bestritten wird.

    D.- Das Post- und Eisenbahndepartement schliesst auf Abweisung der
Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 99 Ziff. XI lit. a und b OG ist die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig gegen Entscheide des
eidg. Post- und Eisenbahndepartementes über Ansprüche, die sich auf das
Postverkehrsgesetz und die zugehörigen Vollziehungsverordnungen stützen;
die Ausnahme der Haftpflicht- und der Straffälle fällt hier ausser
Betracht. Gemeint sind Entscheide über Rechtsansprüche. Entscheide,
die in das Ermessen des Departementes gestellt sind, können nicht mit
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden.

    In dem hier angefochtenen Entscheide hat das Departement festgestellt,
dass die von der Beschwerdeführerin geplanten Rundfahrten mit Unterbrechung
im Auslande unter das Postregal fallen, also von ihr ohne Konzession
nicht durchgeführt werden dürfen, und die Erteilung einer Konzession
hiefür abgelehnt. Der Feststellungsentscheid betrifft den Anspruch der
Postverwaltung auf das Monopol für solche Fahrten und den entgegenstehenden
Anspruch der Beschwerdeführerin, die Fahrten ohne Konzession unternehmen
zu dürfen. Das sind Rechtsansprüche, die sich auf das Postverkehrsgesetz
vom 2. Oktober 1924 (BS 7 S. 754) und zugehörige Vollziehungsverordnungen
stützen. Soweit sich die Beschwerde gegen den Feststellungsentscheid
richtet, ist sie somit als Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu behandeln
und vom Bundesgericht zu beurteilen.

    Dagegen ist das Bundesgericht nicht zuständig, soweit sich die
Beschwerde gegen die Verweigerung einer Konzession richtet. Das ist
kein Entscheid über einen Anspruch im Sinne von Art. 99 Ziff. XI
OG. Die gesetzliche Ordnung begründet keinen Rechtsanspruch auf eine
Konzession für die Reisendenbeförderung, sondern stellt die Erteilung
oder Verweigerung der Konzession dem Ermessen der Verwaltung anheim
(Art. 3 Abs. 1 PVG; Art. 3 Abs. 1 der Vollziehungsverordnung I vom
23. Dezember 1955, AS 1956 S. 1). Gegen die Verweigerung ist daher nicht
die Verwaltungsgerichtsbeschwerde, sondern die Verwaltungsbeschwerde
an den Bundesrat gegeben (Verwaltungsentscheide der Bundesbehörden
1936 Nr. 36; Meinungsaustausch von 1954 i.S. Regierungsrat Nidwalden
c. Pilatusbahngesellschaft).

Erwägung 2

    2.- .....

Erwägung 3

    3.- Art. 1 PVG, der den Umfang des Postregals umschreibt, gibt
in Abs. 1 lit. a der Postverwaltung, unter Vorbehalt des Art. 2, das
ausschliessliche Recht, Reisende mit regelmässigen Fahrten zu befördern,
soweit dieses Recht nicht durch andere Bundesgesetze eingeschränkt
ist. Diese Einschränkungen spielen im vorliegenden Falle keine
Rolle. Art. 2 Abs. 1 PVG nimmt die regelmässige Personenbeförderung
unter bestimmten Voraussetzungen vom Postregal aus, so dann, wenn sie
nicht gewerbsmässig betrieben wird (lit. a). Abs. 2 ebenda ermächtigt
den Bundesrat, weitere Ausnahmen vom Regal zu gestatten. Soweit die
gewerbsmässige Reisendenbeförderung mit regelmässigen Fahrten unter das
Postregal fällt, ist sie gewerblichen Unternehmungen ohne Konzession
verwehrt (Art. 3 Abs. 1, Art. 62 PVG).

    Es ist nicht bestritten und steht fest, dass die Beschwerdeführerin
die von ihr geplanten internationalen Rundfahrten mit Gelegenheit zum
Unterbruch an der Riviera regelmässig im Sinne des Postverkehrsgesetzes
und des Art. 1 der Vollziehungsverordnung I durchführen will. Sie gedenkt
diese Reisen während der Saison (Frühling, Sommer und Herbst) planmässig
jede Woche an zum voraus bestimmten Tagen zu veranstalten. Ferner
ist nicht bestritten und unterliegt keinem Zweifel, dass die Fahrten
gewerbsmässig im Sinne des Postverkehrsgesetzes und des Art. 2 der
Vollziehungsverordnung I unternommen werden sollen. Die Ausführung
des Vorhabens der Beschwerdeführerin bringt notwendig mit sich, dass
schweizerische Strecken gewerbsmässig und regelmässig befahren werden. Die
geplanten Reisen sind daher nach der gesetzlichen Ordnung dem Postregal
und der Konzessionspflicht unterstellt, sofern aufsie nicht eine besondere
Vorschrift anwendbar ist, welche die gewerbsmässige Reisendenbeförderung
mit regelmässigen Fahrten unter gewissen Voraussetzungen davon ausnimmt.

Erwägung 4

    4.- In Betracht kommen nur die Ausnahmen, die der Bundesrat zugelassen
hat durch den Beschluss, dem sog. dritten Genfer Abkommen betreffend
die Aufhebung der Einschränkungen in der Freiheit des Strassenverkehrs
beizutreten (AS 1951 S. 525; 1954 S. 1040), und durch den BRB vom
23. Dezember 1955 über regelmässige Rundfahrten mit Automobilen (AS
1956 S. 66). Andere Ausnahmevorschriften, welche anwendbar sein könnten,
werden nicht genannt und bestehen auch nicht.

    Durch das dritte Genfer Abkommen "wird die Freiheit des internationalen
touristischen Strassenverkehrs geschaffen". "Grundsatz ist dabei, dass
die gleichen Personen mit dem gleichen Fahrzeug befördert werden", sei
es "in Form einer Rundreise, wobei Ausgangs- und Endpunkt der Reise im
gleichen Lande liegen", sei es in anderer Form (AS 1951 S. 526). Die
Beschwerdeführerin will Rundreisen veranstalten, deren Ausgangs- und
Endpunkt in der Schweiz liegt. Sie sieht aber vor, dass die Teilnehmer die
Reise an der Riviera unterbrechen und mit einer folgenden Fahrt beenden
können, will also, soweit von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird,
nicht die gleichen Personen mit dem gleichen Fahrzeug befördern. Schon
deshalb könnte aus dem Abkommen - auch wenn es Anwendung fände, wie die
Beschwerdeführerin geltend macht - nicht abgeleitet werden, dass sie
die Reisen ohne schweizerische Konzession durchführen darf. Das Abkommen
untersagt der Schweiz offensichtlich nicht, unterbrochene Rundreisen, wie
die Beschwerdeführerin sie veranstalten will, der Konzessionspflicht zu
unterstellen. Ob sich schweizerische Transportunternehmer gegenüber der
schweizerischen Behörde mit Bezug auf Fahrten über inländische Strecken
überhaupt auf das Abkommen berufen können, braucht daher nicht geprüft
zu werden.

    Ähnlich wie das Abkommen lautet Art. 2 Abs. 1 des BRB über regelmässige
Rundfahrten mit Automobilen. Danach ist für die Befreiung solcher Fahrten
von der Konzessionspflicht unter anderm erforderlich, dass "die nämlichen
Personen mit dem gleichen Fahrzeug und der gleichen Fahrt wieder an
ihren Ausgangspunkt zurückgeführt" und dass "unterwegs oder am Reiseziel
keine Reisenden abgesetzt oder aufgenommen werden" (lit. c und d). Diese
Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

    Die Beschwerdeführerin wendet vergeblich ein, jener BRB sei nur
auf innerschweizerische Rundfahrten anwendbar. Ob er so auszulegen
sei, kann offen gelassen werden. Wäre die Frage zu bejahen, so wäre
für die Beschwerdeführerin nichts gewonnen. Es bliebe dabei, dass die
Beschwerdeführerin für die schweizerischen Strecken, die sie auf den
geplanten internationalen Rundreisen regelmässig befahren will, nach
der gesetzlichen Ordnung einer Konzession bedarf, weil eine Vorschrift,
nach der solche Fahrten vom Postregal ausgenommen wären, nicht besteht.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit damit die Konzessionspflicht
für die von der Beschwerdeführerin geplanten unterbrochenen internationalen
Rundfahrten bestritten wird.