Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 85 I 225



85 I 225

36. Urteil vom 11. November 1959 i.S. Eiger Baugesellschaft A.-G. gegen
Gemeinderat von Baden und Regierungsrat des Kantons Aargau. Regeste

    Eigentumsgarantie; Erfordernis der gesetzlichen Grundlage für die
Auflage, dass beim Bau eines neuen Gebäudes genügend Einstellplätze für
Motorfahrzeuge errichtet werden.

    Vorschriften, die dem Gemeinwesen die Strassenpolizei übertragen
und die Sicherheit des Verkehrs gefährdende Vorrichtungen verbieten,
stellen keine genügende gesetzliche Grundlage dar.

Sachverhalt

    A.- Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin der Grundstücke
Kat. Nr. 1094 und 1354 an der Bruggerstrasse in Baden. Sie beabsichtigt,
darauf mit Hauptfront gegen die Brugger- und Seitenfront gegen
die Dynamostrasse ein Geschäftshaus mit 5 Stockwerken, mit Läden im
Erdgeschoss und 24 Wohnungen in den Obergeschossen zu erstellen. Der
Gemeinderat von Baden, der schon am 18. April 1955 ein erstes Baugesuch
abgewiesen hat, lehnte auch das neue Gesuch ab. Er begründete dies teils
damit, dass die Südwestecke des Gebäudes den Vorschriften der Bauordnung
nicht entspreche, teils damit, dass auf dem Grundstück nicht genügend
Gelegenheiten zum Abstellen von Fahrzeugen geschaffen würden. Da auch
keine Einstellgaragen vorgesehen seien, genüge es nicht, dass 10-12
Fahrzeuge hinter der Strassengrenze parkiert werden könnten. Nach
der Praxis des Regierungsrates müssten Garagen und Abstellplätze für
mindestens 1/3 der Wohnungen und Geschäfte verlangt werden. Diese
Forderung sei umso berechtigter, als die Fahrzeuge auf dem Grund der
Gesuchstellerin nur unmittelbar vor den Ladenfronten aufgestellt werden
könnten, was eine erhebliche Behinderung des Kundenverkehrs zur Folge
haben müsste. Es sei nicht Sache der Gemeinde, die für ein grosses Wohn-
und Geschäftshaus erforderlichen Ein- und Abstellplätze zur Verfügung zu
stellen (Beschluss vom 27. Januar 1958). Eine Beschwerde hiegegen hat der
Regierungsrat des Kantons Aargau mit Entscheid vom 3./11. Oktober 1958
abgewiesen. Auf Grund neu eingereichter Pläne stellt der Regierungsrat
fest, dass nunmehr die Baulinie respektiert werde. Dagegen sei es nicht
Sache des Gemeinwesens, für die Bereitstellung von genügend Parkraum für
Motorfahrzeuge selber aufzukommen. Hierzu würden ihre finanziellen Mittel
nicht ausreichen. Die interessierten Kreise, d.h. die Geschäftsinhaber
und Hauseigentümer hätten dazu das Erforderliche beizutragen. Gemäss § 81
des Gemeindeorganisationsgesetzes habe der Gemeinderat als Verwalter der
öffentlichen Polizei die nötigen Anordnungen zu treffen und nach lit. a
ebenda für die Wege, Brücken und Dämme, deren Errichtung und Unterhalt
der Gemeinde obliege, zu sorgen. Diesen Auftrag habe sie nach Anleitung
der allgemeinen Gesetze zu erfüllen. § 60 des kantonalen Baugesetzes
verbiete nun alle den Verkehr und die Sicherheit auf der öffentlichen
Strasse gefährdenden Vorrichtungen. Von ihm würden nach der Praxis
des Regierungsrates nicht bloss die Bauten erfasst, welche durch ihren
Bestand eine Gefährdung hervorrufen, sondern auch solche, bei denen das
durch ihre bestimmungsgemässe Benützung geschehe. Ein neues Geschäfts-
und Wohnhaus ziehe aber zwangsläufig einen mehr oder weniger intensiven
Parkbedarf nach sich. Wenn er nicht auf privatem Grund erfüllt werden
könne, werde versucht, ihn auf dem öffentlichen Grund zu befriedigen, was
dort zu Verkehrsbehinderungen und Störungen Anlass gebe. Eine derartige
Baute könne daher je nach den Umständen § 60 BG widersprechen, sodass der
Gemeinderat befugt sei, dort, wo es die Verkehrsverhältnisse verlangen,
die Errichtung von Parkplätzen bzw. Einstellräumen auf dem privaten
Grund zu verlangen. Die Forderung des Gemeinderates nach Abstellplätzen
und Garagen für mindestens 1/3 der Wohnungen und Geschäfte sei aber im
Hinblick auf die Lage des Hauses an der äusserst belebten Bruggerstrasse
angemessen, was zur Abweisung der Beschwerde führen müsse.

    B.- Mit rechtzeitiger staatsrechtlicher Beschwerde beantragt die
Eiger Baugesellschaft AG den Beschluss des Regierungsrates aufzuheben
und die Sache zu neuer Entscheidung zurückzuweisen. Zur Begründung wird
im wesentlichen ausgeführt: Der Entscheid ermangle der gesetzlichen
Grundlage für den darin enthaltenen Eingriff in die Baufreiheit und
verletze damit die Eigentumsgarantie. Die gesetzliche Grundlage sei auch
für Bedingungen und Auflagen nötig, die einer Baubewilligung beigefügt
würden. Der Regierungsrat behaupte selber nicht, dass die Bauordnung
von Baden eine Norm enthalte, die den Grundeigentümer verpflichten
würde, die für ein grösseres Gebiet erforderlichen Abstellplätze für
Motorfahrzeuge bereitzustellen. Dass in die im Entwurf vorliegende
Bauordnung eine bezügliche Bestimmung erst noch aufgenommen werden
solle, beweise, dass es einer ausdrücklichen Norm bedürfe. § 60 des
kantonalen Baugesetzes enthalte die gesetzliche Grundlage nicht. Eine
Baute sei keine "gefährdende Vorrichtung" im Sinne dieser Vorschrift.
Nicht das Bauwerk gefährde den Strassenverkehr; höchstens täten dies
die Fahrzeuge, die an der Strasse parkiert würden. Gleiches gelte
von § 81 des Organisationsgesetzes für die Gemeinden. Die Normierung
des Baupolizeirechtes hätte keinen Sinn, wenn auf die allgemeine
Polizeikompetenz der Gemeinde abgestellt werden könnte. Diese letztere
könne nur Anwendung finden, wenn es an einer abschliessenden Sonderregelung
fehlen würde. Eine solche liege aber im Baugesetz und in der Bauordnung
der Gemeinde. Der Gemeinderat dürfte ausserdem nur gegen unmittelbar
bevorstehende Störungen eingreifen und er müsste sich gegen den Störer
richten. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt.

    C.- Der Regierungsrat des Kantons Aargau beantragt die Abweisung
der Beschwerde. Er führt u.a. aus: Das in § 60 des Baugesetzes (BG)
enthaltene Verbot richte sich nicht bloss gegen Vorrichtungen auf, unter
oder über der Strasse, sondern auch auf solche neben der Strasse. Je nach
ihrer Ausführung und Zweckbestimmung könnten auch sie die Sicherheit des
Strassenverkehrs gefährden. Streitig könne daher bloss sein, wieviele
Parkplätze für das vorgesehene Gebäude notwendig seien. Nach den
Erfahrungen wäre aber für ein Gebäude von der Art und vom Ausmass des
projektierten die Minimalzahl von 13 Parkplätzen, die sich theoretisch
errechnen liesse, ungenügend, weil sich diese Zahl auf Gebäude mit billigen
Wohnungen beziehe, von der Beschwerdeführerin aber teuere Geschäfts-
und Wohnräume erstellt würden. Wenn die Kunden, die Geschäftsinhaber,
die Mieter und deren Besucher auf privatem Boden nicht genügend Parkplätze
vorfänden, seien sie gezwungen, auf der Strasse anzuhalten, welche für den
fliessenden und nicht für den ruhenden Verkehr bestimmt sei. Sie wirkten
dort als Störer. Ursächlich sei aber dafür die mangelnde Parkgelegenheit
auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin. Der Mangel an Parkplätzen
wäre vielleicht nicht so bedeutend, wenn in unmittelbarer Nähe des Hauses
auf wenig befahrenen Nebenstrassen noch Raum zur Verfügung stünde. Auch
das treffe aber nicht zu und werde auch nach der Verkehrssanierung von
Baden nicht zutreffen. Die noch freien Flächen würden durch die SBB
in Anspruch genommen und die wenigen Strassen müssten als Zugänge zum
Güterbahnhof freigehalten werden. Der Gemeinderat werde durch § 81 des
Organisationsgesetzes angewiesen, für die öffentliche Sicherheit, Ruhe,
Ordnung und Sittlichkeit die erforderlichen Anordnungen zu treffen. Das
habe er getan, indem er § 60 BG angewendet habe, um Verkehrsstörungen zu
verhindern. Die Behörde könne nicht darauf verwiesen werden, die Schaffung
von Parkplätzen erst dann zu verlangen, wenn das Gebäude erstellt und
die Verkehrsstörung unausweichlich sei. Es bliebe dann nur die Ausweitung
des auf der Bruggerstrasse bereits geltenden Parkierungsverbotes auf ein
Verbot jeglichen Anhaltens auf dem betreffenden Strassenstück. Das würde
den ständigen Einsatz von Polizei bedingen, was der Öffentlichkeit nicht
zuzumuten sei.

    Der Gemeinderat von Baden beantragt ebenfalls die Abweisung der
Beschwerde.

    D.- Der Instruktionsrichter hat die Beschwerdegegner ersucht, zu
prüfen, welche konkreten Massnahmen, wie Verbote oder Beschränkungen des
Stationierens in der nähern und weitern Umgebung des projektierten Hauses
zur Vermeidung einer Verkehrsgefährdung angeordnet werden könnten und ob
nach deren Anordnung die Verkehrssicherheit noch gefährdet wäre.

    Der Regierungsrat hat darauf geantwortet, dass, falls der mit
dem Betrieb des geplanten Geschäftshauses zusammenhängende Verkehr zu
Störungen Anlass geben sollte, ein Verbot jeglichen Anhaltens erlassen
werden müsste. Die vom Gemeinderat bereits erlassenen Massnahmen
würden jedoch zur Folge haben, dass die Verkehrssicherheit kaum mehr in
einem das Übliche übersteigenden Mass gefährdet wäre. Doch sei damit
das Parkierungsproblem für die Benützer des Hauses nicht gelöst. Der
für sämtliche Anwohner an der Bruggerstrasse schwerwiegende Erlass
eines absoluten Anhalteverbotes käme zudem nur als letzte Lösung in
Betracht. Wenn heute solche Massnahmen nicht nötig seien, so würden sie
durch die Neubaute mit grosser Wahrscheinlichkeit unvermeidlich.

    E.- Die Instruktionskommission des Bundesgerichtes hat am 16. Juni
1959 bei den Grundstücken der Beschwerdeführerin einen Augenschein
durchgeführt und sich die Strassenverhältnisse und die vorhandenen
Parkierungsmöglichkeiten zeigen lassen. Die Vertreter der Gemeinde haben
erklärt, dass die Stadt nicht mehr beabsichtige, zwischen Brugger- und
Dynamostrasse, Bahnhofareal und Feldweg einen Überbauungsplan vorzulegen,
dass der (südlich der Grundstücke verlaufende, zum Güterbahnhof führende)
Feldweg für den Fahrverkehr eingehen werde und die Verbindung mit dem
Güterbahnhof weiter südlich vorgesehen sei. Die Hauptdurchgangsstrasse
Nord-Süd werde inskünftig weiter östlich über den Gstühlplatz geführt
werden. Die neue Bauordnung sei noch nicht genehmigt worden.

    F.- Das aargauische Gesetz über den Strassen-, Wasser- und Hochbau
vom 23. März 1859 bestimmt in:

    § 60. Alle den Verkehr und die Sicherheit auf öffentlichen Strassen
gefährdenden Vorrichtungen sind verboten.

    § 81 des aargauischen Gesetzes über die Organisation der Gemeinden
und Gemeinderäte vom 26. November 1841 lautet:

    Der Gemeinderat verwaltet die örtliche Polizei und hat über die
Gegenstände derselben, nach Anleitung der allgemeinen Gesetze und
Regierungsverordnungen, die nötigen Anordnungen zu treffen, namentlich
in Bezug auf:

    a)  Wege, Brücken und Dämme, deren Errichtung und Unterhalt vermöge
des Gesetzes der Gemeinde obliegt;

    .....

    c)  Reinlichkeit und Beleuchtung der Strassen und öffentlichen Plätze,
sowie Sicherheit und Bequemlichkeit derselben;

    1)  Handhabung der öffentlichen Sicherheit, Ruhe, Ordnung und
Sittlichkeit.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Um vor der Eigentumsfreiheit, wie Art. 22 der Staatsverfassung
des Kantons Aargau sie gewährleistet, standhalten zu können, muss eine
behördliche Beschränkung der Ausübung des Eigentums vom öffentlichen
Interesse gefordert sein und sich ausserdem auf eine gesetzliche
Grundlage stützen können, welche den Erlass der Massnahme zulässt (BGE
81 I 29, 82 I 162, 84 I 173). Eingriffe, welche über das, was bisher als
öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkung üblich war, weit hinaus gehen,
bedürfen einer klaren gesetzlichen Grundlage (BGE 74 I 156, 76 I 336,
77 I 218, 78 I 428).

    Die Gewährung einer Baubewilligung davon abhängig zu machen,
dass der Eigentümer des zu überbauenden Grundstückes für das Abstellen
bzw. Einstellen von Motor fahrzeugen auf seinem Grundstück genügend Platz
zur Verfügung stellt, ist ohne jeden Zweifel eine derartige Beschränkung
des Eigentums, die über das, was bisher als Eigentumsbeschränkung üblich
war, insbesondere dann weit hinausgeht, wenn in städtischen Verhältnissen
eine grössere Zahl von Einstellplätzen verlangt wird. Entweder wird damit
der Überbauungskoeffizient erheblich eingeschränkt, was für die Rendite
des Hauses bedeutungsvoll ist - und nicht ohne eine gesetzliche Grundlage
angeordnet werden kann -, oder es werden dem Eigentümer kostspielige
Bauten in Kellerräumlichkeiten und der Verzicht auf einen Ertrag daraus
zugemutet. Für die Beschwerdeführerin hätte die Auflage zur Folge,
dass sie sich nicht darauf beschränken könnte, vor der Hauptfront des
Hauses Abstellplätze zu schaffen, wie sie das vorgeschlagen hat, sondern
gezwungen wäre, diese in das Haus selbst zu verlegen oder hinter demselben
eine Parzelle zu erwerben versuchen, von der sie heute wegen des zwischen
SBB und Eigentümern hängigen Enteignungsverfahrens noch nicht weiss,
ob und zu welchem Preis sie sie erhalten würde.

    Die Verweigerung der Baubewilligung aus dem Grunde, dass die
Beschwerdeführerin nicht mindestens für einen Drittel der Geschäftslokale
und Wohnungen Parkplätze auf ihrem Grund und Boden zur Verfügung
stellt, ist daher vor Art. 22 der Staatsverfassung nur haltbar, wenn die
Baubehörden sich dafür auf eine klare gesetzliche Grundlage zu stützen
vermögen.

    Eine derartige Grundlage läge in § 42 des Entwurfes einer Bauordnung
für die Gemeinde Baden, wenn sie bereits verbindlich wäre. Darin
wird vorgesehen, dass vom Eigentümer die Bereitstellung einer für
die Benützer der Liegenschaft genügenden Anzahl von Einstellräumen auf
privatem Grund verlangt wird, und dass der Gemeinderat ihre Art und Zahl
nach Massgabe der örtlichen Verhältnisse bestimmen könne. Ob aber eine
solche Eigentumsbeschränkung, wenn sie ohne Entschädigung angeordnet wird,
vor der weitern Voraussetzung eines zulässigen Eingriffs in das Eigentum
standhält, wonach dieser, wenn er einer materiellen Enteignung gleichkommt,
nur gegen Entschädigung möglich ist, bleibe dahingestellt.

Erwägung 2

    2.- Der Regierungsrat erblickt die erforderliche gesetzliche Grundlage
in § 81 des Gemeindeorganisationsgesetzes in Verbindung mit § 60 des
kantonalen Baugesetzes. Ob er damit anerkennen will, dass § 81 OG für
sich allein die beanstandete Massnahme nicht zu begründen vermöchte,
der Gemeinderat darauf nur im Hinblick auf die besondere Vorschrift
des Baugesetzes abstellen könne, mag auf sich beruhen. Denn die beiden
Vorschriften vermögen die Massnahme weder je für sich allein, noch in
Verbindung miteinander zu rechtfertigen.

    § 81 OG verpflichtet den Gemeinderat, die erforderlichen Massnahmen
zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung zu ergreifen. Es
erscheint schon äusserst problematisch, ob eine solche, ganz allgemeine
polizeiliche Befugnis der Gemeinde eine Grundlage abzugeben vermöge
für eine ihrem ganzen Wesen nach baupolizeiliche Massnahme, die dem
Eigentümer vorschreiben will, wie er auf seinem Grundstück bauen darf,
damit die öffentlichen Strassen und Plätze nicht noch mehr als dies jetzt
der Fall ist mit Motorfahrzeugen überstellt werden. Selbst wenn aber
angenommen werden könnte, das treffe zu, der Gemeinde werde mit jenem
selbstverständlichen und elementaren Auftrag auch der besondere Auftrag
erteilt, eine durch die Aufstellung von Motorfahrzeugen auf öffentlichen
Strassen und Plätzen gestörte Ordnung in dieser Weise wiederherzustellen,
oder eine ernsthafte Gefahr solcher Störung abzuwenden, so könnte die
Vorschrift doch aus einem andern Grunde nicht als gesetzliche Grundlage
für die beanstandete Bauauflage anerkannt werden. Denn eine polizeiliche
Massnahme muss nach einem allgemeinen Grundsatz des Verwaltungsrechtes
den Umständen angepasst, verhältnismässig sein. Das ist sie dann, wenn
sie sich einerseits gegen den Störer wendet, und wenn sie anderseits,
sofern sie eine erst drohende Störung betrifft, sich gegen eine direkte,
unmittelbar drohende und anders nicht abwendbare Gefährdung richtet (BGE
63 I 222, 67 I 76; FLEINER, Institutionen 6./7. Aufl. S. 374). Das gilt
in erhöhtem Masse, wenn die Massnahme in bestimmte Freiheitsrechte eines
einzelnen Bürgers eingreift, ihm besondere Verpflichtungen auferlegt,
z.B. mit den vermögensrechtlichen Folgen belasten will, wie es bei einem
entschädigungslosen Eingriff in das Eigentum der Fall wäre.

    Die Auflage an den Grundeigentümer, bei einer Neubaute eine genügende
Zahl von Einstellräumen für Motorfahrzeuge auf dem privaten Grund zur
Verfügung zu stellen, richtet sich nicht gegen eine direkte, anders
nicht abwendbare Gefährdung des öffentlichen Verkehrs. Diese ist nicht
unmittelbar, solange nicht dargetan ist, dass die bestehenden oder in
der Gemeinde noch zu errichtenden Abstellplätze auf dem öffentlichen
Grund nicht genügen, auch noch diejenigen Fahrzeuge aufzunehmen, welche
infolge der Benützung der Neubaute hinzukommen können. Dass dem so sei,
hat der Augenschein nicht ergeben und ist auch sonst nicht dargetan. Die
Sicherheit des Verkehrs auf der Durchgangsstrasse Brugg-Zürich kann schon
jetzt durch Aufrechterhaltung des Parkierungsverbotes und allenfalls durch
ein Verbot des Anhaltens von Fahrzeugen erreicht werden. Allerdings schafft
der ständig wachsende Verkehr der Polizei neue Aufgaben. Sie stellen sich
aber nicht plötzlich und unvermutet, sondern sind eine Folge der ständigen
Zunahme der Motorfahrzeuge, die dem Gemeinwesen ermöglicht, auf dem
gesetzlichen Weg die erforderlichen Massnahmen zu treffen. Diese könnten
sich ausserdem nicht gegen die Grundeigentümer richten, die Geschäfts-
oder Wohnräume zur Verfügung stellen wollen, sondern bloss den Inhabern
von Fahrzeugen, welche die öffentlichen Strassen und Plätze in Anspruch
nehmen, bestimmte Verhaltensvorschriften auferlegen.

Erwägung 3

    3.- Vorschriften kantonaler Strassengesetze, welche alle den Verkehr
und die Sicherheit auf öffentlichen Strassen gefährdenden Vorrichtungen
verbieten, genügen grundsätzlich ebenfalls nicht, um dem Grundeigentümer
vorzuschreiben, welche baulichen Vorkehren er auf seinem Grund und
Boden zu treffen hat, um zu verhindern, dass seine, seiner Mieter oder
Kunden Motorfahrzeuge nicht auf der öffentlichen Strasse aufgestellt
werden. Anders kann es sich nur verhalten, wenn auf dem Grundstück ein
Gewerbebetrieb eröffnet werden will, mit dem eine stark vermehrte Zu-
und Wegfahrt von Fahrzeugen notwendig verbunden, der zu seiner Existenz
darauf angewiesen ist. Das Bundesgericht hat deshalb Vorschriften
kantonaler Gesetze als vor Art. 4 BV zulässig bezeichnet, welche die
Errichtung von Benzintankanlagen an öffentlichen Durchgangsstrassen von
bestimmten Bedingungen abhängig machen, so davon, dass die Fahrzeuge zur
Vermeidung von Verkehrsstörungen die Strasse nicht zu überqueren hätten
(beidseitige Anlagen), oder dass sie eine gewisse Länge besitzen, welche
den Fahrzeugen die Anpassung an den Verkehr gestattet, oder dass sie nicht
an unübersichtlichen und gefährlichen Strassenkreuzungen errichtet werden
(BGE 83 I 145 und das dort zitierte Urteil i.S. Hausbau- und Chaletfabrik
Murer, abgedruckt im ZBl Bd. 58 S. 21 ff.; nicht veröffentlichte Urteile
vom 4.6.58 i.S. Lehmann und vom 8.7.59 i.S. Regli).

    Der Bau eines Wohn- und Geschäftshauses an einer öffentlichen Strasse
kann dem Betrieb einer Benzintankstelle nicht gleichgestellt werden. Der
Neubau wird wegen seiner andern Zweckbestimmung keine merkliche Erhöhung
und damit auch keine in Betracht fallende Störung der Verkehrs auf
der Bruggerstrasse zur Folge haben. Dass einzelne Inhaber der neuen
Räumlichkeiten, ihre Kunden oder Besucher ihre Fahrzeuge vor oder neben
dem Hause anhalten werden, wird ohne Anhalteverbote auf der Strasse
nicht ganz zu umgehen sein. Dafür stellt die Beschwerdeführerin vor dem
Hause an der Bruggerstrasse eine Anzahl von Abstellplätzen zur Verfügung,
deren Benützung den Strassenraum freilässt. Auch wenn dieser Platz für
Geschäftskunden oder für das blosse Anhalten von Fahrzeugen reserviert
werden müsste, wird dadurch der Verkehr auf der Bruggerstrasse nicht
irgendwie erheblich gehindert. Die Mieter können ihre Fahrzeuge auf
in der Nähe befindlichen öffentlichen Plätzen (Gstühlplatz) oder auf
Quartierstrassen abstellen. Durch das Verbot, Wagen auf der Bruggerstrasse
zu stationieren, wird die ganze Strassenfläche für den Verkehr
freigehalten. Wenn der private Parkplatz oder die Dynamostrasse sogar
für das blosse Anhalten von Fahrzeugen nicht genügend Raum bieten würde,
was ganz unwahrscheinlich ist, ist es der Verkehrspolizei unbenommen,
auch das Anhalten von Fahrzeugen auf der Bruggerstrasse zu verbieten. Der
Regierungsrat hält aber selbst für unwahrscheinlich, dass eine derartige
Massnahme nötig sein werde. Sie wird es umso weniger sein, als der
Durchgangsverkehr auf die bedeutend breiter auszubauende Entlastungsstrasse
über den Gstühlplatz umgeleitet werden soll, also inskünftig nur der
Stadtverkehr südlich der Abzweigung die Bruggerstrasse benützen wird. Der
eigentliche Zweck der Massnahme liegt nach den tatsächlichen Umständen
nicht in erster Linie im Schutz des Verkehrs auf der Bruggerstrasse,
sondern darin, dass der Aufstellung weiterer Fahrzeuge auf öffentlichen
Strassen und Plätzen ganz allgemein entgegengewirkt werden soll, ein Ziel,
das der Gemeinderat inskünftig mit dem Erlass der Bauordnung anstrebt,
in der Absicht, die Last der Parkierungsplätze für Motorfahrzeuge von
der Gemeinde auf den privaten Grundeigentümer abzuwälzen.

    Da sich aus diesen Gründen die Auffassung, das
Gemeindeorganisationsgesetz in Verbindung mit dem kantonalen
Baugesetz enthalte eine gesetzliche Grundlage für die Verweigerung der
Baubewilligung, nicht mit hinreichenden sachlichen Gründen vertreten lässt
und der Entscheid deshalb die Art. 4 BV und Art. 22 KV verletzt, ist der
Entscheid des Regierungsrates und der durch ihn bestätigte Beschluss des
Gemeinderates von Baden aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung,
d.h. zur Erteilung der verlangten Baubewilligung an die kantonale Behörde
zurückzuweisen.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Regierungsrates
des Kantons Aargau vom 3. Oktober 1958 aufgehoben.