Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 85 I 121



85 I 121

20. Urteil vom 26. Juni 1959 i.S. Meier gegen Rekurskommission des
Kantons Aargau. Regeste

    Wehrsteuer:

    1.  Ein Streit darüber, ob eine im Konkurs des Steuerpflichtigen für
die Zeit nach der Konkurseröffnung geltend gemachte Wehrsteuerforderung
begründet und als Masseverbindlichkeit zu qualifizieren sei, ist im
Steuerprozess (Art. 99 ff., Art. 106 ff. WStB) auszutragen.

    2.  Ein Konkursgläubiger ist zur Bestreitung des Steueranspruches und
damit zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde nur dann sachlich legitimiert,
wenn ihm das Anfechtungsrecht der Konkursmasse abgetreten worden ist
(Art. 260 SchKG).

Sachverhalt

    A.- Am 19. Mai 1954 fiel die Lewa AG, Schuhfabrik in Aarau,
in Konkurs. Am 2. Juni 1954 wurde sie zur Wehrsteuer der 7. Periode
(Steuerjahre 1953 und 1954) für Reingewinn und einbezahltes Kapital sowie
Reserven und am 26. April 1955 zur Wehrsteuer der 8. Periode (Steuerjahre
1955 und 1956) für das einbezahlte Kapital eingeschätzt. Das kantonale
Steueramt meldete die Steuerforderungen im Konkurs an, wobei es sie in eine
Konkursforderung - für die Zeit vom 1. Januar 1953 bis zur Konkurseröffnung
- und in eine Forderung an die Masse - für die folgende Zeit bis Ende
Juni 1956, im Betrage von Fr. 443.35 - aufteilte. Die Konkursverwaltung
(Konkursamt) anerkannte die Forderungen.

    Am 2. August 1956 versandte sie die Anzeigen an die Konkursgläubiger
über die Auflegung der Verteilungsliste und der Schlussrechnung. Am
13. August 1956 erhob Notar Paul Meier, Konkursgläubiger und Mitglied
des Gläubigerausschusses, Beschwerde gegen die Konkursverwaltung mit dem
Begehren, die Wehrsteuerforderung für die Zeit seit der Konkurseröffnung
sei aus der Verteilungsliste herauszunehmen, und es sei ihr der Charakter
einer Masseverbindlichkeit abzusprechen.

    B.- Die untere Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs
wies die Beschwerde ab. Die obere kantonale Aufsichtsbehörde hob diesen
Entscheid auf und wies die untere Aufsichtsbehörde an, die Beschwerde als
Einsprache im Sinne des Art. 99 WStB der kantonalen Steuerverwaltung zu
übermitteln. Sie nahm an, über Bestand und Höhe von Masseschulden hätten
nicht die Konkursbehörden, sondern je nach dem Grunde der Schuld die
Zivilgerichte oder die Verwaltungsbehörden, hier die Steuerbehörden, zu
entscheiden. Im Falle, wo die Konkursverwaltung die Steuereinschätzung
nicht angefochten habe, müsse dem einzelnen Konkursgläubiger das
Anfechtungsrecht eingeräumt werden; in diesem Sinne sei eine Lücke
auszufüllen, welche das Gesetz aufweise. Die Einsprachefrist habe für
den Beschwerdeführer mit der Zustellung der Anzeige über die Auflegung
der Verteilungsliste zu laufen begonnen.

    Die kantonale Steuerverwaltung behandelte die ihr übergebene Beschwerde
als Einsprache. Sie trat auf die Einsprache ein, erklärte sie aber für
unbegründet. Die Beschwerde Paul Meiers hiegegen wurde von der kantonalen
Steuerrekurskommission am 28. November 1958 abgewiessen.

    C.- Gegen diesen Entscheid hat Notar Meier
Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben. Er hat beantragt, die
Wehrsteuerforderungen für die Zeit ab 1. Januar 1955 seien gänzlich
unbegründet zu erklären; eventuell sei ihnen der "Massagutscharakter"
abzuerkennen; ebenso sei der Wehrsteuerforderung für die Zeit vom 20. Mai
bis 31. Dezember 1954 dieser Charakter abzusprechen.

    Er erklärt, er sei als Konkursgläubiger und Mitglied des
Gläubigerausschusses zur Beschwerde legitimiert. In der Sache macht er
geltend, der angefochtene Entscheid verletze den Wehrsteuerbeschluss,
insbesondere dessen Art. 12, und Bestimmungen des Schuldbetreibungs-
und Konkursgesetzes.

    D.- Die kantonale Rekurskommission hat beantragt, die Beschwerde als
unbegründet abzuweisen. Die eidgenössische Steuerverwaltung hat zunächst
den gleichen Antrag gestellt.

    E.- Der Instruktionsrichter hat dem Beschwerdeführer, der kantonalen
Rekurskommission und der eidgenössischen Steuerverwaltung Gelegenheit
gegeben, sich noch zu der - im bisherigen Verfahren nicht erörterten -
Frage zu äussern, ob Art. 53 WStB anwendbar sei.

    Der Beschwerdeführer bejaht die Frage und kommt zum Schlusse, dass
die streitigen Steuern nicht geschuldet seien.

    Die eidgenössische Steuerverwaltung beantragt nun gestützt auf Art. 53
WStB, zu erkennen, dass die Lewa AG für die 8. Periode keine Wehrsteuer
schulde, und im übrigen die Beschwerde abzuweisen. Die kantonale
Wehrsteuerverwaltung, deren Bericht die Rekurskommission ohne eigene
Stellungnahme einlegt, teilt offenbar diesen Standpunkt.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Streitig ist, ob die gegenüber der Lewa AG für die Zeit nach
der Konkurseröffnung erhobene Wehrsteuerforderung begründet sei, und ob
sie gegebenenfalls als Konkursforderung in der 5. Klasse zu kollozieren
oder aber als Masseverbindlichkeit aus dem Erlös des zur Konkursmasse
gehörenden Vermögens vorab zu decken sei. Für solche Anstände ist der
im Wehrsteuerrecht vorgesehene Weg der Einsprache und Beschwerde gegen
die Veranlagung gegeben. Auch über die konkursrechtliche Qualifikation
des Steueranspruches ist nach der Rechtsprechung in diesem Verfahren zu
entscheiden, weil sie mit dem Bestand und dem Rechtsgrund der Forderung
zusammenhängt (BGE 75 III 23, 59; 76 III 49; 78 III 174). Das Bundesgericht
als Verwaltungsgericht ist daher zur Beurteilung der Streitigkeit im
vollen Umfange zuständig.

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 103 Abs. 1 OG ist zur Erhebung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde berechtigt, wer in dem angefochtenen
Entscheide als Partei beteiligt war oder durch ihn in seinen
Rechten verletzt worden ist. Die Bestimmung geht davon aus, dass ein
Beschwerdeführer, der durch den Entscheid formell als Partei ausgewiesen
ist, auch die aus der Rechtsstellung fliessende Legitimation in der
Sache selber besitzt. Ist dies ausnahmsweise nicht der Fall, so ist die
Beschwerde ohne weiteres, mangels Legitimation des Beschwerdeführers
zur Sache, abzuweisen (KIRCHHOFER, Die Verwaltungsrechtspflege beim
Bundesgericht, S. 32 ff.; BGE 55 I 342; 60 I 32, 142; 62 I 167).

    Notar Meier ist von der kantonalen Rekurskommission als Partei
behandelt worden. Er war als solche in dem angefochtenen Entscheide
beteiligt und ist daher zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde jedenfalls
formell legitimiert. Er selbst, die kantonalen Behörden und die
eidgenössische Steuerwaltung nehmen an, dass er auch in der Sache
legitimiert sei. Dieser Auffassung kann nicht zugestimmt werden.

Erwägung 3

    3.- Zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen einen Entscheid der
kantonalen Rekurskommission über die Veranlagung zur eidgenössischen
Wehrsteuer ist ein Privater sachlich legitimiert, wenn er berechtigt war,
die Veranlagung durch Einsprache bei der Veranlagungsbehörde und sodann
durch Beschwerde bei der Rekurskommission anzufechten. Nach Art. 99
und 106 WStB hat dieses Recht der durch die Veranlagung belangte
Steuerpflichtige. Der Wehrsteuerbeschluss sieht nicht vor, dass die
Veranlagung auch von einem Privaten, der sich nicht in dieser Stellung
befindet, angefochten werden kann.

    Ist der Steuerpflichtige in Konkurs gefallen, so kann er
allerdings den Steuerprozess nicht selber durchführen. Es ist
dann, jedenfalls zunächst, Sache der durch die Konkursverwaltung zu
vertretenden Konkursmasse, an seiner Stelle dem Fiskus als Prozesspartei
gegenüberzutreten (vgl. BGE 48 III 228 ff.; 75 III 19 ff., 57 ff.; 78 III
172 ff.). Wenn die Konkursverwaltung von den dem Steuerpflichtigen nach
dem Wehrsteuerbeschluss zustehenden Rechtsmitteln nicht Gebrauch macht
oder sie nicht erschöpft und die Forderung des Fiskus anerkennt, so kann
es freilich dazu kommen, dass die (anderen) Konkursgläubiger zu Unrecht
benachteiligt werden. Diese müssen sich gegen eine solche Hintansetzung
zur Wehr setzen können. Wie ihre Interessen zu wahren sind, ergibt sich
aus dem Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz.

    a) Da der Entscheid über Bestand, Umfang und konkursrechtliche
Qualifikation einer im Konkurs eingegebenen Steuerforderung
ausschliesslich den nach den Vorschriften über den Steuerprozess dazu
berufenen Behörden vorbehalten ist, so kann der durch die Zulassung
einer solchen Forderung benachteiligte Konkursgläubiger nicht auf den
Weg der Beschwerde nach Art. 17 SchKG verwiesen werden. Ebensowenig
kann ihm eine Kollokationsklage gegen den Fiskus beim Konkursgericht
gemäss Art. 250 SchKG helfen. Die Rechtsprechung hat dieses Verfahren
selbst für den Fall, wo die Steuerforderung nur als Konkursforderung
qualifiziert werden kann, als unnütze Komplikation erklärt (BGE 48 III
230/1). Erst recht ist es dann ausgeschlossen, wenn die Konkursverwaltung
die Steuerforderung als Masseverbindlichkeit anerkennt, da eine solche
nicht in den Kollokationsplan gehört (BGE 75 III 59).

    b) Die aargauischen Behörden und die eidgenössische Steuerverwaltung
möchten für den Fall, wo die Konkursverwaltung die Rechtsmittel,
die der Wehrsteuerbeschluss dem steuerpflichtigen Gemeinschulder zur
Verfügung stellt, nicht durchführen will, dem einzelnen benachteiligten
Konkursgläubiger die Befugnis zuerkennen, seinerseits ohne weiteres,
gewissermassen aus eigenem Recht, von diesen Behelfen Gebrauch zu
machen. Für ein solches Verfahren lässt aber weder der Wehrsteuerbeschluss
noch das Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz Raum. Es ist mit den
Rechten der Gesamtheit der Konkursgläubiger nicht vereinbar. Ihr steht
ein weitgehendes Selbstverwaltungsrecht zu (Art. 253 Abs. 2 SchKG; vgl.
BGE 61 III 130). Es ist vorab ihre Sache, darüber zu befinden, ob sich die
Konkursmasse entgegen der Stellungnahme der Konkursverwaltung dem Anspruch
des Fiskus widersetzen solle. Erst in zweiter Linie und nur auf Grund einer
Ermächtigung seitens der Konkursmasse kann der einzelne Konkursgläubiger
gegen den Fiskus vorgehen. In der Tat bestimmt Art. 260 SchKG, dass jeder
Konkursgläubiger berechtigt ist, die Abtretung derjenigen Rechtsansprüche
der Masse zu verlangen, auf deren Geltendmachung die Gesamtheit der
Gläubiger verzichtet. Kommt es zu einer solchen Abtretung, so übernimmt der
Zessionar der Masse die ordentlicherweise dieser zukommende Parteirolle
im Prozess. Er führt diesen im Namen der Masse, aber auf eigene Rechnung
und Gefahr.

    c) Art. 260 SchKG hat zwar nach seinem Wortlaut nur Aktivvermögen der
Konkursmasse, also dingliche und persönliche Rechte, die ihr (wirklich oder
vermeintlich) zustehen, im Auge. Er ist aber nach Art. 47 der Verordnung
über die Geschäftsführung der Konkursämter analog anwendbar, wenn es
gilt, einen gegen die Masse erhobenen Aussonderungsanspruch nach Art.
242 SchKG abzuwehren (vgl. BGE 75 III 14 ff.). Ebenso ist er nach der
Rechtsprechung analog anzuwenden, wenn die Konkursverwaltung eine als
Konkursforderung geltend gemachte Steuerforderung anerkennen will,
ohne die dem Belangten nach den Vorschriften über den Steuerprozess
zu Gebote stehenden Rechtsbehelfe zu erschöpfen (BGE 48 III 230/1). Es
rechtfertigt sich, dort gleich vorzugehen, wo die Steuerforderung als
Masseverbindlichkeit geltend gemacht wird; bestehen doch, auch nach der
Auffassung der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts,
ernsthafte Gründe dafür, den Konkursgläubigern die in Art. 260 SchKG
vorgesehenen Rechte ganz allgemein gegenüber irgendwelchen Ansprüchen
einzuräumen, die auf Schmälerung der zur Verteilung gelangenden
Konkursaktiven gerichtet sind.

    d) Freilich hat nach Art. 99 und 106 WStB der Steuerpflichtige,
der Einsprache gegen die Veranlagung oder Beschwerde gegen den
Einspracheentscheid erheben will, eine Frist von 30 Tagen einzuhalten.
Indessen dürfte es in der Regel möglich sein, das Verfahren des Art. 260
SchKG während des Laufs der Frist so rasch durchzuführen, dass auch ein
Zessionar sie noch wahren kann. Wenn eine Gläubigerversammlung nicht oder
nicht früh genug abgehalten werden kann, so kann die Konkursverwaltung
auf dem Zirkularwege vorgehen (vgl. Art. 48 Abs. 2, Art. 49 und 50 der
Konkursverordnung). Sie hat auch die Möglichkeit, bloss vorsorglich, unter
Vorbehalt der Stellungnahme der Konkursgläubiger, Einsprache zu erheben;
das kann sie um so eher tun, als das Einspracheverfahren kostenfrei ist
(Art. 105 Abs. 3 WStB). Sodann kann unter Umständen eine Wiederherstellung
gegen die Folgen einer Fristversäumnis in Frage kommen (Art. 99 Abs. 4,
Art. 106 Abs. 3 WStB). Erlangt die Veranlagung Rechtskraft, so kann
unter bestimmten Voraussetzungen eine Revision begehrt werden (BGE 74 I
105). Auch für diesen Fall kommt die analoge Anwendung des Art. 260 SchKG
in Betracht.

Erwägung 4

    4.- Da eine Abretung des Rechts zur Anfechtung der im
Konkurse der steuerpflichtigen Gesellschaft eingegebenen streitigen
Wehrsteuerforderungen an den Konkursgläubiger Paul Meier unterblieben ist,
fehlt ihm die Sachlegitimation. Dass er Mitglied des Gläubigerausschusses
ist, ändert daran nichts. Es ist nicht etwa dargetan und auch nicht
behauptet, dass er ermächtigt ist, sowohl im Namen der Konkursmasse als
auch auf deren Rechnung und Gefahr gegen den Fiskus vorzugehen. Die von ihm
erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher ohne weiteres abzuweisen.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird im Sinne der Erwägungen abgewiesen.