Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 85 IV 91



85 IV 91

24. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 15. Mai 1959 i.S. Weber
und Konsorten gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen. Regeste

    Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 JVG. Widerrechtliches Giftlegen zu Jagdzwecken,
begangen durch Ausstreuen von mit Glukochloral behandelten Maiskörnern
zur Bekämpfung der Krähenplage in einem Jagdrevier; Begriff des Giftes.

Sachverhalt

    A.- Um der Krähenplage in dem von ihm gepachteten Jagdrevier Löhningen
beizukommen, ersuchte Walter Weber den Franz Stalder, einen Köder aus
mit Glukochloral behandelten Maiskörnern herzustellen, was dieser tat.
Die Krähen sollten durch das so präparierte Futter eingeschäfert und
sodann abgetan werden. Am 13. März 1958 streute Stalder unter Mitwirkung
des Jagdaufsehers Paul Engeli auf Begehren Webers die mit Glukochloral
behandelten Körner an verschiedenen Stellen aus, unter anderem auch an
einem Futterplatz, den Schulkinder für die wegen des starken Schneefalls
hungernden Vögel vom Schnee freigelegt hatten. Ungefähr eine Stunde nachdem
das Köderfutter ausgelegt worden war, begab sich Engeli wiederum zu den
Futterplätzen, um Nachschau zu halten. Auf dem Weg dorthin begegnete er
Schulkindern, die tote Krähen mit sich trugen. Sie hatten die verendeten
Tiere auf den Futterplätzen gefunden, an denen die Maiskörner ausgestreut
worden waren.

    B.- Am 18. November 1958 sprach der Bezirksrichter Oberklettgau Engeli
und Stalder schuldig der Widerhandlung gegen Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 des
Bundesgesetzes vom 10. Juni 1925 über Jagd und Vogelschutz (JVG). Er
legte ihnen zur Last, widerrechtlich zu Jagdzwecken Gift gelegt zu haben,
und bestrafte sie wegen fahrlässiger Tatbegehung mit Bussen von Fr. 20.-
bzw. 60.-. Weber wurde als Anstifter mit Fr. 100.-- gebüsst.

    C.- Alle drei Verurteilten führen Nichtigkeitsbeschwerde mit dem
Antrag, das Urteil des Bezirksrichters sei aufzuheben und die Sache zu
ihrer Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Der Kassationshof zieht in Erwägung:

Erwägung 2

    2.- Gemäss Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 JVG macht sich strafbar, wer zu
Jagdzwecken widerrechtlich Gift legt. Nach Abs. 2 der Bestimmung können
die Kantone ausnahmsweise, unter Aufstellung der nötigen Sicherheits-
und Haftpflichtvorschriften, in den Gebieten mit Pachtjagd den Pächtern
und Jagdaufsehern das Giftlegen zur Vertilgung von Raben- und Saatkrähen,
falls sie in Überzahl auftreten, gestatten.

    Dass der Kanton Schaffhausen allgemein für sein Gebiet oder dem
Beschwerdeführer Weber für das von diesem gepachtete Revier eine solche
Bewilligung erteilt habe, wird nicht geltend gemacht und trifft auch
offensichtlich nicht zu. Dagegen bestreiten die Beschwerdeführer,
mit dem Ausstreuen der mit Glukochloral behandelten Maiskörner Gift
gelegt zu haben. Das Glukochloral sei weder in der "eidgenössischen
Giftliste" noch in derjenigen des Kantons Schaffhausen aufgeführt. Es
sei ein harmloses Schlaf- bzw. Betäubungsmittel, das beispielsweise in
den Kantonen Aargau und Bern mit behördlicher Bewilligung im Kampfe gegen
die Krähenplage verwendet werde.

    Dieser Umstand spricht keineswegs gegen den Giftcharakter des
Glukochlorals. Vielmehr lässt die Tatsache, dass die erwähnten Kantone
es für notwendig erachteten, die Verwendung des besagten Stoffes zum
Gegenstand besonderer Bewilligungen zu machen, darauf schliessen, dass
es sich um mehr als nur ein harmloses Schlaf- oder Betäubungsmittel
handelt. Tatsächlich bezeichnet denn auch die Forstdirektion des
Kantons Bern in ihrer die Verwendung des Glukochlorals betreffenden
Gebrauchsanweisung vom 14. Februar 1953 das mit dieser Substanz behandelte
Futter als Giftfutter. Dass das Glukochloral in der regierungsrätlichen
Verordnung des Kantons Schaffhausen vom 11. März 1914 betreffend
den Verkauf von Giften, Arzneimitteln usw. nicht aufgeführt ist und
auch vom Bundesrat in der von ihm im Rahmen der Verordnung I über die
Unfallversicherung vom 25. März 1916 zusammengestellten "Giftliste"
nicht genannt wird, ist ohne Belang. Die Frage, ob Glukochloral ein
Gift im Sinne des Art. 43 Ziff. 1 JVG sei, ist ausschliesslich auf Grund
dieses Gesetzes zu beantworten. Da Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 JVG das Jagen
mit nicht weidgerechten, insbesondere tierquälerischen Mitteln verbieten
will, entspricht es dem Zweckgedanken dieser Bestimmung, jede organische
oder anorganische Substanz als Gift zu behandeln, die bei Aufnahme
durch das Wild bereits in verhältnismässig geringen Mengen zu einer so
erheblichen Störung der chemischen und chemischphysikalischen Vorgänge
im Organismus des Tieres führen kann (vgl. DETTLING/SCHÖNBERG/SCHWARZ,
Lehrbuch der gerichtlichen Medizin 1951, S. 395; REUTER, Lehrbuch der
gerichtlichen Medizin, 1933, S. 490), dass dieses darob Schmerzen erleidet
oder eingeht. Ob eine Substanz diese Eignung hat, ist im einzelnen Fall
auf Grund ihrer Qualität und Quantität, sowie der Art und des körperlichen
Zustandes des Tieres zu entscheiden, dem der betreffende Stoff beigebracht
wird.

    Nach dem vom Bezirksrichter eingeholten Gutachten des
gerichtlich-medizinischen Institutes der Universität Zürich ist das
Glukochloral ein nicht rezepturpflichtiges Schlafmittel, das indessen
bereits in Mengen von 2-4 gr beim Menschen tödliche Vergiftungen
herbeiführen kann und bei Tieren wie Katzen, Hunden, Kaninchen usw. in
Dosen von 80-600 mg/Körperkilogramm mässige Giftwirkungen (motorische
Unruhe, Gleichgewichtsstörungen, Behinderung der Atmung usw.) zeitigt. Bei
Vögeln treten nach Auffassung des Gutachters aller Wahrscheinlichkeit
nach ähnliche Wirkungen ein. Ob die Tiere dabei Schmerzen empfinden,
ist dem Bericht nicht zu entnehmen. Dagegen steht ausser Zweifel, dass -
was auch die von den Beschwerdeführern im kantonalen Verfahren eingelegten
Meinungsäusserungen des bernischen Gerichtschemikers Dr. Gerber und des
Inhabers der Klosterapotheke in Muri bestätigen - eine Überdosierung des
Glukochlorals tödlich wirkt. Dass hiezu bei Krähen nur verhältnismässig
geringe Mengen nötig sind, lässt sich anhand der bereits genannten Zahlen
ermessen. Eine solche Überdosierung kann jedoch bei Vögeln gerade im
Winter dadurch eintreten, dass sie wegen der Kälte und des Schnees nur
wenig Nahrung finden und sich daher in ausgehungertem Zustand auf das
Köderfutter stürzen; denn die Aufnahme des darin enthaltenen Wirkstoffes
steigt mengenmässig mit der dem Hunger entsprechenden Futteraufnahme.

    Nach der verbindlichen Feststellung des Bezirksrichters sind die
auf den Futterplätzen tot aufgefundenen Krähen infolge der Wirkung des
Glukochlorals eingegangen. Da eine Überdosierung bei der Herstellung des
Köderfutters selber nicht nachgewiesen ist, kann der Grund dafür, dass
die Vögel zugrunde gingen, nur darin liegen, dass der mit Glukochloral
behandelte Mais in entsprechend grossen Mengen ausgestreut wurde und die
ausgehungerten Tiere mangels ständiger Überwachung der Futterplätze durch
die Beschwerdeführer mehr als die eine blosse Einschläferung bewirkende
Dosis der Substanz aufnehmen konnten.

    Damit aber steht zweifelsfrei fest, dass ihnen im Sinne von Art. 43
Ziff. 1 Abs. 1 JVG Gift gelegt wurde.