Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 85 IV 217



85 IV 217

57. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 23. Dezember 1959
i.S. Schwegler gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern. Regeste

    Art. 163 Ziff. 1 Abs. 1 und 3 StGB. Durch die fälschliche Bezeichnung
eines dem Gemeinschuldner gehörenden Vermögensstückes als Dritteigentum
wird das Schuldnervermögen zum Scheine vermindert.

Sachverhalt

    A.- Am 13. Dezember 1955 wurde über Schwegler der Konkurs
eröffnet. Anlässlich der Aufnahme des Inventars über das zur
Konkursmasse gehörende Vermögen bezeichnete Schwegler ein von ihm bei
der Pfandleihanstalt Luzern versetztes Gemälde im Schatzungswert von
Fr. 600.-- als Eigentum der Firma Desinfecta. Tatsächlich gehörte das
Bild, das entsprechend seinen Angaben vom Konkursamt im Inventar als
Dritteigentum vorgemerkt wurde, ihm selber.

    Am 10. Januar 1956 wurde der Konkurs mangels Aktiven eingestellt. Die
Firma Desinfecta wurde daher vom Konkursamt weder aufgefordert, ihre
Ansprüche auf das Bild geltend zu machen, noch wurde ihr eine Frist gesetzt
zur Anhebung der Widerspruchsklage. Aus demselben Grund unterblieb auch
eine Verwertung des Bildes.

    B.- Am 20. Oktober 1959 verurteilte das Obergericht des Kantons Luzern
Schwegler unter anderem wegen vollendeten Versuches des betrügerischen
Konkurses zu vier Monaten Gefängnis, bedingt aufgeschoben mit einer
Probezeit von drei Jahren.

    C.- Schwegler führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil
des Obergerichtes sei insoweit aufzuheben, als es ihn wegen versuchten
betrügerischen Konkurses bestrafe, und die Sache sei zu neuer Entscheidung
an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Der Kassationshof zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 163 Ziff. 1 Abs. 1 und 3 StGB macht sich strafbar,
wer als Schuldner im Konkurs zum Nachteil der Gläubiger sein Vermögen
zum Scheine vermindert, namentlich Vermögensstücke beiseiteschafft oder
verheimlicht, Schulden vortäuscht, vorgetäuschte Forderungen anerkennt oder
deren Geltendmachung veranlasst oder, besonders durch falsche Buchführung
oder Bilanz, einen geringeren Vermögensbestand vorspiegelt.

    Der Beschwerdeführer macht geltend, die Auffassung der Vorinstanz,
wonach die fälschliche Bezeichnung eines vom Konkursamt inventarisierten
Vermögensgegenstandes als Dritteigentum ein Verheimlichen von
Vermögensstücken sei, widerspreche dem Wortsinn dieses Ausdruckes. Unter
Verheimlichen von Vermögensstücken könne nur das Verschweigen eines
Gegenstandes verstanden werden, von dessen Existenz der interessierte
Dritte nichts wisse. Das Konkursamt habe jedoch vom fraglichen Bild
Kenntnis gehabt und es im Konkursinventar vorgemerkt. Die ihm zur Last
gelegte Tat falle aber auch nicht unter die andern in Art. 163 Ziff. 1
Abs. 3 StGB genannten Handlungen. Der Strafgesetzgeber habe mit dieser
Bestimmung nur solche Handlungen unter Strafe stellen wollen, durch die
den Gläubigern ein irreparabler oder doch praktisch nicht abwendbarer
Schaden zugefügt werde. Das sei nicht der Fall, wenn der Schuldner ein
ihm gehörendes Vermögensstück als Dritteigentum bezeichne, weil der oder
die Gläubiger hier die Möglichkeit hätten, den Drittanspruch zu bestreiten
und sich somit selber Recht zu verschaffen.>

    a) Die Vorinstanz hat den Beschwerdeführer wegen versuchten
betrügerischen Konkurses bestraft, ohne in der einschlägigen Erwägung
ausdrücklich zu sagen, unter welche der in Art. 163 Ziff. 1 Abs. 3
StGB genannten Handlungen die inkriminierte Tat falle. Aus ihren in
anderem Zusammenhang gemachten Ausführungen lässt sich jedoch entnehmen,
dass sie möglicherweise in der fälschlichen Bezeichnung des Bildes als
Dritteigentum ein Verheimlichen von Vermögensstücken erblickte. Ob diese
Auffassung vor dem Gesetz standhielte, erscheint fraglich. Art. 163 StGB
spricht ausdrücklich vom Verheimlichen von "Vermögensstücken". Darunter
sind jedenfalls nach allgemeinem Sprachgebrauch zu einem Vermögen
gehörende Gegenstände, Sachen zu verstehen. Diesen ohne weiteres auch
dingliche Rechte zuzuzählen - und im vorliegenden Falle geht es bloss
um ein solches Recht, das Eigentum am Gemälde -, verstände sich daher
nicht von selbst. Die Frage braucht jedoch nicht entschieden zu werden,
weil es beim angefochtenen Urteil selbst dann sein Bewenden haben müsste,
wenn die Auffassung der Vorinstanz in diesem Punkt unrichtig wäre.

    b) Die Bezeichnung eines tatsächlich dem Gemeinschuldner gehörenden
Vermögensstückes als Dritteigentum ist in jedem Falle als scheinbare
Vermögensverminderung anzusprechen [vgl. GERMANN, Das Verbrechen,
S. 296; SCHWANDER, Jur. Kartothek, Karte 1128 Nr. 5 (3)]. Denn durch die
falsche Angabe spiegelt der Schuldner einen geringeren Vermögensbestand
vor, als der Wirklichkeit entspricht. Dass die Gläubiger, zu deren
Nachteil solches geschieht, die Möglichkeit haben, den Drittanspruch
zu bestreiten und sich auf diese Weise Recht zu verschaffen, ändert
am Gesagten nichts. Die Auffassung, dass Art. 163 Ziff. 1 Abs. 3 StGB
nur Handlungen mit Strafe bedrohe, durch welche den Gläubigern ein
irreparabler oder praktisch unabwendbarer Schaden zugefügt werde, findet
im Gesetz keine Stütze. Zwar trifft zu, dass das Verhalten Schweglers
wegen der Möglichkeit der Bestreitung des vorgetäuschten Anspruchs
durch die Gläubiger weniger schwer wiegt als das Beiseiteschaffen oder
Verheimlichen von Vermögensgegenständen, das die Gläubiger in der Regel
ausserstande setzt, ihre Rechte zu wahren, weil sie von der Existenz der
fraglichen Vermögensstücke nichts wissen. Würde Art. 163 Ziff. 1 Abs. 3
StGB in Anschluss an den allgemein umschriebenen Tatbestand der zum Scheine
vorgenommenen Vermögensverminderung bloss diese Beispiele anführen, dann
könnte sich die Frage stellen, ob Fälle wie der vorliegende nicht von der
Anwendung der Bestimmung auszunehmen seien. Indessen erwähnt das Gesetz
ausser dem Beiseiteschaffen oder Verheimlichen von Vermögensstücken
auch das Vortäuschen von Schulden und die Anerkennung vorgetäuschter
Forderungen, also Handlungen, die mit den dem Beschwerdeführer zur Last
gelegten gerade darin übereinstimmen, dass die Gläubiger hier wie dort die
Möglichkeit haben, den unlauteren Machenschaften des Schuldners wirksam
entgegenzutreten. Zunächst ist es die Konkursverwaltung, die über die
Zulassung von Forderungen und Eigentumsansprüchen Dritter befinden und
diese in Wahrung der Gläubigerinteressen bestreiten kann (Art. 242, 244/5,
ferner Art. 249 Abs. 3 und Art. 250 Abs. 2 erster Satz SchKG). Sodann
steht es den Gläubigern selber zu, gegen eine von der Konkursverwaltung
zugelassene Forderung oder einen von dieser und der Gläubigerversammlung
anerkannten Eigentumsanspruch Widerspruch zu erheben (Art. 250 Abs. 2
zweiter Satz, Art. 260 SchKG, Art. 47, Art. 52 KV). Wenn der Gesetzgeber
das Vortäuschen von Schulden und die Anerkennung vorgetäuschter Forderungen
trotz jener hiegegen gegebenen Rechtsbehelfe ausdrücklich unter Strafe
gestellt hat, so geschah das deswegen, weil die Nachteile, welche den
Gläubigern aus solchen Machenschaften des Schuldners erwachsen können,
von diesen bzw. der Konkursverwaltung nur im Wege des Prozesses und
damit unter Übernahme von Kostenrisiken abgewendet werden können. Wegen
dieses Kostenrisikos besteht die Gefahr, dass eine Bestreitung überhaupt
unterbleibt mit der Wirkung, dass die Gläubiger insgesamt um einen
Wert in Höhe der vorgetäuschten Forderung geprellt sind. Lassen sich
dennoch Gläubiger herbei, als Zessionare gemäss Art. 260 SchKG sich
mit dem Gläubiger der vorgetäuschten Forderung auseinanderzusetzen,
so bleiben immer noch die das Kostenrisiko scheuenden und deshalb auf
einen Widerspruch verzichtenden Gläubiger benachteiligt (Art. 260 Abs. 2
SchKG). Was jedoch für den Fall des Vortäuschens von Schulden oder der
Anerkennung vorgetäuschter Forderungen gilt, trifft gleicherweise auf das
Vorspiegeln von Dritteigentum an Vermögensstücken zu, die der Befriedigung
der Gläubiger zu dienen bestimmt sind. Es ist daher nicht einzusehen,
warum der Gemeinschuldner nur in jenem, nicht aber auch in diesem Falle
unter die Strafdrohung des Art. 163 StGB fallen sollte, ist doch sein
Verhalten hier grundsätzlich nicht weniger strafwürdig als dort. Der
Umstand, dass das Gesetz das Vortäuschen von dinglichen Drittrechten nicht
ausdrücklich aufführt, zwingt zu keinem andern Schluss. Abgesehen davon,
dass die Aufzählung der Beispiele in Art. 163 Ziff. 1 Abs. 3 StGB keine
abschliessende ist, ist der Tatbestand der scheinbaren Verminderung des
Schuldnervermögens in seiner allgemeinen Umschreibung so weit gefasst, dass
für Handlungen, wie sie sich der Beschwerdeführer zuschulden kommen liess,
sowohl hinsichtlich des Wortlautes als des Sinnes der Bestimmung Raum ist.