Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 85 IV 211



85 IV 211

55. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 13.November 1959
i. S. Gelser gegen Generalprokurator des Kantons Bern. Regeste

    Art. 277 ter Abs. 2 BStP. Die im Rückweisungsentscheid erteilten
Weisungen binden auch den Kassationshof, nicht nur die kantonale
Behörde; sie können mit der gegen das neue kantonale Urteil gerichteten
Nichtigkeitsbeschwerde nicht mehr angefochten werden, auch nicht, wenn
inzwischen die Rechtsprechung geändert wurde.

Auszug aus den Erwägungen:

    Nach Art. 277 ter Abs. 2 BStP muss die kantonale Behörde, an die
der Kassationshof auf Nichtigkeitsbeschwerde hin die Sache zu neuer
Entscheidung zurückweist, dem neuen Urteil die rechtliche Begründung der
Kassation zugrundelegen. Die Entscheidung des Bundesgerichts wird gemäss
Art. 38 OG mit der Ausfällung rechtskräftig, und an der Rechtskraft
nehmen deshalb auch die Weisungen teil, die der kantonalen Instanz im
Entscheid erteilt werden. Daraus folgt, dass die Weisungen nicht nur
die kantonale Behörde, sondern auch das Bundesgericht selber binden. Der
Kassationshof kann daher, wenn gegen das neue Urteil der kantonalen
Behörde Nichtigkeitsbeschwerde geführt wird, auf seine Weisungen nicht mehr
zurückkommen; insoweit hat er das neue Urteil nur daraufhin zu überprüfen,
ob es im Rahmen der erteilten Weisungen bleibt.

    Eine Ausnahme ist auch dann nicht zu machen, wenn das Bundesgericht
nach Ausfällung eines Rückweisungsentscheides, aber bevor das neue Urteil
der kantonalen Behörde rechtskräftig geworden ist, in einem anderen Falle
die gleiche Rechtsfrage anders enscheidet. Könnte der Kassationshof,
wenn er durch Nichtigkeitsbeschwerde gegen das neue Urteil der kantonalen
Behörde ein zweites Mal mit der Sache befasst wird, eine Änderung der
Rechtsprechung berücksichtigen, so würde dies auf eine revisio in iure
hinauslaufen, was selbst bei denjenigen Bundesgerichtsentscheidungen, die
der Revision unterliegen, nicht zulässig ist (Art. 136 und 137 OG; Art. 229
und 230 BStP). Umso weniger kann in Frage kommen, dass Entscheidungen
des Kassationshofes, die im Strafpunkt der Revision überhaupt nicht
zugänglich sind (BGE 80 IV 143), einer neuen rechtlichen Überprüfung
unterzogen werden.