Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 85 II 603



85 II 603

83. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 18. Dezember 1959
i. S. H. gegen L. und Konsorten. Regeste

    Anfechtung eines Erbteilungsvertrages (Art. 634/638 ZGB).

    Zur Geltendmachung der Unverbindlichkeit eines solchen Vertrages wegen
Willensmängel ist ein der Erbengemeinschaft nicht angehörender Zessionar
eines Erbanteils nicht befugt, namentlich auch nicht zur gerichtlichen
Auseinandersetzung hierüber mit den andern Erben. Art. 609 Abs. 1 und Art.
635 Abs. 2 ZGB, Art. 23 ff. OR (Erw. 2).

    Herabsetzungsklage (Art. 522 ff. ZGB).

    Klagerecht eines solchen aussenstehenden Zessionars? (Erw. 3).

Sachverhalt

                     Aus dem Tatbestand:

    A.- Die am 1. Mai 1956 verstorbene Frau Ida H.-K.  hinterliess als
gesetzliche Erben ihren Ehemann Karl H. und ihre vier Geschwister, die
heutigen Beklagten. In einem Testament hatte sie zunächst festgestellt,
dass die von ihr im Jahr 1937 für Fr. 20'700.-- gekaufte Liegenschaft,
die auf ihren Namen eingetragen blieb, nach übereinstimmender Ansicht
der Eheleute Frauengut sei. Im übrigen hatte sie im Testament verfügt,
ihr Nachlass solle zu einem Viertel an ihren Ehemann und zu drei Vierteln
zu freiem Eigentum, ohne Nutzniessung des Ehemannes, zu gleichen Teilen
an ihre Geschwister fallen.

    B.- Im Erbteilungsvertrag vom 19. Juni 1956 wurde die erwähnte
Liegenschaft in die Teilung einbezogen. Man nahm einen Verkauf zu
Fr. 250'000.-- bis 260'000.-- in Aussicht; der Preis sollte nach Abzug
der Gewinnsteuer im Verhältnis von einem zu drei Vierteln zwischen dem
Ehemann und den Geschwistern der Erblasserin verteilt werden. Indessen
liess sich nur ein Preis von Fr. 198'000.-- erzielen. Der Ehemann Karl
H. stimmte einem solchen Verkauf unter der (von den Beklagten angenommenen)
Bedingung zu, dass sein Viertelsanteil auf Grund des "Wunschpreises"
von Fr. 250'000.-- berechnet werde. Er erhielt den so berechneten Anteil
ausbezahlt.

    C.- Eine Tochter Karl H.s aus erster Ehe, die heutige Klägerin,
erfuhr von diesen Teilungsabreden. Karl H. trat ihr seine Ansprüche am
Nachlass seiner Ehefrau ab, insbesondere den Anspruch auf Anfechtung
des Teilungsvertrages. In einer gemeinsamen Erklärung an die Beklagten
bezeichneten sie die Abreden wegen Grundlagenirrtums, absichtlicher
Täuschung und Drohung als unverbindlich.

    D.- Die Zessionarin erhob Klage auf Feststellung dieser
Unverbindlichkeit, ferner auf Feststellung, dass die Liegenschaft nicht zum
Nachlass gehöre, auf Einbeziehung einer Forderung der Erblasserin gegen
den Beklagten Nr. 4 in den Nachlass, auf Herabsetzung der im Testament
zu Gunsten der Beklagten getroffenen Verfügungen auf das erlaubte Mass
und auf Verpflichtung der Beklagten zur Rückerstattung dessen, was sie
über dieses Mass hinaus empfangen hätten.

    E.- Das Bezirksgericht wies die Klage ab, weil Unverbindlichkeit des
Teilungsvertrages nicht erwiesen und beim Abschluss dieses Vertrages auf
Herabsetzungsansprüche stillschweigend verzichtet worden sei.

    F.- Vor Obergericht erhob die Klägerin die neue Einwendung, ihr Vater
sei beim Abschluss der Teilungsabreden wegen vorzeitiger Altersschwäche
nicht urteilsfähig gewesen. Die Beklagten bestritten dies, das Obergericht
behaftete aber die Klägerin bei ihrem neuen Vorbringen und erklärte, die
behauptete Urteilsunfähigkeit müsse auch die Abtretung der Ansprüche an
sie ungültig machen; daher fehle ihr die auf diese Abtretung gestützte
Klagelegitimation.

    G.- Mit vorliegender Berufung an das Bundesgericht hält die Klägerin
an den Begehren der Klage fest.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- (Rechtsbegehren).

Erwägung 2

    2.- Ob die Aktivlegitimation der Klägerin aus dem vom Obergericht aus
ihren eigenen Vorbringen abgeleiteten Grund ohne weiteres verneint werden
durfte, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls steht der Zessionarin des
Karl H. das Klagerecht deshalb nicht zu, weil ihr als Nichterbin das Recht
zur gerichtlichen Verfechtung der in Frage stehenden Ansprüche überhaupt
nicht durch Abtretung seitens eines Erben übertragen werden konnte.

    Ein nicht zur Erbengemeinschaft gehörender Dritter, der sich einen
Erbanteil abtreten lässt, wird damit nicht zum Miterben. Er erwirbt
kein Recht auf Mitwirkung bei der Teilung, sondern nur einen Anspruch
auf das Treffnis, das dem Abtretenden aus der Teilung zugewiesen wird
(Art. 635 Abs. 2 ZGB). Zu seinem Schutze kann er lediglich die Mitwirkung
der nach kantonalem Rechte zuständigen Behörde bei der Teilung gemäss
Art. 609 Abs. 1 ZGB verlangen. Dieser Behörde liegt es alsdann ob, für die
Zuweisung des dem betreffenden Erben wirklich gebührenden Erbbetreffnisses
zu sorgen. Es ist allgemein anerkannt, dass als "Gläubiger" im Sinne des
Art. 609 Abs. 1 ZGB auch der Zessionar eines Erbanteils zu gelten hat, so
dass Art. 635 Abs. 2 ZGB durch jene andere Norm ergänzt wird (vgl. TUOR,
N. 9, und ESCHER, N. 10, zu Art. 609 ZGB; CANOVA, Die amtliche Mitwirkung
bei der Erbteilung, S. 30 ff.).

    Der aussenstehende Erwerber eines Erbanteils ist demgemäss auch nicht
befugt, einen angeblich darin enthaltenen, von den Miterben bestrittenen
Anspruch gegen sie gerichtlich geltend zu machen. Er ist darauf angewiesen,
die zuständige Behörde um Einleitung und Durchführung gerichtlicher
Massnahmen zu ersuchen. Ob solches Vorgehen gerechtfertigt sei, hat die
Behörde nach ihrem Ermessen, unter Vorbehalt allfälliger Rechtsmittel,
zu entscheiden. Entspricht sie dem Gesuche, so erfolgt die Prozessführung
auf Rechnung und Gefahr des Gesuchstellers (BGE 63 II 231 ff.; vgl. auch
BGE 71 III 99 ff., 80 III 117 ff.). Insbesondere kann ein Aussenseiter
sich nicht von einem Erben ermächtigen lassen, in eigenem Namen alle zur
Verwirklichung eines Rechtes erforderlichen Handlungen vorzunehmen. Das
wäre eine von Art. 635 Abs. 2 ZGB im Interesse der ganzen Familie, also
namentlich der andern Erben, verpönte Einmischung. Die Abtretungserklärung
ist ungültig, soweit sie sich nicht an diese gesetzlichen Schranken hält.

    Das Gesagte gilt nun auch für die Anfechtung eines bereits
abgeschlossenen (und, wie hier, vollzogenen) Erbteilungsvertrages nach
Art. 638 ZGB. Über dessen Verbindlichkeit haben sich die andern Erben mit
einem aussenstehenden Anteilserwerber ebensowenig auseinanderzusetzen wie
über die Teilung selbst. Die Erklärung, sich wegen Willensmängel nicht an
den "Verteilungs-Vertrag" und die anschliessenden Teilungsabreden halten zu
wollen, hat zwar neben der Klägerin auch der Abtretende abgegeben. Es lässt
sich also der Klägerin nicht etwa entgegenhalten, bereits jene Erklärung
sei nicht von dem nach Art. 23 ff. OR hiezu einzig befugten Vertragspartner
ausgegangen (vgl. BGE 84 II 367/68). Die gerichtliche Geltendmachung der
Unverbindlichkeit, um eine neue Teilung herbeizuführen und die Beklagten
zur Rückerstattung eines Teils der gemäss den angefochtenen Vereinbarungen
bezogenen Treffnisse zu verpflichten, steht jedoch nach den dargelegten
erbrechtlichen Grundsätzen ebenfalls nur dem abtretenden Erben selbst
oder aber der vom Erwerber seines Anteils angerufenen Behörde zu. Eine
selbständige Klage der Zessionarin ist somit nicht zulässig.

Erwägung 3

    3.- So verhält es sich nicht nur mit der eigentlichen Anfechtung der
Teilungsabreden gemäss dem Begehren 3, sondern auch mit den im Begehren
1 enthaltenen Anträgen auf (neue) Feststellung des Nachlasses und (den
Teilungsabreden zuwiderlaufende) Ausscheidung der erwähnten Liegenschaft
aus diesem Nachlasse. Das gleiche Schicksal trifft den ebenfalls im
Begehren 1 enthaltenen Antrag auf Einbeziehung einer Forderung der
Erblasserin von Fr. 20'000.-- gegen den Beklagten Nr. 4. Dabei macht
es für die Klageberechtigung keinen Unterschied aus, ob man es mit
einem aus Versehen bisher nicht berücksichtigten Nachlassgut zu tun
habe (sog. zusätzliche oder Nach- Teilung), oder ob es sich um eine an
und für sich durch schenkungsweisen Erlass erloschene Forderung der
Erblasserin handle, die lediglich "gemäss Art. 527 Ziffer 3 in den
Nachlass einzubringen" wäre, laut S. 8 der Klageschrift. Denn auch
im letztern Fall konnte das Klagerecht nicht durch Einzelnachfolge,
eben durch Abtretung, auf die der Erbengemeinschaft nicht angehörende
Klägerin übertragen werden (vgl. ESCHER, 3. Auflage, N. 5 der
Einleitung zu den Art. 522-533 ZGB). Bei dieser Sachlage kann offen
bleiben, ob nicht durch den "Verteilungs-Vertrag" stillschweigend auf
jegliche Herabsetzungsansprüche unter den Miterben verzichtet wurde,
ganz abgesehen davon, dass offenbar nach allgemeiner Auffassung
der Beteiligten keiner der Erben weniger als den ihm zukommenden
Pflichtteil erhielt. Was das besondere Herabsetzungsbegehren 2 und das
daran anknüpfende Leistungsbegehren 4 betrifft, so ist übrigens nicht
einzusehen, worin die "im Testament ... zugunsten der vier Beklagten
getroffenen Zuwendungen" bestehen sollen. Die von der Testatorin verfügte
Zuweisung in Bruchteilen entspricht genau den gesetzlichen Erbteilen des
Ehegatten und der Geschwister. Der Nutzniessungsanspruch des Ehegatten
nach Art. 462 Abs. 2 ZGB geniesst keinen Pflichtteilsschutz (Art. 471
Ziff. 4 ZGB). Die ferner im Testament enthaltenen güterrechtlichen
Feststellungen aber haben keinen Verfügungscharakter. Übrigens ist die
in Frage stehende Liegenschaft zum Vermögen der Erblasserin gerechnet und
keineswegs ihm entfremdet worden. Nach den eigenen Vorbringen der Klägerin
kann in Wahrheit von einer der Herabsetzung unterliegenden Verfügung
der Erblasserin über diese Liegenschaft nicht die Rede sein. Wenn,
wie behauptet wird, Karl H. bei der Abrechnung über den Erlös, trotz
der ihm eingeräumten Vorzugsbehandlung, wegen angeblicher fiduziarischer
Vereinbarungen unter den Ehegatten zu kurz gekommen sein sollte, so kann
darin nur allenfalls eine Vermögensentäusserung seinerseits liegen, die
im gegenwärtigen Erbfall unmöglich Gegenstand einer Herabsetzungsklage
bilden kann.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des
Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 30. Juni 1959 bestätigt.