Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 85 II 580



85 II 580

80. Urteil der II. Zivilabteilung vom 19. November 1959 i.S. Blanche
Neige SA gegen Melchtry. Regeste

    Eine neben der Berufung eingereichte staatsrechtliche Beschwerde
wegen willkürlicher Beweiswürdigung ist grundsätzlich zuerst zu
beurteilen. Erheben sich aber Zweifel darüber, ob die mit der Beschwerde
angefochtene tatsächliche Feststellung wesentlichsei, so kann darüber
vorweg im Berufungsverfahren entschieden werden. Art. 57 Abs. 5 OG
(Erw. 2 und 5).

    Unter welchen Voraussetzungen wird der Garagist, der den Wagen im
Vertrauen auf betrügerische Angaben dem Kunden ohne Bezahlung seiner
Reparaturrechnung herausgab, wieder retentionsberechtigt, wenn der Kunde
ihm den Wagen zurückbringt? Art. 895 ff. ZGB (Erw. 3).

    Gehen die Rechte des Dritten, der den Wagen dem Kunden unter
Eigentumsvorbehalt verkauft hatte, dem Retentionsrecht des Garagisten vor,
wenn dieser beim Empfang des Wagens den Eigentumsvorbehalt kannte? Art. 895
Abs. 3 in Verbindung mit Art. 714 und 933 ff. ZGB (Erw. 4).

Sachverhalt

    A.- Die Firma Blanche Neige (jetzt SA) in Lausanne verkaufte dem bei
ihr als Reisevertreter angestellten, in Biel wohnhaften Hermann Schütz am
22. Juni 1956 ein Auto Opel-Rekord zum Preise von Fr. 4'300.--, zahlbar
in wöchentlichen Raten von Fr. 100.--, unter Eigentumsvorbehalt bis zur
vollständigen Bezahlung des Preises. Der Eigentumsvorbehalt wurde am
27. des gleichen Monats im Register des Betreibungsamtes Biel eingetragen.

    B.- Im Juli 1956 hatte Schütz auf einer Geschäftsreise im Wallis bei
Turtmann einen Unfall, wobei der Wagen beträchtlich beschädigt wurde. Man
verbrachte den Wagen in die dortige Garage des Hans Meichtry, der die
Schäden zum Teil selber behob und die Instandstellung im übrigen der Firma
Métalléger SA in Siders übertrug. Daraus ergaben sich zwei Rechnungen
von Fr. 578.50 und Fr. 2'669.85.

    C.- Am 4. August 1956 wollte Schütz den wieder instand gestellten
Wagen bei Meichtry abholen. Er erklärte diesem, die Firma Blanche
Neige, seine Arbeitgeberin, werde die Reparaturen bezahlen, und gab
Meichtry als Ausweis das Formular eines Bestellscheins aus seinem
Bestellungsbuch mit dem Firmenaufdruck. Meichtry sah deshalb von der
Geltendmachung seines Retentionsrechtes ab und gab Schütz den Wagen
heraus. Die Reparaturrechnung, die er der Firma Blanche Neige zustellte,
kam jedoch zurück mit dem Bemerken, Schütz habe für diese Kosten selber
aufzukommen. Ebenso schickte die Firma Blanche Neige am 12. September
1956 die ihr von der Métalléger S.-A. zugesandte Rechnung zurück mit
folgendem Begleitbrief:

    "... Nous vous retournons ce document en précisant que la voiture en
question ne nous appartient plus, mais a été vendue au mois de juin à M.
Hermann Schütz. ..

    M. Schütz, en sa qualité de propriétaire du véhicule, est responsable
de son entretien et notre maison n'a pas à intervenir dans le règlement
de ses factures.

    Vous voudrez bien liquider cette affaire directement avec l'intéressé."

    D.- Da Schütz die Rechnung nicht beglich, fühlte Meichtry sich
um sein Retentionsrecht betrogen und erstattete Strafanzeige gegen
ihn. Schütz brachte auf Anraten seines Anwaltes am 11. Februar 1957
den Wagen in die Garage von Meichtry zurück, um dessen Retentionsrecht
wiederherzustellen. Er wurde aber gleichwohl durch Urteil des Kreisgerichts
Leuk vom 12. November 1957 wegen Betruges zu einer Gefängnisstrafe von
zwei Monaten unter Gewährung des bedingten Vollzuges verurteilt.

    E.- In einer gegen Schütz in Biel angehobenen ordentlichen Betreibung
wurde Meichtry an eine Lohnpfändung angeschlossen. In der Pfändungsurkunde
vom 25. Januar 1957 ist vermerkt: "Der Wagen gehört dem Arbeitgeber".

    Mit Berufung auf das Retentionsrecht leitete Meichtry anfangs Mai
1957 gegen Schütz in Leuk eine Betreibung auf Pfandverwertung ein.

    F.- Am 7. Juni 1957 erwirkte indessen die Firma Blanche Neige eine
Verfügung des Instruktionsrichters des Bezirkes Leuk, wonach Meichtry
angewiesen wurde, ihr den Wagen gegen Hinterlegung von Fr. 4'000.--
bei Gericht herauszugeben "mit der Auflage an die Firma Blanche Neige,
dass der Wagen bis zum Endurteil des Haupthandels nicht weiterveräussert
werden darf".

    G.- Die am 15. Juni 1957 von der Firma Blanche Neige beim nämlichen
Richter angehobene Klage gegen Meichtry ging auf Feststellung, dass
dem Beklagten kein Retentionsrecht an ihrem Wagen zustehe, ferner auf
Herausgabe des Wagens und auf Schadenersatz im Betrag von Fr. 30.- pro
Tag seit 15. Januar 1957 bis zur Auslieferung. Der Beklagte widersetzte
sich diesen Begehren und verlangte durch Widerklage die Feststellung
seines Retentionsrechtes und die Verurteilung der Klägerin zur Bezahlung
der Reparaturkosten sowie der Einzugs- und Betreibungskosten und einer
Vergütung für die Garagierung des Wagens, zusammen Fr. 3'430.75, nebst
Zinsen.

    In ihren Schlusseingaben an das mit Rücksicht auf den Streitwert
von mehr als Fr. 4'000.-- mit der Angelegenheit befasste Kantonsgericht
passten die Parteien ihre Rechtsbegehren dem durch die Herausgabe des
Wagens an die Klägerin und die von dieser geleistete Barhinterlage
veränderten Sachstand an.

    H.- Mit Urteil vom 20. Februar 1959 hat das Kantonsgericht Wallis die
Begehren der Klägerin abgewiesen, dagegen die Widerklage gutgeheissen und
festgestellt, dass Hans Meichtry am Wagen bezw. an der Barhinterlage von
Fr. 4'000.-- ein Retentionsrecht habe und sich aus dieser Summe bezahlt
machen könne für die Reparaturkosten von Fr. 3'248.35, die Einzugs- und
Betreibungskosten von Fr. 47.40 und die Garagevergütung von Fr. 135.--,
zusammen Fr. 3'430.75, nebst Zinsen.

    Das Kantonsgericht geht davon aus, Meichtry habe Schütz beim Empfang
des Wagens zur Reparatur als Eigentümer betrachtet und daher gutgläubig ein
Retentionsrecht erworben. Infolge der Herausgabe des instand gestellten
Wagens an Schütz sei das Retentionsrecht freilich untergegangen. Es
habe dann aber neu begründet werden können durch die am 11. Februar
1957 erfolgte Rückgabe des Wagens an den Beklagten, sofern dieser damals
noch gutgläubig gewesen sei. Das treffe zu, denn verschiedene Umstände
sprächen dafür, dass Schütz, als er den Wagen Meichtry zurückbrachte,
den zu Gunsten der Klägerin bestehenden Eigentumsvorbehalt verschwiegen
habe. Es sei auch nicht erwiesen, dass Meichtry damals bereits durch
die Klägerin selbst über den Eigentumsvorbehalt orientiert gewesen
sei. - Die Klägerin habe im Herbst 1956 gegenüber der Firma Métalléger
SA Schütz als Eigentümer des Wagens bezeichnet. Sie habe anscheinend
nicht als Eigentümerin hervortreten wollen, als es um die Bezahlung
der Reparaturkosten ging; dagegen habe sie sich später auf ihr Eigentum
berufen, um den Wagen behändigen zu können. Dieses Verhalten verstosse
gegen Treu und Glauben und rechtfertige ebenfalls die Abweisung der
Klage. - Selbst wenn übrigens das von der Klägerin vorbehaltene Eigentum
gegenüber dem Retentionsrecht des Beklagten zur Geltung kommen müsste,
wäre es nur auf das nach dem Unfall vorhanden gewesene Wrack des Wagens
zu beziehen, nicht auf den von Meichtry in Verbindung mit der Métalléger
SA wiederhergestellten Wagen. In der vorliegenden Fassung könnten also
die Klagebegehren keinesfalls geschützt werden.

    I.- Gegen dieses Urteil hat die Klägerin neben einer staatsrechtlichen
Beschwerde die vorliegende Berufung eingelegt mit dem Antrag, es sei
zu erkennen:

    a) der Beklagte habe an ihrem Wagen kein Retentionsrecht;

    b) der Wagen sei ihr zur freien Verfügung zu überlassen und der bei
Gericht hinterlegte Betrag von Fr. 4'000.-- ihr auszuzahlen;

    c) der Beklagte habe ihr als Schadenersatz Fr. 4'000.-- zu zahlen;

    d) die Widerklagebegehren seien abzuweisen.

    Der Beklagte trägt auf Abweisung der Berufung (wie auch der
staatsrechtlichen Beschwerde) an.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- (Streitwert).

Erwägung 2

    2.- Das kantonsgerichtliche Urteil beruht unter anderem auf der
tatbeständlichen Annahme, der Beklagte habe beim Rückempfang des
Wagens am 11. Februar 1957 den zu Gunsten der Klägerin bestehenden
Eigentumsvorbehalt noch nicht gekannt. Gegen diese Festellung richtet
sich die staatsrechtliche Beschwerde mit der Rüge einer willkürlichen
Beweiswürdigung. Grundsätzlich wäre die staatsrechtliche Beschwerde
zuerst zu beurteilen. Bei ihrer Prüfung erhob sich jedoch vorweg die
Frage, ob jene Feststellung für die Entscheidung des Rechtsstreites
von wesentlicher Bedeutung sei, oder ob nicht selbst bei gegenteiliger
Feststellung ein dem Eigentumsvorbehalt der Klägerin vorgehendes
Retentionsrecht des Beklagten anerkannt werden müsse. Da das angefochtene
Urteil der Berufung unterliegt und dieses Rechtsmittel denn auch in
gültiger Weise eingelegt worden ist, erschien es als angezeigt, die
soeben formulierte, vom materiellen Recht beherrschte Frage vorweg im
Berufungsverfahren abzuklären. Sollte sie dahin zu beantworten sein,
dass es auf die Kenntnis des Eigentumsvorbehalts beim Rückempfang des
Wagens entscheidend ankomme, so wäre dem staatsrechtlichen Verfahren
wiederum der Vortritt einzuräumen. Sollte sich dagegen als unerheblich
erweisen, ob der Beklagte, als Schütz ihm den Wagen zurückbrachte, um den
zu Gunsten der Klägerin bestehenden Eigentumsvorbehalt wusste, so würde
die staatsrechtliche Beschwerde des rechtlichen Interesses ermangeln und
wäre aus diesem Grund ohne weiteres abzuweisen, gleichgültig ob die mit
ihr erhobenen Rügen an und für sich begründet gewesen wären; damit würde
der Weg zur abschliessenden materiellen Beurteilung der Berufung frei.

Erwägung 3

    3.- Mit der Herausgabe des Wagens an Schütz verlor der Beklagte das
ihm nach Art. 895 ff. zugestandene Retentionsrecht. Dieses ist eben an
den Besitz gebunden und geht daher mit dem Verlust des Besitzes unter. So
verhält es sich nach überwiegender Lehrmeinung selbst bei unfreiwilligem
Besitzesvelust, allerdings mit Vorbehalt der Besitzesschutzklage auf
Wiedereinräumung des Besitzes. Zu dieser Frage (worüber vgl. OFTINGER,
N. 177 zu Art. 895 ZGB) ist hier nicht Stellung zu nehmen. Hat
doch der Beklagte den Wagen freiwillig, wenn auch verleitet durch
betrügerische Angaben, an Schütz herausgegeben, womit der Verlust des
Retentionsrechtes unvermeidlich verbunden war. Dem Kantonsgericht ist
aber darin beizustimmen, dass dieses Recht durch Wiedereinräumung des
Gewahrsams neu begründet werden konnte (vgl. LEEMANN, N. 6 und 7, und
OFTINGER, N. 176 ff., zu Art. 895 ZGB; O. BRANDER, Das Retentionsrecht
nach schweizerischen Zivilrecht, S. 8 und 49/50). Hiefür war allerdings
notwendig, dass die Voraussetzungen von Art. 895 ZGB noch oder neuerdings
erfüllt waren (vgl. OFTINGER, aaO N. 179). Ferner durfte nicht etwa
nunmehr ein Ausschlussgrund nach Art. 896 ZGB vorliegen, wie es der
Fall gewesen wäre, wenn der Beklagte den Wagen am 11. Februar 1957 zu
einem die Retention für die alte Verbindlichkeit nicht zulassenden
besondern Zweck erhalten hätte. Indessen übergab ihm Schütz damals
den Wagen gerade, um ihm den Retentionsbesitz für die Forderung aus
der Instandstellung des Wagens wieder zu verschaffen, was sein Anwalt
auch der Klägerin kundgetan hatte. Der Beklagte kann es nicht anders
verstanden haben, obwohl er dem Überbringer Schütz den Empfang des Wagens
"an Zahlungsstatt" bescheinigte. Gemeint war: zur Sicherstellung der
ausstehenden Zahlung. Demgemäss hat der Beklagte ja dann auf Grund
des Retentionsrechtes Betreibung auf Pfandverwertung angehoben und
niemals das Eigentum am Wagen für sich beansprucht. Fraglich ist unter
diesen Umständen nur noch, welche Bedeutung dem zu Gunsten der Klägerin
bestehenden Eigentumsvorbehalt zukomme: ob dieses Drittmannsrecht, das
pfandrechtsähnliche Sicherheit gibt, dem Retentionsrecht des Beklagten
vorgehe, oder ob das Retentionsrecht gemäss Art. 895 Abs. 3 ZGB ungeachtet
des Eigentumsvorbehaltes, also den Rechten der Klägerin vorgehend, zur
Geltung zu kommen habe.

Erwägung 4

    4.- Dem Retentionsrecht des Beklagten gebührt jedenfalls dann ohne
Zweifel der Vorrang, wenn er, als der Wagen am 11. Februar 1957 wieder in
seinen Gewahrsam gelangte, Schütz immer noch, und zwar in guten Treuen
(Art. 3 ZGB), für den Eigentümer hielt, wie es das Kantonsgericht
annimmt, eine Feststellung, die jedoch, wie erwähnt, mit staatsrechtlicher
Beschwerde als auf willkürlicher Beweiswürdigung beruhend angefochten
ist. Eben deshalb ist noch die weitere Frage zu prüfen, ob Schütz nicht
überhaupt, trotz dem von der Klägerin vorbehaltenen Eigentum, befugt
gewesen war, den Wagen dem Beklagten zur Instandstellung zu übergeben,
und ob er nicht ebenfalls befugterweise den durch Betrug gebrochenen
Gewahrsam ungeachtet des Eigentumsvorbehaltes wiederherstellen durfte;
eventuell, falls dies zu verneinen wäre, ob nicht der Beklagte dennoch
selbst bei Kenntnis des Eigentumsvorbehaltes der Klägerin den Überbringer
Schütz am 11. Februar 1957 als zur Wiederherstellung des Gewahrsams befugt
ansehen durfte und somit kraft guten Glaubens gemäss Art. 895 Abs. 3
ZGB das Retentionsrecht auf alle Fälle wieder erwarb.

    a) Die Sache, an der sich der Veräusserer das Eigentum vorbehalten
hat, ist dem Erwerber einstweilen (solange der Vorbehalt zu Recht besteht)
nur anvertraut. Es ist ihm nicht erlaubt, wie ein Eigentümer darüber zu
verfügen, insbesondere sie zu veräussern oder für eine beliebige Forderung
zu verpfänden. Durch unerlaubte Verfügung über die Sache macht er sich der
(nach Art. 140 StGB strafbaren) Veruntreuung schuldig (vgl. BGE 75 IV 105,
82 IV 182; SIMONIUS/SCHERRER, N. 93 zu Art. 715/16 ZGB). Dagegen stehen
ihm Gebrauch und Nutzung der Sache zu, und da Nutzen und Gefahr wie bei
einem ohne Eigentumsvorbehalt abgeschlossenen Kauf ordentlicherweise
gemäss Art. 185 Abs. 1 OR mit dem Vertragsabschluss auf ihn übergehen
(vgl. LEEMANN, N. 56 zu Art. 715 ZGB), hat er auch für den Unterhalt der
Sache zu sorgen und sie bei Beschädigung wieder instand zu stellen oder auf
eigene Kosten instand stellen zu lassen. Davon geht auch die Klägerin aus,
die dem Käufer Fr. 500.-- zum Abschluss einer Kaskoversicherung übergab
(was er unterliess) und die Bezahlung der Rechnung der vom Beklagten mit
einem Teil der Instandstellungsarbeiten betrauten Métalléger SA ablehnte,
weil diese Verpflichtung sie nicht berühre, sondern den Käufer allein
angehe. Sie erklärte dabei sogar, der Wagen gehöre ihr nicht mehr;
Schütz, der ihn gekauft habe, sei nun der Eigentümer (oben lit. C der
Tatsachen). Darin lag freilich kein Verzicht auf den Eigentumsvorbehalt. Es
ist aber für die eigene Auffassung der Klägerin bezeichnend, dass sie gar
nicht daran dachte, gegenüber den mit der Reparatur befassten Firmen etwas
aus dem Eigentumsvorbehalt herzuleiten, diesen vielmehr verschwieg und die
dem Käufer (gleichwie beim Fehlen eines Eigentumsvorbehalts) zukommende
selbständige Stellung hinsichtlich der ordentlichen Bewirtschaftung
des Wagens unterstrich. Im übrigen ist auch nicht etwa die Rede davon,
die in Frage stehende Instandstellung habe sich nicht gelohnt und wäre
besser unterblieben. Nach alldem war Schütz befugt, wenn nicht sogar im
Interesse der Klägerin verpflichtet, den Wagen, wie es geschehen ist,
instand stellen zu lassen und zu diesem Zwecke dem Beklagten zu übergeben.

    War die Klägerin zwar nicht mitverpflichtet, und erwuchs dem Beklagten
daher gegen sie keine Forderung, so erhielt er doch das mit dem Gewahrsam
verbundene Retentionsrecht. Schütz war eben auch zu Massnahmen befugt,
die ein gesetzliches Retentionsrecht seines Gläubigers am Wagen enstehen
liessen. Indem er diesen dem Beklagten zur Reparatur übergab, hat er
ihn keineswegs veruntreut.

    b) Ebenso lag es im Rahmen seiner Befugnisse, den durch Betrug
gebrochenen Gewahrsam des Beklagten wiederherzustellen. Die Abwicklung des
Schuldverhältnisses zwischen ihm und dem Beklagten blieb seine Sache. Dazu
gehörte auch die Wiederherstellung des Retentionsbesitzes, den der Beklagte
verleitet durch seine betrügerischen Angaben aufgegeben hatte. Er war am
11. Februar 1957 in der Lage, den Wagen dem Beklagten zurückzubringen, da
die Klägerin ihn ihm belassen und den Kauf nicht etwa im Sinne von Art.
716 ZGB rückgängig gemacht hatte. Der Klägerin stand nicht zu, dieser
Wiederherstellung des Besitzstandes - einer rechtmässigen Handlung
des Schuldners, wozu er gegenüber dem Beklagten mindestens moralisch
verpflichtet war - zu widersprechen, um den durch die Instandstellung
des Wagens geschaffenen Mehrwert ohne Rücksicht auf das normalerweise
dem mit der Reparatur betrauten Gläubiger zustehende Vorzugsrecht
für sich in Anspruch zu nehmen. Sie hinderte denn auch die vom Käufer
getroffene Wiederherstellungsmassnahme nicht, sondern verneint nur deren
Rechtswirksamkeit; wie dargetan, zu Unrecht. Allerdings unterliegt dem
Eigentumsvorbehalt nicht, wie die Vorinstanz annimmt, nur das "Wrack" des
Wagens in dessen Zustand nach dem Verkehrsunfall. Der Eigentumsvorbehalt
ergreift den Wagen samt seinen Bestandteilen, wie er heute nach der
Instandstellung vorhanden ist. Allein das Retentionsrecht des Beklagten
geht, da die gesetzlichen Voraussetzungen nach Art. 895 ff. ZGB auch am
11. Februar 1957 vorlagen und der Schuldner zur Rückverbringung des Wagens
in die Garage des Beklagten berechtigt war, den Rechten der Klägerin vor.

    c) Bei dieser Sachlage braucht sich der Beklagte nicht auf gutgläubige
Annahme einer in Wirklichkeit nicht bestehenden Berechtigung des
Schuldners zur Übergabe des Wagens zu berufen. Falls es an einer solchen
Berechtigung gefehlt hätte, wäre aber der gute Glaube des Beklagten in
der Tat zu bejahen, auch wenn ihm der zu Gunsten der Klägerin bestehende
Eigentumsvorbehalt beim Wiederempfang des Wagens am 11. Februar 1957
bekannt gewesen sein sollte. Der Wortlaut von Art. 895 Abs. 3 ZGB könnte
zwar, für sich allein betrachtet, zur Annahme verleiten, der gute Glaube
habe sich auf das Eigentumsrecht des Schuldners zu beziehen; er sei also
nicht gegeben, wenn dem Gläubiger das Eigentum eines Dritten bekannt
ist. Indessen spricht Art. 895 Abs. 3 ZGB einfach von gutgläubigem Empfang
der Sache. Diese Vorschrift ist nach zutreffender und denn auch allgemein
anerkannter Auffassung im Zusammenhang mit den Art. 714 und 933 ff. ZGB
dahin zu verstehen, der Gläubiger müsse beim Empfang der einem Dritten
gehörenden Sache den Schuldner in gutem Glauben als berechtigt betrachtet
haben, sie ihm zu dem vereinbarten Zweck auszuhändigen. Das kann nun,
wie sich gerade aus dem oben (Erw. 4, a und b) Ausgeführten ergibt,
mitunter auch dann zutreffen, wenn der Schuldner nicht Eigentümer der
Sache ist. Was insbesondere Sachen betrifft, die der Eigentümer einem
andern anvertraut hatte, so ist nach Art. 933 ZGB derjenige, der eine
solche Sache vom Besitzer "in gutem Glauben" zu Eigentum oder zu einem
beschränkten dinglichen Recht übertragen erhält, in seinem Erwerb auch
dann zu schützen, wenn sie dem Veräusserer "ohne jede Ermächtigung zur
Übertragung" anvertraut worden waren. Daraus folgt, dass als gutgläubig
auch ein Erwerber zu gelten hat, der den veräussernden Besitzer zwar nicht
als Eigentümer, aber als aus andern Gründen zur Verfügung berechtigt
ansieht und ansehen darf (vgl. HAAB/SIMONIUS, N. 55 zu Art. 714 ZGB;
so denn auch die ständige Rechtsprechung, vgl. statt vieler BGE 65 II
64). Auch der Besitz unter Eigentumsvorbehalt ist anvertrauter Besitz
im Sinne von Art. 933 ZGB (vgl. OSTERTAG, N. 6 zu Art. 933 ZGB;
J. O. RAUCH, Der Eigentumsvorbehalt, S. 98). Für die Entstehung des
Retentionsrechtes nach Art. 895 ZGB wird gleichwie für die Begründung
dinglicher Rechte kraft Rechtsgeschäftes zutreffenderweise angenommen,
Kenntnis vom Eigentumsrecht eines Dritten schliesse den guten Glauben des
die Sache empfangenden Gläubigers nicht aus. "Bösgläubig ist er erst,
wenn er weiss oder wissen muss, dass ihm der Schuldner die Sache nicht
hätte übergeben dürfen" (vgl. HOMBERGER/MARTI, Schweiz. jur. Kartothek Nr.
673, III, 2; so denn auch BGE 38 II 202 Erw. 4 betreffend Art. 227 aoR,
jedoch bereits mit Hinweis auf Art. 895 Abs. 3 ZGB, vgl. ferner ein
Urteil des bernischen Appellationshofes in ZbJV 70 S. 433 ff.; WIELAND,
N. 5, c, LEEMANN, N. 14, und OFTINGER, N. 134 und 134 a zu Art. 895 ZGB;
F. A. STAEHELIN, Probleme aus dem Gebiete des Eigentumsvorbehalts,
S. 85 und 90, mit Fussnoten 5 und 17). In der Übergabe eines Wagens zur
Instandstellung liegt keine eigentliche Verfügung über die Sache. Es
handelt sich um eine Massnahme der Vermögensverwaltung, die freilich
ein gesetzliches Retentionsrecht des mit der Instandstellung betrauten
Gläubigers nach sich zieht. Zu einer solchen Massnahme darf ein Garagist
den Wagenbesitzer für berechtigt halten, jedenfalls wenn dieser den Wagen
gekauft und nicht etwa bloss für eine einzelne Fahrt entlehnt hat, ganz
gleichgültig ob der Kaufpreis völlig oder nur zum Teil bezahlt ist und
ob noch ein Eigentumsvorbehalt des Verkäufers besteht, wie es bei einer
grossen Anzahl der im Verkehr befindlichen Motorfahrzeuge zutrifft.

Erwägung 5

    5.- Ist somit das Retentionsrecht des Beklagten zu schützen,
auch wenn ihm beim Rückempfang des Wagens das von der Klägerin beim
Verkauf an Schütz vorbehaltene Eigentum bekannt gewesen sein sollte,
so fällt die staatsrechtliche Beschwerde - die bei diesem Ergebnis der
materiellrechtlichen Prüfung mangels Interesses ohne weiteres abzuweisen
ist, gemäss Erw. 2 - nicht weiter in Betracht. Die Berufung ist auch
ihrerseits abzuweisen. Die Höhe der nach dem vorinstanzlichen Urteil durch
das Retentionsrecht gesicherten Forderungen des Beklagten und Widerklägers
ist vor Bundesgericht nicht beanstandet worden.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Kantonsgerichts des
Kantons Wallis vom 20. Februar 1959 bestätigt.